Der Frei­heit einen Schritt näher

Der Frei­heit einen Schritt näher

Der erste Tag an der Uni ist ein großer Tag. Man lässt die Kind­heit hinter sich, meist das Eltern­haus und die alten Freunden. Man beginnt einen neuen Lebens­ab­schnitt voller Frei­heit, span­nender Erfah­rungen, großer Selbst­stän­dig­keit und neuer Freunde. Aber auch ein Leben mit größerer Verant­wor­tung, neuen Aufgaben und Heraus­for­de­rungen. Genauso erging es Valen­tino, Cinta und sechs weiteren Orang-Utans, die jetzt auf der Voraus­wil­de­rungs­insel ihren letzten Ausbil­dungs­ab­schnitt begonnen haben. 

In unserem Rettungs­zen­trum Nyaru Menteng haben Cinta, Valen­tino, Jumbo, Hanin, Jiga, Petruk, Gonzales und Timpah zuletzt sehn­süchtig in den Sozia­li­sie­rungs­kä­figen ausge­harrt, ehe es für sie nun endlich auf die Voraus­wil­de­rungs­insel Badak Besar, die zum Salat Island Cluster gehört, gehen konnte. In einem ersten Trip wurden Valen­tino, Jumbo, Cinta und Hanin zur Insel gebracht, die vier anderen Wald­men­schen folgten zwei Tage später. 

Um die Tiere vor der Reise noch einmal durch­zu­che­cken und sicher in die Trans­port­boxen zu verladen, müssen sie sediert werden. Immer ein etwas stres­siger Moment für die Orang-Utans. Doch diesmal reagierten einige mit aufge­stellten Haaren und Kuss­lauten – deut­liche Unmuts­äu­ße­rungen – auf unser Team. Das Problem: Alle Mitar­beiter waren aufgrund unserer strengen Gesund­heits­pro­to­kolle von Kopf bis Fuß in Schutz­klei­dung gehüllt, um vor COVID-19 geschützt zu sein. Ein Anblick, der die Orang-Utans schwer irritierte.
Alle Orang-Utans und die Mitar­beiter, die an dem Transfer betei­ligt waren, wurden einem PCR-Test unter­zogen, um sicher­zu­stellen, dass sie nicht Träger von COVID-19 sind und die Krank­heit mögli­cher­weise in einem größeren Gebiet verbreiten könnten. 

Die Transportboxen werden auf das Schnellboot geladen
Die Trans­port­boxen werden auf das Schnell­boot geladen

Mit einem Schnell­boot ging es dann zur Voraus­wil­de­rungs­insel. Etwa vier Stunden dauerte die Reise, da wir einige Umwege in Kauf nahmen, um Begeg­nungen mit Anwoh­nern zu vermeiden. Auch aus Gründen des Gesund­heits­schutzes. Ankunfts­zeit auf der Insel war jeweils in den heißen Mittagsstunden. 

Vier Stunden dauert die Reise auf der "Dschungelautobahn"
Vier Stunden dauert die Reise auf der “Dschun­gel­au­to­bahn”

Ganz unter­schied­lich reagierten die frisch­ge­ba­ckenen Wald­stu­denten auf ihre neue Heimat. „Oran­gutan Jungle School“-Star Valen­tino zum Beispiel war sicht­lich verwirrt, als sein Käfig geöffnet wurde. Er hatte die zurück­lie­genden Monate in einem Einzel­ge­hege unter voll­kommen anderen Bedin­gungen gelebt als jetzt auf der Voraus­wil­de­rungs­insel. Da kann man schon mal baff vor Staunen sein. 

Valentinos erste Schritte auf der Insel
Valen­tinos erste Schritte auf der Insel

Jumbo hingegen schoss aus seinem Käfig und schnappte sich gleich einige Bananen, wobei er unser Team völlig igno­rierte. Als Cinta ihren Käfig verließ, versuchte sie, sich Mitglie­dern des Teams zu nähern. Aber zum Glück erregte Hanin, die bereits hoch oben in einem Baum saß und leckeres Dschun­ge­lobst genoss, ihre Aufmerksamkeit.

