Sind Orang-Utans einfühlsam?

Sind Orang-Utans einfühlsam?

Es war ein ganz normaler Tag in der Wald­schule, der in unserem Team diese Frage aufwarf: Verhalten sich Orang-Utans empa­thisch? Sind sie in der Lage, sich in die Empfin­dungen anderer einzufühlen?

An diesem Tag spielten die Orang-Utan-Kinder in den Bäumen der Wald­schule, während ihre Ersatz­mütter vom Wald­boden aus zusahen. Als es Zeit war für eine Pause und einen kleinen Snack, klet­terten alle Wald­schüler von den Bäumen herunter bis auf einen: Uru blieb oben sitzen, brach Zweige vom Baum ab und warf diese auf die Gruppe, die sich unter ihm befand.

Einer dieser Zweige traf Baby­sit­terin Eva am Kopf und verur­sachte eine Platz­wunde. Die Stelle blutete so stark, dass ihre Kolle­ginnen das Erste-Hilfe-Team alarmierten.

Die Orang-Utan-Kinder bemerken, dass es Eva nicht gut geht

Medi­zi­nisch gut versorgt, kam Eva bereits am nächsten Tag wieder zur Arbeit und beglei­tete ihre Schütz­linge zur Wald­schule. Doch nachdem sie „ihre“ Orang-Utan-Kinder abge­lie­fert hatte, setzte sie sich abseits der Gruppe an den Rand, um sich noch ein wenig zu schonen. Denn die Wunde an ihrem Kopf schmerzte sie nach wie vor.

Babysitterin Eva inmitten einer Gruppe Orang-Utan-Waldschülern
Irgend­etwas ist heute anders als sonst: die Wald­schüler mit Ersatz­mama Eva

Die kleinen Orang-Utans schwärmten wie jeden Morgen in die Bäume aus und begannen mit dem Unter­richt. Einer von ihnen bemerkte jedoch, dass an diesem Tag etwas anders war als sonst. Warum saß Mama Eva am Rand? Neugierig näherte er sich der Baby­sit­terin und nahm wahr, dass es Eva nicht gut ging. Plötz­lich schlang er die Arme um seine Ersatz­mama und gab ihr eine liebe­volle Umarmung.

Eva bekommt den ganzen Tag beson­dere Aufmerk­sam­keit von den Orang-Utans

Der Rest der Schü­ler­gruppe hatte die Situa­tion offenbar beob­achtet, denn nun klet­terten auch sie von den Bäumen herunter und scharten sich um Baby­sit­terin Eva. Ein Orang-Utan-Kind nach dem anderen umarmte Eva, als wollten sie sie trösten, was ihnen tatsäch­lich auch gelang.

Und die beson­dere Fürsorge setzte sich fort. Als sich die Gruppe am Ende des Schul­tags auf den Rückweg machte, entschieden sich alle Orang-Utan-Kinder, mit Eva zurück­zu­laufen. Umringt von ihren Schütz­lingen endete also ihr Arbeitstag.

Orang-Utan-Mutter im Käfig mit zwei Babys
Tiefe Mutter­liebe auch für ein adop­tiertes Waisen­kind: Mama Du und Babys

Orang-Utans zeigen oft Verhal­tens­weisen, die darauf schließen lassen, dass sie komplexe Gefühle wie etwa Empa­thie oder auch Trauer spüren. Wir haben in unserem Rettungs­zen­trum sogar ein ganz wunder­bares Beispiel von altru­is­ti­schem Verhalten beob­achten dürfen, als Orang-Utan-Dame Du ein Waisen­kind adop­tierte und es als ihr eigenes Kind aufzog.

Studien zeigen: Orang-Utans können die Gefühle anderer wahrnehmen

Situa­tionen wie die oben geschil­derten ermög­li­chen uns immer wieder tiefe Einblicke in die Gefühls­welt der Orang-Utans.

