Orang-Utans können über die Vergan­gen­heit sprechen

Orang-Utans können über die Vergan­gen­heit sprechen

Brummen, krei­schen, schmatzen: Wie im gesamten Tier­reich ist diese Form Warnungen auszu­drü­cken, auch bei den Orang-Utans sehr verbreitet. Alarm­rufe können Grup­pen­mit­glieder vor Feinden warnen, ja sogar Infor­ma­tionen über die Art des Raub­tiers sowie dessen Posi­tion liefern. 

Bislang sind außer dem Menschen aller­dings nur wenige Tiere bekannt, die vor einer Gefahr nicht nur unmit­telbar sondern auch mit zeit­lich großem Abstand warnen können. Was in der Forschung unter dem Begriff „displaced refe­rence“ beschrieben wird, galt bislang für andere Primaten als ausge­schlossen. Forscher fanden jetzt jedoch heraus, dass Orang-Utans sehr wohl in der Lage sind, zeit­lich versetzt zu alar­mieren, und fanden damit viel­leicht sogar einen Hinweis auf unsere evolu­tio­näre Entwicklung.

Sprache im Tierreich

Warnungen erfolgen bei Tieren in der Regel in Echt­zeit, solange die Gefahr besteht. Auch Menschen warnen: durch Sprache und Schreie, wobei letz­tere zwar nütz­lich sind, um Alarm zu schlagen, aber nicht wirk­lich infor­mativ. Die mensch­liche Sprache nutzt eine einzig­ar­tige Funk­tion, die als „displaced refe­rence“, also als verscho­bener Bezug, bezeichnet wird. Dabei handelt es sich um die Möglich­keit, Infor­ma­tionen über vergan­gene oder zukünf­tige Ereig­nisse zu teilen oder über etwas, das momentan nicht vorhanden ist.

Einer neuen Studie zufolge können Orang-Utans ebenso wie Menschen mit einer zeitlichen Verzögerung warnen

Einer neuen Studie zufolge können Orang-Utans ebenso wie Menschen mit einer zeit­li­chen Verzö­ge­rung warnen

 

Dieser versetzte Bezug ist in allen mensch­li­chen Spra­chen zu finden und wird in der Tat als ein primäres Kenn­zei­chen von Sprache ange­sehen. Über den Menschen hinaus ist ein verscho­bener Bezug im Tier­reich eher selten. Unter den Primaten besitzt nur der Mensch diese beson­dere Kommu­ni­ka­ti­ons­fä­hig­keit. So zumin­dest die lang­jäh­rige Annahme. Denn Forscher an der Univer­sität von St. Andrews in Schott­land haben jetzt heraus­ge­funden, dass auch Orang-Utans den verscho­benen Bezug verwenden können, um über vergan­gene Ereig­nisse zu sprechen.

Das Expe­ri­ment

Adriano Lameira, Prima­to­loge in St. Andrews, führte dazu eine faszi­nie­rende Studie im Ketambe-Dschungel auf Sumatra durch. Dafür entwi­ckelte er ein Expe­ri­ment, bei dem sich Wissen­schaftler quasi als Raub­tiere „tarnten“ und auf einem Baum sitzende Orang-Utan-Mütter mit ihrer Anwe­sen­heit konfron­tierten. Hilfs­mittel waren dabei präpa­rierte Blätter mit Farb­mus­tern (Tiger­print, Weiß, Weiß mit mehr­far­bigen Flecken und abstrakte Farbmuster).

Im Laufe des Expe­ri­ments bewegte sich ein getarnter Mitar­beiter langsam über den Wald­boden in der Nähe der Orang-Utan-Mutter. Sobald er von dieser gesehen wurde, hielt das künst­liche „Raub­tier“ zwei Minuten lang inne und bewegte sich dann außer Sichtweite.

Dieses Proce­dere wurde 24 mal wieder­holt. In der Hälfte der Versuche wartete die Mutter durch­schnitt­lich sieben Minuten, bevor sie einen Alarm absetzte. In einem weiteren Fall wartete ein Orang-Utan fast 20 Minuten ab, nachdem er das „Raub­tier“ entdeckt hatte, bevor er einen längeren Alarm auslöste.

