Vom 7. bis 18. November fand in Marrakesch die UN-Klimakonferenz statt, bei der die Delegierten Schritte zur Umsetzung des Klimaabkommens der vorjährigen Konferenz verhandelten.
Ein Rückblick in die Vergangenheit
Ende 2015 fand die UN-Klimakonferenz in Paris statt. Die internationale Politik feierte einen – aus ihrer Sicht – großen Erfolg, nämlich die Verabschiedung eines rechtskräftigen Abkommens, welches 2011 auf der Klimakonferenz im australischen Durban auf den Weg gebracht worden war. Insgesamt wurde seit 2011 immer wieder miteinander gesprochen, gerungen und gestritten, bis vergangenes Jahr das Pariser Klimaschutzabkommen verabschiedet werden konnte. Es hat ab 2020 durch seine Rechtskräftigkeit bindende Wirkung für die Vertragspartner, wozu auch die früher zähen Widerstand leistende Volksrepublik China oder die USA gehören. In den vergangenen Jahren blockierten beide immer wieder die Verhandlungen.
Der wesentliche Zweck des Pariser Klimaabkommens ist es, dass Kyoto-Protokoll von 1997 an die Realität anzupassen. 1990 wurden rund zwei Drittel der weltweiten CO2-Emissionen von Industrieländern produziert. 2015 war es jedoch nur noch die Hälfte und 2020 werden die Entwicklungsländer zwei Drittel der CO2-Emissionen auf sich vereinigen können. Die Industriestaaten verpflichteten sich 1997, maßgeblich Emissionen einzusparen, z. B. Deutschland um 21 Prozent oder Großbritannien um 12,5 Prozent. Die ehemaligen Ostblockstaaten und Sowjetrepubliken versicherten, den CO2-Auststoß nicht zu erhöhen oder um 8 Prozent zu senken (z. B. Tschechien und Rumänien). Die Entwicklungsländer wurden aufgrund ihrer geringen pro-Kopf-Emissionen ausgenommen und zu keinen Einsparungen verpflichtet. Wenn man sich jedoch nun die Prognosen anschaut, merkt man, dass eine Überarbeitung fällig wurde. Sonst würde sich schlicht und ergreifend das Problem des CO2-Austoßes auf andere Länder verschieben und nicht gelöst werden.
Ende letzten Jahres wurden dann Maßnahmen zur Minderung des CO2-Ausstoßes der Entwicklungsländer vereinbart. Lange Zeit wehrten sich die Delegationen der Entwicklungsländer, indem sie ihre niedrigen Pro-Kopf-Emissionen anführten. Nun verpflichteten sich die Industrieländer die Kosten für die Maßnahmen der Entwicklungsvolkswirtschaften mit zu tragen. Dadurch konnte ein Kompromiss ausgehandelt werden und der jahrelange Streit zwischen den Entwicklungs- und Industrienationen, der die Minderung des CO2-Ausstoßes blockierte, wurde beigelegt.
Erfolge von Marrakesch
Vor wenigen Tagen nun ging die 22. UN-Klimakonferenz in Marrakesch zu Ende. Vor allem die Industriestaaten wurden unter Druck gesetzt, da besonders vom Klimawandel gefährdete Staaten ankündigten, auf 100 Prozent erneuerbare Energien zu setzen. Gleichzeitig versprachen die Industriestaaten, afrikanischen Staaten 100 Milliarden Dollar zu geben, um den Herausforderungen der nächsten Jahre gerecht werden zu können. Weiter wurden Vorbereitungen für das Jahr 2018 getroffen, in welchem erste Maßnahmen des Pariser Abkommens bzw. deren nationale Umsetzungen präsentiert werden sollen.
Deutschland spart CO2 auf Kosten des Regenwaldes
Als eine der Maßnahmen, die den CO2-Ausstoß in Deutschland maßgeblich senken soll, wird die Förderung des Einsatzes von sogenanntem Biokraftstoff angefügt. Durch seinen flächendenkenden Einsatz soll weniger CO2 als durch konventionellen Sprit freigesetzt werden. Schließlich könnten industrielle Volkswirtschaften nicht auf ihre Mobilität verzichten, weshalb ein Ersatz des herkömmlichen Benzins sowie Diesel essentiell für die Klimaprävention ist. Berücksichtigt wird jedoch nicht, dass 41 Prozent des in Deutschland verwendeten Palmöls für diese Biokraftstoffe verwendet werden. Die hydrierten Pflanzenöle (HVO) im Biokraftstoff bestehen bis zu 100 Prozent aus Palmöl. Auch das sogenannte „Fatty Acid Methyl Ester“ (FAME) kommt ohne Palmöl nicht aus, was ebenfalls ein wichtiger Bestanteil des hiesigen Biosprits ist. Ca. 6,5 Prozent des FAME ist Palmöl. Damit übersteigt der Anteil der bioenergetischen Verwendung von Palmöl sogar seinen Anteil in Nahrungsmitteln. Rund 40 Prozent des Palmöls werden in Deutschland für Nahrungsmittel verwendet. 17 Prozent gehen in die industrielle Verwendung. Die restlichen zwei Prozent können nicht weiter erklärt werden. Wenn nun Regenwälder in Indonesien für deutsche Biokraftstoffe abgeholzt werden, wird zwar die deutsche Klimabilanz geschönt. Dies hat jedoch für die weltweite Klimabilanz keinen Mehrwert; das Problem wird schlicht und ergreifend verlagert.
