Das Geheimnis von Fanis schönem Haar

Das Geheimnis von Fanis schönem Haar

Spieg­lein, Spieg­lein an der Wand, wer hat die schönste Haar­pracht im ganzen Land? Eindeutig: Fani! Naja, zumin­dest unter den Bewoh­nern von Samboja Lestari’s Insel #5 in Ost Kali­mantan. Wenn man an einem Bad Hair Day Fanis Haar­pracht anschaut, könnte man glatt eifer­süchtig werden. Wer ist das Fräu­lein mit den präch­tigen Haaren, die aussieht, als käme sie gerade frisch vom Salon? Fani ist unsere 21jährige Orang-Utan-Dame, die viele Jahre in einem Themen­park in Jakarta gefangen gehalten wurde, bevor sie in unser Reha­bi­li­ta­ti­ons­zen­trum kam. 

Natür­liche Fellpflege

Ihre flie­ßende und glän­zende Haar­pracht ist das Ergebnis ihres “Lebens­wan­dels”: Fani verbringt die meiste Zeit des Tages in den Baum­kronen und nicht – wie die anderen Orang-Utans der Insel – auf dem Boden, wo sich Dreck und Schlamm leicht im Fell fest­setzen. Statt­dessen bewegt sich Fani elegant von einem Ast zum anderen und lässt sich von dem dünnen Geäst der Baum­kronen auf ganz natür­liche Weise das Fell kämmen — ganz so, als hätte man sie mit der Bürste frisiert. Und das Ergebnis kann sich wirk­lich sehen lassen!

Fani ist immer bestens frisiert
Fani ist immer bestens frisiert

Jetzt sind Nestbau und Futter­suche dran

Obwohl Fani bereits ein gutes Alter erreicht hat, erfüllt sie noch nicht alle Anfor­de­rungen zur Frei­las­sung. Sie wird daher noch einige Zeit auf der Insel verbringen, um ihre Fähig­keiten zum Nestbau und zum Sammeln von Nahrung zu verbes­sern. Dass Fani in ihrer Entwick­lung etwas zurück ist, liegt an ihrer langen Gefan­gen­schaft im Themen­park. Die Tatsache, dass sie jetzt mit Hilfe und Aufsicht auf einer menschen­ge­machten Insel leben kann, ist schon ein sehr großer Fortschritt. 

Aktuell teilt sie sich das Gebiet mit Romeo und Kikan. Fani – obwohl das einzige Weib­chen im Bunde – ist die Domi­nan­teste von den dreien. So war es schon in ihrer Zeit im Sozia­li­sie­rungs­kom­plex, bevor sie auf die Insel umsie­delte. Selbst der männ­liche Romeo ist sehr vorsichtig, wenn er Kontakt zu Fani aufnimmt. Sie ist bekannt dafür, ihre Domi­nanz durch einen Angriff unter Beweis zu stellen, wenn sie sich provo­ziert fühlt. 

Fani genießt zuneh­mend ihre Unabhängigkeit

In diesen Tagen ist Fani selten auf der Fütte­rungs­platt­form zu sehen, wo sie sonst immer gemeinsam mit den anderen Orang-Utans auf die Liefe­rung von Obst gewartet hat. Statt­dessen ist sie immer häufiger damit beschäf­tigt, die Insel zu erkunden. Sie scheint ihre Bewe­gungs­frei­heit in der freien Umge­bung sehr zu genießen. 

Helfen Sie mit und werden zum BOS-Unter­stützer. Mit Ihrer Spende helfen Sie den Orang-Utans, dem Regen­wald und damit auch unserem Klima. Jeder Beitrag hilft.

