Zum Welt­ver­brau­chertag: Palmöl – Fluch oder Segen?

Zum Welt­ver­brau­chertag: Palmöl – Fluch oder Segen?

Palmöl – heut­zu­tage kommen wir kaum um diesen Alles­könner herum. Ganz gleich, ob im Super­markt, in der Drogerie oder an der Tank­stelle. In fast jedem Bereich unseres Lebens werden wir damit konfron­tiert. Dabei ist Palmöl alles andere als unumstritten.

Es erleich­tert unser Leben, zerstört aber glei­cher­maßen unsere Umwelt. Durch den Export des viel­seitig einsetz­baren Öls boomt die Wirt­schaft der expor­tie­renden Länder. Auf der anderen Seite wird für die Schaf­fung von Palm­öl­plan­tagen welt­weit Regen­wald in der Größe von 20 Fußball­fel­dern zerstört. Pro Minute!

Welt­weit werden pro Jahr 60 Millionen Tonnen Palmöl verbraucht. Davon produ­zierte Indo­ne­sien im Jahr 2016 33 Millionen Tonnen Palmöl. 2007/08 waren es noch 17 Millionen Tonnen. Insge­samt stei­gerte sich die Palmöl-Produk­tion in dem Land seit 2002 um 66%. Grund hierfür ist unter anderem der Umstand, dass Palmöl heut­zu­tage in jedem zweiten Super­markt­pro­dukt zu finden ist. Palmöl boomt seit den neun­ziger Jahren und ersetzt seitdem viele herkömm­liche Fette. Beson­ders Indo­ne­sien und Malaysia stützen seitdem ihre wirt­schaft­liche Entwick­lung in hohem Maße auf Palmöl.

Der Welt­ver­brau­chertag am 15. März ist ein guter Anlass, sich etwas genauer mit dem Phänomen Palmöl zu beschäftigen.

Palmöl und seine Herkunft

Wie der Name schon sagt, ist Palmöl das Öl der Ölpalme Elaeis guineensis. Ursprüng­lich kommt diese Pflanze aus Afrika, hat aber in der Vergan­gen­heit den Sprung über die Grenzen des Konti­nents hinaus geschafft. 1443 kam sie erst­mals nach Europa, 1848 nach Asien. Seit 1911 wird sie in Indo­ne­sien auf Groß­plan­tagen indus­triell ange­pflanzt. Die Ölpalme wächst durch­schnitt­lich einen halben Meter pro Jahr und kann eine Höhe von 30 Metern errei­chen. Ihre Frucht­stände können ganz­jährig geerntet werden und pro Stück bis zu 50 Kilo­gramm wiegen. Die einzelnen Früchte bestehen aus Frucht­fleisch, dem Meso­karp, und einem Kern, der von einer harten Schale umgeben ist. Das unbe­han­delte Öl, welches aus dem Frucht­fleisch gewonnen wird, nennt sich Crude Palm Oil (CPO) und wird haupt­säch­lich in der Lebens­mit­tel­in­dus­trie einge­setzt. Nach einer Umes­te­rung kann das CPO auch als Biodiesel einge­setzt werden. Das Öl aus den Kernen ist das Crude Palm Kernel Oil (CPKO), welches zu einem großen Teil in der Kosme­tik­in­dus­trie einge­setzt wird.

Indo­ne­sien, der Haupt­lie­fe­rant von Palmöl, produ­ziert durch­schnitt­lich 3,7 Tonnen CPO pro Hektar, pro Jahr. Dies ist jedoch ein Durschnitt­wert, der stark vari­iert. Während Groß­pro­du­zenten Geld in Forschung und gute Palm-Samen stecken können um die Produk­ti­vität auf sechs bis sieben Tonnen CPO pro Hektar zu stei­gern, müssen Klein­bauern, die 40% der bestehenden Plan­tagen in Indo­ne­sien bewirt­schaften, oft auf dies verzichten. Ohne das rich­tige Know How bringt die durch­schnitt­liche Produk­ti­vität der Klein­bauern es gerade mal auf zwei Tonnen CPO pro Hektar. Also nur ein Drittel von dem der Großproduzenten.

Die Produk­ti­vität einer Ölpalme nimmt mit den Jahren zu und ab einem Alter von ca. 25 Jahren wieder ab. Diese Jahres­marke stellt auch gleich­zeitig oft das maxi­male Alter einer Plan­tage dar. Es gilt als lohnens­werter, neue Palmen zu pflanzen, als die älteren weiterhin zu ernten. Zumin­dest für die Groß­pro­du­zenten, denn diese können mit ihren finan­zi­ellen Möglich­keiten auch schon ältere Keim­linge erwerben, die entspre­chend weniger Zeit brau­chen, um das erste Mal geerntet zu werden. Zudem wird es, ab einer Höhe von knapp 13 Metern, für die Ernte­mit­ar­beiter sehr schwer die Frucht­stände zu errei­chen. Die ersten Replan­ting-Plan­tagen, also Plan­tagen zweiter Gene­ra­tion, sind schon entstanden.

