Gemächlich klettert Inung, unser Orang-Utan-Weibchen, das vor acht Jahren im Bukit Batikap Regenwald ausgewildert wurde, mit ihrem neugeborenen Baby Indie durch das dichte Blätterdach – stets darauf bedacht, stabile Äste beim Klettern auszuwählen. Sie ist auf der Suche nach einem geeigneten Schafplatz, denn der Tag neigt sich bald dem Ende zu. Es war ein entspannter Tag, an dem sie mit ihrer Kleinen viele wohlschmeckende Früchte gefunden hat. Doch bevor sie und Indie sich zum Schlafen legen können, muss Inung erst ein Nest hoch oben in den Bäumen bauen.
Glücklicherweise wird sie schnell fündig und beginnt mit der komplizierten Konstruktion. Der Regenwald ist erfüllt von abendlichen Klängen, als aus der Ferne, ein sogenannter ‘Long Call‘ erklingt. Inung erkennt an der individuellen Struktur dieses komplexen Rufes, dass dieser von Indies Vater stammt. Entspannt baut sie weiter, um sich dann zusammen mit Indie zum Schlafen hinzulegen. Was dieser Ruf bedeutet, und welche Informationen Inung dadurch übermittelt werden, erläutern wir später. Nun widmen wir uns erstmal dem Schlaf von Orang-Utans.
Was passiert im Schlaf?
Wenn wir schlafen, sinken Puls, Atemfrequenz und Blutdruck ab, die Gehirnaktivität verändert sich und wir driften in verschiedene Stadien der NREM Schlafphase (non-rapid eye movement ‘Schlaf ohne rasche Augenbewegung‘ e.g. 1). Schlaf beim Menschen, Orang-Utans und anderen Säugetieren ist durch zyklische Phasen von NREM und REM Schlaf (rapid eye movement) gekennzeichnet. Im REM-Schlaf steigen Gehirnaktivität, Puls- und Atemfrequenz wieder an, begleitet von einem verringerten Tonus der Skelettmuskulatur. Bewegungen, die man im Traum durchlebt, werden so im Schlaf nicht ausgeführt (was bei Schlaf in einem Baumnest fatal wäre). Während Menschen im Durchschnitt sieben bis acht Stunden Schlaf benötigen, so ist die Schlafenszeit bei Säugetieren stark artspezifisch und reicht von rund zwei Stunden bei Elefanten (2) zu bis zu 20 Stunden bei manchen Fledermausarten (3). Orang-Utans schlafen ähnlich lange wie der Mensch – etwa neun Stunden (4). Die Frage, ob Orang-Utans und andere Tiere träumen und ob sie sich dessen bewusst sind, kann bisher zumindest von rein wissenschaftlicher Seite nicht beantwortet werden. Allerdings sprechen die ähnlichen Schlafphasen und andere Indizien dafür, dass zumindest Säugetiere wie Orang-Utans, ähnlich wie wir Menschen, Tageserlebnisse im Traum rekapitulieren (e.g. 5, 6).
Schlafnester bei Menschenaffen.
Alle vier Menschenaffen, Orang-Utans, Schimpansen, Bonobos und Gorillas, schlafen in selbstgebauten Schlafnestern. Die Nester werden selten wiederholt genutzt und jeden Tag an einer neuen Stelle neu gebaut. Manchmal wird auch tagsüber ein Nest konstruiert, um etwa nach der Nahrungsaufnahme zu ruhen. Gorillas fallen etwas aus der Reihe, da sie ihre Nester, im Gegensatz zu den anderen Menschenaffen, meist auf dem Boden errichten. Man geht davon aus, dass Menschenaffen Schlafnester bereits im Miozän, etwa vor 18–14 Millionen von Jahren (das ist der Zeitpunkt als Menschenaffen entwicklungsgeschichtlich entstanden sind), gebaut haben, als evolutionäre Anpassung an ihre zunehmende Körpergröße und Schlafbedürfnisse. Interessanterweise ist das Nestbauen nicht angeboren. Menschenaffenkinder müssen es erlernen (7).
