Zwei Orang-Utan-Babys gerettet

Zwei Orang-Utan-Babys gerettet

Zwei weitere Orang-Utan-Babys, die den trau­ma­ti­schen Verlust ihrer Mutter und einige Wochen in Gefan­gen­schaft bewäl­tigen müssen, haben jetzt bei BOS ihr neues Leben begonnen. Jeni und Alex­ander, beide noch kein Jahr alt, sind jetzt bei BOS in Sicher­heit. Nachdem sie die coro­nabe­dingt verschärfte Quaran­täne über­standen haben, dürfen sie jetzt im Wald­kin­der­garten spie­lend lernen, ein wilder Orang-Utan zu sein.

Corona und der Schutz vor einer mögli­chen Infek­tion sind eine große Heraus­for­de­rung für Mensch und Tier. Glück­li­cher­weise waren unsere Teams gut vorbe­reitet, als zwei kleine Orang-Utan-Waisen vor einigen Wochen in unser Schutz­zenrum Nyaru Menteng kamen. Wir haben schon darüber berichtet: An der Seite der indo­ne­si­schen Natur­schutz­be­hörde BKSDA war BOS seit Beginn der Pandemie an der Rettung von sieben Orang-Utans betei­ligt. Darunter zwei Babys, die wir zunächst in die neu ange­legten COVID-19-Quaran­täne-Stationen unserer Schutz­zen­tren aufge­nommen haben. 

Jeni war in einem besorg­nis­er­re­genden Zustand

Am 24. August brachte die BKSDA ein kleines Orang-Utan-Mädchen nach Nyaru Menteng. Bei ihrer Ankunft im Zentrum wog die damals zehn Monate alte Jeni nur fünf Kilo­gramm. Ihre Haut war ganz trocken, und sie hatte zahl­reiche Wunden auf dem Rücken und an einem ihrer Beine. Sie war in einem besorg­nis­er­re­genden Zustand.

Jeni hat ihre Mutter verloren
Jeni hat ihre Mutter verloren

In den ersten Tagen der Quaran­täne hatte Jeni große Schwie­rig­keiten, sich an ihre neue Umge­bung zu gewöhnen. Die Verlet­zung am Bein machte ihr schwer zu schaffen, außerdem zeigte sie alle Anzei­chen eines Schocks – was kein Wunder ist, da die viel zu frühe Tren­nung von der Mutter für kleine Orang-Utans ein trau­ma­ti­sie­rendes Erlebnis ist. Eigent­lich sind sie bis zum Alter von sieben oder acht Jahren auf ihre Mütter ange­wiesen – um sich in dieser Welt zurecht­zu­finden und alle Fertig­keiten zu lernen, die es zum Über­leben im Regen­wald braucht. Der Verlust der Mutter in diesem jungen Alter hinter­lässt tiefe seeli­sche Wunden und stellt die kleinen Orang-Utans vor riesige Heraus­for­de­rungen. Manchmal sogar vor die Heraus­for­de­rung zu überleben….

Jeni  liebt es, im Baum zu hangeln
Im Baum zu hangeln ist für Jeni das Größte

Das medi­zi­ni­sche Team und unsere Baby­sit­te­rinnen im Rettungs­zen­trum waren fest entschlossen gerade jetzt in diesen für alle schwere Zeiten, gut für Jeni zu sorgen, damit sie sich in ihrer neuen Umge­bung wohl und sicher fühlt. Und eines Tages mit der Trauer leben kann.

Alex­ander wollte nichts mehr trinken

Nur einen Tag nach Jeni wurde Alex­ander von einem Wild­tier-Rettungs­team der BKSDA gerettet, medi­zi­nisch versorgt und wenig später eben­falls nach Nyaru Menteng gebracht. Da war Alex­ander schät­zungs­weise neun Monate alt. Wie alle Neuan­kömm­linge wurde er genau unter­sucht: Sein Haar war verfilzt, die Haut ausge­trocknet und er hatte zahl­reiche Wunden an Beinen und Armen.