Wissen­schaft­liche Unter­su­chungen zu diesem Thema durch­zu­führen, ist heraus­for­dernd und aufwändig. Eine wach­sende Anzahl beob­ach­tender Studien kommt jedoch zu dem Ergebnis, dass Orang-Utans in der Lage sind, die Gefühle anderer wahr­zu­nehmen und – wie in der oben beschrie­benen Situa­tion – Empa­thie zu zeigen. Zahl­reiche Unter­su­chungen haben zudem gezeigt, dass Affen auf Angst und Schmerzen anderer Lebe­wesen reagieren und auch Situa­tionen von Unge­rech­tig­keit oder Verlust bei ihnen Emotionen auslösen. Orang-Utans teilen also nicht nur 97 Prozent unserer DNA, auch in ihrem Verhalten und ihrer emotio­nalen Intel­li­genz gibt es durchaus Ähnlichkeiten.

Sie können unsere Arbeit in der BOS-Wald­schule unter­stützen, indem Sie eine Woche Baby­sit­ting. Aber auch klei­nere Beiträge helfen, den geret­teten Orang-Utan-Waisen­kin­dern einen best­mög­li­chen Start ins zweite Leben zu schenken. Denn bei BOS kommt Ihr Geld genau dort an, wo es benö­tigt wird.

Orang-Utans verwenden Pflaster

Orang-Utans verwenden Pflaster

Biologen des Max-Planck-Insti­tuts für Verhal­tens­bio­logie, Konstanz und der Univer­sitas Nasional, Indo­ne­sien beob­ach­teten einen männ­li­chen Sumatra-Orang-Utan mit einer Gesichts­ver­let­zung dabei, wie er die klaf­fende Wunde selbst mit einer Heil­pflanze behan­delte. Aus Pflan­zen­brei stellte der Wald­mensch ein medi­zi­nisch wirk­sames Pflaster her, mit dem er die Wunde erfolg­reich versorgte. Nach wenigen Tagen war die Verlet­zung abgeheilt.

Minu­ten­lang kaute der Orang-Utan namens Rakus die Blätter einer Klet­ter­pflanze, die übli­cher­weise nicht auf seinem Spei­se­plan steht, die aber entzün­dungs­hem­mende und schmerz­lin­dernde Eigen­schaften besitzt. Zunächst bestrich er die offene Wunde immer wieder mit dem beim Kauen ausge­tre­tenen Saft der Pflanze. Zum Schluss bedeckte er die gesamte Verlet­zung mit dem zerkauten Pflanzenbrei.

Heil­kunde bei Menschenaffen

Schon länger bekannt ist, dass Menschen­affen bestimmte Pflanzen zur Behand­lung von Para­si­ten­in­fek­tionen verzehren und Pflan­zen­ma­te­rial auf ihre Haut reiben, um Muskel­schmerzen zu lindern. In der jetzt in der Fach­zeit­schrift „Scien­tific Reports“ veröf­fent­lichten Studie konnten die Forsche­rinnen und Forscher – darunter Dr. Isabelle Laumer, die BOS Deutsch­land seit vielen Jahren wissen­schaft­lich begleitet – erst­mals eine aktive Wund­be­hand­lung mit einer biolo­gisch aktiven Substanz bei einem wilden Tier dokumentieren.

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Mehr Infor­ma­tionen
Das Video zeigt den Orang-Utan-Mann Rakus mit der frischen Wunde und im Laufe seiner Behand­lung mit der Heilpflanze

„Seit 1994 beob­achten wir wilde Sumatra-Orang-Utans am Forschungs­standort Suaq Balim­bing, einem geschützten Regen­wald­ge­biet, das haupt­säch­lich aus Torf­sumpf­wald besteht und die Heimat von ca. 150 vom Aussterben bedrohten Sumatra-Orang-Utans ist“, berichtet Isabelle Laumer. „Bei der tägli­chen Beob­ach­tung der in der Gegend lebenden Orang-Utans fiel uns auf, dass der männ­liche Orang-Utan Rakus eine Gesichts­wunde erlitten hatte, höchst­wahr­schein­lich während eines Kampfes mit einem benach­barten männ­li­chen Artgenossen.“