Jumbo hat sich Bananen geschnappt. Valentino ist noch etwas verunsichert
Jumbo hat sich Bananen geschnappt. Valen­tino ist noch etwas verunsichert

Zwei Tage später, bei der zweiten Voraus­wil­de­rung, verließ Timpah schnell ihre Box auf der Suche nach Wald­früchten. Sie igno­rierte die Anwe­sen­heit unseres Teams völlig und konzen­trierte sich direkt auf das verlo­ckende Obst an der Futter­platt­form. Zwei Männ­chen, Gonzales und Petruk, taten das Gleiche, entschieden sich aber für einen Platz oben in den Bäumen.

Timpah hat sich einen guten Beobachtungsposten gesichert
Timpah hat sich einen guten Beob­ach­tungs­posten gesichert

Zuletzt wurde Jigas Käfig geöffnet, da das 14-jährige Männ­chen für sein aggres­sives Verhalten bekannt ist. Und er machte seinem Ruf alle Ehre. Sofort nach dem Verlassen seines Käfigs geriet er in einen Kampf mit Petruk, während Timpah aus der Nähe zuschaute, während sie eine schmack­hafte Mahl­zeit genoss. 

Gonzales schwingt sich durch die Äste
Gonzales schwingt sich durch die Äste

Aufge­putscht von seinem Kampf mit Petruk, rich­tete Jiga dann seine Aufmerk­sam­keit auf unsere Team­mit­glieder, die sich schnell auf das sichere Boot zurück­ziehen mussten. Bei der eiligen Flucht aufs Schiff kam es zu einigen Stürzen. Aber am Ende kamen alle sicher an Bord. Da Jiga deut­lich gemacht hatte, dass er auf mensch­liche Beob­achter so gar keine Lust hatte, ließ das Team die Orang-Utans erstmal in Ruhe ihr neues Leben beginnen und fuhr zurück nach Hause. 

Jiga macht klar, wer der Boss ist
Jiga macht klar, wer der Boss ist

Viel Erfolg an der Walduni, wünschen wir den acht Orang-Utans! Seid schön flei­ßige Studenten, dann dürft ihr auch bald in den Regen­wald einziehen. 

 

Möchten Sie einen unserer Wald­schüler auf seinem Ausbil­dungsweg begleiten und ihm dabei Stück für Stück sein Leben in Frei­heit zurück­geben? Dann werden Sie Pate!

 

 

Unsere enga­gierten „Ersatz­mütter“ in den Rettungsstationen

Unsere enga­gierten „Ersatz­mütter“ in den Rettungsstationen

Muttertag – wir nehmen das als Anlass, einige unserer wunder­baren und enga­gierten Baby­sit­te­rinnen in den Reha­bi­li­ta­ti­ons­zen­tren Samboja Lestari und Nyaru Menteng vorzu­stellen. Als „mensch­liche Ersatz­mütter“ begleiten sie unsere kleinen Orang-Utan-Waisen liebe­voll in deren Entwick­lung: Sie fördern, kuscheln, füttern, klet­tern, werkeln, führen, spielen, inspi­rieren, trösten, raufen, lehren, schlichten und vieles mehr. Und genau wie mensch­liche Mütter müssen sie ihre Schütz­linge eines Tages in die Unab­hän­gig­keit entlassen.

Jeder Orang-Utan ist anders

Kumie arbeitet in der Waldschule in Nyaru Menteng
Kumie arbeitet in der Wald­schule in Nyaru Menteng

Wir haben einige Frauen aus unseren Betreu­ungs­teams gefragt, was sie an ihrer Arbeit ganz beson­ders mögen. In ihren Antworten schwingt immer auch die Freude und Herz­lich­keit mit, mit der sie ihre tägli­chen Aufgaben angehen. Zum Beispiel bei Kumie, die in Nyaru Menteng in der Wald­schule arbeitet: „Was ich an meiner Arbeit beson­ders mag? Die Orang-Utans natür­lich! Ich lerne jeden Tag so viel über diese wunder­baren Tiere. Jeder hat seine eigene Persön­lich­keit und inter­agiert auf eine sehr indi­vi­du­elle Weise. Ich bin in jeden einzelnen Orang-Utan verliebt.“