Bei seiner Erstuntersuchung wog Alexander nur 3,5 Kilogramm
Bei seiner Erst­un­ter­su­chung wog Alex­ander nur 3,5 Kilogramm

Der kleine Orang-Utan-Junge wog grade mal 3,5 Kilo­gramm und wirkte sehr verängs­tigt. Dem Rettungs­team der BKSDA hatte ein Dorf­be­wohner erzählt, dass Alex­an­ders Mutter von einem Hund ange­griffen worden und in Panik geflohen sei. Das Baby habe sie zurück­ge­lassen. Daraufhin habe der Mann das Baby mitge­nommen und in einen Käfig gesperrt, bis die BKSDA den kleinen Menschen­affen abholte.
Während seiner zwei­mo­na­tigen Quaran­täne litt Alex­ander unter Verdau­ungs­pro­blemen, sein kleiner Bauch war sichtbar aufge­bläht. Anfangs weigerte er sich, die von den Baby­sit­te­rinnen ange­bo­tene Milch zu trinken. Das war ein großes Problem, denn er musste drin­gend zunehmen. Doch der kleine Orang-Utan-Junge trau­erte offenbar so sehr um seine Mutter, dass er die Nahrung verwei­gerte. Unsere Tier­ärzte und Baby­sit­te­rinnen kümmerten sich sehr liebe­voll und geduldig um Alex­ander. Und schließ­lich kam er langsam wieder zu Kräften.

Bananen sind nährende Leckereien
Bananen halfen, dass Alexender wieder zu Kräften kam

Jetzt spielen beide Babys im Waldkinderkarten

Die Arbeit unserer Teams wurde belohnt: Aus Jeni ist inzwi­schen ein lebens­lus­tiges kleines Orang-Utan-Mädchen geworden, das sich in der Gemein­schaft der anderen sehr wohl­fühlt. Seit September ist sie in der Wald­kin­der­karten-Gruppe und klet­tert am liebsten den ganzen Tag in den Bäumen herum. Ihr Appetit ist zurück­ge­kehrt – ganz beson­ders gern isst Jeni Bananen.
Alex­ander erholt sich eben­falls langsam von seinem Trauma und gewöhnt sich jeden Tag etwas besser an sein neues Leben. Genau wie Jeni geht er mitt­ler­weile in den Wald­kin­der­garten und spielt mit den anderen kleinen Orang-Utans – am liebsten in den Bäumen. Oder er schau­kelt verträumt in einer Hängematte. 

Eines Tages werden sie hoffent­lich wieder frei leben können

Wir hoffen aufrichtig, dass diese beiden jungen Orang-Utans den Reha­bi­li­ta­ti­ons­pro­zess sicher durch­laufen und mit Bravour bestehen können. Auch sie haben es verdient, eines Tages wild und frei im Regen­wald zu leben. Da, wo sie hingehören.

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Orang-Utans: Werk­zeug­bauer, Erfinder und plan­volle Denker

Orang-Utans: Werk­zeug­bauer, Erfinder und plan­volle Denker

Wussten Sie, dass auch Orang-Utans Werk­zeuge verwenden? Folgen Sie uns in den Regen­wald und finden Sie heraus, was den Werk­zeug­ge­brauch bei Menschen­affen so beson­ders macht.

Der Gebrauch von Werk­zeugen, und vor allem auch ihre Herstel­lung, ist im Tier­reich extrem selten, und mancher Werk­zeug­ge­brauch wird oft fälsch­li­cher­weise pauschal als intel­li­gent bewertet. Beispiels­weise werfen Amei­sen­löwen – das sind die räube­ri­schen Insek­ten­larven der Amei­sen­jung­fern – kleine Steine auf ihre poten­zi­elle Beute. Oder Schüt­zen­fi­sche, die ihre Beute­tiere außer­halb des Wassers mit einem gezielten Wasser­strahl jagen. Das sind Beispiele für einen ange­bo­renen, sche­ma­ti­schen Gebrauch von Werk­zeugen, die typi­scher­weise immer gleich­blei­bend in nur einer bestimmten Situa­tion einge­setzt werden. Im Gegen­satz dazu erfor­dert intel­li­genter Werk­zeug­ge­brauch die Fähig­keit, mehrere Infor­ma­ti­ons­ebenen zu inte­grieren und das Verhalten schnell und flexibel an wech­selnde Situa­tionen anzupassen.