Schmerz­stil­lend und fiebersenkend

Drei Tage nach der Verlet­zung begann Rakus die klaf­fende Wunde mit dem Saft und Pflan­zen­brei der Lianenart Akar Kuning (Fibraurea tinc­toria) zu behan­deln. „Diese und verwandte Lianen­arten sind für ihre schmerz­stil­lende und fieber­sen­kende Wirkung bekannt und werden in der tradi­tio­nellen Medizin zur Behand­lung verschie­dener Krank­heiten wie Malaria einge­setzt“, erklärt Laumer. „Analysen pflanz­li­cher chemi­scher Verbin­dungen zeigen das Vorhan­den­sein von Furano­di­ter­pen­o­iden und Protober­be­ri­nal­ka­lo­iden, von denen bekannt ist, dass sie anti­bak­te­ri­elle, entzün­dungs­hem­mende, anti­my­ko­ti­sche, anti­oxi­da­tive und andere biolo­gi­sche Akti­vi­täten haben, die für die Wund­hei­lung rele­vant sind.“

Männlicher Sumatra Orang-Utan frisst Blätter zur Behandlung einer Wunde
Einen Tag nachdem Rakus sich das Pflaster aus Pflan­zen­brei aufge­tragen hat, verspeist er auch Blätter der Heil­pflanze © Saidi Agam / Suaq-Project

Die Beob­ach­tungen Rakus in den folgenden Tagen zeigten keine Anzei­chen einer Wund­in­fek­tion. Und nach fünf Tagen war die große Fleisch­wunde bereits geschlossen. „Inter­es­san­ter­weise ruhte Rakus auch mehr als sonst, als er verletzt war. Schlaf wirkt sich positiv auf die Wund­hei­lung aus, da die Frei­set­zung von Wachs­tums­hor­monen, die Prote­in­syn­these und die Zell­tei­lung im Schlaf gestei­gert ist“, berichtet die Wissenschaftlerin.

War das Zufall oder Absicht?

Die Frage ist nun, war das Verhalten des Orang-Utans beab­sich­tigt oder doch nur reiner Zufall? „Das Verhalten von Rakus schien absicht­lich zu sein, da er selektiv seine Gesichts­wunde an seinem rechten Backen­wulst mit dem Pflan­zen­saft behan­delte und keine anderen Körper­teile“, erläu­tert Isabelle Laumer und ergänzt: „Das Verhalten wurde mehr­mals wieder­holt, und dabei nicht nur der Pflan­zen­saft, sondern später auch das zerkaute Pflan­zen­ma­te­rial aufge­tragen, bis die Wunde voll­ständig bedeckt war und der gesamte Vorgang nahm eine beträcht­liche Zeit in Anspruch.“

Männlicher Sumatra Orang-Utan mit verheilter Gesichtswunde
Zwei Monate später ist von der Verlet­zung kaum noch etwas zu erkennen © Safruddin / Suaq-Project

Für die Forsche­rinnen und Forscher liefert ihre Studie nicht nur neue Einblicke in das Selbst­me­di­ka­ti­ons­ver­halten bei unseren nächsten Verwandten, sondern auch in die evolu­tio­nären Ursprünge der Wund­me­di­ka­tion. „Die Behand­lung mensch­li­cher Wunden wurde höchst­wahr­schein­lich erst­mals in einem medi­zi­ni­schen Manu­skript aus dem Jahr 2200 v. Chr. erwähnt, das das Reinigen, Pflas­tern und Verbinden von Wunden mit bestimmten Wund­pfle­ge­mit­teln umfasste“, sagt die eben­falls an der Studie betei­ligte Verhal­tens­bio­login Dr. Caro­line Schuppli. „Da Formen der aktiven Wund­be­hand­lung nicht nur beim Menschen, sondern auch bei afri­ka­ni­schen und asia­ti­schen Menschen­affen vorkommen, ist es möglich, dass es einen gemein­samen zugrunde liegenden Mecha­nismus für die Erken­nung und Anwen­dung von Substanzen mit medi­zi­ni­schen oder funk­tio­nellen Eigen­schaften auf Wunden gibt und dass unser letzter gemein­samer Vorfahre bereits ähnliche Formen des Wund­pfle­ge­ver­hal­tens zeigte.“