Es ist noch unge­wiss, wie lange der Boden, der die Plan­tage nährt, diese hohe Belas­tung tragen kann. Schon jetzt werden Unmengen an Dünge­mittel einge­setzt, um dem Nähr­stoff­be­darf der Palmen nach­zu­kommen. Groß­pro­du­zenten nutzen ca. sechs bis sieben Kilo­gramm pro Baum im Jahr und Klein­bauern rund die Hälfte. Bei land­wirt­schaft­li­cher Best Prac­tise könnte, so wird ange­nommen, der Boden aller­dings wenigs­tens 100 Jahre genutzt werden und somit insge­samt die Anbau­flä­chen entlasten. Best Prac­tise bedeutet insbe­son­dere scho­nende Boden­be­ar­bei­tung,  Erhalt der Boden­frucht­bar­keit durch den Anbau stick­stoff­bin­dender Pflanzen und sorg­fäl­tige Wieder­ein­ar­bei­tung der Ernte­rück­stände. Pesti­zide und Kunst­dünger kommen nur sehr gezielt oder gar nicht Einsatz.

Warum ist Palmöl ein Problem?

Die für unser welt­weites Klima und die biolo­gi­sche Viel­falt so unschätzbar wert­vollen Regen­wald­flä­chen werden massiv und ohne Rück­sicht auf die Umwelt in Plan­tagen umge­wan­delt, oft auch unter Miss­ach­tung geltenden Rechts. Seit Beginn ist die Palm­öl­pro­duk­tion zudem auch mit massiven Menschen­rechts­ver­let­zungen – ille­gale Enteig­nungen, gewalt­same Vertrei­bungen, mise­rable Arbeits­be­din­gungen etc. – belastet.

Das bei der Rodung anfal­lende Holz wird oft als Start­ka­pital für die Plan­tage genutzt. Zudem wächst die Ölpalme genau dort, wo auch Regen­wälder vorkommen – sie ist für die subtro­pi­sche Klima­zone also scheinbar hoch­ge­eignet, zumal sie von allen Ölpflanzen die höchste Produk­ti­vität aufweist.

Neben dem großen Regen­wald­schwund und seinem Verlust an biolo­gi­scher Viel­falt sowie der vorher ange­spro­chenen Boden­be­las­tung ergeben sich weitere Probleme. Für Plan­tagen wurden gerade auch Torf­moor­böden mittels Kanälen groß­flä­chig drai­niert, die global mit die wich­tigsten Kohlen­stoff-Spei­cher darstellen. Bei der Trocken­le­gung wird das vorher unter Luft­ab­schluss kaum zersetzte abge­stor­bene Pflan­zen­ma­te­rial durch Mikro­or­ga­nismen abge­baut, was zu gewal­tigen Emis­sionen des klima­re­le­vanten Gases Kohlen­stoff­di­oxid (CO2) führt.

Zudem entsteht bei der Palm­öl­pro­duk­tion in den Mühlen ein Abfall­pro­dukt (POME = Palm Oil Mill Effluent), bei dem noch­mals große Mengen Methan in die Atmo­sphäre entwei­chen. Methan bewirkt einen noch größeren Treib­haus­ef­fekt als die gleiche Menge CO2. So wurde bei einer CPO-Produk­tion von 31,5 Millionen Tonnen im Jahr 2016 die Menge von 161,6 x 106 Kubik­meter Methan produ­ziert. Hier gibt es aller­dings bereits viel­ver­spre­chende Ansätze, dieses Methan aufzu­fangen und als Ener­gie­lie­fe­rant in Form von Biogas wieder zu verwerten.

Durch die Entwal­dung, die Wald­brände und die Wald­de­gra­die­rung in der Vergan­gen­heit entwi­ckelte sich Indo­ne­sien zu einem der welt­weit größten Treib­haus­gas­pro­du­zenten. Nach China und den USA nimmt das Land den unrühm­li­chen Patz drei auf der Liste der Umwelt­sünder ein.

Auf dieser Liste könnten sich in naher Zukunft auch einige Länder aus Afrika und Süd-Amerika einreihen, denn auch dort befinden sich noch große Regen­wald­ge­biete, auf die  Groß­pro­du­zenten schon ein Auge geworfen haben. 

Gibt es bereits Ansätze zur Verbesserung?