 

Ökolo­gi­scher Reis­anbau im Mawas-Gebiet

Ökolo­gi­scher Reis­anbau im Mawas-Gebiet

Der Herbst ist Ernte­zeit. Menschen auf der ganzen Welt ernten, was die Natur ihnen bietet. In unseren Brei­ten­graden sind das Kartof­feln, Kohl und Kürbisse, in Indo­ne­sien ist es vor allem Reis. Mit einem Pro-Kopf ‑Verbrauch von rund 115 Kilo­gramm im Jahr ist es das wich­tigste Grund­nah­rungs­mittel für die Menschen hier. Die Nach­frage ist so groß, dass Indo­ne­sien – obwohl es der dritt­größte Reis­pro­du­zent der Welt ist – jähr­lich etwa eine Million Tonnen impor­tieren muss, um den Bedarf der Bevöl­ke­rung zu decken. 

Vor allem in länd­li­chen und armen Gebieten, wie auch im Mawas-Gebiet in Zentral­ka­li­mantan, spielt Reis eine sehr wich­tige Rolle, wenn es darum geht, die Menschen zu ernähren. 

Diesen Bedarf zu decken und derart große Mengen eines einzigen Nahrungs­mit­tels zu produ­zieren, hat eine umwelt­kri­ti­sche Kehr­seite: Die Land­wirte benutzen vor allem konven­tio­nelle Tech­no­logie und setzen große Mengen an chemi­schen Dünge­mit­teln, Pesti­ziden sowie anderer aus fossilen Brenn­stoffen gewon­nene land­wirt­schaft­liche Produk­ti­ons­mittel ein. Das ist ein riesiges Problem für die Umwelt: Die Bewirt­schaf­tung als Mono­kultur verrin­gert die biolo­gi­sche Viel­falt, Wasser und Boden werden stark verun­rei­nigt, und die auf Wasser basie­renden Ökosys­teme über­mäßig mit Nähr­stoffen ange­rei­chert. Der Boden stirbt. Es braucht also drin­gend Alter­na­tiven, um den Bedarf an Grund­nah­rungs­mit­teln nach­haltig zu decken.

Die Reissetzlinge werden platziert
Die Reis­setz­linge werden gepflanzt

Ein gang­barer Weg?

Aktu­elle Studien in Java haben ergeben, dass ökolo­gi­scher Reis­anbau sowohl den Einsatz an gefähr­li­chen Chemi­ka­lien erheb­lich redu­ziert als auch den Wasser­ver­brauch im Vergleich zu konven­tio­neller Tech­no­logie um 30 bis 50 Prozent senkt. Eine nach­hal­tige Alter­na­tive auch in Kalimantan?

Die Gemeinde Mang­katip in unserem Projekt­ge­biet Mawas hat sich vor zwei Jahren entschieden, diesen Weg zu gehen: Mit Unter­stüt­zung des Bundes­mi­nis­te­riums für wirt­schaft­liche Zusam­men­ar­beit und Entwick­lung (BMZ) und der Bera­tung und Projekt­för­de­rung für private Träger in der Entwick­lungs­zu­sam­men­ar­beit (BENGO) wurde das Projekt “3430” ins Leben gerufen. Es beinhaltet verschie­dene Akti­vi­täten; eine davon ist das Anlegen einer land­wirt­schaft­li­chen Parzelle, um den mögli­chen Erfolg biolo­gi­scher Land­wirt­schaft zu demonstrieren.

Anlegen einer landwirtschaftlichen Parzelle
Anlegen einer land­wirt­schaft­li­chen Parzelle

Ein Projekt, das Schule macht

Gemeinsam mit dem land­wirt­schaft­li­chen Bera­tungs­zen­trum (BPP) des Unter­di­strikts Dusun Hilier und dem Team von BOSF in Mawas wurde so eine ein Hektar große Parzelle für biolo­gisch ange­bauten Reis im Gebiet der Gemeinde Mang­katip ange­legt. Teil des Projektes ist auch, die Menschen vor Ort in der Tech­no­logie des ökolo­gi­schen Reis­baus auszu­bilden. Dazu gehört vor allem gute Vorbe­rei­tung: Das Land muss bear­beitet, der orga­ni­sche Dünger aufbe­reitet, die Reis­setz­linge sorgsam ausge­wählt, plat­ziert und gepflegt werden. Alle diese Schritte sind in den letzten sechs Monaten erfolgt. Auch eine Reis­drech­ma­schine für die Gemeinde wurde aus Projekt­mit­teln ange­schafft, so dass der Reis nach der Ernte direkt weiter verar­beitet werde kann. 