Isna­wati, Baby­sit­terin in Samboja Lestari, liebt die Arbeit im Wald. „Wir sind den ganzen Tag an der frischen Luft und bringen den Kleinen bei, sich in dieser natür­li­chen Umge­bung zu bewegen. Ich erfahre jeden Tag, dass meine Arbeit nicht nur zum Schutz der Orang-Utans, sondern auch zum Erhalt ihres Lebens­raumes beiträgt.“

Isnawati  ist Babysitterin in Samboja Lestari
Isna­wati ist Baby­sit­terin in Samboja Lestari

Ein Lernen auf beiden Seiten

Manchmal müssen sich Tier und Mensch erst anein­ander gewöhnen. Hani Puspita Sari gehört zum Enrich­ment Team in Nyaru Menteng. Mit ihrer Arbeit fördert sie die artge­rechte Entwick­lung der Tiere durch entspre­chende Aufgaben. Als sie ganz neu im Team war, konnte sie die Orang-Utans noch nicht ausein­an­der­halten. Doch mit der Zeit merkte sie sich Namen und Gesichter und baute eine Bezie­hung zu ihnen auf. „Kirun ist so einer – ein domi­nantes und freches Männ­chen, etwa 20 Jahre alt. Im Moment wohnt er in der Quaran­tä­ne­sta­tion. Jedes Mal, wenn ich in der Anlage Futter verteile, bleibe ich kurz vor seinem Käfig stehen. Früher hat er mich öfters mal gebissen, keine Ahnung, ob er sich daran noch erin­nert. Aber er erkennt mich sofort und fängt an, mit mir zu inter­agieren, sobald ich in seine Nähe komme. Dieses „Mitein­ander“ bedeutet mir viel.“

Hani Puspita Sari gehört zum Enrichment Team in Nyaru Menteng
Hani Puspita Sari gehört zum Enrichment

Hari­yanti, die Betreuerin des Enrich­ment-Teams in Samboja Lestari, wurde einmal von Kikan, einem jungen Orang-Utan, ins Gesicht geschlagen, als sie grade die Lebens­mit­tel­vor­räte für die Wald­schule prüfte. „Es war völlig über­ra­schend für mich – uns sehr schmerz­haft! Seither halte ich lieber einen größeren Abstand ein.“ Trotzdem möchte sie ihre Arbeit nicht tauschen. „Ich erzähle meinen beiden Kindern oft von meinem Arbeits­alltag mit den Orang-Utans. Für mich würde ein großer Wunsch in Erfül­lung gehen, wenn die beiden eines Tages dazu beitragen, das Bewusst­sein für Umwelt­fragen und den Schutz der Tiere zu schärfen.“

Hariyanti ist Betreuerin im Enrichment-Team in Samboja Lestari
Hari­yanti ist Betreuerin im Enrichment-Team

Verein­bar­keit von Familie und Beruf auch hier ein Thema

Viele unserer Baby­sit­te­rinnen haben zu Hause eine Familie mit Kindern. Es geht ihnen wie vielen Müttern, die jeden Tag Arbeit und Familie unter einen Hut bringen müssen. Dazu Sri Rama­d­hanti, Baby­sit­terin in Samboja Lestari: „Ich versuche jeden Tag beidem gerecht zu werden: meinem Sohn und den Baby-Orang-Utans. Mir ist es wichtig, sowohl mein Kind als auch die kleinen Menschen­affen best­mög­lich in ihrer Entwick­lung zu fördern. Ich möchte mitzu­be­kommen, wie sie Fort­schritte machen und wachsen. Meine Arbeit macht mich wirk­lich sehr glück­lich – aber manchmal bin ich auch traurig, wenn ich Nacht­schicht im Baby-Haus habe und meinen Sohn zu Hause lassen muss.“

Sri Ramadhanti ist Babysitterin in Samboja Lestari
Sri Rama­d­hanti ist Baby­sit­terin in Samboja Lestari

Wir wissen um das große Enga­ge­ment, dass die mensch­li­chen Ersatz­mütter jeden Tag für die kleinen Orang-Utans bringen – mit ihrer Erfah­rung, ihrer Fürsorge, ihrer Liebe. Ohne sie ginge es nicht. Täglich geben sie ihr bestes, damit eines Tages die reha­bi­li­tierten Orang-Utans die Chance bekommen, in ihre wahre Heimat im Wald zurück­zu­kehren. Wir danken ihnen von Herzen.