Auch in Indo­ne­sien hat man mitt­ler­weile erkennen müssen, dass die unge­bremste Produk­tion von Palmöl nicht die Lösung aller wirt­schaft­li­chen Probleme ist. So unter­zeich­nete die indo­ne­si­sche Regie­rung 2011 ein Mora­to­rium, das unter anderem fest­legt, Primär­wälder und Torf­moor­böden bis auf weiteres nicht in Plan­tagen umzu­wan­deln. Dieses Mora­to­rium besteht, nach einigen Verlän­ge­rungen, noch bis heute. Jedoch sind auch hier deut­liche Verbes­se­rungen notwendig, da zum Beispiel wert­volle Sekun­där­wälder bisher nicht mit einbe­griffen sind.

Seit in der EU die Forde­rung nach Palmöl aus nach­hal­tiger Produk­tion immer lauter zu vernehmen war, wurde der Round Table for Sustainable Palm Oil (RSPO) gegründet. Er stellt Mindest­an­for­de­rungen auf, die bei der Herstel­lung von Palmöl eige­halten werden sollen, um es nach­hal­tiger zu gestalten. Im Gegenzug erhält das nach diesen Rege­lungen herge­stellte Palmöl ein Zerti­fikat, das anzeigt, dass das aus nach­hal­tiger Produk­tion stammt. Proble­ma­tisch dabei ist die Über­prü­fung und tatsäch­liche Durch­set­zung der defi­nierten Stan­dards, so dass der RSPO von vielen Seiten als Green­wa­shing der Palm­öl­in­dus­trie ange­sehen wird. Nicht zuletzt deshalb haben sich einige NGOs und Firmen zur Orga­ni­sa­tion Palm Oil Inno­va­tion Group – POIG zusam­men­ge­schlossen (poig.org).

Noch schwä­chere Anfor­de­rungen haben die jeweils inlän­di­schen Zerti­fi­kat­sys­teme (ISPO = Indo­ne­sian Sustainable Palm Oil, MSPO = Malay­sian Sustainable Palm Oil), deren Umset­zung mitt­ler­weile verpflich­tend für Groß­pro­du­zenten und noch frei­willig für Klein­bauern sind.

Was bringt uns die Zukunft?

Bis 2020 hat Indo­ne­sien sich das Ziel gesetzt, die 32 Millionen Tonnen Palmöl pro Jahr, die das Land zur Zeit produ­ziert, auf 40 Millionen Tonnen CPO jähr­lich zu stei­gern. Laut Regie­rung soll das nicht durch die Erwei­te­rung von Plan­tagen erreicht werden, sondern durch die Stei­ge­rung der Produk­ti­vität der Klein­bauern. Hier will die indo­ne­si­sche Regie­rung unter­stützen, indem sie beispiels­weise die Preise für gutes Saatgut für Klein­bauern herun­ter­setzt. Ein guter Samen kostet derzeit rund zwei Dollar pro Stück. Auf einen Hektar Land werden etwa 130 bis 150 Palmen gepflanzt. Für Klein­bauern also eine Menge Geld, wenn man einbe­zieht, dass die ersten Frucht­stände erst nach drei bis fünf Jahren wachsen.

Schnell wird klar, dass diese Debatte erstmal kein Ende findet. Dennoch wird auf Hoch­touren nach Alter­na­tiven geforscht, um der Nach­frage nach Palmöl ein wenig entgegen zu wirken.

Können andere Pflan­zenöle eine Alter­na­tive darstellen?

Beim Wort Pflan­zenöl kommen uns als Verbrau­cher mehrere Möglich­keiten in den Sinn. Manch einer denkt an Rapsöl, ein anderer an Sojaöl und wieder andere an Kokos- oder Sonnen­blu­menöl. Wären das keine Alter­na­tiven? Der große Vorteil von Palmöl gegen­über seinen „Konkur­renten“ ist die vergleichs­weise hohe Produk­ti­vität auf kleinem Raum. So können 3,7 Tonnen Öl aus einem Hektar Land pro Jahr entstehen. Im Vergleich dazu produ­ziert ein Hektar Raps nur 1,3 Tonnen Öl. Die Produk­ti­vität der Sonnen­blumen liegt bei 0,9 Tonnen Öl, die der Kokos­palme bei 0,8 und die Soja­bohne 0,5 Tonnen Öl pro Jahr und Hektar.

Solche Werte verdeut­li­chen, dass ein Umschwenken auf andere Pflan­zenöle keine auto­ma­ti­sche Besse­rung bringt. Zumal im Falle von Soja dieselben Anbau­ge­biete betroffen sind, wie die für die Ölpalme. Durch den enormen Produk­ti­vi­täts­vor­teil ist Palmöl im Handel auch unge­schla­gener Preis­sieger. Ein anderer Unter­schied zwischen den Pflan­zen­ölen ist die chemi­sche Zusam­men­set­zung. Während Kokosöl bei 20–23°C seinen Aggre­gat­zu­stand ändert, verliert das Palmöl erst bei 30–40°C seine Cremig­keit. Dieser Umstand macht, neben den Nied­rig­preisen, das Palmöl speziell für die Lebens­mit­tel­in­dus­trie beson­ders interessant.