Vorbereitung von natürlichen Düngemitteln
Vorbe­rei­tung von natür­li­chen Düngemitteln

Ernten­fest in Mankatip

Jetzt ist es soweit: Nach zwei Jahren Vorbe­rei­tungs­zeit wird der erste Reis von der Parzelle geernet. Zwischen 2,8 bis 3,5 Tonnen pro Hektar werden erwartet – ein echter Erfolg! 

 Zwischen 2,8 bis 3,5 Tonnen Reis pro Hektar werden erwartet
Zwischen 2,8 bis 3,5 Tonnen Reis pro Hektar werden erwartet

Damit das Projekt Schule machen kann, wird in der nächsten Zeit geprüft, welches Poten­zial es für die Kommer­zia­li­sie­rung von biolo­gi­schem Reis auf den regio­nalen Märkten gibt. Dazu sind unter anderem Besuche auf lokalen Messen vorgesehen. 

Dieser gemein­same Erfolg des Projektes ist möglich durch die Förde­rung des Bundes­mi­nis­te­riums für wirt­schaft­liche Zusam­men­ar­beit und Entwick­lung (BMZ) sowie der  Bera­tung und Projekt­för­de­rung für private Träger in der Entwick­lungs­zu­sam­men­ar­beit (Bengo) – dafür bedanken wir uns sehr herz­lich. Wir wissen, dass der Schutz von Orang-Utans und ihren Lebens­räumen nicht ohne die Unter­stüt­zung der lokalen Gemeinden statt­finden kann. Eine sichere Ernäh­rungs­grund­lage und Arbeits­plätze sind die Voraus­set­zung dafür. 

Ein Jahr nach den Bränden

Ein Jahr nach den Bränden

Vor einem Jahr kämpften wir in unseren Projekt­ge­bieten – oftmals verzwei­felt – gegen die schlimmsten Brände seit Jahren. Mona­te­lang waren unsere Mitar­beiter Seite an Seite mit den regio­nalen Feuer­wehren und den natio­nalen Einsatz­kräften tagtäg­lich im Einsatz gegen die Flammen. Glück­li­cher­weise konnten wir unsere Orang-Utans so immer vor den Bränden beschützen. Auch dank der großen Soli­da­rität, Anteil­nahme und Hilfe, die unsere Unter­stüt­ze­rinnen und Unter­stützer auf der ganzen Welt uns entgegenbrachten.

In Folge der Brände und massiven Rauch­ent­wick­lungen litten vor allem in unserem Schutz­zen­trum Nyaru Menteng viele Orang-Utans unter Atem­wegs­in­fekten. Glück­li­cher­weise haben sich inzwi­schen alle Tiere wieder voll­ständig erholt. Nur unsere Schütz­linge, die vorher schon chro­nisch erkrankt waren, werden auch weiterhin liebe­voll von unseren enga­gierten Tier­ärzten behandelt.

Rachel und Uru spielen wieder in der Waldschule
Rachel und Uru spielen wieder in der Waldschule

In Samboja Lestari haben die Feuer 2019 knapp zehn Hektar Regen­wald zerstört. Da wir hier schon länger in einem dauer­haften Projekt 1.800 Hektar aufforsten, werden wir auch die im letzten Jahr verlo­renen zehn nach und nach wieder anpflanzen. 

