Ein Abend mit Orang-Utan Mutter Inung und Indie

Ein Abend mit Orang-Utan Mutter Inung und Indie

Gemäch­lich klet­tert Inung, unser Orang-Utan-Weib­chen, das vor acht Jahren im Bukit Batikap Regen­wald ausge­wil­dert wurde, mit ihrem neuge­bo­renen Baby Indie durch das dichte Blät­ter­dach – stets darauf bedacht, stabile Äste beim Klet­tern auszu­wählen. Sie ist auf der Suche nach einem geeig­neten Schaf­platz, denn der Tag neigt sich bald dem Ende zu. Es war ein entspannter Tag, an dem sie mit ihrer Kleinen viele wohl­schme­ckende Früchte gefunden hat. Doch bevor sie und Indie sich zum Schlafen legen können, muss Inung erst ein Nest hoch oben in den Bäumen bauen.

Glück­li­cher­weise wird sie schnell fündig und beginnt mit der kompli­zierten Konstruk­tion. Der Regen­wald ist erfüllt von abend­li­chen Klängen, als aus der Ferne, ein soge­nannter ‘Long Call‘ erklingt. Inung erkennt an der indi­vi­du­ellen Struktur dieses komplexen Rufes, dass dieser von Indies Vater stammt. Entspannt baut sie weiter, um sich dann zusammen mit Indie zum Schlafen hinzu­legen. Was dieser Ruf bedeutet, und welche Infor­ma­tionen Inung dadurch über­mit­telt werden, erläu­tern wir später. Nun widmen wir uns erstmal dem Schlaf von Orang-Utans.

Dr. Isabelle Laumer ist Primatologin und forscht über Orang-Utans
Dr. Isabelle Laumer ist Prima­to­login und forscht über Orang-Utans

Was passiert im Schlaf?

Wenn wir schlafen, sinken Puls, Atem­fre­quenz und Blut­druck ab, die Gehirn­ak­ti­vität verän­dert sich und wir driften in verschie­dene Stadien der NREM Schlaf­phase (non-rapid eye move­ment ‘Schlaf ohne rasche Augen­be­we­gung‘ e.g. 1). Schlaf beim Menschen, Orang-Utans und anderen Säuge­tieren ist durch zykli­sche Phasen von NREM und REM Schlaf (rapid eye move­ment) gekenn­zeichnet. Im REM-Schlaf steigen Gehirn­ak­ti­vität, Puls- und Atem­fre­quenz wieder an, begleitet von einem verrin­gerten Tonus der Skelett­mus­ku­latur. Bewe­gungen, die man im Traum durch­lebt, werden so im Schlaf nicht ausge­führt (was bei Schlaf in einem Baum­nest fatal wäre). Während Menschen im Durch­schnitt sieben bis acht Stunden Schlaf benö­tigen, so ist die Schla­fens­zeit bei Säuge­tieren stark artspe­zi­fisch und reicht von rund zwei Stunden bei Elefanten (2) zu bis zu 20 Stunden bei manchen Fleder­maus­arten (3). Orang-Utans schlafen ähnlich lange wie der Mensch – etwa neun Stunden (4). Die Frage, ob Orang-Utans und andere Tiere träumen und ob sie sich dessen bewusst sind, kann bisher zumin­dest von rein wissen­schaft­li­cher Seite nicht beant­wortet werden. Aller­dings spre­chen die ähnli­chen Schlaf­phasen und andere Indi­zien dafür, dass zumin­dest Säuge­tiere wie Orang-Utans, ähnlich wie wir Menschen, Tages­er­leb­nisse im Traum reka­pi­tu­lieren (e.g. 5, 6).

Schlaf­nester bei Menschenaffen.