Es bedarf also anderer Alternativen.

Alter­na­tiven zum Palmöl: die aktu­elle Forschung:

Seit Jahren suchen Wissen­schaftler nach einer Alter­na­tiv­lö­sung für das Palmöl. Die Anfor­de­rungen an das Alter­na­tivöl sind dabei sehr hoch. Es muss in großen Mengen produ­zierbar sein, dazu günstig in der Herstel­lung und damit auch preis­wert im Erwerb. Zusätz­lich sollte eine gewisse chemi­sche Zusam­men­set­zung vorhanden sein, um beispiels­weise mit der Visko­sität des Palmöls in Lebens­mit­teln konkur­rieren zu können. Weiterhin sollten durch die Produk­tion des neuen Öls keine nega­tiven Auswir­kungen auf die Umwelt entstehen. Es muss also nach­haltig produ­ziert werden können. Und, im Ideal­fall, könnte ein neues, alter­na­tives Öl auch als Ener­gie­lie­fe­rant genutzt werden. Keine leichte Aufgabe für die Wissenschaft.

Alter­na­tiv­mo­delle wurden in den letzten Jahren einige entwi­ckelt. Eine wich­tige Rolle nehmen dabei Algen ein. Einer der führenden Forscher auf diesem Gebiet ist der Geowis­sen­schaftler David Siegel von der Univer­sity of Cali­fornia. Im Rahmen des Forschungs­pro­gramms Macro­algae Rese­arch Inspi­ring Novel Energy Resources (MARINER) arbeitet er auf Hoch­touren an einer Alter­na­tive. Erst kürz­lich wurden dafür 2,1 Millionen Dollar vom ameri­ka­ni­schen Ener­gie­mi­nis­te­rium zur Förde­rung des Programms bereit­ge­stellt. Spezia­li­siert hat sich die Forschungs­gruppe auf den Riesen­tang Macro­cystis Pyrifera. Dieser wächst täglich knapp einen halben Meter und kann eine Gesamt­länge von 45 Metern errei­chen. Die Algen werden geerntet und dann getrocknet. Das Öl tritt beim Auspressen aus den getrock­neten Algen aus.

Der Einsatz dieses Öls soll laut Siegel viel­seitig sein. Als Nahrungs­mittel ist die Alge schon nutzbar, jetzt soll es auch in den Tank als Ersatz für Benzin und Diesel. Siegels Vision ist es, Aqua­farmen zu bauen, die durch Unter­was­ser­ro­boter über­prüft werden und durch opti­male Bedin­gungen ein Maximum an Produk­ti­vität vorweisen. Eine gute Grund­lage also für eine Massen­pro­duk­tion. Einen Haken gibt es aller­dings: Wachstum ist nur durch Photo­syn­these möglich, die wiederum Licht voraus­setzt. Ein dauer­haftes Wachstum erfor­dert also eine dauer­hafte Beleuch­tung, die außer in künst­li­chen Anlagen nicht gegeben ist und somit hohe Kosten verur­sacht. Es bleibt abzu­warten, inwie­weit sich dieser Ansatz als echte Alter­na­tive anbietet.

Ein anderes Modell stellen Pilze dar, einschließ­lich Einzeller wie die Back­hefe. Auch hier haben jüngst wieder Studien bewiesen, dass dieses Modell durchaus Poten­tial birgt. Das Startup Carbo­Cycle, ins Leben gerufen von Wissen­schaft­lern der Columbia Univer­sity in New York City, recy­celt Abfälle mit Hilfe von Pilzen. Ursprüng­lich entwi­ckelt, um die Methan- und Kohlen­stoff-Emis­sionen zu verrin­gern, wurde als Neben­ef­fekt entdeckt, dass von diesen Pilzen auch Fette extra­hiert werden können, die denen des Palmöls glei­chen. Je nachdem, welche Abfälle der Pilz verdaut, ändert sich die Zusam­men­set­zung des Öls. Der große Vorteil an dieser Art Produk­tion ist, dass er im Labor gezüchtet werden kann, demnach also kontrol­lierbar und vor allem nicht umwelt­be­las­tend ist. Eine Heraus­for­de­rung ist dennoch, eine Ähnliche Produk­ti­ons­margen wie die des Palmöls zu errei­chen, bleibt aller­dings bis auf weiteres eine Heraus­for­de­rung. Dazu kommt der bislang nicht zu unter­bie­tende Tief­preis des Palmöls.