Dieser Stamm wird bearbeitet wie ein Kunstwerk
Dieser Stamm wird bear­beitet wie ein Kunstwerk

Orang-Utans verwenden in der freien Wild­bahn nicht nur routi­ne­mäßig Werk­zeuge, sie stellen diese sogar selbst her. Wenn sie vor einer neuen Aufgabe stehen, können sie neue Werk­zeuge sogar spontan erfinden (1). Darüber hinaus hat man fest­ge­stellt, dass die Menschen­affen auch ökono­mi­sche, ziel­ori­en­tierte Entschei­dungen über den Gebrauch von Werk­zeugen treffen (2). In der freien Wild­bahn konnte man bisher knapp 40 verschie­dene Arten von Werk­zeug­ge­brauch fest­stellen (3). Ein paar Beispiele gefällig?

Werk­zeug­ein­satz zur effi­zi­enten Nahrungsbeschaffung

Um an nähr­stoff­rei­ches Futter heran­zu­kommen, verwenden Orang-Utans bis zu sieben verschie­dene Vari­anten von Werk­zeugen (3). So entfernen sie zum Beispiel sehr geschickt die äußere unge­nieß­bare Hülle von Früchten mit Hilfe von kurzen Ästen, um an die wohl­schme­ckenden Samen heran­zu­kommen. Andere Früchte, wie etwa die von Neesia-Bäumen, benö­tigen noch mehr Arbeits­ein­satz – und Geduld: Entweder müssen die Menschen­affen warten, bis die hart­scha­lige große Frucht des Neesia-Baums heran­reift und von selbst aufplatzt. Oder, falls das  zu lange dauert, werden die Früchte auch schon mal vorsichtig aufge­bissen. Um an die leckeren Samen zu kommen, brechen die Orang-Utans Stöck­chen vom Baum, entfernen die Seiten­triebe und zum Teil auch die Rinde und kürzen das Stöck­chen auf die gewünschte Länge (4). Anschlie­ßend bear­beiten sie damit das Innere der Frucht, um den Inhalt der Frucht­kapsel heraus­zu­schälen. Hier müssen sie aller­dings sehr vorsichtig agieren, da die nähr­stoff­rei­chen Samen von einer dichten Schicht stache­liger Brenn­haare umgeben sind.

 die Neesia-Frucht - hier mit Werkzeug, um an das Innere zu gelangen
Ein echter Lecker­bissen: die Neesia-Frucht — hier mit Werk­zeug, um an das Innere zu gelangen

Um in Baum­höhlen oder Totholz nach Termiten und anderen Insekten zu angeln, aber auch um an leckeren Honig zu gelangen, nutzen die Orang-Utans speziell ange­fer­tigte Zweige, bei denen sie manchmal die Enden aufbeißen. Das macht das Werk­zeug vermut­lich effi­zi­enter, da es die Wahr­schein­lich­keit erhöht, dass sich Larven darin verbeißen und durch die vergrö­ßerte Ober­fläche mehr Honig aufge­nommen werden kann.

Gegen stechende Insekten verwenden sie manchmal Blätter als Schutz­hand­schuh oder ganze Äste als Körper­schutz. Sogar die Nutzung von natür­li­chen Stroh­halmen, um Regen­wasser aus Baum­lö­chern zu trinken, wurde schon beob­achtet (3). Manchmal brechen sie auch längere Äste vom Baum ab, um damit nach schwer erreich­baren Früchten zu angeln oder um die Wasser­tiefe fest­zu­stellen (5).

