“Gober — Vom Schicksal einer Orang-Utan-Mutter”

“Gober — Vom Schicksal einer Orang-Utan-Mutter”

Was macht eine Orang-Utan-Mutter auf Sumatra, wenn ihre Sehkraft durch Grauen Star zuneh­mend schwindet, sie aber noch ihren Nach­wuchs versorgen muss? Es ist die Tochter, die der kranken Mutter namens “Gober” zunächst das Über­leben sichert und sie mit Nahrung versorgt. Schließ­lich aber findet Gober Aufnahme in einer Rettungsstation.

In einer spek­ta­ku­lären Opera­tion wird ihr dort das Augen­licht zurück­ge­geben. Gober hat aber auch noch andere Schwie­rig­keiten: Vor allem durch die Ausdeh­nung der Ölpalm­plan­tagen wird das ohnehin schon kümmer­liche Wald­ge­biet auf der indo­ne­si­schen Insel Sumatra für Orang-Utans so gut wie unbewohnbar.

Bäume mit nassen Füssen

Bäume mit nassen Füssen

Die Bedeu­tung tropi­scher Torfmoorwälder

Torf­moore bede­cken nur drei Prozent der Erdober­fläche, spei­chern aber so viel Kohlen­stoff wie alle grünen Pflanzen der Welt zusammen oder — in Kohlen­di­oxid (CO2) ausge­drückt — fast so viel wie die gesamte Atmo­sphäre. Das macht Torf­moore beson­ders unter dem Gesichts­punkt der klima­re­le­vanten Treib­hausgas-Vermei­dung so unglaub­lich bedeutsam. 

Kohlen­stoff wird gebunden

Torf­moore kommen in den verschie­densten Ausprä­gungen in nahezu allen regen­rei­chen Regionen der Erde an Stand­orten vor, wo Nieder­schlags­wasser kaum abfließen kann, so dass die Böden dauernd durch­nässt sind. Dann entsteht Torf: Abge­stor­bene Pflanzen werden aufgrund von Durch­näs­sung, Versaue­rung und Luft­ab­schluss nur unvoll­ständig abge­baut. Auf diese Weise sammelten sich über Jahr­tau­sende Milli­meter für Milli­meter große Mengen orga­ni­schen Mate­rials an. Der in ihm enthal­tene Kohlen­stoff (teil­weise über 50% der Gesamt­masse) bleibt darin gebunden und gelangt nicht mehr als den Treib­haus­ef­fekt förderndes Kohlen­di­oxid in die Atmo­sphäre. Das ändert sich natür­lich, wenn Torf­böden trocken fallen und sich dadurch unter Sauer­stoff­ein­fluss zersetzen oder gar verbrannt werden. 
 
175 Länder verfügen über mehr oder weniger große Torf­moor-Flächen, allen voran Russ­land, Kanada und Indo­ne­sien. Nicht zuletzt die tropi­schen Torf­ge­biete bilden Stand­orte für speziell an sie ange­passte Regen­wälder mit zum Teil bis zu 20 Meter und mehr mäch­tigen Torf­schichten. Anders als die Torf­moore der nörd­li­chen Breiten, die unter regen­rei­cheren Zeiten nach der letzten Eiszeit entstanden sind und heute nicht mehr wachsen, legen tropi­sche Torf­böden auch heute noch zu. Voraus­ge­setzt natür­lich, sie sind noch intakt. Auf ihnen gedeihen Biotope, welche bis heute nun unzu­rei­chend erforscht sind und Pflanzen, Pilze und Tiere aufweisen, die nirgendwo sonst vorkommen. Die „fleisch­fres­senden“ Kannen­pflanzen haben es aller­dings bis in unsere Garten­zen­tren und Wohn­zimmer geschafft. In ihrer natür­li­chen Umge­bung geraten kleine Tiere in die kannen­fö­migen Blatt­fallen und liefern der Pflanze die Stick­stoff­ver­bin­dungen, die sie aus den sauren, sauer­stoff­armen Torf­böden nur unzu­rei­chend ziehen kann. 