In Mawas wurden die zerstörten Baum­schulen wieder herge­richtet. Unsere Mitar­beiter sind schon wieder fleißig dabei, weitere Sämlinge zu ziehen und neue starke Setz­linge in unseren Auffors­tungs­ge­bieten anzupflanzen.

Verstärkt sind wir gerade dabei, den Torf­moor­boden von Mawas wieder zu vernässen. Zu diesem Zwecke errichten wir Stau­dämme, die die Kanäle blockieren, die vor 25 Jahren dort ange­legt wurden, um das Moor trocken­zu­legen. So kann das Wasser bleiben, wo es hinge­hört – im Moor­boden. Die Natur kann sich so rege­ne­rieren – und außerdem sind unsere Auffors­tungs­flä­chen auf diese Weise vor Bränden gut geschützt.

Der erste Kanal in Mawas

Der erste fertige Stau­damm in 2020

Um bei neuen Wald­bränden in unseren Projekt­ge­bieten immer sofort einsatz­be­reit zu sein, über­prüfen wir monat­lich unsere Ausrüs­tung zur Feuer­be­kämp­fung und testen unsere Hydranten. In der jetzigen Trocken­zeit patrouil­lieren wir täglich durch die Gefah­ren­zonen. So haben wir alles im Blick und können schnell eingreifen. 

Im Namen unserer Schütz­linge danken wir Ihnen noch­mals von ganzem Herzen. Dank Ihrer unglaub­li­chen Unter­stüt­zung konnten wir unsere Orang-Utans erfolg­reich vor den Wald­bränden im letzten Jahr beschützen und für zukünf­tige Feuer vorsorgen! 

Die wilde Nobri – eine Geschichte die Hoff­nung schenkt

Die wilde Nobri – eine Geschichte die Hoff­nung schenkt

Es gibt eine Nach­richt, die wir neun Monate geheim gehalten haben. Aber jetzt wollen wir nicht länger warten! Auch wenn sich am Grund unserer Geheim­nis­krä­merei nichts geän­dert hat. Jetzt reicht es uns! Denn: Es gibt ein neues wildes Baby im Schutz­wald Bukit Batikap!!! Und warum haben wir das nicht gleich verkündet? Weil Mama Nobri ihr Kleines so gut vor uns versteckt, dass wir noch kein Foto machen konnten. 

Es war der 27. Januar 2020. Unser Beob­ach­tungs­team war wie immer im Schutz­wald Bukit Batikap unter­wegs und hielt Ausschau nach unseren ausge­wil­derten Orang-Utans. Da entdeckten sie, nicht weit vom Fluss­ufer des Joloi entfernt, Orang-Utans in einem Baum. Bei genauerem Hinsehen erkannten sie Manggo (15) mit ihrem 2019 erst­mals gesich­teten Baby. Daneben saß Nobri. So wie wir sie kennen: Empört über die Sich­tung von Menschen, tat sie ihren Ärger mit lauten Kuss­ge­räu­schen kund. Doch Moment mal – etwas war anders: An Nobris Seite klam­merte sich ein kleines, zartes Baby! Nobri war Mutter geworden! Und wir wurden Zeugen des ersten wild­ge­bo­renen Orang-Utan-Kindes des Jahres 2020. Es ist das 14. Baby, das in Bukit Batikap geboren wurde. 

Doch leider wollte Nobri ihr Glück nicht mit uns teilen. Sie verbrachte den ganzen Tag im Balda­chin des Regen­waldes, gut versteckt hinter Laub und Geäst. Unser Team konnte weder ein Foto von Mutter und Kind machen, noch das Geschlecht des Babys bestimmen. Wir hatten gehofft, dass sich bald eine weitere Gele­gen­heit ergeben würde, ein Foto zu machen. Doch bis heute hat Nobri das verhin­dert. Und so sehr uns das wurmt, sind wir eigent­lich recht stolz auf Nobri. Denn ihr Verhalten ist muster­gültig für einen wilden Orang-Utan, der nichts von uns Menschen wissen will. Und über­ra­schen tut es uns bei Nobri auch nicht. Lebt sie doch seit ihrer Geburt wild und (fast) frei. Trotzdem ist sie ein BOS-Schütz­ling. Wieso? Das erzählen wir jetzt – sozu­sagen zum Ausgleich für das fehlende Foto – etwas ausführlicher.