Lernen ein stabiles, mehrschichtiges Schlafnest zu bauen – ein jahrelanges Unterfangen.
Junge Orang-Utans müssen von ihrer Mutter lernen, wie man ein stabiles Schlafnest hoch oben in den Baumwipfeln baut. Diese komplexen, ovalen Gebilde bestehen oft aus bis zu sieben Schichten und können sogar ein 90kg schweres Männchen sicher tragen. Zuallererst werden an einer geeigneten Stelle im Baum – oft dort, wo sich eine Astgabel befindet – mehrere große Äste zur geplanten Mitte des Nestes umgebogen. Diese bilden die Plattform, auf der das eigentliche Schlafnest entsteht. Dabei muss vorsichtig gearbeitet werden, damit die Äste beim Biegen nicht auseinanderbrechen und die Holzfasern immer noch miteinander verbunden sind. Nun werden mittelgroße und kleinere Äste zur Mitte hingebogen und mit dem Untergrund verwebt, so dass ein Lattenrost-ähnliches Gebilde entsteht. Im Verlauf von etwa einer halben Stunde werden weitere kurze Äste und Blätter von den umliegenden Ästen gepflückt und geschickt mit dem Untergrund zu einer Matratze verwebt. Je nach Bedarf, werden sogar Kopfkissen und Decke aus Pflanzenmaterial hergestellt. Zum Schluss wird manchmal auch noch ein Dach aus großen Blättern über dem Nest konstruiert – wer möchte schon im Schlaf nass geregnet werden?
Welche Höhe und welche Baumarten werden bevorzugt?
Große erwachsene Männchen bauen ihre Nester meist tiefer auf einer Höhe von etwa fünf bis neun Metern. Die leichter gewichtigen Weibchen und kleineren Männchen ohne sekundäre Geschlechtsmerkmale wie Wangenwülste und Kehlsäcke (die bilden sich meist erst später aus), schlafen weiter oben im Baum, in einer Höhe von durchschnittlich 10–14 Metern (8). Tag-Nester werden meist in größerer Höhe, zwischen 10 bis 24 Metern, errichtet.
Doch nicht nur eine bestimmte Höhe wird bevorzugt. Man hat herausgefunden, dass besonders Orang-Utan-Mütter Wert auf einen von dichten Blättern geschützten Platz im Baum legen (9). Vermutlich um ihren Nachwuchs vor potentiellen Gefahren, wie Wilderern oder den selten gewordenen Sunda-Nebelpardern zu schützen. Je nach Gebiet und Beschaffenheit des Regenwaldes, bevorzugen Orang-Utans bestimmte Bäume als Schlaforte. In Zentralkalimantan nisten Orang-Utans am häufigsten in Bäumen der Familien Elaeocarpaceae, Euphorbiaceae und Anacardiaceae (8). Das Holz dieser Bäume ist sehr stabil, und die Zweige weisen eine hohe Flexibilität auf. Interessanterweise scheinen manche dieser Baumarten sogar pflanzliche Inhaltstoffe aufzuweisen, die Insekten wie Moskitos abhalten.
Und nun enträtseln wir die Botschaft des ‘Long Calls‘, die Inung von dem Männchen vernommen hat. Neueste Studien haben ergeben, dass dieser komplexe mehrteilige Ruf, der bis zu 1500 Meter weit hörbar ist und in eine bestimmte Richtung geäußert wird, den Weibchen in der Umgebung mitteilt, wohin es am nächsten Morgen geht. Das Revier eines Männchens überschneidet sich oft mit dem von mehreren Weibchen. Wenn das Männchen weiterzieht, folgen ihm die Weibchen. Somit planen männliche Orang-Utans schon einen Tag im Voraus, in welche Richtung es am nächsten Tag gehen soll (10, 11).