Während lang­an­hal­tender Dürre­pe­ri­oden, verur­sacht durch das El Niño Klima­phä­nomen, wird oft die Nahrung knapp. Dann kommt es vor, dass Orang-Utans mit größeren Holz­pflö­cken die Rinde von Bäumen entfernen, um an das Baum­kam­brium, die nahr­hafte Wachs­tums­schicht zwischen Rinde und Holz, heran­zu­kommen. Es erfor­dert viel Erfah­rung, die rich­tige Technik und Geschick, um in großen Höhen solche kraft­vollen, ziel­ge­rich­teten Bewe­gungen sicher auszuführen.

Körper­hy­giene und Wohlbefinden

Genau wie wir Menschen, legen Orang-Utans großen Wert auf Körper­pflege. So verwenden sie beispiels­weise kurze Äste als Zahn­sto­cher oder als Nagel­schaber und mit längeren Ästen kratzen sie sich gern den Rücken. Große Blätter nutzen sie als Sonnen­schutz oder Regen­schirm und manchmal auch als Fächer, um sich kühlende Luft zuzu­fä­cheln. Offenbar wissen diese schlauen Tiere auch um die wohl­tu­ende Wirkung mancher Pflanzen: Es ist schon beob­achtet worden, dass sie Heil­pflanzen zerkauen und den entzün­dungs­hem­menden Nahrungs­brei an Armen und Beinen verteilen (6).

Das tut gut - der Ast als Rückenkratzer
Das tut gut — der Ast als Rückenkratzer

Werk­zeuge, um Laute zu erzeugen

Orang-Utans haben ein breit­ge­fä­chertes Laut­re­per­toire. Bei dem soge­nannten ‘kiss-squeak´ wird die Luft durch die vorge­spitzten Lippen scharf einge­sogen, was einen stimm­losen Kuss­laut erzeugt (7). Orang-Utans jeden Geschlechts und Alters verwenden diesen Laut als Alarmruf, wenn sie sich gestört oder bedroht fühlen. Der kiss-squeak kann entweder ohne oder mit Hilfe von Blät­tern, die dabei an die Lippen gehalten werden, erzeugt werden.  Jung­tiere müssen diese Form der Laut­pro­duk­tion üben, bis es endlich klappt.

Orang-Utans bekommen nur alle sechs bis neun Jahre Nach­wuchs und haben so inner­halb der Menschen­affen das mit Abstand längste Gebur­ten­in­ter­vall (8). Diese lange Zeit­spanne wird benö­tigt, damit der junge Orang-Utan all die über­le­bens­wich­tigen Werk­zeug­tech­niken und sozialen Fähig­keiten erlernen kann. Experten vermuten, dass viele Formen des Werk­zeug­ge­brauchs kultu­rell von einer Gene­ra­tion an die Nächste weiter­ge­geben werden, und dass daher soziales Lernen eine große Rolle spielt (3).

Hier lernt einer vom anderen, wie man mit einem Stöckchen an den Honig in einem Stamm kommt
Hier lernt einer vom anderen, wie man mit einem Stöck­chen an den Honig im Stamm kommt

Wir tun unser Bestes, um unsere Schütz­linge in den Rettungs- und Reha­bi­li­ta­ti­ons­zen­tren best­mög­lich auf ein selbst­stän­diges Leben im Regen­wald vorzu­be­reiten und ihnen alles Wich­tige in der Wald­schule beizubringen.

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Beitrag von Dr. Isabelle Laumer

Refe­renzen:

1. Laumer I.B., Call J., Bugnyar T., Auer­sperg A.M.I. (2018) Spon­ta­neous inno­va­tion of hook-bending and unben­ding in oran­gutans (Pongo abelii). Scien­tific Reports 8:16518

2. Laumer I.B., Auer­sperg A.M.I., Bugnyar T., Call J. (2019) Oran­gutans (Pongo abelii) make flexible decis­ions rela­tive to reward quality and tool func­tion­a­lity in a multi-dimen­sional tool-use task. PLoS One 14(2): e0211031.