Shellis freie Tochter

Nobri erblickte am 29. August 2005 auf der Voraus­wil­de­rungs­insel Kaja das Licht der Welt. Doch ihre Geschichte beginnt eigent­lich viel früher – mit der Ankunft des acht­jäh­rigen Orang-Utan-Mädchens Shelli am 30. Mai 2001 in Nyaru Menteng. Shelli lebte bis dahin viele Jahre als ille­gales Haus­tier in Indo­ne­siens Haupt­stadt Jakarta. Dann wurde sie gerettet und zu BOS gebracht.

Shelli
Shelli

Obwohl sie all die Jahre in völliger Abhän­gig­keit von Menschen gelebt hatte, holte Shelli in der BOS-Wald­schule das nötige Wissen erstaun­lich schnell auf. In nur zwei Jahren war sie soweit: Ab 2003 durfte Shelli auf der Voraus­wil­de­rungs­insel ihre Fähig­keiten unter Beweis stellen. Und genau dort gebar sie 2005 ihre erste Tochter Nobri, die auf Kaja aufwuchs. Genau wie ein wilder Orang-Utan im Regenwald. 

Shelli war eine groß­ar­tige Mutter, die die kleine Nobri zu einem voll­kommen selbst­stän­digen Wald­men­schen aufzog. Ihre Unab­hän­gig­keit musste Nobri dann auch bereits im Alter von fünf Jahren unter Beweis stellen. Denn Shelli schenkte 2010 ihrer Tochter Forest das Leben. Und damit spielte Nobri fortan maximal die zweite Geige in Shellis Leben. Doch das war kein Problem für die immer schon frei­heits­lie­bende Nobri. 

Zu wild für die Auswilderung

Doch genau diese Unab­hän­gig­keit und ihre starke Abnei­gung gegen­über Menschen wurden Nobri 2013 zum Verhängnis. Denn die inzwi­schen Acht­jäh­rige war ausge­wählt worden, gemeinsam mit Mutter Shelli und Schwester Forest in Bukit Batikap ausge­wil­dert zu werden. Aber Nobri ließ sich nicht einfangen. Sie war zu vorsichtig und zu schnell, so dass unsere Tier­ärzte trotz unzäh­liger Versuche aufgeben mussten. Nobri blieb auf der Insel – und ein anderer Orang-Utan durfte an ihrer Stelle in die Wildnis umziehen. 

Nobri vor ihrer Auswilderung
Nobri vor ihrer Auswilderung

Nobris großer Moment sollte noch drei Jahre auf sich warten lassen. Als unsere Tier­ärzte die Kandi­daten für die zwölfte Auswil­de­rung aus Nyaru Menteng vorbe­rei­teten, bot sich eine Gele­gen­heit – und unser Team ergriff sie. Sie erwischten Nobri voll­kommen entspannt und ahnungslos und konnten sie endlich einfangen. So begann das Aben­teuer Regen­wald für dieses stolze Orang-Utan-Weib­chen am 22. April 2016 in Bukit Batikap.

Nobris Käfig ist auf
Nobris Käfig ist auf

Mit dem Moment der Käfig­öff­nung bewies Nobri ihre wilden Fähig­keiten. Und stellte unsere Beob­ach­tungs­teams vor enorme Heraus­for­de­rungen. Kein Baum war hoch genug für sie, kein Dickicht zu dicht. Und wütende Kuss­ge­räu­sche ertönten, sobald unsere Mitar­beiter ihr doch einmal zu nahe kamen. Dabei taten die doch nur ihren Job.