Alle vier Menschen­affen, Orang-Utans, Schim­pansen, Bonobos und Gorillas, schlafen in selbst­ge­bauten Schlaf­nes­tern. Die Nester werden selten wieder­holt genutzt und jeden Tag an einer neuen Stelle neu gebaut. Manchmal wird auch tags­über ein Nest konstru­iert, um etwa nach der Nahrungs­auf­nahme zu ruhen. Gorillas fallen etwas aus der Reihe, da sie ihre Nester, im Gegen­satz zu den anderen Menschen­affen, meist auf dem Boden errichten. Man geht davon aus, dass Menschen­affen Schlaf­nester bereits im Miozän, etwa vor 18–14 Millionen von Jahren (das ist der Zeit­punkt als Menschen­affen entwick­lungs­ge­schicht­lich entstanden sind), gebaut haben, als evolu­tio­näre Anpas­sung an ihre zuneh­mende Körper­größe und Schlaf­be­dürf­nisse. Inter­es­san­ter­weise ist das Nest­bauen nicht ange­boren. Menschen­af­fen­kinder müssen es erlernen (7).

Lernen ein stabiles, mehr­schich­tiges Schlaf­nest zu bauen – ein jahre­langes Unterfangen.

Schlafnester sind in mehreren Schichten aufgebaut
Schlaf­nester sind in mehreren Schichten aufgebaut

Junge Orang-Utans müssen von ihrer Mutter lernen, wie man ein stabiles Schlaf­nest hoch oben in den Baum­wip­feln baut. Diese komplexen, ovalen Gebilde bestehen oft aus bis zu sieben Schichten und können sogar ein 90kg schweres Männ­chen sicher tragen. Zual­ler­erst werden an einer geeig­neten Stelle im Baum – oft dort, wo sich eine Astgabel befindet – mehrere große Äste zur geplanten Mitte des Nestes umge­bogen. Diese bilden die Platt­form, auf der das eigent­liche Schlaf­nest entsteht. Dabei muss vorsichtig gear­beitet werden, damit die Äste beim Biegen nicht ausein­an­der­bre­chen und die Holz­fa­sern immer noch mitein­ander verbunden sind. Nun werden mittel­große und klei­nere Äste zur Mitte hinge­bogen und mit dem Unter­grund verwebt, so dass ein Latten­rost-ähnli­ches Gebilde entsteht. Im Verlauf von etwa einer halben Stunde werden weitere kurze Äste und Blätter von den umlie­genden Ästen gepflückt und geschickt mit dem Unter­grund zu einer Matratze verwebt. Je nach Bedarf, werden sogar Kopf­kissen und Decke aus Pflan­zen­ma­te­rial herge­stellt. Zum Schluss wird manchmal auch noch ein Dach aus großen Blät­tern über dem Nest konstru­iert – wer möchte schon im Schlaf nass geregnet werden?

Welche Höhe und welche Baum­arten werden bevorzugt?

Große erwach­sene Männ­chen bauen ihre Nester meist tiefer auf einer Höhe von etwa fünf bis neun Metern.  Die leichter gewich­tigen Weib­chen und klei­neren Männ­chen ohne sekun­däre Geschlechts­merk­male wie Wangen­wülste und Kehl­säcke (die bilden sich meist erst später aus), schlafen weiter oben im Baum, in einer Höhe von durch­schnitt­lich 10–14 Metern (8). Tag-Nester werden meist in größerer Höhe, zwischen 10 bis 24 Metern, errichtet.
Doch nicht nur eine bestimmte Höhe wird bevor­zugt. Man hat heraus­ge­funden, dass beson­ders Orang-Utan-Mütter Wert auf einen von dichten Blät­tern geschützten Platz im Baum legen (9). Vermut­lich um ihren Nach­wuchs vor poten­ti­ellen Gefahren, wie Wilde­rern oder den selten gewor­denen Sunda-Nebel­par­dern zu schützen. Je nach Gebiet und Beschaf­fen­heit des Regen­waldes, bevor­zugen Orang-Utans bestimmte Bäume als Schlaf­orte. In Zentral­ka­li­mantan nisten Orang-Utans am häufigsten in Bäumen der Fami­lien Elaeo­car­paceae, Euphor­biaceae und Anacar­diaceae (8). Das Holz dieser Bäume ist sehr stabil, und die Zweige weisen eine hohe Flexi­bi­lität auf. Inter­es­san­ter­weise scheinen manche dieser Baum­arten sogar pflanz­liche Inhalt­stoffe aufzu­weisen, die Insekten wie Moskitos abhalten.