3. Meul­mann EJM, van Schaik CP (2013) Oran­gutan tool use and the evolu­tion of tech­no­logy. In: Sanz, C M; Call, J; Boesch, C. Tool Use in Animals. Cogni­tion and Ecology. Cambridge, UK: Cambridge Univer­sity Press, 176–202.

4. Forss S (2009) Social Lear­ning and Inde­pen­dent Explo­ra­tion in imma­ture Suma­tran Oran­gutans, Pongo abelii. Addi­tional compa­ra­tive study between two popu­la­tions; Suaq Balim­bing, Sumatra and Tuanan, Borneo. Master thesis super­vised by van Schaik CP

5. Shumaker R.W., Walkup K.R. & Beck B.B. (2011) Animal tool beha­viour: The use and manu­fac­ture of tools by animals. Balti­more, MD: Johns Hopkins Univer­sity Press.

6. Morrogh-Bernard, H.C., Foitová, I., Yeen, Z. et al. (2017) Self-medi­ca­tion by orang-utans (Pongo pygmaeus) using bioac­tive proper­ties of Dracaena cant­leyi . Sci Rep 7, 16653.

7. Lameira AR, Hardus ME, Nouwen KJJM, Topel­berg E, Delgado RA, et al. (2013) Popu­la­tion-specific use of the same tool-assisted alarm call between two wild oran­gutan popu­la­tions (pongo­pyg­maeus wurmbii) indi­cates func­tional arbi­trar­i­ness. PLoS ONE 8(7): e69749.

8. Wich, S. A., H. de Vries, et al. (2009). Oran­gutan life History varia­tion. Oran­gutans Geogra­phic Varia­tion in Beha­vi­oral Ecology and Conser­va­tion. S. A. Wich, A. S. S. Utami, T. Mitra Setia and C. P. van Schaik, Oxford Univer­sity Press.

Orang-Utan-Rettung in Zeiten von Corona

Orang-Utan-Rettung in Zeiten von Corona

Orang-Utans und deren Lebens­raum zu schützen ist in den Zeiten einer welt­weiten Pandemie beson­ders heraus­for­dernd. Für die Rettung von in Not gera­tenen Tieren gibt es keinen Lock­down. Ihnen muss – unter Berück­sich­ti­gung aller notwen­digen Hygie­ne­maß­nahmen – sofort geholfen werden. So waren auch unsere Teams in den vergan­genen Monaten mehr­fach auf Rettungs­mis­sion unterwegs.

Seit März war BOS an der Seite der indo­ne­si­schen Natur­schutz­be­hörde BKSDA an der Rettung von sieben Orang-Utans betei­ligt. Darunter waren zwei Babys, die wir zunächst in die neu ange­legten COVID-19-Quaran­täne-Stationen unserer Schutz­zen­tren aufge­nommen haben. Fünf erwach­sene Orang-Utans wurden in sichere, entle­gene Wald­ge­biete umgesiedelt.

Erst­kon­takt nur in voller Schutzausrüstung

Cova vor der Umsiedlung nach Sebangau
Cova vor der Umsied­lung nach Sebangau

Einer dieser umge­sie­delten Orang-Utans ist Cova. Das erwach­sene Männ­chen war einem Dorf zu nahe gekommen. Die Dorf­be­wohner hatten die BKSDA infor­miert, die den Orang-Utan gemeinsam mit uns in ein sicheres Regen­wald­ge­biet umsie­deln sollte. Cova saß ganz oben in einem Baum, als das Rettungs­team ihn aufspürte. Die Männer näherten sich ihm in voller Schutz­aus­rüs­tung – seit COVID müssen alle Teams zusätz­lich zu Maske und Hand­schuhen während der gesamten Rettungs­ak­tion undurch­läs­sige Ganz­körper-Anzüge tragen. Das gesamte Equip­ment wird häufiger als sonst komplett desin­fi­ziert, und die Teams werden so klein wie möglich gehalten.