Immer ganz weit oben
Immer ganz weit oben

Große Sorgen

Im November 2017 gelang es unserem Team endlich einmal wieder, Nobri zu beob­achten. Doch obwohl sie sich von ihrer starken, unab­hän­gigen Seite präsen­tierte, begannen wir uns Sorgen um die Zwölf­jäh­rige zu machen. An ihrer Achsel­höhle war eine selt­same Schwel­lung zu erkennen. Weil ihr Verhalten aber völlig normal schien, entschied das Team, vorerst nicht einzu­greifen, Nobri aber weiterhin zu beobachten. 

Mit der Zeit jedoch wurden die Schwel­lungen an ihren Achseln größer. Und schlimmer noch: Ihr Kehl­sack schwoll an. In der Regel ein Zeichen für eine bakte­ri­elle Entzün­dung des Kehl­sacks und der Atem­wege, die sehr schmerz­haft ist und leider oft tödlich endet. Wir mussten schnell eingreifen, obwohl Nobri noch immer kraft­voll agierte und man ihr keinerlei Schmerzen ansah.

Der Kehlsack ist deutlich angeschwollen
Der Kehl­sack ist deut­lich angeschwollen

Es war Ende 2018, als unser Beob­ach­tungs­team Hilfe in Nyaru Menteng anfor­derte. Sofort machten sich der beste Scharf­schütze für Betäu­bungs­pfeile, Pak Sugi, gemeinsam mit Tier­arzt Greggy auf den drei Tage langen, beschwer­li­chen und gefähr­li­chen Weg in das Schutz­ge­biet. Nobri wurde sediert und ins Moni­to­ring-Camp gebracht, wo ihre Behand­lung begann. Mitten im Dschungel wurden zahl­reiche Opera­tionen durch­ge­führt, an die sich eine wochen­lange Anti­bio­ti­kakur schloss.

Not-OP im Wald
Not-OP im Wald

Zwei­ein­halb Monate musste Nobri im Camp behan­delt werden. Zwei­ein­halb Monate, die für die wilde Nobri nur schwer zu ertragen waren. Doch schließ­lich entschied der Tier­arzt: Nobri darf wieder in die Frei­heit zurück. Leider ist die Gefahr eines Rück­falls bei bakte­ri­ellen Kehl­sa­ck­ent­zün­dungen sehr hoch. Doch fürs erste hatte Nobri den Kampf gewonnen.
Mit dem festen Vorhaben, Nobri im Auge zu behalten, wurde sie Anfang 2019 erneut ausge­wil­dert.

Die zweite Auswilderung
Die zweite Auswilderung

Doch auch Nobri hatte einen Plan: So schnell und so weit wie möglich weg von allem was mensch­lich ist. 

Versteck­spiel im Regenwald

Wie sehr wir uns auch bemühten, von Nobri gab es keine Spur. Erst im Mai fanden wir sie wieder. Und Nobri war nicht erfreut darüber.
Sofort schallten dem Team Kuss­ge­räu­sche entgegen und erbost rüttelte Nobri an den Zweigen. Aber unser Team wusste, dass es dran bleiben musste. Je näher wir kamen, umso größer wurden unsere Ängste. Es schien, als sei ihr Kehl­sack wieder geschwollen. War die Entzün­dung zurück­ge­kehrt? Als die Nacht kam, mussten wir die Beob­ach­tung einstellen. Und als wir früh am nächsten Tag wieder zurück­kehrten, gab es keine Spur mehr von Nobri…

Unsere Sorge wuchs Woche für Woche, Monat für Monat. Egal wo wir suchten, egal wo wir unter­wegs waren, Nobri war unauf­findbar. Erst sechs Monate später hatten wir Erfolg. Wir empfingen ein Funk­si­gnal von Nobri! Aber es war schwach und setzte immer wieder aus. 