Und nun enträt­seln wir die Botschaft des ‘Long Calls‘, die Inung von dem Männ­chen vernommen hat. Neueste Studien haben ergeben, dass dieser komplexe mehr­tei­lige Ruf, der bis zu 1500 Meter weit hörbar ist und in eine bestimmte Rich­tung geäu­ßert wird, den Weib­chen in der Umge­bung mitteilt, wohin es am nächsten Morgen geht. Das Revier eines Männ­chens über­schneidet sich oft mit dem von mehreren Weib­chen. Wenn das Männ­chen weiter­zieht, folgen ihm die Weib­chen. Somit planen männ­liche Orang-Utans schon einen Tag im Voraus, in welche Rich­tung es am nächsten Tag gehen soll (10, 11).

Eines unserer wich­tigsten Ziele ist es, mehr Regen­wald­flä­chen zu erwerben und zu Schutz­wald für unsere Orang-Utans umzu­wan­deln. Helfen auch Sie diesen faszi­nie­renden Lebens­raum und seine gewal­tige Arten­viel­falt zu erhalten und zu schützen. Werden auch Sie zum BOS-Unter­stützer. Mit ihrer Spende helfen sie den Orang-Utans und dem Regen­wald! Jeder Beitrag hilft.

Text:
Dr. Isabelle Laumer

Refe­renzen:

1.    Rasch B, and Born J. (2013) About sleep’s role in memory. Physio­lo­gical Reviews 93(2):681–766.

2.    Gravett N, Bhag­wandin A, Sutcliffe R, Landen K, Chase MJ, Lyamin OI, Siegel JM, and Manger PR (2017). Inactivity/sleep in two wild free-roaming African elephant matri­archs — Does large body size make elephants the shor­test mamma­lian slee­pers? PLOS ONE 12:e0171903.

3.    Zepelin H, Rcht­schaffen A (1974). Mamma­lian Sleep, Longe­vity, and Energy Meta­bo­lism. Brain Beha­vior and Evolu­tion 10:425–470.

4.    Samson DR, Shumaker RW (2013). Docu­men­ting oran­gutan sleep archi­tec­ture: slee­ping plat­form comple­xity increases sleep quality in captive Pongo. BEHAVIOUR 150:845–861.

5.    PR Manager, JM Siegel (2020) Do all mammals dream? The Journal of Compa­ra­tive Neuro­logy Rese­arch in Systems Neuro­sci­ence. DOI 10.1002/cne.24860.

6.    HF Olaf­s­dottir, C Barry , AB Saleem, D Hass­a­bism, H J Spiers (2015) Hippo­campal place cells cons­truct reward related sequences through unex­plored space. eLife; 4:e06063.

7.    Videan EN. 2006. Bed-buil­ding in captive chim­pan­zees (Pan troglo­dytes): the importance of early rearing. American Journal of Prima­to­logy 68(7):745–751.

8.    Didik Prasetyo, Sri Suci Utami, Jatna Supri­jatna (2012) Nest struc­tures in Bornean oran­gutans. Journal Biologi Indo­nesia 8 (2): 217–227.

9.    Arora, N., Van Noor­dwijk, M.A., Acker­mann, C., Willems, E.P., Nater, A., Greminger, M., Niet­lis­bach, P., Dunkel, L.P., Atmoko, S.U., Pamungkas, J., Perwi­ta­sari-Fara­jallah, D., (2012) Paren­tage-based pedi­gree recon­s­truc­tion reveals female matri­li­neal clus­ters and male-biased dispersal in nongre­ga­rious Asian great apes, the Bornean oran­gutans (Pongo pygmaeus). Mol. Ecol. 21 (13), 3352–3362.

10.    van Schaik CP, Dame­rius L, Isler K (2013) Wild Oran­gutan Males Plan and Commu­ni­cate Their Travel Direc­tion One Day in Advance. PLoS ONE 8(9): e74896.

11.    Askew J, A, Morrogh-Bernard H, C (2016) Acou­stic Charac­te­ristics of Long Calls Produced by Male Orang-Utans (Pongo pygmaeus wurmbii): Adver­ti­sing Indi­vi­dual Iden­tity, Context, and Travel Direc­tion. Folia Primatol; 87:305–319.

