Es ist kompliziert, langwierig, verwirrend und noch immer nicht endgültig entschieden: Die Frage, ob und – falls ja – wie lange noch, Palmöl in europäischen Biodiesel beigemischt werden darf.
Nun hat die EU-Kommission festgestellt, dass der Anbau von Ölpalmen eine bedeutende Abholzung von Regenwald verursacht und damit der aus Palmöl gewonnene Biodiesel nicht zur Erreichung der EU-Zielvorgaben für umweltfreundliche Brennstoffe gezählt werden kann. Unter dem steigenden Druck der Regierungen Malaysias und Indonesiens (einschließlich der Drohung mit einem Handelskrieg) hat die Kommission jedoch mehrere Schlupflöcher eingebaut. So sollen für Palmöl, das von unabhängigen kleinen Plantagen (weniger als fünf Hektar) oder auf „ungenutzten“ Flächen angebaut wird, Ausnahmen gelten.
Abschließend ist aber auch diese Entscheidung der EU-Kommission noch nicht. Bisher verlief der Palmöl-Ritt durch die europäischen Instanzen wie folgt: Im Juni 2018 entschied das EU-Parlament, dass Palmöl und Soja ab 2030 nicht mehr in Biosprit eingesetzt werden dürfen. Diese Entscheidung wurde nicht kritiklos angenommen. Denn so gut das angestrebte Verbot von Palmöl in Biodiesel ist, so lange dauert es noch bis 2030 – denn wenn die Umwandlung von Regenwäldern in Plantagen im bisherigen Tempo fortschreitet, ist es bis 2030 zu spät für die Regenwälder Indonesiens und Malaysias und für die Orang-Utans.
Nun sollte also die EU-Kommission definieren, welche Rohstoffe ein hohes Risiko einer sogenannten indirekten Landnutzungsänderung (indirect Land Use Change, kurz iLUC) beinhalten und somit nicht mehr in Biodiesel enthalten sein dürfen – oder sehr verkürzt: ob und wie Palmöl und andere Lebensmittel ab 2023 bis 2030 in Kraftstoffen verwendet werden dürfen.
Die Entscheidung
Am 8. Februar wurde diese langerwartete Entscheidung endlich getroffen: Palmöl gehört nun zu den Rohstoffen, die die EU-Kommission als hochemittierend einstuft. D.h. es besteht ein hohes Risiko einer indirekten Landnutzung. Und außerdem muss Palmöl bis 2030 stufenweise aus europäischem Biodiesel verschwinden. Der Hauptgrund für diese Entscheidung waren wissenschaftliche Studien, die nachweisen, dass 45 Prozent der Palmölplantagen von 2008 bis 2015 in Gebieten errichtet wurden, die als große natürliche CO2 Speicher dienten.
Große Schlupflöcher und Bauernopfer
So gut all das vielleicht klingen mag, unterm Strich hat der Beschluss riesige Schlupflöcher für die Palmölindustrie geschaffen. Denn Palmöl, das auf Kleinplantagen angebaut oder auf „ungenutzten“ Flächen produziert wird, darf weiter für die Beimischung in europäischem Kraftstoff genutzt werden. Leider zeigen allerdings Beispiele von großen Konzernen, wie dem Palmölriesen FELDA, dass diese oft ihr Palmöl von Kleinbauern beziehen. Dabei spielen Nachhaltigkeitskriterien keine Rolle, der Kleinbauer trägt oft ein noch höheres wirtschaftliches Risiko, als die Angestellten auf einer Plantage und außerdem werden Flächen, die sonst für den Anbau von Nahrung genutzt werden würden, in Ölplantagen umgenutzt. Ein echtes Bauernopfer also. Und Palmöl bleibt so weiterhin Bestandteil des europäischen Biosprits.
Die EU-Kommission hat eine öffentliche Anhörung bis 8.März angekündigt, bevor sie den endgültigen Rechtsakt annimmt. Das EU-Parlament und die EU-Mitgliedsstaaten haben dann zwei Monate Zeit, ihr Veto einzureichen. Ergänzungen und Änderungen am Rechtsakt können nicht mehr gemacht werden.
Was macht eine Orang-Utan-Mutter auf Sumatra, wenn ihr Augenlicht durch Grauen Star zunehmend schwindet, sie aber noch ein Jungtier zu versorgen hat? Es ist die Tochter, die der kranken Mutter namens „Gober“ zunächst das Überleben sichert und sie mit Nahrung versorgt. Schließlich aber findet Gober Aufnahme in einer Rettungsstation.