Torf­wälder bedeckten einst das Tiefland

Gespeist und ganz­jährig durch­nässt von zahl­rei­chen Flüssen aus dem Hoch­land, waren die Tief­land­re­gen­wälder Borneos ursprüng­lich fast alle Torf­wälder. Wo es sie noch gibt, stellen sie oft die letzten Refu­gien für Orang-Utans dar. Etwa 120 Baum­arten gedeihen pro Hektar Torf­wald und bieten den rothaa­rigen Menschen­affen Nahrung und Lebens­raum. Beispiel­haft steht dafür das Mawas­ge­biet in Zentral­ka­li­mantan, in dem noch schät­zungs­weise 3.000 wilde Orang-Utans leben.

Mawas steht aber auch beispiel­haft für die Bedro­hung und Zerstö­rung dieses einzig­ar­tigen Lebens­raumes. Wie in ganz Indo­ne­sien wurden weite Teile des über 3.000 Quadrat­ki­lo­meter großen Gebietes für Land­wirt­schaft und Ölpal­men­plan­tagen entwäs­sert. Mutwillig gelegte und dann außer Kontrolle gera­tene Brände haben immer wieder furcht­bare Verwüs­tungen ange­richtet. BOS sorgt deshalb mit Neupflan­zungen und Blockaden von Entwäs­se­rungs­ka­nälen für die Wieder­her­stel­lung zerstörter Areale von Mawas.

Durch ein unheil­sames Zusam­men­spiel von globalen Wetter­phä­no­menen und absicht­lich gelegten Feuern stehen etwa einmal im Jahr­zehnt weite Teile des indo­ne­si­schen Archi­pels buch­stäb­lich in Flammen und bede­cken das Land mit giftigem Rauch­nebel. Im Oktober 2015 hatten diese Brände solche Ausmaße ange­nommen, dass auch die inter­na­tio­nale Gemein­schaft endlich davon Kenntnis nehmen musste (siehe auch Orang-Utan-Post 1/2016). Die Bedeu­tung von Torf­wäl­dern geriet endlich in den notwen­digen Fokus. 

Von Vulkan­aus­brü­chen viel­leicht abge­sehen, entlässt keine andere Umwelt­ka­ta­strophe so viel Treib­haus­gase in so kurzer Zeit in die globale Atmo­sphäre, wie groß­flä­chige Brände von Torf­wäl­dern. Auch nach dem ober­fläch­li­chen Erlö­schen der Feuer schwelt der ausge­trock­nete Unter­grund oft noch wochen­lang weiter, bis das Wasser des Monsun­re­gens die tieferen Boden­schichten erreicht. 
Torf­wälder und –moore stellen nicht nur dauer­hafte Kohlen­stoff­senken globaler Bedeu­tung dar, sondern bilden Hotspots biolo­gi­scher Viel­falt und stabi­li­sieren den Wasser­haus­halt ihrer Region. Ihre Bewah­rung ist Notwen­dig­keit und Heraus­for­de­rung für die gesamte Menschheit. 

 

3% DER ERDOBERFLÄCHE SIND TORFMOORE. DIESE SPEICHERN JEDOCH FAST SOVIEL CO2 WIE ALLE GRÜNPFLANZEN ZUSAMMEN.

EU-Parla­ment macht sich stark für nach­hal­tige Palmölproduktion

EU-Parla­ment macht sich stark für nach­hal­tige Palmölproduktion

Straß­burg, 4. April 2017. BOS Deutsch­land begrüßt die heutige Reso­lu­tion des Euro­päi­schen Parla­ments zum Thema Palmöl und den Schutz der Regen­wälder. Darin wird die Euro­päi­sche Kommis­sion aufge­for­dert, entspre­chende EU-weite Gesetz­ge­bungs­ver­fahren einzu­leiten. Die Reso­lu­tion spricht weit­ge­hend die ganze Spann­breite der Palm­öl­pro­ble­matik an und fordert sach­ge­rechte, einheit­liche Markt­re­gu­lie­rungen ab 2020 für die ganze EU.