Eine minimale Rolle im aktuellen deutschen CO2-Minderungsplan spielt hingegen die Elektromobilität. Und das obwohl die Bundesregierung genau diesen Bereich in der jüngsten Vergangenheit in den Fokus gesetzt hatte. Sogar eine Kaufprämie für E‑Autos wurde spendiert, um diese Branche zu unterstützen. Doch nun wurde das Rad wieder zurückgedreht und der Fokus erneut auf Agrokraftstoffe gesetzt. Und damit auf die Zerstörung des Regenwaldes in Indonesien, Malaysia und anderswo – um unsere Klimabilanz vermeintlich aufzupolieren. Die Ausweitung der Produktion und des Verbrauchs von Agrokraftstoff kann nicht Teil der Lösung sein, sondern ist Teil des Problems. Eine solche Politik geht auf Kosten der Regenwälder und des Klimas und steht nicht zuletzt in Konkurrenz zu Lebensmittelproduktion.
Am 19. Oktober ist der Day of Action on Bioenergy angesagt, ein Tag an dem das Bewusstsein für die Auswirkungen der wachsenden Bioenergie-Industrie auf Mensch und Natur geschärft werden soll.
Bioenergie ist Energiegewinnung aus nachwachsenden Rohstoffen, was zunächst ja eine gute Idee zu sein scheint. Der Ursprungsgedanke zielte zunächst auch darauf ab, hauptsächlich organische Landwirtschafts- und Siedlungsabfälle energetisch zu verwerten. Jedoch verlagerte sich der Schwerpunkt rasch auf die großflächige Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte eigens zum Zweck der Energiegewinnung, angetrieben besonders durch entsprechende politische Weichenstellungen. Insofern ist es weitaus zutreffender, von Agro-Energie zu sprechen anstatt den eher positiv besetzten „Bio“-Begriff zu verwenden.
Das Versprechen der Politik, durch den Einsatz nachwachsender Biomasse den CO2-Ausstoß im Vergleich zur Verbrennung von Mineralöl zu vermindern, wurde nämlich nicht erfüllt. Zum einen wird ja auch bei der Verbrennung von Biomasse CO2 freigesetzt, zum anderen hat sich der gesamte Prozess der Erzeugung und Verarbeitung von „energetischer Biomasse“ als durchaus CO2-intensiv erwiesen. Der wachsende Bedarf an diesen Rohstoffen erhöht den Druck auf Wälder und landwirtschaftliche Flächen. Nicht nur, dass Agro-Energie in Konkurrenz zu Nahrungsmittelproduktion gerät, importiert die EU Holz aus bestehenden Wäldern z.B. Nordamerikas. Die Vorstellung, gewissermaßen das Mineralölzeitalter durch nachwachsende Rohstoffe zu verlängern, hat sich vorhersehbar als irrig erwiesen.
Die EU-Kommission arbeitet gegenwärtig an neuen Ansätzen einer nachhaltigen Energiepolitik – Ergebnisse werden im Dezember dieses Jahres erwartet.
Umweltverbände und Menschenrechtsorganisationen – darunter auch BOS Deutschland — kritisieren die Rezeption der WWF-Palmölstudie „Auf der Ölspur“ als irreführend. Sie stellen klar, dass der Verbrauch von Palmöl keineswegs unvermeidlich oder ein kleineres Übel ist – sondern dringend drastisch reduziert werden muss.
Die neue Studie des WWF „Auf der Ölspur – Berechnungen zu einer palmölfreieren Welt“ hat ein enormes Medienecho erhalten. Viele Berichte folgten dabei der Betitelung der zugehörigen WWF-Pressemitteilung vom 29.08.2016 „Kein Palmöl ist auch keine Lösung“.