12.    F Fauzi, Suemarno, A Afandhi, AS Leksono (2020) Nesting beha­vior of Bornean imma­ture oran­gutan (Pongo pygmaeus wurmbii) in Nyaru Menteng Arbo­retum School, Palangka Raya, Central Kali­mantan, Indo­nesia; Biodi­ver­sitas: Volume 21, 5, 2172–2179.

 

Die ORANGUTAN JUNGLE SCHOOL hat ihre Pforten geöffnet

Die ORANGUTAN JUNGLE SCHOOL hat ihre Pforten geöffnet

Herein­spa­ziert in die „Oran­gutan Jungle School“ heißt es ab Donnerstag, 6. Mai um 20:15 Uhr auf SAT.1 GOLD. Die Erfolgs­serie wurde seit 2018 in unserem Rettungs­zen­trum Nyaru Menteng gedreht, begeis­terte welt­weit schon Millionen von Menschen und bietet einen so zuvor noch nie gese­henen Blick auf unsere Wald­schüler. Endlich sind sechs Folgen der Doku-Reihe auch im deut­schen Fern­sehen zu sehen.

Tieri­sche Stars wurden durch die „Oran­gutan Jungle School“ geboren, die sicher­lich auch in Deutsch­land bald eine große Fange­meinde entzü­cken werden: So zum Beispiel „Big Boy“ Beni, der durch seinen über­mä­ßigen Appetit mit Gewichts­pro­blemen zu kämpfen hat. Oder Herzens­bre­cherin Monita, die nach ihrer Rettung die ersten Tage in der „Jungle School“ meis­tern muss. Natür­lich Alba, der welt­weit einzige Albino-Orang-Utan. Und viele weitere unserer Waldschüler.

Ab 6. Mai zeigt SAT.1 GOLD immer donners­tags um 20:15 Uhr neue Folgen aus der BOS-Wald­schule. Wie der kosten­freie Sender SAT.1 GOLD empfangen werden kann, ist hier nach­zu­lesen. Online ist der Live­stream der „OJS“ auch nur eine Regis­trie­rung entfernt.
Und nach der Ausstrah­lung im TV sind die Folgen jeweils vier Wochen lang in der SAT.1 GOLD-Media­thek abrufbar. 

Hier zusam­men­ge­fasst alle Sendetermine:

6. Mai 2021, 20:15 Uhr — Folge 1: Will­kommen in der Rettungsstation

13. Mai 2021, 20:15 Uhr — Folge 2: Albino Alba setzt sich durch

 20. Mai 2021, 20:15 Uhr — Folge 3: Die Wildnis ruft!

 27. Mai 2021, 20:15 Uhr — Folge 4: Kein Glück für Beni

3. Juni 2021, 20:15 Uhr — Folge 5: Erik in Lebensgefahr

10. Juni 2021, 20:15 Uhr — Folge 6: Ein Abschied für immer

 

Als Orang-Utan-Retter können Sie die Wald­schüler und unsere Arbeit in den Rettungs­zen­tren unterstützen.

ORANGUTAN JUNGLE SCHOOL — Will­kommen in der Rettungsstation

In der Jungle School gibt es viele unter­schied­liche Charak­tere, die die Lehrer auf Trapp halten: Allen voran Klas­sen­clown Valen­tino, der regel­mäßig versucht, dem Unter­richt zu entgehen. Dann wäre da noch „Big Boy“ Beni, der durch seinen über­mä­ßigen Appetit mit Über­ge­wicht zu kämpfen hat und drin­gend abspe­cken sollte. Neu in der Schule sind Clara und ihr Baby Clarita: Die beiden wurden von einer Insel gerettet, nachdem Clarita von einem männ­li­chen Affen entführt wurde.

Die „Oran­gutan Jungle School“ ist eine mehr­tei­lige Repor­tage aus unseren Auffang­sta­tionen auf Borneo. Die Serie hat welt­weit Menschen auf den Weg der Orang-Utans aufmerksam gemacht. Es geht um die Aben­teuer unserer Schütz­linge und ihren Weg zurück in die Wildnis. Bevor die Primaten aller­dings den Regen­wald unsi­cher machen können, benö­tigen sie einige Über­le­bens­fä­hig­keiten, die sie erst in der Schule lernen müssen.