Sie möchten die Arbeit unserer Teams vor Ort unter­stützen? Machen Sie mit – schenken macht glück­lich. Hier geht es zu unseren Ange­boten zum Muttertag.

 

Ein Abend mit Orang-Utan Mutter Inung und Indie

Ein Abend mit Orang-Utan Mutter Inung und Indie

Gemäch­lich klet­tert Inung, unser Orang-Utan-Weib­chen, das vor acht Jahren im Bukit Batikap Regen­wald ausge­wil­dert wurde, mit ihrem neuge­bo­renen Baby Indie durch das dichte Blät­ter­dach – stets darauf bedacht, stabile Äste beim Klet­tern auszu­wählen. Sie ist auf der Suche nach einem geeig­neten Schaf­platz, denn der Tag neigt sich bald dem Ende zu. Es war ein entspannter Tag, an dem sie mit ihrer Kleinen viele wohl­schme­ckende Früchte gefunden hat. Doch bevor sie und Indie sich zum Schlafen legen können, muss Inung erst ein Nest hoch oben in den Bäumen bauen.

Glück­li­cher­weise wird sie schnell fündig und beginnt mit der kompli­zierten Konstruk­tion. Der Regen­wald ist erfüllt von abend­li­chen Klängen, als aus der Ferne, ein soge­nannter ‘Long Call‘ erklingt. Inung erkennt an der indi­vi­du­ellen Struktur dieses komplexen Rufes, dass dieser von Indies Vater stammt. Entspannt baut sie weiter, um sich dann zusammen mit Indie zum Schlafen hinzu­legen. Was dieser Ruf bedeutet, und welche Infor­ma­tionen Inung dadurch über­mit­telt werden, erläu­tern wir später. Nun widmen wir uns erstmal dem Schlaf von Orang-Utans.

Dr. Isabelle Laumer ist Primatologin und forscht über Orang-Utans
Dr. Isabelle Laumer ist Prima­to­login und forscht über Orang-Utans

Was passiert im Schlaf?

Wenn wir schlafen, sinken Puls, Atem­fre­quenz und Blut­druck ab, die Gehirn­ak­ti­vität verän­dert sich und wir driften in verschie­dene Stadien der NREM Schlaf­phase (non-rapid eye move­ment ‘Schlaf ohne rasche Augen­be­we­gung‘ e.g. 1). Schlaf beim Menschen, Orang-Utans und anderen Säuge­tieren ist durch zykli­sche Phasen von NREM und REM Schlaf (rapid eye move­ment) gekenn­zeichnet. Im REM-Schlaf steigen Gehirn­ak­ti­vität, Puls- und Atem­fre­quenz wieder an, begleitet von einem verrin­gerten Tonus der Skelett­mus­ku­latur. Bewe­gungen, die man im Traum durch­lebt, werden so im Schlaf nicht ausge­führt (was bei Schlaf in einem Baum­nest fatal wäre). Während Menschen im Durch­schnitt sieben bis acht Stunden Schlaf benö­tigen, so ist die Schla­fens­zeit bei Säuge­tieren stark artspe­zi­fisch und reicht von rund zwei Stunden bei Elefanten (2) zu bis zu 20 Stunden bei manchen Fleder­maus­arten (3). Orang-Utans schlafen ähnlich lange wie der Mensch – etwa neun Stunden (4). Die Frage, ob Orang-Utans und andere Tiere träumen und ob sie sich dessen bewusst sind, kann bisher zumin­dest von rein wissen­schaft­li­cher Seite nicht beant­wortet werden. Aller­dings spre­chen die ähnli­chen Schlaf­phasen und andere Indi­zien dafür, dass zumin­dest Säuge­tiere wie Orang-Utans, ähnlich wie wir Menschen, Tages­er­leb­nisse im Traum reka­pi­tu­lieren (e.g. 5, 6).