Wir begrüßen insbesondere

  • die deut­liche Kritik, dass die Produk­tion von und der Handel mit Palmöl hinsicht­lich Nach­hal­tig­keits­kri­te­rien bis heute intrans­pa­rent sind und die verschie­denen Zerti­fi­zie­rungs­sys­teme (z. B. der RSPO) ihren eigenen Ansprü­chen nicht genügen,
  • die Anre­gung und Forde­rung, wirk­same und nach­voll­zieh­bare Zerti­fi­zie­rungs­sys­teme zu entwi­ckeln bzw. die vorhan­denen entspre­chend auszubauen,
  • die Forde­rung, ab 2020 voll­ständig nach­hal­tige Liefer­ketten für Palmöl zu etablieren,
  • die Forde­rung, ab 2020 kein Palmöl mehr für Agro-Diesel zu verwenden,
  • die ausdrück­lich fest­ge­stellte Schutz­wür­dig­keit von Torf­land und Regen­wald sowie der lokalen und regio­nalen Böden und Wasserhaushalte,
  • den klaren Verweis auf die immense Klima­schäd­lich­keit des gegen­wär­tigen Ölpalmenanbaus,
  • die Forde­rung nach nach­voll­ziehbar nach­hal­tigem Anbau von Ölpalmen („High Carbon Stock“) im Rahmen ausge­wo­gener Landnutzungspläne,
  • die Forde­rung nach weiterer öffent­li­cher Aufklä­rung über die Palmölproblematik,
  • die Forde­rung, den Rechten indi­gener und orts­an­säs­siger Menschen, die durch den Ölpal­men­anbau betroffen sind, Rech­nung zu tragen und ange­mes­sene Sozi­al­stan­dards einzuhalten,
  • die ausdrück­liche Erwäh­nung der Schutz­be­dürf­tig­keit von Biodi­ver­sität im Allge­meinen und bedrohter Tier­arten wie zum Beispiel Suma­tra­nas­horn, Tiger und Borneo-Orang-Utan im Beson­deren sowie
  • die Forde­rung, einschlä­gige Natur- und Arten­schutz­or­ga­ni­sa­tionen zu unterstützen.

Die Reso­lu­tion des EU-Parla­ments ist ledig­lich eine Empfeh­lung an die EU-Kommis­sion, den Minis­terrat und die Mitglieds­staaten. An ihnen liegt es nun, diese Empfeh­lung schnellst­mög­lich in geltendes Recht und prak­ti­sche Politik umzusetzen.

Zum Inter­na­tio­nalen Tag des Waldes: Kein Wald für Sprit!

Zum Inter­na­tio­nalen Tag des Waldes: Kein Wald für Sprit!

The FAO (Food and Agri­cul­ture Orga­niza­tion of the United Nations) und die Colla­bo­ra­tive Part­ner­ship on Forests haben den Inter­na­tio­nalen Tag des Waldes gewählt, um die Nutzung von Holz als für Ener­gie­zwecke zu propa­gieren. Wälder werden als „Kraft­werk der Natur“ bezeichnet. Die zentrale Botschaft lautet, Wälder seien tradi­tio­nell ohnehin eine Quelle der Ener­gie­ge­win­nung, aber darüber hinaus die welt­größte Ressource erneu­er­barer Energien.

Unglück­li­cher­weise igno­riert diese Botschaft die schwer­wie­genden Auswir­kungen nach­wach­sender Rohstoffe (soge­nannte Bioen­ergie) auf die Umwelt, das Klima, auf lokale Gemein­schaften, auf die Gesund­heit und natür­lich auf die Wälder selbst. Der anhal­tende poli­ti­sche Druck, Wälder erheb­lich mehr als bisher zur Ener­gie­er­zeu­gung zu nutzen – als Versuch, den Klima­wandel abzu­mil­dern — basiert auf fehler­hafter Wissen­schaft und ist geeignet, mehr Probleme als Lösungen zu schaffen.