Eines unserer wichtigsten Ziele ist es, mehr Regenwaldflächen zu erwerben und zu Schutzwald für unsere Orang-Utans umzuwandeln. Helfen auch Sie diesen faszinierenden Lebensraum und seine gewaltige Artenvielfalt zu erhalten und zu schützen. Werden auch Sie zum BOS-Unterstützer. Mit ihrer Spende helfen sie den Orang-Utans und dem Regenwald! Jeder Beitrag hilft.
Text:
Dr. Isabelle Laumer
Referenzen:
1. Rasch B, and Born J. (2013) About sleep’s role in memory. Physiological Reviews 93(2):681–766.
2. Gravett N, Bhagwandin A, Sutcliffe R, Landen K, Chase MJ, Lyamin OI, Siegel JM, and Manger PR (2017). Inactivity/sleep in two wild free-roaming African elephant matriarchs — Does large body size make elephants the shortest mammalian sleepers? PLOS ONE 12:e0171903.
3. Zepelin H, Rchtschaffen A (1974). Mammalian Sleep, Longevity, and Energy Metabolism. Brain Behavior and Evolution 10:425–470.
5. PR Manager, JM Siegel (2020) Do all mammals dream? The Journal of Comparative Neurology Research in Systems Neuroscience. DOI 10.1002/cne.24860.
6. HF Olafsdottir, C Barry , AB Saleem, D Hassabism, H J Spiers (2015) Hippocampal place cells construct reward related sequences through unexplored space. eLife; 4:e06063.
7. Videan EN. 2006. Bed-building in captive chimpanzees (Pan troglodytes): the importance of early rearing. American Journal of Primatology 68(7):745–751.
8. Didik Prasetyo, Sri Suci Utami, Jatna Suprijatna (2012) Nest structures in Bornean orangutans. Journal Biologi Indonesia 8 (2): 217–227.
9. Arora, N., Van Noordwijk, M.A., Ackermann, C., Willems, E.P., Nater, A., Greminger, M., Nietlisbach, P., Dunkel, L.P., Atmoko, S.U., Pamungkas, J., Perwitasari-Farajallah, D., (2012) Parentage-based pedigree reconstruction reveals female matrilineal clusters and male-biased dispersal in nongregarious Asian great apes, the Bornean orangutans (Pongo pygmaeus). Mol. Ecol. 21 (13), 3352–3362.
10. van Schaik CP, Damerius L, Isler K (2013) Wild Orangutan Males Plan and Communicate Their Travel Direction One Day in Advance. PLoS ONE 8(9): e74896.
11. Askew J, A, Morrogh-Bernard H, C (2016) Acoustic Characteristics of Long Calls Produced by Male Orang-Utans (Pongo pygmaeus wurmbii): Advertising Individual Identity, Context, and Travel Direction. Folia Primatol; 87:305–319.
12. F Fauzi, Suemarno, A Afandhi, AS Leksono (2020) Nesting behavior of Bornean immature orangutan (Pongo pygmaeus wurmbii) in Nyaru Menteng Arboretum School, Palangka Raya, Central Kalimantan, Indonesia; Biodiversitas: Volume 21, 5, 2172–2179.
Hereinspaziert in die „Orangutan Jungle School“ heißt es ab Donnerstag, 6. Mai um 20:15 Uhr auf SAT.1 GOLD. Die Erfolgsserie wurde seit 2018 in unserem Rettungszentrum Nyaru Menteng gedreht, begeisterte weltweit schon Millionen von Menschen und bietet einen so zuvor noch nie gesehenen Blick auf unsere Waldschüler. Endlich sind sechs Folgen der Doku-Reihe auch im deutschen Fernsehen zu sehen.
Tierische Stars wurden durch die „Orangutan Jungle School“ geboren, die sicherlich auch in Deutschland bald eine große Fangemeinde entzücken werden: So zum Beispiel „Big Boy“ Beni, der durch seinen übermäßigen Appetit mit Gewichtsproblemen zu kämpfen hat. Oder Herzensbrecherin Monita, die nach ihrer Rettung die ersten Tage in der „Jungle School“ meistern muss. Natürlich Alba, der weltweit einzige Albino-Orang-Utan. Und viele weitere unserer Waldschüler.