Cova bei der Untersuchung

Diese Vorsichts­maß­nahme bringt für jeden einzelnen mehr Aufgaben mit sich, so auch bei der Rettung von Cova. Nach einem einge­henden Check des sedierten Männ­chens, durch­ge­führt von unserem Tier­arzt Dr. Agus Fachroni und seinem Mitar­beiter Dedi Badas, war klar: Cova war gesund und konnte von der BKSDA in den Natio­nal­park Sebangau umge­sie­delt werden.

Es mussten weniger Tiere gerettet werden

Insge­samt haben in diesem Jahr bis jetzt deut­lich weniger Rettungen statt­ge­funden als in den vergan­genen Jahren. Das liegt unter anderem daran, dass es 2020 in Indo­ne­sien seltener gebrannt hat als in manch anderen Jahren. Bisher musste von uns kein Orang-Utan gerettet werden, der wegen eines Feuers in Not geraten war. Die meisten Tiere wurden von Plan­tagen oder aus der Nähe von Dörfern geholt, wo die Orang-Utans auf ihrer Suche nach Nahrung zu dicht an den Lebens­raum der Menschen gekommen waren.

Bisher kein Fall von COVID-19 bei Menschen­affen bekannt

Die gute Nach­richt: Bis heute gibt es keinen einzigen Fall von COVID-19 in unseren Schutz­zen­tren – weder bei den Orang-Utans noch bei den Menschen (ACHTUNG, neuer Stand Januar 2021) Trotzdem sind wir gut vorbe­reitet: Seit Beginn des Lock­downs haben wir eine zusätz­liche Quaran­täne-Abtei­lung für mögliche Corona-Fälle einge­richtet. Die Vorbe­rei­tungen haben einige Zeit gedauert, weil die Auflagen noch strikter sind als sowieso schon, und wir jede Infek­ti­ons­ge­fahr für unsere über 400 Tiere ausschließen wollen. Bis alles soweit einsatz­be­reit war, konnten wir keine neuen Orang-Utans aufnehmen. Statt­dessen wurden sie in anderen Einrich­tungen, die schon über ausrei­chend Quaran­täne-Areale verfügten, unter­ge­bracht. Seit gut drei Monaten haben wir ausrei­chend Platz, sowohl für Neuan­kömm­linge als auch für mögliche Infek­ti­ons­fälle. Und so haben bereits zwei während des Lock­downs geret­tete Babys das gesamte Quaran­täne-Proze­dere erfolg­reich durch­laufen und sind jetzt im Wald­kin­der­garten aufge­nommen worden.

Strikte Hygie­ne­auf­lagen halten Tier und Mensch gesund

Strikte Hygieneauflagen

Auch in den anderen Berei­chen der Rettungs­zen­tren geht der Betrieb unter Berück­sich­ti­gung hoher Hygie­ne­stan­dards weiter. Der Alltag hat sich seit Ausbruch der Pandemie jedoch sehr verän­dert: Seit März finden keine Auswil­de­rungen mehr statt, um ganz sicher auszu­schließen, dass das womög­lich Virus zu den bereits ausge­wil­derten und wilden Tieren im Regen­wald getragen wird. Auch sind in den Schutz­zen­tren keine Besu­cher oder Forschungs­gruppen mehr zuge­lassen, und es wird komplett auf die Hilfe der zahl­rei­chen Frei­wil­ligen verzichtet, die sonst die Arbeit unserer Teams in den Zentren und außer­halb tatkräftig unter­stützen. Alle Beschäf­tigten arbeiten in vonein­ander getrennten Arbeits­be­rei­chen und in festen Teams. Regel­mä­ßige Check-Ups und von der Regie­rung bereit gestellte Covid19-Schnell­tests runden die Routinen ab. Sicher ist sicher.