Schlaf­nester bei Menschenaffen.

Alle vier Menschen­affen, Orang-Utans, Schim­pansen, Bonobos und Gorillas, schlafen in selbst­ge­bauten Schlaf­nes­tern. Die Nester werden selten wieder­holt genutzt und jeden Tag an einer neuen Stelle neu gebaut. Manchmal wird auch tags­über ein Nest konstru­iert, um etwa nach der Nahrungs­auf­nahme zu ruhen. Gorillas fallen etwas aus der Reihe, da sie ihre Nester, im Gegen­satz zu den anderen Menschen­affen, meist auf dem Boden errichten. Man geht davon aus, dass Menschen­affen Schlaf­nester bereits im Miozän, etwa vor 18–14 Millionen von Jahren (das ist der Zeit­punkt als Menschen­affen entwick­lungs­ge­schicht­lich entstanden sind), gebaut haben, als evolu­tio­näre Anpas­sung an ihre zuneh­mende Körper­größe und Schlaf­be­dürf­nisse. Inter­es­san­ter­weise ist das Nest­bauen nicht ange­boren. Menschen­af­fen­kinder müssen es erlernen (7).

Lernen ein stabiles, mehr­schich­tiges Schlaf­nest zu bauen – ein jahre­langes Unterfangen.

Schlafnester sind in mehreren Schichten aufgebaut
Schlaf­nester sind in mehreren Schichten aufgebaut

Junge Orang-Utans müssen von ihrer Mutter lernen, wie man ein stabiles Schlaf­nest hoch oben in den Baum­wip­feln baut. Diese komplexen, ovalen Gebilde bestehen oft aus bis zu sieben Schichten und können sogar ein 90kg schweres Männ­chen sicher tragen. Zual­ler­erst werden an einer geeig­neten Stelle im Baum – oft dort, wo sich eine Astgabel befindet – mehrere große Äste zur geplanten Mitte des Nestes umge­bogen. Diese bilden die Platt­form, auf der das eigent­liche Schlaf­nest entsteht. Dabei muss vorsichtig gear­beitet werden, damit die Äste beim Biegen nicht ausein­an­der­bre­chen und die Holz­fa­sern immer noch mitein­ander verbunden sind. Nun werden mittel­große und klei­nere Äste zur Mitte hinge­bogen und mit dem Unter­grund verwebt, so dass ein Latten­rost-ähnli­ches Gebilde entsteht. Im Verlauf von etwa einer halben Stunde werden weitere kurze Äste und Blätter von den umlie­genden Ästen gepflückt und geschickt mit dem Unter­grund zu einer Matratze verwebt. Je nach Bedarf, werden sogar Kopf­kissen und Decke aus Pflan­zen­ma­te­rial herge­stellt. Zum Schluss wird manchmal auch noch ein Dach aus großen Blät­tern über dem Nest konstru­iert – wer möchte schon im Schlaf nass geregnet werden?

Welche Höhe und welche Baum­arten werden bevorzugt?

Große erwach­sene Männ­chen bauen ihre Nester meist tiefer auf einer Höhe von etwa fünf bis neun Metern.  Die leichter gewich­tigen Weib­chen und klei­neren Männ­chen ohne sekun­däre Geschlechts­merk­male wie Wangen­wülste und Kehl­säcke (die bilden sich meist erst später aus), schlafen weiter oben im Baum, in einer Höhe von durch­schnitt­lich 10–14 Metern (8). Tag-Nester werden meist in größerer Höhe, zwischen 10 bis 24 Metern, errichtet.
Doch nicht nur eine bestimmte Höhe wird bevor­zugt. Man hat heraus­ge­funden, dass beson­ders Orang-Utan-Mütter Wert auf einen von dichten Blät­tern geschützten Platz im Baum legen (9). Vermut­lich um ihren Nach­wuchs vor poten­ti­ellen Gefahren, wie Wilde­rern oder den selten gewor­denen Sunda-Nebel­par­dern zu schützen. Je nach Gebiet und Beschaf­fen­heit des Regen­waldes, bevor­zugen Orang-Utans bestimmte Bäume als Schlaf­orte. In Zentral­ka­li­mantan nisten Orang-Utans am häufigsten in Bäumen der Fami­lien Elaeo­car­paceae, Euphor­biaceae und Anacar­diaceae (8). Das Holz dieser Bäume ist sehr stabil, und die Zweige weisen eine hohe Flexi­bi­lität auf. Inter­es­san­ter­weise scheinen manche dieser Baum­arten sogar pflanz­liche Inhalt­stoffe aufzu­weisen, die Insekten wie Moskitos abhalten.