Ab 6. Mai zeigt SAT.1 GOLD immer donnerstags um 20:15 Uhr neue Folgen aus der BOS-Waldschule. Wie der kostenfreie Sender SAT.1 GOLD empfangen werden kann, ist hier nachzulesen. Online ist der Livestream der „OJS“ auch nur eine Registrierung entfernt.
Und nach der Ausstrahlung im TV sind die Folgen jeweils vier Wochen lang in der SAT.1 GOLD-Mediathek abrufbar.
Hier zusammengefasst alle Sendetermine:
6. Mai 2021, 20:15 Uhr — Folge 1: Willkommen in der Rettungsstation
13. Mai 2021, 20:15 Uhr — Folge 2: Albino Alba setzt sich durch
20. Mai 2021, 20:15 Uhr — Folge 3: Die Wildnis ruft!
27. Mai 2021, 20:15 Uhr — Folge 4: Kein Glück für Beni
3. Juni 2021, 20:15 Uhr — Folge 5: Erik in Lebensgefahr
10. Juni 2021, 20:15 Uhr — Folge 6: Ein Abschied für immer
In der Jungle School gibt es viele unterschiedliche Charaktere, die die Lehrer auf Trapp halten: Allen voran Klassenclown Valentino, der regelmäßig versucht, dem Unterricht zu entgehen. Dann wäre da noch „Big Boy“ Beni, der durch seinen übermäßigen Appetit mit Übergewicht zu kämpfen hat und dringend abspecken sollte. Neu in der Schule sind Clara und ihr Baby Clarita: Die beiden wurden von einer Insel gerettet, nachdem Clarita von einem männlichen Affen entführt wurde.
Die „Orangutan Jungle School“ ist eine mehrteilige Reportage aus unseren Auffangstationen auf Borneo. Die Serie hat weltweit Menschen auf den Weg der Orang-Utans aufmerksam gemacht. Es geht um die Abenteuer unserer Schützlinge und ihren Weg zurück in die Wildnis. Bevor die Primaten allerdings den Regenwald unsicher machen können, benötigen sie einige Überlebensfähigkeiten, die sie erst in der Schule lernen müssen.
UPDATE — 23.04.2021: ***Unter 1.400 Namensvorschlägen, die bis gestern Nachmittag aus der ganzen Welt eingegangen sind, haben wir uns für den schönen Namen Aiko entschieden.***
Drei neue Orang-Utan-Waisen leben jetzt im Schutzzentrum Nyaru Menteng. Sie wurden seit Mitte Februar von BOS in Zentral-Kalimantan gerettet. Drei Babys bedeuten: Drei tote Orang-Utan-Mütter; drei traumatisierte Waisen; drei Babys, die den langen Weg der Rehabilitation noch vor sich haben. Aber auch: Drei Orang-Utan-Leben, die dank BOS eine Zukunft haben.
Die Babys sind zwischen sechs und zehn Monaten alt und damit noch vollkommen hilflos. Sie werden jetzt im BOS-Schutzzentrum Nyaru Menteng betreut. Hier erhalten sie nicht nur die notwendige medizinische Versorgung, sondern lernen in einem mehrjährigen Rehabilitationsprozess all das, was ihnen sonst in der Wildnis ihre Mutter beigebracht hätte. Wenn alles gut geht, sind sie nach sieben bis zehn Jahren Ausbildung bereit für die Auswilderung.
Onyer erholt sich im BOS-Rettungszentrum
Der zehn Monate alte männliche Säugling Onyer wurde von der indonesischen Naturschutzbehörde BKSDA im Dorf Dahian Tambuk, Gunung Mas Regency in Zentral-Kalimantan beschlagnahmt und am 15. Februar an das BOS-Rettungszentrum Nyaru Menteng übergeben.