Von ihrer Warnung profitieren vor allem Mütter und deren Kinder

Von Warnungen profi­tieren vor allem Mütter und Babys

 

Orang-Utans warnen Artge­nossen und Nachwuchs

Diese lange Zeit­spanne, bevor ein Alarm ausge­löst wurde, beob­ach­teten die Wissen­schaftler nicht nur, wenn der Orang-Utan allein war, also wenn er die Gefahr ledig­lich für sich selbst wahr­nahm. Auch wenn die Tier­mütter davon ausgehen konnten, dass ihr Kind in Gefahr war, dauerte es teil­weise lange, bevor eine Warnung ausge­rufen wurde.

Warum jedoch ließen die Primaten teil­weise so viel Zeit vergehen, bevor sie Alarm schlugen?

Lamiera vermutet, dass die Tiere abwägen, ob sie mit ihrer unmit­tel­baren Warnung die Gefahr für Artge­nossen eher verschlim­mern. Sie könnten beispiels­weise das Risiko eingehen, den eigenen Standort oder den von Artge­nossen mit Kindern zu verraten. Ein „displaced refe­rence“ könnte in diesem Fall eine Art Sicher­heits­ma­növer sein, gefolgt von der Notwen­dig­keit über die gerade vorüber­ge­gan­gene Gefahr zu unterrichten. 

Orang-Utan-Mütter warten mit dem Ausstoß eines Warnrufs eher, bis potentielle Angreifer nicht mehr in unmittelbarer Nähe sind

Orang-Utan-Mütter warten mit dem Ausstoß eines Warn­rufs eher, bis poten­ti­elle Angreifer nicht mehr in unmit­tel­barer Nähe sind

Tatsäch­lich beob­ach­teten die Forscher, dass Mütter mit jüngeren, weniger erfah­renen Nach­kommen eher einen verzö­gerten Alarmruf ausstießen als Mütter mit älteren Nach­kommen. Diese Fähig­keit der verscho­benen Refe­renz wurde bei anderen Primaten wie Lemuren oder anderen großen Affen, von denen bekannt ist, dass sie Stim­malarme auslösen, sobald ein künst­li­ches Raub­tier entdeckt wird, nicht beobachtet.

Wie Lamiera und sein Kollege Josep Call in ihrem in Science Advances veröf­fent­lichten Artikel erläu­tern, deuten diese neuen Erkennt­nisse auf eine Form der Wahr­neh­mung höherer Ordnung bei Orang-Utans hin. “Das Verschieben von Verhalten in Zeit und Raum drückt von Natur aus die Rolle einer hohen kogni­tiven Verar­bei­tung des Reizes und der allge­meinen Intel­li­genz aus”, sagt Lamiera.
“Unsere Beob­ach­tungen legen daher ein Szenario für die Sprach­ent­wick­lung bei Homi­niden nahe.”

Mit anderen Worten, verscho­bener Bezug kann mehr als nur ein Kenn­zei­chen der Sprache sein, er könnte ein grund­le­gender Bestand­teil der evolu­tio­nären Entwick­lung sein.

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Quelle: Lamiera, A and Call, J (2018) Time-space–displaced responses in the oran­gutan vocal system. Science Advances vol. 4, no. 11, eaau3401

Wir danken Jan Mücher für diesen Beitrag

Über­ra­schungs­be­suche im Regenwald

Über­ra­schungs­be­suche im Regenwald

Bei Routi­ne­pa­trouillen traf unser Post-Release-Moni­to­ring-Team aus dem Nles Mamse Camp im Schutz­wald von Kehje Sewen auf Signe (12), ihren Sohn Bungaran (4) und auf Bong (17). Signe kam im Alter von zwei Jahren im Februar 2009 nach Samboja Lestari. Hier kam ihr Sohn Bungaran am 5. April 2015 zur Welt. Gemeinsam mit dem Weib­chen Bong wurden sie am 13. Dezember 2016 ausgewildert.

Als unsere Beob­achter Mutter und Sohn rund vierzig Minuten vom Camp entfernt entdeckten, waren Signe und Bungaran gerade auf Erkun­dungs­tour im Wald unter­wegs. An einem Maka­r­an­ga­baum machten sie halt, um die jungen Blätter des Baumes zu genießen. Bungaran war schnell satt und spielte lieber in den Ästen. 

Bungaran
Bungaran

Signe genoss noch etwas Rinde. Das machte ihren Sohn neugierig und er gesellte sich zu ihr, um auch von der Rinde zu kosten. Zum Nach­tisch gab es leckere Wald­früchte. Kurz nach Sonnen­un­ter­gang ging es an den Nestbau für die kommende Nacht. Unsere Mitar­beiter sind über­zeugt, dass sich Bungaran absolut alters­gemäß entwi­ckelt und bereits viel von seiner Mutter lernen konnte. 