Sat.1 Gold zeigt vom 6. Mai bis 10. Juni immer donners­tags um 20.15 Uhr eine Folge der Erfolgs­serie aus unserem Rettungs­zen­trum in Indonesien.

 

Drei Orang-Utan-Babys gerettet

Drei Orang-Utan-Babys gerettet

UPDATE — 23.04.2021: ***Unter 1.400 Namens­vor­schlägen, die bis gestern Nach­mittag aus der ganzen Welt einge­gangen sind, haben wir uns für den schönen Namen Aiko entschieden.***

Drei neue Orang-Utan-Waisen leben jetzt im Schutz­zen­trum Nyaru Menteng. Sie wurden seit Mitte Februar von BOS in Zentral-Kali­mantan gerettet. Drei Babys bedeuten: Drei tote Orang-Utan-Mütter; drei trau­ma­ti­sierte Waisen; drei Babys, die den langen Weg der Reha­bi­li­ta­tion noch vor sich haben. Aber auch: Drei Orang-Utan-Leben, die dank BOS eine Zukunft haben. 

Die Babys sind zwischen sechs und zehn Monaten alt und damit noch voll­kommen hilflos. Sie werden jetzt im BOS-Schutz­zen­trum Nyaru Menteng betreut. Hier erhalten sie nicht nur die notwen­dige medi­zi­ni­sche Versor­gung, sondern lernen in einem mehr­jäh­rigen Reha­bi­li­ta­ti­ons­pro­zess all das, was ihnen sonst in der Wildnis ihre Mutter beigebracht hätte. Wenn alles gut geht, sind sie nach sieben bis zehn Jahren Ausbil­dung bereit für die Auswilderung. 

Onyer erholt sich im BOS-Rettungszentrum

Der zehn Monate alte männ­liche Säug­ling Onyer wurde von der indo­ne­si­schen Natur­schutz­be­hörde BKSDA im Dorf Dahian Tambuk, Gunung Mas Regency in Zentral-Kali­mantan beschlag­nahmt und am 15. Februar an das BOS-Rettungs­zen­trum Nyaru Menteng übergeben. 

Onyer ist mit zehn Monaten der älteste der drei Neuankömmlinge
Onyer ist mit zehn Monaten der älteste der drei Neuankömmlinge

Der Dorf­be­wohner, der das Orang-Utan-Baby bei sich hatte, behaup­tete, Onyer allein in einem Wald­ge­biet unweit seines Feldes gefunden zu haben. Wir gehen davon aus, dass seine Mutter getötet wurde. Denn keine Orang-Utan-Mutter würde ihr Baby zurücklassen.

Bei der Erst­un­ter­su­chung in Nyaru Menteng attes­tierten unsere Tier­ärzte Onyer eine gute Gesund­heit. Noch befindet er sich in Quaran­täne und unter regel­mä­ßigen Gesund­heits­kon­trollen. Das ist bei jeder Orang-Utan-Rettung üblich, um keine Krank­heiten ins Rettungs­zen­trum einzu­schleppen. Unter COVID-19 sind die Quaran­tä­ne­maß­nahmen noch strenger. Sobald Onyer die Quaran­täne durch­laufen hat, wird er in die Baby­gruppe von Nyaru Menteng aufgenommen.

Onyer
Onyer

An seinem ersten Tag in Nyaru Menteng war Onyer sehr nervös. Das ist verständ­lich, wenn man bedenkt, dass er sich plötz­lich in einer neuen Umge­bung mit lauter unbe­kannten Gesich­tern befand. Nachts war er sehr unruhig und weinte jedes Mal, sobald seine Baby­sit­terin aufstand – vermut­lich aus Angst, wieder allein gelassen zu werden.
Zum Glück hat Onyer einen recht guten Appetit, trinkt gerne seine Soja-Milch und frisst Obst. Aktuell leidet er an einem leichten grip­palen Infekt, den unser medi­zi­ni­sches Team mit Inha­la­tionen behan­delt, auf die er gut anspricht.