Schon jetzt trägt der drama­ti­sche Anstieg von Ener­gie­ge­win­nung durch Holz und im indus­tri­ellen Maßstab zur Klima­er­wär­mung und Wald­zer­stö­rung bei – und Europa weist dabei den Weg. Die gegen­wär­tigen Ziele der EU hinsicht­lich erneu­er­barer Energie werden wahr­schein­lich einen Bedarf nach grob gerechnet 100 Millionen Kubik­meter zusätz­lich bewirken, was wiederum die Fähig­keit der Wälder, Kohlen­stoff zu spei­chern, signi­fi­kant verrin­gern wird. 

Nach­frage nach Energie aus Holz kann niemals allein durch „Holz­ab­fall“ gedeckt werden – eine Behaup­tung der Indus­trie, die schon oft wider­legt wurde. Viel­mehr baut die Biomas­sen­in­dus­trie zuneh­mend auf Quali­täts­holz, das direkt aus den Wäldern kommt, oft sogar nach Europas aus Russ­land und den USA impor­tiert. Andere Länder wie Japan, Südkorea und Austra­lien holen sich ihr Holz eben­falls von dort.

Als Antwort auf diesen Trend speku­lieren Inves­toren bereits, und Markt­ana­lysten sagen einen Zuwachs an Holz­plan­tagen (d.h. schnell wach­sende Mono­kul­turen) in Afrika, Südame­rika und Asien voraus. Dieser Trend macht tief besorgt über weiteres „Land Grab­bing“, weitere Menschen­rechts­ver­let­zungen, noch mehr Wald­zer­stö­rung und ‑degra­da­tion sowie schwere Auswir­kungen auf die Sicher­heit lokaler Ernährungs‑, Wasser- und Energiesicherheit. 

Der gemein­same Faktor dieser globalen Entwick­lungen besteht darin, dass sie alle auf irrigen Poli­tik­an­sätzen basieren. Fälsch­li­cher­weise wird ange­nommen, dass die ener­ge­ti­sche Nutzung von Holz keinen nega­tiven Einfluss auf das Klima habe, also ohne Emis­sionen auskäme. Doch die Annahme, dass alle Bioen­ergie CO2-neutral sei, wurde mitt­ler­weile weithin als wissen­schaft­lich unhalt­barer Mythos wider­legt. Die FAO igno­riert diese Erkennt­nisse aller­dings in bemer­kens­werter Weise und kulti­viert weiterhin den CO2-Neutra­li­täts-Mythos, indem sie Wälder als globale Ener­gie­quelle propagiert.

Der rapide anwach­sende Gebrauch von Holz als Quelle für Elek­tri­zität, Wärme und Kraft­stoff riskiert schwere Schäden an Umwelt, Klima und Gesund­heit sowie den Rechten und Lebens­grund­lagen indi­gener Bevöl­ke­rung. Mehr noch, dieser Trend gründet sich auf falscher Inter­pre­ta­tion von Wissen­schaft und Forschung. Daher ist es nicht nur über­ra­schend, sondern auch sehr enttäu­schend, dass die FAO diese Form der Ener­gie­ge­win­nung ausge­rechnet am Inter­na­tio­nalen Tag des Waldes propa­giert, ohne auch nur über die darin enthal­tenen Risiken nachzudenken. 

Die unter­zeich­nenden Orga­ni­sa­tionen fordern die FOA daher auf, 

  1. die Befür­wor­tung und Propa­gie­rung von Biomasse zur groß­maß­stäb­li­chen Ener­gie­er­zeu­gung zu beenden,
  2. die irre­füh­rende Präsen­ta­tion aller Holz-Biomasse als „CO2-neutral“ und „nach­haltig“ einzustellen, 
  3. ressour­cen­ef­fi­zi­ente und sinn­voll abge­stufte Nutzung von Holz zu unter­stützen, die zu einer mittel- bis lang­fris­tigen Kohlen­stoff­spei­che­rung beitragen sowie 
  4. ihren Fokus wieder auf Bewah­rung und Wieder­her­stel­lung biolo­gisch reich­hal­tiger Wälder zu richten, was einen weitaus besseren Beitrag zur Abmil­de­rung des Klima­wan­dels leisten würde als Bäume zu verbrennen. 

 

Engli­sche Version: http://www.eubioenergy.com/2017/03/21/open-ngo-letter-on-faos-international-day-of-forests-2017/