Der Dorfbewohner, der das Orang-Utan-Baby bei sich hatte, behauptete, Onyer allein in einem Waldgebiet unweit seines Feldes gefunden zu haben. Wir gehen davon aus, dass seine Mutter getötet wurde. Denn keine Orang-Utan-Mutter würde ihr Baby zurücklassen.
Bei der Erstuntersuchung in Nyaru Menteng attestierten unsere Tierärzte Onyer eine gute Gesundheit. Noch befindet er sich in Quarantäne und unter regelmäßigen Gesundheitskontrollen. Das ist bei jeder Orang-Utan-Rettung üblich, um keine Krankheiten ins Rettungszentrum einzuschleppen. Unter COVID-19 sind die Quarantänemaßnahmen noch strenger. Sobald Onyer die Quarantäne durchlaufen hat, wird er in die Babygruppe von Nyaru Menteng aufgenommen.
An seinem ersten Tag in Nyaru Menteng war Onyer sehr nervös. Das ist verständlich, wenn man bedenkt, dass er sich plötzlich in einer neuen Umgebung mit lauter unbekannten Gesichtern befand. Nachts war er sehr unruhig und weinte jedes Mal, sobald seine Babysitterin aufstand – vermutlich aus Angst, wieder allein gelassen zu werden.
Zum Glück hat Onyer einen recht guten Appetit, trinkt gerne seine Soja-Milch und frisst Obst. Aktuell leidet er an einem leichten grippalen Infekt, den unser medizinisches Team mit Inhalationen behandelt, auf die er gut anspricht.
Am liebsten spielt Onyer auf der Schaukel. Auch an ersten Kletterübungen auf niedriger Höhe hat er sich schon versucht.
Ramangai war fast am Ende seiner Kräfte
Am 1. März wurde der sechs Monate alte Ramangai von BOS in Zusammenarbeit mit der BKSDA gerettet. Sieben Stunden dauerte die Fahrt des Rettungsteams in den Unterbezirk Marikit, Katingan Regency in Zentral-Kalimantan, wo Ramangai dringende Hilfe benötigte.
Nach Angaben des Dorfbewohners, der ihn gefangen hielt, hatte der Ramangai im Wald entdeckt, als er auf Vogeljagd war. Der Dorfbewohner sagte, er sei schockiert gewesen, als er plötzlich ein Orang-Utan-Baby von einem Baum fallen sah, ohne jede Spur von seiner Mutter. Er habe nicht gewusst, was er tun solle, denn es wäre beschwerlich, das Baby den langen Weg aus dem Regenwald bis zu ihm nach Hause zu bringen. Doch er habe es nicht übers Herz gebracht, das Orang-Utan-Baby allein zurückzulassen. Da der Jäger wusste, dass Orang-Utans gesetzlich geschützt seien, beschloss er, das Baby doch mitzunehmen. Da er sich tief in einem entlegenen Waldgebiet befand, habe der Jäger Ramangai drei Tage lang tragen müssen, ehe er zuhause war, und ihn auf dem Weg nur mit Kaffee und Bananen füttern können.
Das hatte zur Folge, dass das Orang-Utan-Baby stark dehydriert und geschwächt war. Als er zu Hause ankam, gab ihm der Dorfbewohner gesüßte Kondensmilch, in der Hoffnung, Ramangais Zustand würde sich verbessern.
Er meldete seinen Fund der Naturschutzbehörde BKSDA in Zentral-Kalimantan, die sich sofort mit einem BOS-Rettungsteam auf den Weg machte. Schon auf dem Weg ins Rettungszentrum Nyaru Menteng haben wir Ramangai über eine Infusion mit Flüssigkeit versorgt, da er extrem schwach und dehydriert war.
Bei BOS wurde das Baby sofort auf der Quarantänestation intensiv betreut. Ramangai war vor allem nachts sehr unruhig. Er ist schwer traumatisiert vom Verlust seiner Mutter, den zurückliegenden Erlebnissen und davon, plötzlich in eine neue Umgebung voller fremder Menschen gestoßen worden zu sein. Nach zwei Tagen der Behandlung konnte Ramangai der Tropf entfernt werden, da sich sein Flüssigkeitshaushalt normalisiert hatte. Allerdings hat er immer noch leichtes Fieber, und steht unter unserer strengen und fürsorglichen tierärztlichen Bewachung. Und ganz vielen Kuscheleinheiten von seiner Babysitterin.