Onyers Lieblingsplatz ist die Schaukel
Onyers Lieb­lings­platz ist die Schaukel

Am liebsten spielt Onyer auf der Schaukel. Auch an ersten Klet­ter­übungen auf nied­riger Höhe hat er sich schon versucht. 

Ramangai war fast am Ende seiner Kräfte

Am 1. März wurde der sechs Monate alte Ramangai von BOS in Zusam­men­ar­beit mit der BKSDA gerettet. Sieben Stunden dauerte die Fahrt des Rettungs­teams in den Unter­be­zirk Marikit, Katingan Regency in Zentral-Kali­mantan, wo Ramangai drin­gende Hilfe benötigte.

Ramangai bei seiner Rettung
Ramangai bei seiner Rettung

Nach Angaben des Dorf­be­woh­ners, der ihn gefangen hielt, hatte der Ramangai im Wald entdeckt, als er auf Vogel­jagd war. Der Dorf­be­wohner sagte, er sei scho­ckiert gewesen, als er plötz­lich ein Orang-Utan-Baby von einem Baum fallen sah, ohne jede Spur von seiner Mutter. Er habe nicht gewusst, was er tun solle, denn es wäre beschwer­lich, das Baby den langen Weg aus dem Regen­wald bis zu ihm nach Hause zu bringen. Doch er habe es nicht übers Herz gebracht, das Orang-Utan-Baby allein zurück­zu­lassen. Da der Jäger wusste, dass Orang-Utans gesetz­lich geschützt seien, beschloss er, das Baby doch mitzu­nehmen. Da er sich tief in einem entle­genen Wald­ge­biet befand, habe der Jäger Ramangai drei Tage lang tragen müssen, ehe er zuhause war, und ihn auf dem Weg nur mit Kaffee und Bananen füttern können. 

Der Säugling war stark dehydriert
Der Säug­ling war stark dehydriert

Das hatte zur Folge, dass das Orang-Utan-Baby stark dehy­driert und geschwächt war. Als er zu Hause ankam, gab ihm der Dorf­be­wohner gesüßte Kondens­milch, in der Hoff­nung, Raman­gais Zustand würde sich verbessern. 

Er meldete seinen Fund der Natur­schutz­be­hörde BKSDA in Zentral-Kali­mantan, die sich sofort mit einem BOS-Rettungs­team auf den Weg machte. Schon auf dem Weg ins Rettungs­zen­trum Nyaru Menteng haben wir Ramangai über eine Infu­sion mit Flüs­sig­keit versorgt, da er extrem schwach und dehy­driert war. 

Ramangai hing zwei Tage am Tropf
Ramangai hing zwei Tage am Tropf

Bei BOS wurde das Baby sofort auf der Quaran­tä­ne­sta­tion intensiv betreut. Ramangai war vor allem nachts sehr unruhig. Er ist schwer trau­ma­ti­siert vom Verlust seiner Mutter, den zurück­lie­genden Erleb­nissen und davon, plötz­lich in eine neue Umge­bung voller fremder Menschen gestoßen worden zu sein. Nach zwei Tagen der Behand­lung konnte Ramangai der Tropf entfernt werden, da sich sein Flüs­sig­keits­haus­halt norma­li­siert hatte. Aller­dings hat er immer noch leichtes Fieber, und steht unter unserer strengen und fürsorg­li­chen tier­ärzt­li­chen Bewa­chung. Und ganz vielen Kuschel­ein­heiten von seiner Babysitterin.

Die Trauer ist Ramangai anzusehen
Die Trauer ist Ramangai anzusehen

Im Gegen­satz zu Onyer, sitzt Ramangai lieber ruhig in einem Korb. Die Trauer, den Verlust seiner Mutter und die trau­ma­ti­sie­renden Erleb­nisse der zurück­lie­genden Tage hat der Kleine noch lange nicht verar­beitet. Doch mit viel Liebe und Fürsorge hoffen wir, dass es für ihn leichter wird.

Dürfen wir Aiko vorstellen?