Und nun enträt­seln wir die Botschaft des ‘Long Calls‘, die Inung von dem Männ­chen vernommen hat. Neueste Studien haben ergeben, dass dieser komplexe mehr­tei­lige Ruf, der bis zu 1500 Meter weit hörbar ist und in eine bestimmte Rich­tung geäu­ßert wird, den Weib­chen in der Umge­bung mitteilt, wohin es am nächsten Morgen geht. Das Revier eines Männ­chens über­schneidet sich oft mit dem von mehreren Weib­chen. Wenn das Männ­chen weiter­zieht, folgen ihm die Weib­chen. Somit planen männ­liche Orang-Utans schon einen Tag im Voraus, in welche Rich­tung es am nächsten Tag gehen soll (10, 11).

Eines unserer wich­tigsten Ziele ist es, mehr Regen­wald­flä­chen zu erwerben und zu Schutz­wald für unsere Orang-Utans umzu­wan­deln. Helfen auch Sie diesen faszi­nie­renden Lebens­raum und seine gewal­tige Arten­viel­falt zu erhalten und zu schützen. Werden auch Sie zum BOS-Unter­stützer. Mit ihrer Spende helfen sie den Orang-Utans und dem Regen­wald! Jeder Beitrag hilft.

Text:
Dr. Isabelle Laumer

Refe­renzen:

1.    Rasch B, and Born J. (2013) About sleep’s role in memory. Physio­lo­gical Reviews 93(2):681–766.

2.    Gravett N, Bhag­wandin A, Sutcliffe R, Landen K, Chase MJ, Lyamin OI, Siegel JM, and Manger PR (2017). Inactivity/sleep in two wild free-roaming African elephant matri­archs — Does large body size make elephants the shor­test mamma­lian slee­pers? PLOS ONE 12:e0171903.

3.    Zepelin H, Rcht­schaffen A (1974). Mamma­lian Sleep, Longe­vity, and Energy Meta­bo­lism. Brain Beha­vior and Evolu­tion 10:425–470.

4.    Samson DR, Shumaker RW (2013). Docu­men­ting oran­gutan sleep archi­tec­ture: slee­ping plat­form comple­xity increases sleep quality in captive Pongo. BEHAVIOUR 150:845–861.

5.    PR Manager, JM Siegel (2020) Do all mammals dream? The Journal of Compa­ra­tive Neuro­logy Rese­arch in Systems Neuro­sci­ence. DOI 10.1002/cne.24860.

6.    HF Olaf­s­dottir, C Barry , AB Saleem, D Hass­a­bism, H J Spiers (2015) Hippo­campal place cells cons­truct reward related sequences through unex­plored space. eLife; 4:e06063.

7.    Videan EN. 2006. Bed-buil­ding in captive chim­pan­zees (Pan troglo­dytes): the importance of early rearing. American Journal of Prima­to­logy 68(7):745–751.

8.    Didik Prasetyo, Sri Suci Utami, Jatna Supri­jatna (2012) Nest struc­tures in Bornean oran­gutans. Journal Biologi Indo­nesia 8 (2): 217–227.