Regel­mä­ßige Check-Ups

Wer davon kaum etwas mitbe­kommt, sind unsere Orang-Utans. Alle Tiere in den Rettungs­zen­tren sind gesund und tun das, was sie immer tun: Sie tollen herum, spielen und lernen jeden Tag etwas Neues in der Wald­schule. Andere warten geduldig auf den Tag ihrer Auswil­de­rung. Bis es soweit ist, halten wir zusammen und tun alles, was notwendig ist, um den Orang-Utans eine sichere Zukunft zu ermöglichen.

Unter­stützen Sie die Arbeit in unseren Rettungs­zen­tren in Corona-Zeiten.

 

Ein juckendes Will­kommen in der Welt der Großen

Ein juckendes Will­kommen in der Welt der Großen

Die Schul­aus­bil­dung unserer jungen Orang-Utans hat im Grunde nur ein Ziel: sich eines Tages eigen­ständig in der Wildnis zurecht­zu­finden. Dafür sind die Tiere je nach Fähig­keiten, Erfah­rungen und Verhalten in unter­schied­liche Klas­sen­stufen einge­teilt. Wenn alles gut läuft, kommt für jeden kleinen Orang-Utan in der Dschun­gel­schule der Moment, in die nächst­hö­here Klasse aufzu­steigen – und das heißt aus Sicht der jungen Menschen­affen, unbe­kannte Aben­teuer zu erleben und daran zu lernen.

Wenn die „Neuen“ das erste Mal in ihrer zukünf­tigen Klasse auftau­chen, ist das jedes Mal ein span­nender Moment. So auch für Malika, Kalanis, Monte, Jessi und Uru aus Gruppe 3. 

Malika
Malika
Kalanis
Kalanis

Sie waren in ihrem Wald­areal ganz in ihr Spiel vertieft, als sich plötz­lich Schritte näherten. Jemand kam den Steg entlang… Eine der Baby­sit­te­rinnen war im Anmarsch und hatte vier junge Orang-Utans im Schlepptau: Mema, Oka, Rachel und Zahri, alle bisher in der Gruppe 2 der Dschun­gel­schule, waren soweit, in die nächste Klas­sen­stufe aufzusteigen. 

Mema
Mema

Die Wald­schüler der Gruppe 3 näherten sich inter­es­siert den Neuan­kömm­lingen. Der Moment des Kennen­ler­nens war jedoch nur kurz, und es dauerte nicht lange, da waren alle gemeinsam ins fröh­liche Spiel vertieft.

Oka
Oka

Nach einiger Zeit löste sich Zahri unbe­merkt von der Gruppe. Es zog ihn tiefer in den Wald, um dort – unbe­ob­achtet von den Baby­sit­te­rinnen – inter­es­sante Ecken und Winkel dieses unbe­kannten Ortes zu erkunden. Monte, ein Senior der Gruppe, war offenbar von derselben Neugier getrieben und schloss sich Zahri an. Nach einer ganzen Weile dann großes Getöse: Zahri kam im Eiltempo aus dem Wald zurück und rannte schnur­stracks auf die Gruppe zu. Er schien sehr verzwei­felt zu sein und sabberte stark. Was war geschehen?

Rachel
Rachel

Offenbar hatte sich der kleine, neugie­rige Fein­schme­cker Cala­dium-Blätter in den Mund gesteckt, die hier überall wachsen. Die Pflanze, bei uns besser bekannt als Aron­stab, verur­sacht ein höchst unan­ge­nehmes und andau­erndes Jucken und Brennen, wenn man sie isst. Zum Glück wusste die Baby­sit­terin sofort, was zu tun war: Sie spülte Zahris Mund und Lippen gründ­lich mit Wasser, bis der Juck­reiz ganz verschwunden war. Es dauerte noch eine Weile, bis sich Zahri wieder ganz beru­higt hatte. Danach blieb er für den Rest des Tages bei der Gruppe und spielte mit den anderen. 