Die Zukunft für Palmöl-Alter­na­tiven sieht somit viel­ver­spre­chend aus, da auch etliche Firmen, die Palmöl in ihren Produkten verwenden, dafür offen sind. Der schlechte Ruf des Öls, der sich über die vergan­genen Jahre entwi­ckelt hat, geht auch an den Firmen nicht spurlos vorbei. Es bleibt also span­nend, was die Wissen­schaft uns in der Zukunft präsentiert.

 

Auffors­tungs-Projekt gibt Orang-Utans reale Hoffnung

Auffors­tungs-Projekt gibt Orang-Utans reale Hoffnung

Jede Minute 50 Fußball­felder – das ist die Geschwin­dig­keit, in der welt­weit unsere Wälder abge­holzt werden. In einem unge­heuren Tempo verschwindet eines der wert­vollsten Ökosys­teme dieser Erde. Unzäh­lige Tier­arten verlieren ihren Lebens­raum, allen voran der Orang-Utan auf Borneo.

Laut einer kürz­lich veröf­fent­lichten Studie redu­zierte sich sein Bestand allein in den letzten 15 Jahren um 150.000 auf etwa 55.000! Haupt­ur­sache: die Abhol­zung von Regenwald.

Eine Initia­tive von Fair­ven­tures World­wide (FVW) aus Stutt­gart und Borneo Oran­gutan Survival (BOS) Deutsch­land e.V. verheißt jetzt jedoch neue Hoff­nung für die rothaa­rigen Menschen­affen. Ihr neues Auffors­tungs­pro­jekt auf der indo­ne­si­schen Insel Borneo trägt dazu bei, den Tieren nach­haltig Lebens­raum sichern. Die Koope­ra­tion zur Durch­füh­rung von ersten Test­pflan­zungen wurde kürz­lich zwischen beiden Part­nern vereinbart.

 

Menschen­affen und lokale Bauern profi­tieren gleichermaßen

Auf Test­fel­dern in eigens für Orang-Utans ausge­wie­senen Schutz­ge­bieten nahe Nyaru Menteng in Zentral­ka­li­mantan werden neben schnell­wach­senden Leicht­höl­zern Bäume gepflanzt, die speziell für die Menschen­affen gedacht sind. Diese dienen den Tieren sowohl als Nest- als auch Futter­bäume. Die schnell­wach­senden Hölzer hingegen können von der lokalen Bevöl­ke­rung nach einigen Jahren für die Holz­ver­ar­bei­tung und als Einkom­mens­er­werb genutzt werden. Parallel dazu ange­pflanzte Obst­sträu­cher bessern den Spei­se­plan der Fami­lien auf.

Im Pilot­pro­jekt des Auffors­tungs­pro­gramms wird zunächst eine durch Rodungen oder Brände degra­dierte, brach­lie­gende Fläche von 1,6 Hektar Größe bewirt­schaftet. In der Test­phase geht es darum, den Nutzen verschie­dener Pflanz­formen für die Tiere zu erproben und Akzep­tanz bei der Bevöl­ke­rung für die Maßnahmen zu schaffen. Geleitet wird das Projekt vor Ort durch Mitar­beiter von Fair­ven­tures. Die Experten von BOS beraten hinsicht­lich der Bedürf­nisse für die Orang-Utans.

 

Große Chance für Schutz des Regenwaldes

Daniel Merdes, Geschäfts­führer von BOS Deutsch­land e.V.: „Das Projekt bietet die Chance, Druck von intaktem, noch exis­tie­rendem Regen­wald und damit dem Lebens­raum der Menschen­affen zu nehmen. Eine unab­ding­bare Voraus­set­zung für ihr Über­leben und damit auch das unsere. Gleich­zeitig schaffen wir der Lokal­be­völ­ke­rung eine sichere Einkom­mens­quelle und Alter­na­tive zu bereits bestehenden, nicht nach­hal­tigen Landnutzungsformen.“

„Für uns ist dies ein großer Schritt, um der weiteren Zerstö­rung der Lebens­grund­lagen für Menschen und Tiere auf Borneo Einhalt zu gebieten“, betont Johannes Schwegler. „Dies ist ein wich­tiger Beitrag zum Schutz der Arten und auch des Klimas welt­weit“, fügt der Geschäfts­führer von Fair­ven­tures hinzu.

Erster wich­tiger Sieg im Kampf gegen Palmöl im Tank!

Erster wich­tiger Sieg im Kampf gegen Palmöl im Tank!

Michèle Rivasi von der Frak­tion der Grünen im EU-Parla­ment war nur halb zufrieden, da die Parla­men­ta­rier ledig­lich Palmöl als Agro­kraft­stoff eine Absage erteilt hatten. Doch dies stellt allein schon einen großen Erfolg dar.