Weil sie unsere nächsten Verwandten sind. Bitte helfen auch Sie den vom Aussterben bedrohten Orang-Utans.

Kopral hat Fußprobleme

Kopral hat Fußprobleme

Eine Auszeit von seinem könig­li­chen Insel­leben muss seit einigen Wochen unser Lang­zeit­be­wohner Kopral nehmen. Denn der 17 Jahre alte Orang-Utan-Mann hatte sich an den Füßen verletzt. Jetzt sorgt unser medi­zi­ni­sches Team dafür, dass Koprals Füße wieder voll­ständig verheilen. Denn sie sind seine einzig verblie­bene Möglich­keit, sich fortzubewegen.

Auf unseren „Inseln für betreutes Wohnen“ bekommen nicht-auswil­der­bare Orang-Utans wie Kopral nicht nur tägliche Essens­lie­fe­rungen. Sie werden auch genau­es­tens beob­achtet von den BOS-Mitar­bei­tern. So fiel es vor einigen Wochen schnell auf, als Kopral plötz­lich anfing zu humpeln.

Orang-Utan-Männchen Kopral sitzt im Gras auf seiner Insel
Hoffent­lich kann Kopral bald auf seine Insel zurückkehren

Umge­hend wurde der Big Male daraufhin in unsere Orang-Utan-Klinik gebracht und umfas­send unter­sucht. Die Diagnose: Kopral hatte sich am rechten Fuß Wunden zuge­zogen. Und sich außerdem noch einen Fußpilz zwischen den Zehen einfangen. Also blieb der Orang-Utan in medi­zi­ni­scher Behand­lung in den kompe­tenten Händen der BOS-Tierärzte.

Klinik­auf­ent­halt für Kopral

Die Wunden am rechten Fuß sind glück­li­cher­weise schnell verheilt. Und der Pilz spricht auf die fort­lau­fende Behand­lung mit den Anti­my­ko­tika und dem anti­mi­kro­biellen Desin­fek­ti­ons­mittel gut an. Ein größeres Problem blieb aller­dings: Seine Knöchel waren durch die Schon­hal­tung und mangelnde Bewe­gung noch steif. Und Kopral vermied es sicht­lich, auf seinen Fußballen zu laufen.

Orang-Utan-Männchen Kopral sitzt im vergitterten Gehege der Tierklinik
In seinem „Kran­ken­zimmer“ in der Tier­klinik muss Kopral ausharren, bis seine Füße geheilt sind

Darum hat sich unser Vete­ri­när­team mit Human­me­di­zi­nern aus der Ortho­pädie ausge­tauscht. Um zu vermeiden, dass sich Koprals Bein­mus­keln versteifen, was ihn lang­fristig in seiner Mobi­lität einschränken würde, wurde dem Orang-Utan eine Infra­rot­licht-Therapie verschrieben. Außerdem werden seine geplagten Füße regel­mäßig mit Kokos­nussöl eingerieben.

Physio­the­rapie mit Belohnung

Zur Unter­stüt­zung seiner Reha­bi­li­ta­tion, haben unsere Mitar­bei­te­rinnen und Mitar­beiter im Rettungs­zen­trum Nyaru Menteng eine tägliche Workout-Routine als Physio­the­rapie ausge­tüf­telt. So muss Kopral z. B. mit seinen Füßen verschie­dene Gegen­stände mit einem Stock angeln.