Die unterzeichnenden Verbände und Organisationen begrüßen ausdrücklich die in der Palmöl-Studie des WWF zusammengestellten und gut aufgearbeiteten Daten, die vorgebrachte Problemanalyse als auch sinnvolle Forderungen an Unternehmen, Politik und Verbraucher. Sie kritisieren jedoch, dass die Pressemitteilung des WWF im Resultat zu einer groben Fehlbewertung der Sachverhalte führt. Die Überschrift eines Artikels in der Süddeutschen Zeitung macht das Dilemma deutlich: „Palmöl ist das kleinere Übel – leider“. Der Verbraucher muss denken, die Nutzung von Palmöl ist von allen Möglichkeiten die am wenigsten problematische – eine Verdichtung, die so bequem wie grundfalsch ist.
Die Studie geht der Frage nach, welche Auswirkungen es hätte, das Fett der problematischen aber produktiven Ölpalme (hoher Flächenertrag) in Deutschland komplett durch andere, insbesondere heimische Ölpflanzen (mit geringerem Flächenertrag) zu ersetzen. Um die Auswirkungen eines solchen Ersatzes beziffern zu können, schätzt der WWF vorab, auf wieviel Palmöl in Deutschland ersatzfrei verzichtet werden könnte. Durch weitgehende Beendigung der Nutzung von Palmöl als Kraftstoff und Änderungen im Konsumverhalten sollen ca. 50% Reduktion zusammenkommen. Der Rest müsse komplett durch andere Pflanzenöle ersetzt werden. Das Resultat der Überlegungen des WWF laut Pressemitteilung: Größerer Flächenbedarf. Mehr Treibhausgasemissionen. Weniger biologische Vielfalt. Die Probleme würden verschlimmert. Dass der WWF also scheinbar die weitere Verwendung von Palmöl als umweltfreundlicher empfiehlt, ist ein Paradox, das von vielen Medien dankbar aufgenommen wurde.
Dass dies jedoch eine Fehlbewertung darstellt, wird an mehreren Schlüsselpunkten deutlich.
So unterstellt das WWF-Szenario ein ersatzfreies Minderungspotential von ca. 50%. Andere Umweltverbände hielten eine Reduktion eher im Bereich 60–80% mittelfristig für möglich. Erreicht werden könnte dies über ein striktes Verbot von Palmöl als Treibstoff in Fahrzeugen und Kraftwerken (ca. 50%), die Verbannung aus Mastfuttermitteln für die industrielle Tierproduktion (ca.10%) und sanft wirksame Maßnahmen in den Bereichen chemisch-industrielle Nutzung, Seifen und Lebensmittel. Es macht einen gravierenden Unterschied, ob über Alternativen zur Hälfte oder nur eines Viertels des heutigen Verbrauchs gesprochen werden muss.
Zudem streben – anders als es der Untertitel der Studie nahelegt – keine politisch relevanten Akteure eine “palmölfreie” Welt an. Der WWF beleuchtet ein Extremszenario, in welchem 100% des heutigen deutschen Palmölkonsums verschwinden müssten, und kommt per Pressemitteilung zum Schluss, dass dies nicht günstig wäre. Folgte man dieser realitätsfernen Annahme, bestünde die Herausforderung unserer Tage möglicherweise darin, bestehende Palmölplantagen zu Regenwald zurück zu entwickeln.
Tatsächlich geht es heute jedoch darum, Ansätze zu fördern, welche die immer weiter fortschreitende nachfragegetriebene Zerstörung von Regenwaldflächen für immer neue Plantagen stoppen können. Der Palmölhunger der EU ist ein signifikanter Teil der globalen Nachfrage und damit Mitursache des Raubbaus am Tropenwald. Eine spürbare Reduktion der Nachfrage nach Palmöl in Deutschland und der EU wäre die wirksamste Bremse gegen Produktionsausweitungen. Besonders stark stieg in den letzten Jahren die Nachfrage nach fälschlicherweise als klimafreundlich eingestuftem Palmöl als Kraftstoff. Und bereits der ersatzfreie Verzicht nur dieses einen Marktsegments, also 50% weniger Palmöl würden schon ein enormes Signal an die Märkte senden. Bedenkt man weiterhin, dass auch ein großer Teil der heimischen Pflanzenölproduktion nicht etwa der Ernährung dient, sondern ebenfalls unsinnigerweise als Diesel verbrannt wird, so relativiert sich das Problem einer möglichen Agrarflächenverknappung durch Palmölsubstitution weiter.