In einer bahnbrechenden Operation wird ihr dort das Augenlicht zurückgegeben. Gober hat aber auch noch andere Schwierigkeiten: Vor allem durch die Ausdehnung der Palmölplantagen wird das ohnehin schon kümmerliche Waldgebiet auf der indonesischen Insel Sumatra für Orang-Utans so gut wie unbewohnbar.
Die vergangenen zwölf Monate haben wieder einmal gezeigt, dass unsere Arbeit Früchte trägt. Neun neugeborene Orang-Utan-Babys in unseren Schutzgebieten: Eine Rekordzahl. Das Jüngste sogar in der zweiten Generation! Und seit letzter Woche schwingt sich der 384. ausgewilderte Orang-Utan durch unsere Schutzgebiete.
Das sind gute Nachrichten. Allerdings müssen sie vor dem Hintergrund betrachtet werden, dass Orang-Utans weiterhin akut vom Aussterben bedroht sind. Daran ändert leider auch die Erkenntnis einer neuen Studie der indonesischen Regierung nichts, nach der eine gewisse Erhöhung der Zahl der Borneo-Orang-Utans zu konstatieren sei. Tatsächlich gilt das sogar nur für unsere Auswilderungsgebiete!
Sayang und ihr Baby
Auch 2018 meldeten die zuständigen indonesischen Behörden wieder mehrere grausame Orang-Utan-Tötungen. Doch immerhin, 21 junge Orang-Utans wurden durch unsere Teams gerettet und zogen neu in die Rettungszentren ein.
Die BOS Foundation verfolgt weiterhin einen holistischen Ansatz. Neben den rehabilitierten und ausgewilderten Tieren tragen wir in unseren Stationen auch für solche Orang-Utans Sorge, die aus verschiedenen Gründen nicht mehr ausgewildert werden können. Dazu gehören kranke oder zu alte Tiere, aber auch solche, die einfach zu spät aus Gefangenschaft befreit wurden und nicht mehr allein im Regenwald überleben würden. 2018 war auch in dieser Hinsicht ein ganz besonderes Jahr.
Eine weltweit einzigartige Schutzinsel
Mit Badak Kecil wurde die weltweit erste größere Schutzinsel für Orang-Utans eröffnet, die nicht mehr ausgewildert werden können. Auf der 104 Hektar großen Insel werden solche Orang-Utans ohne Gitterstäbe in naturnahem Wald, aber unter der Obhut unserer Fachkräfte artgerecht leben — betreutes Wohnen für Orang-Utans sozusagen. Das ist ein bisher einmaliges Projekt im Orang-Utan-Schutz! Als erste durften im November 2018 sechs der Menschenaffen dorthin übersiedeln. Etwa 40 weitere werden in nächster Zeit folgen. Unsere Arbeit für nicht mehr auswilderungsfähige Orang-Utans hört damit allerdings nicht auf, da noch weitere Kandidaten auf ihren Platz für eine würdige Existenz warten. Deswegen werden wir uns auch 2019 mit dem Bau weiterer Schutzinseln befassen müssen.
Badak Kecil Schutzinsel
Mawas: Orang-Utans-Schutz ist auch Menschenschutz — durch Klimaschutz
BOS ist an der Entwicklung oder besser gesagt der Renaturierung weiter Teile des Mawas-Gebiets beteiligt. In diesem über 300.000 Hektar großen Torfwaldgebiet in Zentral-Kalimantan geht es sowohl um Wiederaufforstung als auch darum, Entwässerungskanäle zu blockieren, die im Rahmen eines gescheiterten Reisanbauprojekts angelegt wurden. Ziel ist es, durch Wiedervernässung die ursprüngliche Torfwaldökologie wieder herzustellen.
Seit Beginn gehört es zum Selbstverständnis von BOS, mit der ortsansässigen Bevölkerung zusammenzuarbeiten. In Kooperation mit BOS Deutschland hat die BOS Foundation ein 2017 durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) gefördertes lokales Entwicklungsprojekt umgesetzt. Bestandteil der „nachhaltigen Gemeindeentwicklung in Mangkatip” war neben anderen wichtigen Maßnahmen auch Ausbildung und Ausrüstung zweier Feuerwehrteams. Diese kamen schon im Sommer 2018 wirksam zum Einsatz, als in Mawas wieder einmal Feuersbrünste zu bekämpfen waren.