Zahri
Zahri

Manchmal ist es nicht so einfach für unsere jungen Affen, etwas Neues zu lernen. Wir sind sicher, dass Zahri diese für ihn wert­volle Lektion nie vergessen wird. Sie ist ein weiterer wich­tiger Schritt auf dem Weg in die Unabhängigkeit. 

Also, auf ins nächste Abenteuer! 

 

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Prima­ten­for­schung — Eine Domäne starker Frauen (1/2)

Prima­ten­for­schung — Eine Domäne starker Frauen (1/2)

Der Zwei­teiler erzählt die Geschichte von drei Pionie­rinnen der Prima­ten­for­schung — Jane Goodall, Dian Fossey und Birute Galdikas -, die vor über einem halben Jahr­hun­dert das Verhalten der großen Menschen­affen erforschten. Heute setzen in Ruanda, Uganda und Borneo drei junge Frauen ihre Arbeit fort: Julia Badescu, Nadia Mionieza und Ruth Linsky. Menschen­affen teilen circa 96 Prozent ihrer DNA mit dem Menschen, doch noch vor einem halben Jahr­hun­dert war kaum etwas über sie bekannt. Bis drei starke Frauen namens Jane Goodall, Dian Fossey und Birute Galdikas mit Unter­stüt­zung des kenia­ni­schen Paläo­an­thro­po­logen Louis Leakey die Prima­ten­for­schung begrün­deten! Jahr­zehnte später treten Julia Badescu, Nadia Mionieza und Ruth Linsky in Ruanda, Uganda und Borneo in ihre Fußstapfen.

Über 30 Jahre nach dem Tod von Dian Fossey liegen die Forschungs­ar­beiten über die Berg­go­rillas in den Händen der Ruander. Der Natio­nal­park ist ein Touris­ten­ma­gnet, und 10 Prozent der Einkünfte fließen in die Infra­struktur des Landes oder helfen, der Bevöl­ke­rung eine Alter­na­tive zum Wildern zu bieten. Wie ihre berühmte Vorgän­gerin kann die junge ruan­di­sche Biologin Nadia Niyo­ni­zeye über 60 Gorillas anhand ihres Nasen­ab­drucks unter­scheiden. Sie entdeckte unter anderem, dass nicht nur die als „Silber­rü­cken“ bekannten domi­nanten Männ­chen ein Recht auf Fort­pflan­zung haben und dass Gorillas seltener mitein­ander kämpfen als etwa Schim­pansen, aber durchaus zu „bluffen“ verstehen. In den frühen 80er Jahren gab es nur noch circa 254 Berg­go­rillas. Heute sind es dreimal so viele, doch die Art ist nach wie vor vom Aussterben bedroht. Die dritte große Pionierin der Prima­to­logie, die litau­isch stäm­mige Kana­dierin Birute Galdikas, widmete sich ab 1971 der Erfor­schung der Orang-Utans in Borneo. Sie wies beispiels­weise nach, dass diese Menschen­affen Eifer­sucht, Freude, Wut und Frus­tra­tion ausdrü­cken können. Im Gegen­satz zu Schim­pansen und Gorillas leben Orang-Utans nicht in Gruppen, sondern sind meist Einzel­gänger. Ihr natür­li­cher Lebens­raum, der Regen­wald, ist jedoch im Lauf der Jahr­zehnte stark geschrumpft: Ausge­dehnte Flächen wurden gerodet, um Platz für Palm­öl­plan­tagen zu machen. Birute Galdikas stieß ein ehrgei­ziges Programm zur Rettung der Art an. In ihrer Forschungs­sta­tion, Camp Leakey, wird sie heute von Ruth Linsky unter­stützt, die in Kanada bei ihr Prima­to­logie studierte. An der Seite von Birute Galdikas unter­sucht Linsky heute unter anderem, ob im Rahmen des Schutz­pro­gramms wieder ausge­wil­derte Orang-Utans sich mit ihren wilden Artge­nossen fortpflanzen.

Zweiter Teil am 24. November 2020, 16.00 Uhr (arte)