Am nächsten Tag wollte das Beob­ach­tungs­team die beiden erneut aufspüren. Doch Mutter und Sohn waren schon längst über alle Berge. Statt­dessen trafen sie auf Bong. Die Orang-Utan-Dame entspannte sich zwischen den Lianen und naschte gele­gent­lich. Bedau­er­li­cher­weise wurde es zeitig dunkel, da starker Regen einsetzte. Bong verschwand daraufhin in den Tiefen des Schutzwaldes. 

Bong
Bong

Das Team machte sich gut gelaunt zurück ins Camp, denn Signe, Bungaran und Bong geht es prächtig im Kehje Sewen Schutzwald. 

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Myste­riöse Begeg­nung im Regen­wald (Teil 2)

Myste­riöse Begeg­nung im Regen­wald (Teil 2)

Erin­nern Sie sich? Vor Kurzem waren drei wilde Orang-Utans zu Besuch bei unseren Mitar­bei­tern am Camp Totat Jalu. Hier im Bukit Batikap Schutz­wald klet­terten und hangelten sie sich durch die Bäume. Wer aber das Trio war, blieb unserem Team ein Rätsel.

Wie so oft liegt die Lösung in der Geduld und Hart­nä­ckig­keit unserer Mitar­beiter. Um dem myste­riösen Besuch auf die Spur zu kommen, sich­teten sie hunderte Fotos von allen Orang-Utans, die je im Schutz­wald Bukit Batikap ausge­wil­dert worden waren – und vergli­chen sie mit den Bildern des geheim­nis­vollen Trios. Erst nach vielen Stunden inten­siver Recherche kamen sie dem Myste­rium auf die Spur: Bei dem Trio handelte es sich um die bereits am 30. November 2013 ausge­wil­derte Inung (21) mit ihren Töch­tern Indah (11) und Ina (6)!

Inung und Ina
Inung und Ina

Inung wurde 2000 im Alter von zwei Jahren gerettet und nach Nyaru Menteng gebracht, wo sie in ihrer Reha­bi­li­ta­tion alles lernte, was ein wilder Orang-Utan wissen muss. Vor ihrer Auswil­de­rung lebte sie auf Kaja Island. Dort brachte sie am 2. Juni 2007 ihre erste Tochter Indah zur Welt. Am 12. Juli 2012 folgte ihre zweite Tochter Ina. Inung erwies sich als sehr gute Mutter und wurde im Alter von 15 Jahren gemeinsam mit ihren Töch­tern ausgewildert.

Im ersten Jahr nach ihrer Auswil­de­rung konnte man die drei noch häufig beob­achten. Mit der Zeit jedoch zog es sie immer tiefer in den Wald hinein. Die letzte Begeg­nung mit Indah war im August 2014, Inung und Ina wurden im Juli 2015 zuletzt gesichtet. Umso schöner und größer war die Freude, diese drei Tiere nun gesund wieder­zu­sehen – und so zu erfahren, dass sie nach wie vor Zeit zusammen verbringen.

Indah
Indah

Die kleine Familie verbrachte nun viel Zeit mit Cindy (23) und Riwut (6). Ina tollte begeis­tert mit Riwut herum. Alle fünf Orang-Utans kennen sich seit ihrer Reha­bi­li­ta­tion bei BOS und alle zogen auch zeit­gleich in den Bukit Batikap Schutz­wald um.
Ina ist mitt­ler­weile schon recht selb­ständig und unter­nimmt bereits kleine eigene Ausflüge. Sie kehrt aber immer schnell wieder zu ihrer Mutter Inung zurück. Inung ist trotz ihrer 21 Jahre ein sehr aktiver und nach wie vor verspielter Orang-Utan, die – obwohl doppelt so groß – auch einem Spiel­chen mit Riwut immer offen gegen­über­steht. Die inzwi­schen ausge­wach­sene Indah ist im Gegen­satz zu ihrer Mutter eher ein schüch­ternes Orang-Utan-Weibchen.

Inung und Riwat
Inung und Riwut
Ina, Riwut und Inung
Inung, Riwut und Ina

Das war wirk­lich eine ganz beson­dere Über­ra­schung, diese drei Orang-Utan-Weib­chen nach all den Jahren wieder zu sehen! Inung, Indah und Ina sind gesund und fühlen sich sicht­lich wohl im Bukit Batikap Schutz­wald. Eine groß­ar­tige Nach­richt – und wunder­bare Bestä­ti­gung unserer Arbeit! Bis hoffent­lich bald mal wieder, ihr wilden drei.