Mawasbrände im Juli 2018
Politisches Engagement
Im vergangenen Jahr ist schon einiges Unerfreuliches im Bereich „Palmöl im ‚Bio‘-Sprit“ passiert. Die Europäische Kommission hat die eindeutige Empfehlung des EU-Parlaments ignoriert, schon ab 2021 kein Palmöl mehr als Biokraftstoffbeimischung zu verwenden. Jetzt darf Palmöl noch bis 2030 im Tank sein. BOS Deutschland setzt sich weiter mit verschiedenen Partnern für einen früheren Ausstieg ein – möglichst ab 2021, wie vom EU-Parlament empfohlen. Eine vom Marktforschungsinstitut IPSOS erstellte aktuelle Studie zeigt übrigens, dass sieben von zehn Europäern gegen Palmöl im Tank sind.
Urwaldschokolade
Urwaldschokolade / Copyright: Fairventures
Kurz vor Weihnachten 2018 ist auch der Prototyp eines ganz besonderen Produkts zur Welt gekommen: Die „Urwaldschokolade“. In Kooperation mit Fair Ventures und der Schokoladenfirma Schell wollen wir langfristig nachhaltige Alternativen zu Raubbau für die lokale Bevölkerung auf Borneo erschließen, diese also am Gewinn des Projektes beteiligen. So wird in Zukunft der Kakao für die Schokolade aus den Grenzgebieten unserer betreuten Regenwälder stammen. Durch sinnvolles Agroforesting sollen die Menschen vor Ort zu Waldschützern werden. Somit wird Orang-Utan Schutz auch für sie zu einer lukrativen Einnahmequelle.
Und zu guter Letzt: Taymur ist jetzt Filmstar
Nach seiner dramatischen Vorgeschichte ist der junge Orang-Utan Taymur nun einer der Stars der neuen TV-Serie Orangutan Jungle School. Die erste Staffel lief schon sehr erfolgreich in Neuseeland und Großbritannien. Wir hoffen, dass die Serie nächstes Jahr auch in Deutschland Furore machen wird.
Auch im zu Ende gehenden Jahr 2018 waren alle Erfolge wieder nur durch die tatkräftige Unterstützung aller unserer Unterstützer möglich! Dafür danken wir Ihnen Allen sehr!
Werden auch Sie zum BOS-Unterstützer. Mit Ihrer Spende helfen Sie den Orang-Utans, dem Regenwald und damit auch unserem Klima. Jeder Beitrag hilft.
Wir hatten darüber berichtet: Vor drei Jahren wüteten die seit langem schlimmsten Waldbrände in Kalimantan. Sie flammen fast jedes Jahr auf. 2015 aber legte sich eine derart dichte und weite Glocke aus Rauch und Asche, die sogenannte Haze, über ganz Südostasien, dass Indonesien bei seinen Nachbarländern in ernsthafte diplomatische Schwierigkeiten geriet. Woher kam dieser giftige Smog, der die Luft gelb färbte, genau und wie kam es dazu? Das haben Wissenschaftler aus Singapur und den USA herausgefunden bzw. bestätigt.
Auf dem Campus der Singapurer Universität wurden Proben der Ascheteile gesammelt und in den USA auf Alter, Herkunft und Zusammensetzung untersucht sowie mit den seinerzeit aufgezeichneten atmosphärischen Strömungen kombiniert. Die Ergebnisse sind hochinteressant: Die Haze hatte ihren Ursprung eindeutig in Indonesien und bestand zu ca. 85% nicht einfach nur aus verbrannter Biomasse, sondern aus Torf, das heißt aus den Böden der riesigen Tieflandwälder Borneos und Sumatras. Die Isotopen der Kohlenstoffatome zeigen, dass das Material im Durchschnitt 800 Jahre alt ist. Tatsächlich aber reicht das Alter dieser Torfschichten Jahrtausende zurück.
Warum ist die Torfbodenverbrennung so bedrohlich für das Weltklima?