Orang-Utan-Männchen Kopral während der Physiotherapie mit Mitarbeiter der BOS Foundation
Fleißig trai­niert Kopral seinen kranken Fuß

Kopral erfüllte jede an ihn gestellte Aufgabe mit großem Eifer. Was viel­leicht auch daran liegt, dass seine Mitar­beit mittels köst­li­cher Beloh­nungen positiv verstärkt wird. Dabei achten wir aber darauf, dass die Beloh­nungen nicht zusätz­lich auf Koprals Hüften schlagen. Denn bei der medi­zi­ni­schen Unter­su­chung wurde auch fest­ge­stellt, dass der Orang-Utan-Mann mit 67 Kilo­gramm an Über­ge­wicht leidet. Also wird die Zeit, die Kopral im Medi­zin­kom­plex verbringt, gleich genutzt, um den gefrä­ßigen Menschen­affen wieder in eine bessere Form zu bringen. Auf dem Spei­se­plan stehen jetzt täglich ein Kilo­gramm Früchte und drei Kilo­gramm Gemüse. Doch Kopral trägt seine Situa­tion mit Gelas­sen­heit. Nimmt er nicht an physio­the­ra­peu­ti­schen Übungen teil, entspannt er meis­tens in seiner Hänge­matte. Wir hoffen, dass Kopral bald wieder genesen ist und zurück auf seine Insel kehren kann. Dort wartet seine Mitbe­woh­nerin Lesley, eine 14-jährige Orang-Utan-Dame, bestimmt schon auf ihren Freund! 

Helfen Sie uns, nicht-auswil­der­baren Orang-Utans wie Kopral und Lesley ein sicheres Zuhause auf unseren Schutz­in­seln zu schenken. Jede Spende hilft.

Aller guten Dinge sind drei: Begeg­nung mit Suci

Aller guten Dinge sind drei: Begeg­nung mit Suci

Seitdem wir Suci Ende 2021 ausge­wil­dert haben, hat sie sich rar gemacht und wurde vom Post-Release Moni­to­ring (PRM) Team selten gesichtet. Umso mehr freuen wir uns, dass die BOS-Ranger das Orang-Utan-Weib­chen nun gleich drei Mal ausgiebig beob­achten konnten. Denn es gibt Schönes zu berichten!

Es war ein freu­diger Moment, als unser PRM-Team Suci bei einem seiner Kontroll­gänge im Bukit Baka Bukit Raya Natio­nal­park (Zentral-Kali­mantan) entdeckte. Zufrieden knab­berte sie Triebe einer wilden Ingwer­pflanze (Etlin­gera trior­gyalis) und ließ sich dabei nicht stören. Mehrere Stunden lang folgte unser Team dem jungen Orang-Utan und konnte dabei beob­achten, wie Suci sich am reich­hal­tigen Buffet des Regen­waldes satt aß: Nach dem Ingwer knab­berte sie die zarte Schicht unter der Rinde eines Baumes, pflückte dann einige wilde Feigen (Ficus sp.) und sammelte schließ­lich Termiten. Am frühen Nach­mittag kam ein Sturm auf und unser Team zog sich ins Camp Himba Pambelum zurück.

Orang-Utan-Weibchen Suci im Nationalpark Bukit Baka Bukit Raya
Junge Blätter, Baum­rinde und reife Früchte: Suci ist eine Feinschmeckerin

Nur drei Tage später traf das Beob­ach­tungs­team Suci erneut, diesmal in der Nähe des Hiran Flusses. Auch bei dieser Begeg­nung zeigte sich das Orang-Utan-Mädchen als Fein­schme­ckerin, denn sie futterte gerade die Blätter eines Akazi­en­baumes (Vachellia leuco­phloea). Unser Team beob­ach­tete Suci, bis diese sich bei Einbruch der Dämme­rung ein Schlaf­nest in einem Feigen­baum baute, und kehrte dann ins Camp zurück.