Am 17.01.2018 stimmte das EU-Parla­ment dem Entwurf des EU-Fach­aus­schusses für Indus­trie, Forschung und Energie zu. Das Ergebnis ist ein Vorschlag für eine Richt­linie des Euro­päi­schen Parla­ments und des Rates zur Förde­rung der Nutzung von Energie aus erneu­er­baren Quellen. Danach darf unter anderem ab 2021 kein Palmöl mehr als Biokraft­stoff­bei­mi­schung verwendet werden. Ein großer Erfolg, nicht zuletzt auch unserer Peti­tion “Kein Palmöl in den Tank!” und eine wich­tige Voraus­set­zung, um die Ziele des Klima­ab­kom­mens aus Paris zu errei­chen. Damit hatte sich das EU-Parla­ment ein viel ehrgei­zi­geres Ziel gesetzt, als es der ursprüng­liche Entwurf der EU-Kommis­sion vorsah und muss dieses jetzt in den Verhand­lungen mit dem Euro­päi­schen Rat durchsetzen.

“Wir von BOS Deutsch­land e.V. begrüßen den gest­rigen Beschluss und warten auf die nächsten konkreten Schritte, damit diese Richt­linie schnellst­mög­lich durch die Verhand­lungen mit den Mitglieds­staaten kommt und schließ­lich Realität wird. Gleich­zeitig aber monieren wir das Zeit­fenster bis 2021 und den daraus folgenden massiven Anstieg des Imports unzer­ti­fi­zierten Palmöls.”, so Daniel Merdes, Geschäfts­führer von BOS Deutschland. 

Letztes Jahr sind in Deutsch­land etwa 50 Prozent des impor­tierten Palmöls in soge­nanntem Biosprit gelandet. Deswegen fordern wir von verant­wor­tungs­vollen Konzernen und Ener­gie­an­bie­tern­einen frei­wil­ligen Verzicht auf Palmöl noch in diesem Jahr. 

 

 

 

#Oran­gut­an­Freedom — das war unser Jahr im Rückblick

#Oran­gut­an­Freedom — das war unser Jahr im Rückblick

Tradi­tio­nell blicken wir zum Jahres­ende auf die vergan­genen zwölf Monate zurück. Für BOS Deutsch­land war 2017 unter dem Motto #Oran­gut­an­Freedom ein erfolg­rei­ches Jahr. Bei neun Auswil­de­rungen konnten wir insge­samt 75 Menschen­affen die Frei­heit schenken. Weitere 43 leben auf Voraus­wil­de­rungs­in­seln und haben beste Chancen, demnächst ausge­wil­dert zu werden. Elf Orang-Utans im Alter von zwei bis 25 Jahren konnte unser Team Anfang März erfolg­reich in ein sicheres Gebiet umsie­deln, darunter zwei Mütter mit ihren Kindern.

Trotz vieler posi­tiver Meldungen sehen wir aber auch, wie notwendig unser Einsatz gerade jetzt ist. Die Beispiele in unserem kurzen Jahres­rück­blick zeigen Ihnen warum.

 

Der Fall Taymur 

 

Immer wieder werden wir mit dem Schicksal illegal gehan­delter Orang-Utans konfron­tiert. Ein lukra­tives Geschäft, bei dem Menschen­affen-Babys verkauft werden, um als pres­ti­ge­träch­tige „Haus­tiere“ unter übelsten Bedin­gungen zu enden. 

Trau­rige Berühmt­heit erlangte 2017 die Geschichte des kleinen Taymur. Aus Indo­ne­sien geschmug­gelt, gequält und mit Drogen voll­ge­pumpt, bewegte sein Schicksal Tier­schützer auf der ganzen Welt. Der Fall führte sogar zu diplo­ma­ti­schen Verstim­mungen zwischen Taymurs Heimat­land und Kuweit, wohin das Orang-Utan-Baby verkauft wurde. Vor allem dem Einsatz der BOS Foun­da­tion und zahl­rei­cher Spender aus Deutsch­land war es zu verdanken, dass der Kleine im September endgültig nach Borneo zurück­ge­bracht werden konnte.

Endlich darf Taymur wieder in seiner Heimat leben“, sagt Daniel Merdes, Geschäfts­führer von BOS Deutsch­land e.V. „Gemeinsam mit unseren indo­ne­si­schen Part­nern haben wir hart­nä­ckig daran gear­beitet, ihn aus seinem Marty­rium zu befreien. In unserem Schutz­zen­trum in Nyaru Menteng bekommt er jetzt die Pflege und Fürsorge, die er braucht, um ein artge­rechtes Leben zu führen.”