9.    Arora, N., Van Noor­dwijk, M.A., Acker­mann, C., Willems, E.P., Nater, A., Greminger, M., Niet­lis­bach, P., Dunkel, L.P., Atmoko, S.U., Pamungkas, J., Perwi­ta­sari-Fara­jallah, D., (2012) Paren­tage-based pedi­gree recon­s­truc­tion reveals female matri­li­neal clus­ters and male-biased dispersal in nongre­ga­rious Asian great apes, the Bornean oran­gutans (Pongo pygmaeus). Mol. Ecol. 21 (13), 3352–3362.

10.    van Schaik CP, Dame­rius L, Isler K (2013) Wild Oran­gutan Males Plan and Commu­ni­cate Their Travel Direc­tion One Day in Advance. PLoS ONE 8(9): e74896.

11.    Askew J, A, Morrogh-Bernard H, C (2016) Acou­stic Charac­te­ristics of Long Calls Produced by Male Orang-Utans (Pongo pygmaeus wurmbii): Adver­ti­sing Indi­vi­dual Iden­tity, Context, and Travel Direc­tion. Folia Primatol; 87:305–319.

12.    F Fauzi, Suemarno, A Afandhi, AS Leksono (2020) Nesting beha­vior of Bornean imma­ture oran­gutan (Pongo pygmaeus wurmbii) in Nyaru Menteng Arbo­retum School, Palangka Raya, Central Kali­mantan, Indo­nesia; Biodi­ver­sitas: Volume 21, 5, 2172–2179.

 

Die ORANGUTAN JUNGLE SCHOOL hat ihre Pforten geöffnet

Die ORANGUTAN JUNGLE SCHOOL hat ihre Pforten geöffnet

Herein­spa­ziert in die „Oran­gutan Jungle School“ heißt es ab Donnerstag, 6. Mai um 20:15 Uhr auf SAT.1 GOLD. Die Erfolgs­serie wurde seit 2018 in unserem Rettungs­zen­trum Nyaru Menteng gedreht, begeis­terte welt­weit schon Millionen von Menschen und bietet einen so zuvor noch nie gese­henen Blick auf unsere Wald­schüler. Endlich sind sechs Folgen der Doku-Reihe auch im deut­schen Fern­sehen zu sehen.

Tieri­sche Stars wurden durch die „Oran­gutan Jungle School“ geboren, die sicher­lich auch in Deutsch­land bald eine große Fange­meinde entzü­cken werden: So zum Beispiel „Big Boy“ Beni, der durch seinen über­mä­ßigen Appetit mit Gewichts­pro­blemen zu kämpfen hat. Oder Herzens­bre­cherin Monita, die nach ihrer Rettung die ersten Tage in der „Jungle School“ meis­tern muss. Natür­lich Alba, der welt­weit einzige Albino-Orang-Utan. Und viele weitere unserer Waldschüler.

Ab 6. Mai zeigt SAT.1 GOLD immer donners­tags um 20:15 Uhr neue Folgen aus der BOS-Wald­schule. Wie der kosten­freie Sender SAT.1 GOLD empfangen werden kann, ist hier nach­zu­lesen. Online ist der Live­stream der „OJS“ auch nur eine Regis­trie­rung entfernt.
Und nach der Ausstrah­lung im TV sind die Folgen jeweils vier Wochen lang in der SAT.1 GOLD-Media­thek abrufbar. 

Hier zusam­men­ge­fasst alle Sendetermine:

6. Mai 2021, 20:15 Uhr — Folge 1: Will­kommen in der Rettungsstation

13. Mai 2021, 20:15 Uhr — Folge 2: Albino Alba setzt sich durch

 20. Mai 2021, 20:15 Uhr — Folge 3: Die Wildnis ruft!

 27. Mai 2021, 20:15 Uhr — Folge 4: Kein Glück für Beni

3. Juni 2021, 20:15 Uhr — Folge 5: Erik in Lebensgefahr

10. Juni 2021, 20:15 Uhr — Folge 6: Ein Abschied für immer

 

Als Orang-Utan-Retter können Sie die Wald­schüler und unsere Arbeit in den Rettungs­zen­tren unterstützen.