Überlegungen zum Ersatz von Palmöl sind interessant und wichtig, aber das Potential ist verglichen mit Reduktionsstrategien vergleichsweise begrenzt. Wollte man also die Erkenntnisse der WWF-Studie im Kern treffend zusammenfassen, müsste man titeln „Viel weniger Palmöl ist nötig und möglich!“, oder „Stoppt Agrokraftstoffe!“. Die aktuelle Medienberichterstattung verkehrt dies jedoch nahezu ins Gegenteil und die Differenzierungen sowie Forderungen der potentiell wertvollen Studie werden kaum transportiert. Das ist kein Wunder, denn die im Pressetext des WWF kommunizierten Ergebnisse „Größerer Flächenbedarf. Mehr Treibhausgasemissionen. Weniger biologische Vielfalt“ – stehen teilweise im direkten Widerspruch zu den eigentlichen Ergebnissen der Studie. Laut Studie könnte der Ersatz von Palmöl, etwa durch heimisches Rapsöl, durchaus einen positiven Effekt auf die Biodiversität haben.
Die Debatte über den Umgang mit dem Konflikt-Agrarrohstoff Palmöl ist wichtig und aktuell im Vorfeld der Neugestaltung der EU-Richtlinie über Erneuerbare Energien in Bezug auf Agrokraftstoffe politisch hochbrisant. Doch die Kommunikation zur neuen WWF Studie leitet die öffentliche Aufmerksamkeit fehl: Weg vom enormen Veränderungspotential, welches Reduktionsstrategien bieten. Und über das Argument der Substitution hin zur Debatte um die Nachhaltigkeitszertifizierung des nur scheinbar alternativlosen Palmöls. Der WWF, Gründungsmitglied und Verfechter des stark in die Kritik geratenen Zertifizierungsmechanismus RSPO, erweist damit nicht nur den AutorInnen der eigenen Studie, sondern der gesamten Debatte um Palmöl und Tropenwaldschutz einen Bärendienst.
Im Rahmen der Fotoausstellung “Letzte Hoffnung für die Orang-Utans” im Staatlichen Naturhistorischen Museum Braunschweig, Pockelsstr. 10, gibt es am Sonntag von 13 bis 17 Uhr Infos und Aktionen für Jung und Alt von der BOS-Regionalgruppe Hannover-Braunschweig. Die Teilnahme ist neben dem Museumseinritt frei.
Das rasende Tempo der Entwaldung in Indonesien ist zum größten Teil auf die Ausbreitung von Palmölplantagen zurückzuführen. Im April dieses Jahres kündigte der indonesische Präsident Joko Widodo an, diese Entwicklung zu stoppen. Vorerst zumindest.
Seit dem haben sich die Pläne konkretisiert. Wirtschaftsminister Darmin Nasution meinte vor ein paar Tagen nach einem Treffen mit Kabinettskollegen, die Regierung wolle die existierenden Plantagen besser bewirtschaften lassen und dort sowohl die Produktion erhöhen als auch Nachpflanzungen verstärken. Die Anlage neuer Plantagen würde mit einem Moratorium von fünf Jahren belegt.
Das für die Genehmigung von Waldnutzungskonzessionen zuständige Umwelt- und Forstministerium hatte schon vor Wochen alle ausstehenden Konzessionsanträge gestoppt, was bereits mehr als 8.500 km² Wald vor der Umwandlung in Plantagen bewahrt hat. Dies war die erste Runde eines in vier Phasen verlaufenden Revisionsprozesses.
Im zweiten Schritt widerrief die Umweltministerin eine Reihe von vorläufigen Zusagen für zukünftige Konzessionen, was weitere 6.000 km² weniger Abholzung bedeutet. Bisher war es üblich, dass das zuständige Ministerium einem Plantagenbetreiber eine förmliche Genehmigung erteilen musste, wenn eine vorläufige Zulassung vorlag. Diese Praxis in Frage zu stellen, ist das Ziel der dritten Phase. „Alle Waldnutzungsgenehmigungen für 2015 und 2016 werden widerrufen. Wir haben dafür eine klare gesetzliche Grundlage“, so Umweltministerin Siti Nurbaya.
Im vierten Durchgang wird das Umweltministerium alle noch ausstehenden Nutzungskonzessionen überprüfen. Viele davon befinden sich nicht nur in Borneo, sondern auch in der Region Papua, wo ebenfalls weite Waldgebiete von Abholzung bedroht sind.
Wie es aussieht, wird die indonesische Regierung nun tatsachlich aktiv. Dass ihr umweltpolitischer Tatendrang nicht durch mächtige Wirtschaftslobbys wieder zum Stillstand kommt, bleibt sehr zu hoffen.
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