Im Gegensatz zu Onyer, sitzt Ramangai lieber ruhig in einem Korb. Die Trauer, den Verlust seiner Mutter und die traumatisierenden Erlebnisse der zurückliegenden Tage hat der Kleine noch lange nicht verarbeitet. Doch mit viel Liebe und Fürsorge hoffen wir, dass es für ihn leichter wird.
Dürfen wir Aiko vorstellen?
Am 23. März wurde uns ein drittes Orang-Utan-Baby von der Naturschutzbehörde BKSDA übergeben. Noch hat das neun Monate alte Weibchen keinen Namen erhalten. Ein Bauer aus dem Dorf Muroi, Kapuas Regency in Zentral-Kalimantan hatte das Baby entdeckt. Der Bauer behauptete, den Säugling gefunden zu haben, als er beim Fischen war. Er habe sich etwa eine Woche um das Orang-Utan-Mädchen gekümmert und sie mit Milchpulver gefüttert, ehe er sie freiwillig der Behörde übergab.
Unsere Tierärzte stellten fest, dass sich der kleine Orang-Utan in einem guten Gesundheitszustand befand – mit einem großen Appetit auf Bananen und Milch. Das Mädchen befindet sich jetzt im BOS-Rettungszentrum Nyaru Menteng mit Onyer und Rawang in Quarantäne. Einige Testergebnisse aus dem Labor stehen noch aus. Und natürlich auch die Namensgebung.
Der Lebensraum wird immer knapper
„Die drei Orang-Utan-Babys, die wir jetzt in wenigen Wochen aufgenommen haben, zeigen, dass die Abholzung und unverantwortliche Ausbeutung der Waldökosysteme auf Borneo immer noch anhalten“, sagt Denny Kurniawan, Program-Manager des Rettungszentrums Nyaru Menteng. „Denn die Zerstörung ihrer Lebensräume ist es, die wilde Orang-Utans dazu zwingt, auf der Suche nach Nahrung in menschliche Gärten und Felder zu wandern – was zu Mensch-Wildtier-Konflikte führt.“
Aus diesem Grund ist die Aufklärung der Menschen auf Borneo ein wichtiger Teil unserer Arbeit. Wenn Orang-Utans auf der Suche nach Nahrung auf den Feldern der Bauern auftauchen, müssen diese wissen, was zu tun ist. Nämlich BOS oder die Behörden informieren, statt zur Waffe zu greifen, um ihr Einkommen oder die Versorgung ihrer Familie zu schützen.
„Keiner der drei geretteten Orang-Utans hatte körperliche Verletzungen wie Stich- oder Schusswunden“, berichtet Dr. Agus Fahroni, Tierarzt in Nyaru Menteng. „Ramangai litt jedoch unter einer schweren Dehydrierung, da die Menschen, die ihn gefunden hatten, nicht wussten, wie man einen Orang-Utan richtig versorgt.“ Jetzt erholen sich der Säugling und die beiden anderen Babys hoffentlich bald von ihrem erlittenen Trauma. Ein Heilungsprozess der lange dauern kann. „Angesichts ihres stabilen körperlichen Zustands und ihres gesunden Appetits sind wir zuversichtlich, dass sie nach Beendigung ihrer Quarantäne den Rehabilitationsprozess durchlaufen können“, meint Dr. Agus Fahroni hoffnungsvoll.