Langsam aber sicher — Jeffrey kommt voran

Langsam aber sicher — Jeffrey kommt voran

Er ist ein kleines medi­zi­ni­sches Wunder, der 23 Jahre alte Orang-Utan-Mann Jeffrey. Wobei klein bei Jeffrey vermut­lich das Letzte ist, was einem einfällt, wenn man ihm begegnet… Im Oktober 2019 hatte er eine kompli­zierte Hüft-OP, von der er sich über­ra­schend schnell erholte. Seit gut einem Jahr lebt er jetzt wieder auf einer unserer Voraus­wil­de­rungs­insel. Und macht sich dort so gut, dass wir noch immer hoffen dürfen, ihn eines Tages in den Regen­wald auswil­dern zu können.

Hüft­dys­plasie – so lautete die scho­ckie­rende Diagnose für Orang-Utan Jeffrey im Herbst 2019. Aufgrund dieser schmerz­haften Fehl­stel­lung im Hüft­ge­lenk mussten wir das statt­liche Männ­chen direkt von der Voraus­wil­de­rungs­insel holen und in die Tier­klinik unseres Schutz­zen­trums Samboja Lestari einweisen. Denn unbe­han­delt hätte diese Erkran­kung über ein anfäng­li­ches Hinken und Gang­stö­rungen bis zu einer Arthrose führen können. Eine Auswil­de­rung wäre somit ausge­schlossen. Denn körper­liche Fitness ist eine der Grund­vor­aus­set­zungen für ein unab­hän­giges Leben in Freiheit. 

Um Jeffrey dieser Chance nicht zu berauben, setzten wir alle Hebel in Bewe­gung. Unser Tier­ärz­te­team holte sich darum im Oktober 2019 sogar die Unter­stüt­zung eines „Menschen-Ortho­päden“, der in einer aufwän­digen Opera­tion mit Hilfe eines Glas­fa­ser­gusses Jeffreys Becken­kno­chen neu posi­tio­nierte. Und Jeffrey nutzte seine Chance. Wenige Wochen nach der OP war er wieder auf den Beinen. In der anschlie­ßenden Reha erwies er sich als vorbild­li­cher Patient. Und so beschlossen wir, dass das domi­nante Männ­chen eine zweite Gele­gen­heit erhalten sollte, uns auf der Voraus­wil­de­rungs­insel #0 von seinen Über­le­bens­tech­niken zu überzeugen. 

Jeffrey darf auf die Freiheit hoffen
Jeffrey darf auf die Frei­heit hoffen

Im März 2020 war es so weit. Das große Männ­chen wurde sediert, gründ­lich unter­sucht und mit Hilfe einiger unserer stärksten Mitar­beiter von seinem Behand­lungs­ge­hege in der Klinik per Auto und Boot auf die Insel #0 verlegt. Und Jeffrey hat uns nicht enttäuscht. Kaum auf der Insel ange­kommen, baute er direkt ein Nest und begab sich dann auf Erkun­dungs­tour über die Insel. 

Für ein domi­nantes Männ­chen ist Jeffrey ein eher ruhiger, gemüt­li­cher Typ – mit festen Gewohn­heiten. Zweimal täglich wartet er geduldig darauf, dass unserer Mitar­beiter zur Insel kommen, um Obst und Gemüse an der Fütte­rungs­platt­form abzu­legen. Schon von Weitem hat er das Boot fest im Blick und beob­achtet genau, welche Lecke­reien diesmal für ihn und die anderen Insel­be­wohner gelie­fert werden. 

Der imposante Jeffrey auf Beobachtungsposten
Der impo­sante Jeffrey auf Beobachtungsposten

Unsere Mitar­beiter sind nach dem einen Jahr, das Jeffrey nun auf der Voraus­wil­de­rungs­insel verbracht hat, durchaus hoff­nungs­voll, dass er das Poten­zial hat, eines Tages ausge­wil­dert zu werden. Solange er bei guter Gesund­heit bleibt und alle Anfor­de­rungen erfüllen kann, die ein Leben im Wald von Kehje Sewen an ihn richtet.

Werden auch Sie zum BOS-Unter­stützer. Mit Ihrer Spende helfen Sie den Orang-Utans, dem Regen­wald und damit auch unserem Klima. Jeder Beitrag hilft.