 

Alba, die weiß­haa­rige Lady 

 

Auf ganz andere Weise drama­tisch und spek­ta­kulär ist die Geschichte des jungen Orang-Utan-Weib­chens, die im Zuge eines inter­na­tio­nalen Namens­wett­be­werbs Alba genannt wurde. Alba ist ein Albino, etwas gerade bei Orang-Utans extrem Seltenes. 

Die junge Dame konnte im April 2017 aus kurzer Gefan­gen­schaft befreit und unseren Part­nern bei der BOS Foun­da­tion über­geben werden. Das Schicksal ihrer Mutter ist unbekannt. 

Aufgrund ihres Albi­nismus ist Alba haut­krebs­ge­fährdet und zudem sehbe­hin­dert, so dass sie wohl niemals ausge­wil­dert werden kann. Statt­dessen wird sie auf einer kleinen Insel mit drei anderen, normal rotbraun gefärbten, Artge­nos­sinnen ein behü­tetes Leben führen. Die Sorge, dass die „normalen Orang-Utans“ Alba wegen ihrer Anders­ar­tig­keit mobben würden, hat sich nicht bestä­tigt. Im Gegen­teil, wie es aussieht, gibt Alba laut ihren Beschüt­zern den Ton an.

 

Baby­häuser

Unsere Pfle­ge­sta­tionen für die Jüngsten in Samboja Lestari und Nyaru Menteng waren schon lange über­füllt. Kein Wunder, allein 2017 konnten wir 20 verwaisten Babys retten, die ein neues Domizil brauchten. Unter­stützt wird dies seit Sommer 2017 durch jeweils ein neues Baby­haus in den beiden Stationen. Dort dürfen Taymur und alle seine Freunde jetzt in Sicher­heit und Gebor­gen­heit toben und spielen. Beide Unter­künfte wären aller­dings ohne beson­deres inter­na­tio­nales Spender-Enga­ge­ment nicht möglich gewesen, wobei das Baby­haus in Nyaru Menteng ganz maßgeb­lich von BOS Deutsch­land finan­ziert werden konnte. Das freut uns natürlich. 

 

Immer wieder reif für die Insel(n)

Die von BOS reha­bi­li­tierten Orang-Utans brau­chen natur­nahe und dennoch geschützte Areale, um ihren Fähig­keiten den letzten Schliff für ein erneutes Leben in der Wildnis zu verleihen. Dafür ziehen sie eine Zeit lang auf soge­nannte Vor-Auswil­de­rungs­in­seln. Eine von ihnen ist Salat Island in Zentral-Kalimantan. 

Dieses Fluss­ge­biet zu erwerben, stellte BOS vor große Heraus­for­de­rungen. Letzt­end­lich konnten jedoch 600 Hektar der insge­samt 3.400 Hektar großen Insel gesi­chert werden. Anfang 2017 dann ein noch größerer Erfolg: Weitere 1.400 Hektar kamen hinzu, so dass nunmehr über 2.000 Hektar Land, 20 Quadrat­ki­lo­meter, für die Arbeit der BOS Foun­da­tion auf Salat Island zur Verfü­gung stehen. 

Diese Fläche ist einer­seits ein extrem wich­tiges Stand­bein für die Auswil­de­rungen aus der Station Nyaru Menteng, darüber hinaus aber auch ein würdiges Refu­gium für Orang-Utans, die aus Alters- oder Krank­heits­gründen nicht mehr ausge­wil­dert werden können. 

Juq Kehje Sewen - Drohnenaufnahme
Juq Kehje Swen — Drohnenaufnahme

Im Juli 2017 konnte in Ost-Kali­mantan die Insel Nr. 8 erworben werden. Mit ihren gerade einmal drei Hektar ist sie zwar klein, verbes­sert aber als Vor-Auswil­de­rungs­insel dennoch die Auswil­de­rungs­mög­lich­keiten der Station Samboja Lestari. Daneben sollen die schon lange exis­tie­renden künst­lich ange­legten Inseln auf dem Areal von Samboja Lestari baulich verbes­sert werden. 

Eben­falls in Ost-Kali­mantan gelegen ist die 83 Hektar große Insel Juq Kehje Swen, was in der Dayak-Sprache ganz prag­ma­tisch Orang-Utan-Insel bedeutet. Sie wird seit September 2017 als Vor-Auswil­de­rungs­insel für Samboja Lestari bezie­hungs­weise das Auswil­de­rungs­ge­biet Kehje Sewen genutzt. 