Orang-Utan-Mädchen Suci beweist ihr Wissen um essbare Pflanzen

Und dann kam es ganz uner­wartet zu einer dritten Begeg­nung, nur zwei Tage später, jedoch in einem weit entfernten Teil des Bukit Baka Bukit Raya Natio­nal­parks. Viel­leicht hat ihr Appetit Suci dorthin geführt? Es ist bekannt, dass sich Orang-Utans nicht nur die Stand­orte von Futter­bäumen merken können, sondern sogar, wann diese reife Früchte oder junge Blätter tragen. Eine außer­or­dent­liche Leistung!

Orang-Utan-Weibchen Suci im Nationalpark Bukit Baka Bukit Raya
Weite Entfer­nungen sind für Suci, die so geschickt klet­tert, kein Problem

Denn auch bei dieser dritten Begeg­nung genoss Suci eine Viel­zahl unter­schied­li­cher Nahrungs­mittel: Sie pflückte die Blätter einer Palme und eines Johan­nis­brot­baumes (Koom­passia excelsa), knab­berte dann einige Bambusstengel und pulte schließ­lich Termiten aus einem morschen Baumstamm.

Sucis Kompe­tenz und Einfalls­reichtum macht unser PRM-Team stolz

Nach dem ausgie­bigen Mahl begab sich Suci hinunter zum Fluss, um sich zu erfri­schen. Dazu nahm sie sich einige Blätter und wusch damit ihren Körper – mit offen­sicht­lich größtem Vergnügen.

Orang-Utan-Weibchen Suci im Nationalpark Bukit Baka Bukit Raya
Herr­lich erfri­schend: Suci am Flussufer

Mit ihrem Wasch­ri­tual über­raschte Suci unsere Ranger und machte sie sehr stolz. Denn sie beweist damit sehr viel Krea­ti­vität und ihre Fähig­keit, sich an das Leben in freier Wild­bahn anzupassen.

Suci war unge­fähr 18 Monate alt, als sie in die BOS-Rettungs­sta­tion kam, und durch­lief nach ihrer Quaran­täne die Wald­schule und Wald­uni­ver­sität im Rekord­tempo. Es schien fast so als könnte sie es nicht abwarten, endlich zurück in die Wildnis zu kommen. Und weil sie ziem­lich clever ist, hatte sie mit knapp sieben Jahren schon alle nötigen Fähig­keiten für die Auswil­de­rung erworben – also in einem Alter, in dem junge Orang-Utans sich gerade so von ihren Müttern abna­beln, mit denen sie seit ihrer Geburt unzer­trenn­lich zusammen gelebt hatten.

Die drei Begeg­nungen inner­halb kurzer Zeit sowie die Möglich­keit, Suci über viele Stunden hinweg beob­achten zu können, haben bei unserem PRM-Team einen sehr zufrie­den­stel­lenden Eindruck hinterlassen.

Die inzwi­schen Neun­jäh­rige Suci hat sich bestens im Bukit Baka Bukit Raya Natio­nal­park einge­lebt. Und wird nun hoffent­lich noch viele, viele Jahre dazu beitragen, als natür­liche „Gärt­nerin des Waldes“ das ökolo­gi­sche Gleich­ge­wicht im Regen­wald durch ihr Dasein zu erhalten. Und mit etwas Glück die Orang-Utan-Popu­la­tion zu vergrößern.

BOS setzt sich Tag für Tag dafür ein, die letzten Orang-Utans ihrer Art vor dem Aussterben zu bewahren. Helfen Sie uns dabei – jede Spende zählt!

Kunst­hand­werk in den Baumwipfeln

Kunst­hand­werk in den Baumwipfeln

Beim Stich­wort „Nestbau“ denken die meisten Menschen wohl sofort an Vögel. Aber auch Orang-Utans bauen Nester – hoch oben in die Baum­wipfel des Regen­waldes und mit beein­dru­ckendem Geschick. Junge Orang-Utans erlernen diese Fähig­keit von ihren Müttern, doch das braucht seine Zeit.