„Die Nachricht der dreifachen Rettung erzeugt in mir Freude und Trauer zugleich: Freude, dem Artensterben drei Leben entrissen zu haben – Trauer, weil die Wahrheit dahinter immer drei getötete Orang-Utan-Mütter bedeutet“, sagt Daniel Merdes, Geschäftsführer von BOS Deutschland. Und Denny Kurniawan ergänzt: „Mit bestehenden Einschränkungen unserer Arbeit, zu denen uns die COVID-19-Pandemie noch immer zwingt, brauchen wir zunehmend Unterstützung von allen Seiten und aus allen Bereichen, um unsere Bemühungen zum Schutz der Orang-Utans und ihres Lebensraums fortführen zu können.”
Tiere in Not kennen keinen Lockdown. Sie wollen helfen, Orang-Utans vor dem Aussterben zu bewahren? Jeder Beitrag hilft.
Aktuell ist für selbst ernannte Klimaretter wieder das Rekordfieber ausgebrochen. Sat.1 möchte Teil der Lösung werden und wirbt, prominent unterstützt, mit der Waldrekordwoche. Was auf den ersten Blick ein gefälliges Nicken à la “viel hilft viel“ auslösen dürfte, hat mich bei näherer Betrachtung doch eher wütend gemacht.
Dabei möchte ich nicht auf den äußerst umstrittenen (Nicht-)Pflanzpartner eingehen, sondern auf das meines Erachtens völlig falsche Bild des Rettungsszenarios, das hier vermittelt wird. Andockend an die deutsche „Geiz ist geil“-Mentalität werden hier angeblich Bäume für einen Euro gepflanzt – ein echtes Schnäppchen. Das gibt dem geneigten Fernsehzuschauer das wohlige Gefühl, mit nur 1.000 Euro bereits einen kleinen Wald gepflanzt zu haben. Nie war die Weltrettung günstiger.
Nun bin ich selbst kein Tropenförster, aber durch die Arbeit mit unseren Partnern in Kalimantan und Sabah wurde mir schnell klar, dass ein Setzling noch keinen Baum bedeutet. Genau genommen braucht ein Setzling mehr als drei Jahre intensiver Pflege, bevor er eine gute Chance hat, zu einem überlebensfähigen Baum heranzuwachsen. Bei einem fairen Lohn für die ihre Familien ernährenden Arbeiterinnen und Arbeiter, ist dies selbst in Indonesien nicht unter fünf Euro pro Baum (nicht Setzling) realisierbar. Für weniger Informierte – und die rufen bei uns täglich an – scheint diese realistische Kalkulation ein schändlich überteuertes Produkt zu sein. Die Vermutung: „Klar, da wird sich wieder irgendwo bereichert.“ Dieses Mindset wäre nicht möglich ohne Kampagnen wie „die Suchmaschinensuche 45 Mal benutzen ergibt einen Baum“, oder auch doch lieber einen Euro bezahlen, weil die Suche über Google praktischer ist.
All das nährt den bequemen Trugschluss, dass sich mittels technischer Lösungen und ohne Verzicht (denn das klingt verdächtig nach Öko-Diktatur) das Problem fast von alleine lösen lässt. Dabei zeigen selbst positivste Zahlen der ETH Zürich, dass selbst wenn alle überhaupt noch verfügbaren Flächen auf diesem Planeten aufgeforstet werden würden – immerhin ein Gebiet so groß wie die USA – nur 2/3 des C02 gebunden werden kann. Und das nur bei gleichzeitigem Stopp neuer CO2-Belastungen und jeglicher Waldvernichtung! Wie gesagt: Das wäre noch das denkbar best-mögliche Szenario, um unter dem 1,5‑Grad-Ziel zu bleiben.
Kann dies der Grund sein, warum dem Konsumenten jetzt möglichst preiswerte Mitmachangebote angepriesen werden, um von der politischen Verantwortung abzulenken? Ist Klimaschutz nicht die dringlichste politische Aufgabe der heutigen Zeit? Aber wie bereits bei Papier, Holz, Fleisch und Palmöl wird wieder alles auf den Verbraucher abgewälzt, der sich dann am Regal die Augen bei der kleinen Schrift verdirbt. Dabei benötigen wir regulatorische Einflussnahme, denn dieser Markt wird es nicht richten. Schon gar nicht in einer Woche TV.
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