 

Wald und Leute 

BOS ist an der Entwick­lung, besser gesagt, der Rena­tu­rie­rung des Mawas-Gebietes betei­ligt. In diesem über 300.000 Hektar großen Torf­wald­ge­biet in Zentral-Kali­mantan dreht sich alles um Wieder­auf­fors­tung und Blockade früher, im Rahmen eines geschei­terten Reis­an­bau­pro­jekts, ange­legter Drai­na­ge­ka­näle. Ziel ist es, durch Wieder­vernäs­sung die ursprüng­liche Torf­wald­öko­logie wieder herzu­stellen. In diesem Zusam­men­hang koope­riert BOS mit anderen Orga­ni­sa­tionen im Rahmen des SOS Borneo Projekts z. B. mit der Borneo Nature Foundation. 

Seit Beginn gehört es zum Selbst­ver­ständnis von BOS, mit der orts­an­säs­sigen Bevöl­ke­rung zusam­men­zu­ar­beiten. In Koope­ra­tion mit BOS Deutsch­land setzt die BOS Foun­da­tion auch Gemein­de­ent­wick­lungs­pro­jekte um. Derzeit ist dies das durch das Bundes­mi­nis­te­rium für wirt­schaft­liche Zusam­men­ar­beit (BMZ) geför­derte Projekt „Nach­hal­tige Gemein­de­ent­wick­lung in Mang­katip”. Dessen Ziel ist es, diese Gemeinde in die Lage zu versetzen, ihre eigenen sozialen, wirt­schaft­li­chen und ökolo­gi­schen Entwick­lungs­prio­ri­täten zu defi­nieren und ihre Inter­essen vor staat­li­chen Behörden adäquat zu vertreten.

Zu diesem Komplex gehört zum Beispiel auch die Kartie­rung von Land, um Ansprüche der Gemein­de­mit­glieder gegen­über dem Staat zu unter­mauern. Konflikte um die Nutzung von Land, das tradi­tio­nell von den Menschen vor Ort genutzt wird, dieses Recht aber formal­recht­lich nur schwer nach­weisbar ist, gehören in Indo­ne­sien zur Tagesordnung. 

 

Palmöl gehört nicht in den Tank

Im April hat das EU-Parla­ment eine Reso­lu­tion zum Thema Palmöl und Schutz der Regen­wälder verab­schiedet. Darin wird die Euro­päi­sche Kommis­sion aufge­for­dert, entspre­chende EU-weite Gesetz­ge­bungs­ver­fahren einzu­leiten. BOS Deutsch­land lehnt die Nutzung von Palmöl für soge­nannten Biosprit klar ab. Sie können unsere Bemü­hungen mit dem Unter­schreiben der Peti­tion “Kein Palmöl in den Tank” an dieser Stelle unterstützen. 

Politik und Wirt­schaft müssen dafür sorgen, dass die Produk­tion sämt­li­chen Palmöls über die gesamte Wert­schöp­fungs­kette über­prüfbar nach­haltig erfolgt. 

 

Unsere nächsten Ziele

 

Wir wollen mit natio­nalen und inter­na­tio­nalen Part­nern insbe­son­dere zum groß­räu­migen Wald­schutz noch inten­siver zusam­men­ar­beiten, vor allem was die Schaf­fung von groß­räu­migen Biotop­ver­bund-Korri­doren angeht. Nicht zuletzt dafür wollen wir die Unter­stüt­zung aus Zivil­ge­sell­schaft und Politik ausbauen und auch auf die einschlä­gige Wirt­schaft einwirken. 

Der Orang-Utan muss in der Öffent­lich­keit noch mehr als bisher als das Gesicht des Regen­waldes wahr­ge­nommen werden.

Dank an alle Unter­stüt­ze­rinnen und Unterstützer 

An dieser Stelle möchten wir uns wieder bei all unseren Spen­dern und allen ehren­amt­li­chen Helfern von ganzem Herzen bedanken. Ohne diese Menschen wäre unsere Arbeit unmög­lich. Wir wünschen allen eine frohe Weih­nachts­zeit und einen hervor­ra­genden Jahreswechsel! 

Herz­lichst, Ihr BOS-Team 

 

Ausstel­lung zum Thema (Regen-) Wald

Ausstel­lung zum Thema (Regen-) Wald

Vom 10. November 2017 bis zum 29. März 2018 zeigt das Centrum für Natur­kunde (CeNak) der Univer­sität Hamburg im Zoolo­gi­schen Museum der Hanse­stadt die Sonder­aus­stel­lung “Verschwin­dende Vermächt­nisse: Die Welt als Wald”.

Für diesen Zeit­raum verwan­deln audio­vi­su­elle Instal­la­tionen, Foto­gra­fien, Filme und Skulp­turen zeit­ge­nös­si­scher Künst­le­rinnen und Künstler die Ausstel­lungs­halle in den bedrohten Lebens­raum Wald.

Weitere Infor­ma­tionen zur Ausstel­lung finden Sie unter: https://www.cenak.uni-hamburg.de/ausstellungen/museum-zoologie/verschwindende-vermaechtnisse/ausstellung.html