Am 23. März wurde uns ein drittes Orang-Utan-Baby von der Natur­schutz­be­hörde BKSDA über­geben. Noch hat das neun Monate alte Weib­chen keinen Namen erhalten. Ein Bauer aus dem Dorf Muroi, Kapuas Regency in Zentral-Kali­mantan hatte das Baby entdeckt. Der Bauer behaup­tete, den Säug­ling gefunden zu haben, als er beim Fischen war. Er habe sich etwa eine Woche um das Orang-Utan-Mädchen geküm­mert und sie mit Milch­pulver gefüt­tert, ehe er sie frei­willig der Behörde übergab. 

Das kleine Mädchen ist neun Monate alt
Aiko ist neun Monate alt

Unsere Tier­ärzte stellten fest, dass sich der kleine Orang-Utan in einem guten Gesund­heits­zu­stand befand – mit einem großen Appetit auf Bananen und Milch. Das Mädchen befindet sich jetzt im BOS-Rettungs­zen­trum Nyaru Menteng mit Onyer und Rawang in Quaran­täne. Einige Test­ergeb­nisse aus dem Labor stehen noch aus. Und natür­lich auch die Namensgebung.

Der Lebens­raum wird immer knapper

„Die drei Orang-Utan-Babys, die wir jetzt in wenigen Wochen aufge­nommen haben, zeigen, dass die Abhol­zung und unver­ant­wort­liche Ausbeu­tung der Wald­öko­sys­teme auf Borneo immer noch anhalten“, sagt Denny Kurniawan, Program-Manager des Rettungs­zen­trums Nyaru Menteng. „Denn die Zerstö­rung ihrer Lebens­räume ist es, die wilde Orang-Utans dazu zwingt, auf der Suche nach Nahrung in mensch­liche Gärten und Felder zu wandern – was zu Mensch-Wild­tier-Konflikte führt.“ 

Aus diesem Grund ist die Aufklä­rung der Menschen auf Borneo ein wich­tiger Teil unserer Arbeit. Wenn Orang-Utans auf der Suche nach Nahrung auf den Feldern der Bauern auftau­chen, müssen diese wissen, was zu tun ist. Nämlich BOS oder die Behörden infor­mieren, statt zur Waffe zu greifen, um ihr Einkommen oder die Versor­gung ihrer Familie zu schützen. 

Mit Aufklärung Orang-Utans schützen
Mit Aufklä­rung Orang-Utans schützen

„Keiner der drei geret­teten Orang-Utans hatte körper­liche Verlet­zungen wie Stich- oder Schuss­wunden“, berichtet Dr. Agus Fahroni, Tier­arzt in Nyaru Menteng. „Ramangai litt jedoch unter einer schweren Dehy­drie­rung, da die Menschen, die ihn gefunden hatten, nicht wussten, wie man einen Orang-Utan richtig versorgt.“ Jetzt erholen sich der Säug­ling und die beiden anderen Babys hoffent­lich bald von ihrem erlit­tenen Trauma. Ein Heilungs­pro­zess der lange dauern kann. „Ange­sichts ihres stabilen körper­li­chen Zustands und ihres gesunden Appe­tits sind wir zuver­sicht­lich, dass sie nach Been­di­gung ihrer Quaran­täne den Reha­bi­li­ta­ti­ons­pro­zess durch­laufen können“, meint Dr. Agus Fahroni hoffnungsvoll. 

Das kleine Mädchen hat zum Glück Appetit
Aiko hat zum Glück Appetit

„Die Nach­richt der drei­fa­chen Rettung erzeugt in mir Freude und Trauer zugleich: Freude, dem Arten­sterben drei Leben entrissen zu haben – Trauer, weil die Wahr­heit dahinter immer drei getö­tete Orang-Utan-Mütter bedeutet“, sagt Daniel Merdes, Geschäfts­führer von BOS Deutsch­land. Und Denny Kurniawan ergänzt: „Mit bestehenden Einschrän­kungen unserer Arbeit, zu denen uns die COVID-19-Pandemie noch immer zwingt, brau­chen wir zuneh­mend Unter­stüt­zung von allen Seiten und aus allen Berei­chen, um unsere Bemü­hungen zum Schutz der Orang-Utans und ihres Lebens­raums fort­führen zu können.”

 

Tiere in Not kennen keinen Lock­down. Sie wollen helfen, Orang-Utans vor dem Aussterben zu bewahren? Jeder Beitrag hilft.