Wir hatten große Angst. Es war der 27. Januar 2020 – genau ein Jahr war vergangen, seitdem wir Nobri nach ihrer Behand­lung wieder ausge­wil­dert hatten. Wir suchten und folgten dem Signal. Und dann schließ­lich entdeckten wir Manggo in Beglei­tung von Nobri und ihrem süßen Geheimnis. 

Manggo
Manggo

Auch als Mutter blieb Nobri sich treu: So viel Abstand zu Menschen zu halten, wie möglich. In den höchsten Wipfeln der Bäume verbrachte sie den Tag, so gut versteckt, dass wir nicht einmal ein Foto vorzeigen können. Und das ist bis heute so geblieben. So gern wir der Welt  auch ihr Baby vorstellen würden, so sind wir doch auch stolz auf unsere Nobri. Denn genau so ein Verhalten wünschen wir uns von den Orang-Utans: Wild, frei, unab­hängig und weit weg von Menschen sollen sie im Regen­wald leben. 

Nobris Baby ist nicht nur der erste wild­ge­bo­rene Orang-Utan des Jahres 2020 in unseren Schutz­ge­bieten, sondern ein weiteres Baby der zweiten Gene­ra­tion des BOS-Rehabilitationsprogramms.
Fast 20 Jahre nachdem Shelli aus dem Groß­stadt­dschungel von Jakarta gerettet wurde, ist nun ihr Enkel frei im wilden Regen­wald Borneos geboren worden. Nobris Geschichte zeigt uns, dass es immer Hoff­nung gibt. Ganz gleich, wie unüber­windbar die Hinder­nisse erscheinen mögen – wenn wir ihnen eine Möglich­keit bieten, werden die Orang-Utans auch einen Weg finden.

 

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Tiere aus Kali­mantan: Der Borneo-Plumplori

Tiere aus Kali­mantan: Der Borneo-Plumplori

Kali­mantan ist der indo­ne­si­sche Name für die Insel Borneo, der dritt­größten Insel der Welt nach Grön­land und Neuguinea. Kali­mantan ist auch die Heimat der Borneo-Orang-Utans, die sie sich natür­lich mit unzäh­ligen anderen Tier­arten teilen. Viele von ihnen sind nicht minder bedroht als unsere rothaa­rigen Vettern. Wir wollen hier in loser Reihen­folge immer mal wieder einige dieser faszi­nie­renden Geschöpfe vorstellen. 

Borneo-Plum­plori (Nycti­cebus borne­anus)

Plum­ploris heißen so, weil sie sich für gewöhn­lich langsam und mit Bedacht durchs Geäst bewegen. Dabei sind sie nicht wirk­lich plump, sondern können beim Fang von Insekten und kleinen Wirbel­tieren blitz­schnell zupa­cken. Ansonsten ernähren sie sich von Früchten, Knospen, Blüten und Baum­säften. Sie sind gut halb so groß wie Haus­katzen und leben prak­tisch nur auf Bäumen. Ihre Zeit ist die Nacht. Bei Tage schlafen sie zusam­men­ge­rollt in dichtem Geäst. 

Plumploris sind nachtaktiv
Plum­ploris sind nachtaktiv

Zoolo­gisch gehören sie zu den Primaten und zwar zur Unter­ord­nung der Streps­irrhini, der Feucht­na­sen­pri­maten. Wie der Name ausdrückt, besitzen sie feuchte, äußere Nasen­schleim­häute, wie zum Beispiel Hunde oder Katzen. Ihr Geruchs­sinn ist daher auch besser entwi­ckelt als bei den Haplo­rrhini, den Trocken­na­sen­affen. Zu diesen zählen alle „rich­tigen“ Affen einschließ­lich Menschen­affen und Menschen. 