Torf entsteht, wenn sich abgestorbenes Pflanzenmaterial aufgrund von ständiger Vernässung und Sauerstoffmangel nur unvollständig zersetzt. In der nördlichen Hemisphäre haben sich nach dem Ende der letzten Eiszeit vor knapp 12.000 Jahren in regenreichen Zeiten und Regionen ausgedehnte Torfmoore entwickelt. Die Torfböden Indonesiens sind ebenfalls in dieser Zeit entstanden und wachsen im niederschlagsreichen tropischen Klima bis heute weiter an. Auf ihnen stehen Wälder, die in vielfältiger Weise an die besonderen Bedingungen der Torflandschaft angepasst sind. Auch Orang-Utans finden dort eine Heimat. Das Besondere an diesen Torfböden ist, dass sie speichern ungeheure Mengen an Kohlenstoff: Laut Randerson, einer der Wissenschaftler hinter der neuen Studie, ist in den Torfböden von Indonesien genauso viel Kohlenstoff gespeichert wie in der ganzen lebenden Biomasse des Amazonas.
Die Ko-Autorin der Untersuchung über die Brände von 2015, Elizabeth Wiggins: „Obwohl dieser Torf seit mehreren tausend Jahren als terrestrisches Kohlenstoffspeicherreservoir fungiert, ist er heute zu einer der wichtiges Kohlenstoffquellen für die Atmosphäre geworden“. Damit befeuern gerade auch die Torfbrände in Indonesien buchstäblich den globalen Klimawandel.
„Das war alles menschengemacht“
Ursächlich dafür sind zum einen natürliche Vorgänge im globalen Wettergeschehen wie das El-Nino-Phänomen, aber eben auch menschliche Eingriffe. Seit Jahrzehnten werden die Torfwälder – mittlerweile größtenteils illegal — abgeholzt, dräniert und niedergebrannt, um Platz für landwirtschaftliche Flächen und Ölpalmplantagen zu schaffen. Oft breiten sich die Feuer nicht nur unkontrolliert aus, sondern fressen sich als Schwelbrände tief in die trockengelegten Torfböden hinein. „Das war alles menschengemacht. Die Brände helfen einem kleinen Teil der Bevölkerung, aber die Kosten für Menschen in entlegenen Städten wie Singapur und Kuala Lumpur sind enorm“, sagte James Randerson, bezogen auf 2015.
Die Kosten der immer wieder neu entfachten Brände sind allerdings für den ganzen Planeten enorm. Für sein Klima, seine Artenvielfalt und nicht zuletzt für alle Menschen.
Zurecht stand der Roundtable on Sustainable Palm Oil (RSPO) immer wieder in der Kritik für zu vage Zertifizierungskriterien. In den letzten Wochen hatten seine Mitglieder nun die Möglichkeit, diese Kriterien anzupassen. Denn alle fünf Jahre werden die Richtlinien für Produzenten aktualisiert.
Folgende Beschlüsse wurden nun vom RSPO verabschiedet:
Verbot der Abholzung von Wäldern für den Palmölanbau.
Verbot für den Palmölanbau auf Torfböden.
Verbot von Brandrodungen in und um Plantagen.
Allgemeines Verbot für den Einsatz hochgefährlicher Pflanzenschutzmittel, wie beispielsweise Paraquat. Ausnahmefälle müssen durch einen Due-Diligence-Prozess bestätigt oder von den Behörden bei Schädlingsbefall genehmigt werden.
Verschärfte Rückverfolgbarkeit innerhalb der Lieferketten von Palmöl (zwischen externen Ölfrucht-Lieferanten und Ölmühlen).
Detaillierte Nachweise um sicherzustellen, dass die Rechte der lokalen Gemeinschaften gebührend berücksichtigt werden.
Bessere Einhaltung der Arbeitsrechte, beispielsweise angemessene Löhne, Arbeitsplatzsicherheit, keine Kinder- und Zwangsarbeit, kein Menschenhandel.
Daniel Merdes, Geschäftsführer BOS Deutschland e.V.: “ Diese Schritte gehen in die richtige Richtung, allerdings muss sich die Qualität der Auditierung deutlich verbessern. Sonst bleibt RSPO nur ein Papiertiger. Außerdem wird die Zertifizierung alleine nicht das Problem des Palmölanbaus lösen. Wir brauchen mehr Waldschutzgebiete und eine konsequente Strafverfolgung bei Gesetzesbruch. Das betrifft sowohl die illegale Abholzung, als auch die unnachgiebige Bestrafung bei Orang-Utan-Morden.
Palmöl geht aber auch fair und bio; wie das Beispiel von Dr. Bronner’s zeigt. Wir Verbraucher müssen endlich bereit sein mehr zu bezahlen. GEIZ IST GEIL ist vorbei. Nachhaltige Qualität muss der neue Standard werden.”
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