Die Green­wa­shing-Woche

Die Green­wa­shing-Woche

Aktuell ist für selbst ernannte Klima­retter wieder das Rekord­fieber ausge­bro­chen. Sat.1 möchte Teil der Lösung werden und wirbt, promi­nent unter­stützt, mit der Wald­re­kord­woche. Was auf den ersten Blick ein gefäl­liges Nicken à la “viel hilft viel“ auslösen dürfte, hat mich bei näherer Betrach­tung doch eher wütend gemacht.

Dabei möchte ich nicht auf den äußerst umstrit­tenen (Nicht-)Pflanzpartner eingehen, sondern auf das meines Erach­tens völlig falsche Bild des Rettungs­sze­na­rios, das hier vermit­telt wird. Ando­ckend an die deut­sche „Geiz ist geil“-Mentalität werden hier angeb­lich Bäume für einen Euro gepflanzt – ein echtes Schnäpp­chen. Das gibt dem geneigten Fern­seh­zu­schauer das wohlige Gefühl, mit nur 1.000 Euro bereits einen kleinen Wald gepflanzt zu haben. Nie war die Welt­ret­tung günstiger.

Daniel Merdes, Geschäftsführer von BOS Deutschland
Daniel Merdes, Geschäfts­führer von BOS Deutschland

Nun bin ich selbst kein Tropen­förster, aber durch die Arbeit mit unseren Part­nern in Kali­mantan und Sabah wurde mir schnell klar, dass ein Setz­ling noch keinen Baum bedeutet. Genau genommen braucht ein Setz­ling mehr als drei Jahre inten­siver Pflege, bevor er eine gute Chance hat, zu einem über­le­bens­fä­higen Baum heran­zu­wachsen. Bei einem fairen Lohn für die ihre Fami­lien ernäh­renden Arbei­te­rinnen und Arbeiter, ist dies selbst in Indo­ne­sien nicht unter fünf Euro pro Baum (nicht Setz­ling) reali­sierbar. Für weniger Infor­mierte – und die rufen bei uns täglich an – scheint diese realis­ti­sche Kalku­la­tion ein schänd­lich über­teu­ertes Produkt zu sein. Die Vermu­tung: „Klar, da wird sich wieder irgendwo berei­chert.“ Dieses Mindset wäre nicht möglich ohne Kampa­gnen wie „die Such­ma­schi­nen­suche 45 Mal benutzen ergibt einen Baum“, oder auch doch lieber einen Euro bezahlen, weil die Suche über Google prak­ti­scher ist.

Ein Baum braucht jahrelange Pflege
Ein Baum braucht jahre­lange Pflege

All das nährt den bequemen Trug­schluss, dass sich mittels tech­ni­scher Lösungen und ohne Verzicht (denn das klingt verdächtig nach Öko-Diktatur) das Problem fast von alleine lösen lässt. Dabei zeigen selbst posi­tivste Zahlen der ETH Zürich, dass selbst wenn alle über­haupt noch verfüg­baren Flächen auf diesem Planeten aufge­forstet werden würden – immerhin ein Gebiet so groß wie die USA – nur 2/3 des C02 gebunden werden kann. Und das nur bei gleich­zei­tigem Stopp neuer CO2-Belas­tungen und jegli­cher Wald­ver­nich­tung! Wie gesagt: Das wäre noch das denkbar best-mögliche Szenario, um unter dem 1,5‑Grad-Ziel zu bleiben.

Kann dies der Grund sein, warum dem Konsu­menten jetzt möglichst preis­werte Mitma­ch­an­ge­bote ange­priesen werden, um von der poli­ti­schen Verant­wor­tung abzu­lenken? Ist Klima­schutz nicht die dring­lichste poli­ti­sche Aufgabe der heutigen Zeit? Aber wie bereits bei Papier, Holz, Fleisch und Palmöl wird wieder alles auf den Verbrau­cher abge­wälzt, der sich dann am Regal die Augen bei der kleinen Schrift verdirbt. Dabei benö­tigen wir regu­la­to­ri­sche Einfluss­nahme, denn dieser Markt wird es nicht richten. Schon gar nicht in einer Woche TV.