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Pflan­zen­roh­stoffe als Ökokiller

Pflan­zen­roh­stoffe als Ökokiller

Kein TV-Tipp, aber hier lohnt sich das Zuhören defi­nitiv! Unsere BOS-Kollegin Nina-Maria Gaiser erzählt im Inter­view vom Baye­ri­schen Rund­funk Span­nendes über Palmöl. Außerdem berichtet die Redak­tion von der leid­vollen Geschichte unserer Orang-Utan-Dame Compost.

Das Orang Utan Mädchen Compost ist als Waise aufge­wachsen. Sie hat ihre Mutter und ihre Heimat beim Bau einer Palm­öl­plan­tage verloren. Mit der Plan­tage auf Borneo beginnt Composts jahre­lange, trau­rige Reise. Palm­öl­plan­tagen breiten sich mit großer Geschwin­dig­keit auf unserem Planeten aus. Über 12 Millionen Hektar Fläche ehema­liger Dschungel sind heute schon eintö­nige Plan­tagen voller Ölpalmen. Und die welt­weite Nach­frage wächst: Fertig­ge­richte, Kosmetik, Biodiesel — in vielen Produkten, die wir täglich nutzen, ist Palmöl versteckt. Dabei gäbe es Möglich­keiten, die Ölpalme nach­haltig anzu­bauen und den verblei­benden Dschungel zu schonen. Radio­Wissen erklärt, warum der groß­flä­chige Anbau von Palmöl in Indo­ne­sien, Malaysia und anderen Ländern so viel zerstört und was wir dagegen tun können.

Freitag, 31.05., 09:05 Uhr BR Radio/ Bayern 2. Nach Ausstrah­lung in der Media­thek zu finden.

 

Ein Bett in den Baum­wip­feln – Alba genießt die Frei­heit des Waldes

Ein Bett in den Baum­wip­feln – Alba genießt die Frei­heit des Waldes

Seit fünf Monaten lebt Albino-Orang-Utan Alba nun in der Frei­heit des Natio­nal­parks BBBR. In ihrer wilden Heimat hat sich die welt­be­rühmte Orang-Utan-Dame bestens einge­lebt.  Das zeigt auch diese spek­ta­ku­läre Aufnahme, die zeigt, wie Alba sich in ihrem Schlaf­nest ausruht. 

Alba fühlt sich Zuhause im Regenwald

Den Beob­ach­tungen unseres Post-Release-Moni­to­ring-Teams und Tier­arztes zufolge, gewöhnt sich Alba immer mehr an ein unab­hän­giges Leben. Seit ihrer Auswil­de­rung am 19. Dezember 2018 haben wir Alba bei ihrer Futter­suche und dem Nestbau beob­achten können. Die junge Orang-Utan-Dame ist sehr aktiv unter­wegs. Sie klet­tert in den Baum­kronen herum und kommt nur selten für Pflan­zen­triebe auf den Wald­boden. All dies sind wilde Verhal­tens­weisen, welche Alba immer weiterentwickelt.

Fünf Monate harte Arbeit

Unser tägli­ches Moni­to­ring von Alba findet von Sonnen­auf­gang bis Sonnen­un­ter­gang statt. Das ist ein Prozess, den wir ‚Nest-to-Nest-Obser­va­tion‘ nennen. Dieser Prozess soll insge­samt sechs Monate dauern. Das bedeutet, dass wir nach einem weiteren Monat ausführ­liche Daten haben werden und analy­sieren können, wie gut sich Alba den neuen, wilden Umständen ange­passt hat.  Auch danach wird sie natür­lich weiterhin, aber in etwas größeren Abständen beob­achtet. Alba lebt nun in einem 128.000 Hektar großen Wald­ge­biet, so dass unser Moni­to­ring-Team beim Verfolgen von Alba ganz schön ins Schwitzen gerät. Doch die Kollegen sind zuver­sicht­lich, dass sie Alba auch weiterhin auf Schritt und Tritt begleiten können. Natür­lich ist das lang­fris­tige, nach­hal­tige und enga­gierte Manage­ment des Natio­nal­parks der Schlüssel zum Wohl von Alba und den vielen anderen Orang-Utans, die dort frei­ge­lassen wurden.”

 

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