Man unter­scheidet heute acht Arten von Plum­ploris, die in verschie­denen Wald­re­gionen des tropi­schen Asiens behei­matet sind. Vier davon kommen auf Borneo vor, der danach benannte Borneo-Plum­plori vorrangig in den eher südli­chen Regionen Kali­mantans. Damit sind sie Bewohner des Natio­nal­parks Bukit Baka Bukit Raya, wo BOS auch Orang-Utans auswil­dert. Die Plum­plo­ri­arten ähneln sich alle in ihrer Lebens­weise. Sie sind einzel­gän­ge­risch oder leben in kleinen Fami­li­en­gruppen zusammen, aller­dings ist ihr Sozi­al­ver­halten noch wenig erforscht. 

Vorsicht giftig
Vorsicht giftig

Plum­ploris weisen eine unter Säuge­tieren sehr seltene Eigen­schaft auf: Sie sind giftig. An den Armen besitzen sie spezi­elle Drüsen, deren Sekret in Verbin­dung mit dem Spei­chel toxi­sche Wirkung bei Beute­tieren und unvor­sich­tigen Fress­feinden hervor­ruft. Ledig­lich einige Arten von Spitz­mäusen, sowie die urtüm­li­chen eier­le­genden Säuger Schna­bel­tier und Amei­sen­igel aus der austra­li­schen Tier­welt, verfügen auch noch über Giftdrüsen. 

Apropos Fress­feinde: Zu ihnen können auch Orang-Utans gehören. 2011 beob­ach­teten die nieder­län­di­sche Zoologin Made­leine E. Hardus und andere ein Orang-Utan-Weib­chen auf Sumatra, wie es einen getö­teten Plum­plori verspeiste. Ein solches Verhalten wurde bis jetzt neunmal auf Sumatra doku­men­tiert, aber man kann vermuten, dass es auch unter Borneo-Orang-Utans vorkommt. Orang-Utans gehen nicht regel­mäßig auf Jagd wie Schim­pansen und decken ihren Bedarf an tieri­schem Eiweiß in der Regel mit Termiten und anderen Insekten. Hin und wieder jedoch scheint dieser Bedarf größer zu sein, mögli­cher­weise beson­ders in Zeiten mit wenig Früchten. So wurde zum Beispiel bei einigen BOS-Orang-Utans beob­achtet, wie sie sich Fische fingen. 

Die IUCN (Inter­na­tional Union for Conser­va­tion of Nature) hat speziell für den Borneo-Plum­plori noch keine Einstu­fung erstellt, gene­rell aber gelten Plum­ploris als gefährdet („vulnerable“). Sie sind somit noch nicht akut bedroht, aber ihre Bestände sinken. Die Gründe liegen im weiter fort­schrei­tendem Verlust an Wald­ge­bieten, aber auch Wilderei trägt ihren Teil zur Bedro­hung der Plum­ploris bei. Die Tiere sind begehrte Objekte des ille­galen Wild­tier­han­dels. Weil sie so nied­lich und vermeint­lich zutrau­lich sind, halten viele sie für geeig­nete Haus­tiere. Das sind sie frei­lich über­haupt nicht! Ihre „Zahm­heit“ ist ledig­lich ihr ange­bo­renes Verhalten, bei Bedro­hung möglichst still zu verharren. Bevor sie in die Hände der „Tier­freunde“ gelangen, werden ihnen oft auch die spitzen Eckzähne entfernt. Das verrin­gert zwar die Wahr­schein­lich­keit von Gift­bissen, ist aber für die Tiere natür­lich äußerst schmerz­haft und führt zu schweren Entzündungen. 

Wild­tiere sind grund­sätz­lich keine Haus­tiere. Der lang­fristig beste Schutz für diese faszi­nie­renden Primaten besteht darin, den ohnehin ille­galen Handel mit Wild­tieren konse­quent zu unter­binden und vor allem ihren Lebens­raum zu schützen. 

Die Orang-Utans und all die anderen Bewohner des Regen­waldes brau­chen uns. Gerade jetzt. Vielen Dank für Ihre Unterstützung.