Orang-Utans sind soge­nannte baum­be­woh­nende Säuge­tiere: Sie verbringen den Groß­teil ihres Lebens als semi-soli­täre Wald­be­wohner auf Bäumen, wo sie klet­ternd und hangelnd nach Nahrung suchen und allabend­lich nach einem geeig­neten, sicheren Platz, um dort ihr Schlaf­nest einzu­richten. Dabei beweisen sie sowohl hand­werk­li­ches Geschick als auch archi­tek­to­ni­sche Kompetenz.

Orang-Utans werden auch Wald-Archi­tekten genannt

Ihren Nestbau beginnen Orang-Utans mit der Wahl des passenden Baumes und einer geeig­neten Astgabel. Beson­ders beliebt für den Nestbau ist die Baumart Shorea Balan­geran, die ausschließ­lich in Indo­ne­sien vorkommt – und eben­falls vom Aussterben bedroht ist.

Orang-Utans haben eine beacht­liche Körper­größe, sodass der „Bauplatz“ einiges an Gewicht aushalten muss. Handelt es sich um einen jungen Baum mit geringem Durch­messer, wird das Nest in direkt am Stamm erbaut, wo die Äste die größte Stabi­lität aufweisen.

Orang-Utan-Schlafnest
Geschickt zwischen mehrere junge Bäume wurde dieses Nest gebaut

Auf den mäch­tigen Urwald­riesen hingegen – sie können ausge­wachsen über 30 Meter hoch werden – kann sich das Nest auch an der Spitze eines ausla­denden Astes befinden und dort, ähnlich einer Hänge­matte, in einer Astgabel thronen.
Manchmal werden auch mehrere Bäume in den Nestbau einbe­zogen. Dann scheint es, als ob es zwischen den schlanken Stämmen junger Spröss­linge oder zwischen zwei sich über­lap­penden Astaus­läu­fern in der Luft hängt. Doch frei­lich ist es fest verwoben.

Das Orang-Utan-Schlaf­nest wird kunst­voll und bequem eingerichtet

Am ausge­wählten Ort beginnt der Orang-Utan nun, Zweige und Blätter mitein­ander zu verweben. So erhält er ein solides Funda­ment für sein Nest. Mit flinken, geschickten Fingern steckt er Zweige inein­ander, schlingt sie umein­ander, verbindet und befes­tigt und zieht schließ­lich mit klei­neren Zweigen einen kreis­runden Rand in die Höhe. Dieser verwan­delt den Schlaf­platz endgültig in ein Nest und sichert den Orang-Utan vor dem Heraus­fallen bei Nacht.

Nachdem der Rohbau steht, geht es an die Innen­ein­rich­tung. Denn das Nest soll schließ­lich nicht nur sicher, sondern auch bequem sein! Dafür sammelt der Orang-Utan junge, weiche Blätter und Moose und pols­tert sein Nacht­quar­tier aus.
Was nun klingt, als sei es ein langer Prozess, ist für erfah­rene Orang-Utans eine Sache von wenigen Minuten. Ist das nicht beeindruckend?

Nestbau für den Powernap am Tag

Auch am Tag ziehen sich die Wald­men­schen manchmal für eine kurze Ruhe­pause zurück. Dabei nutzen sie hin und wieder bereits gebrauchter Nester, die sie mit frischen Zweigen verstärken und neu auspolstern.

altes Orang-Utan-Schlafnest
Dieser Orang-Utan-Schlaf­platz wurde schon vor längerer Zeit gebaut und verlassen

Aufmerk­same Beob­achter, die zu Fuß im Regen­wald unter­wegs sind – wie beispiels­weise unsere Ranger in den Post-Release Moni­to­ring Teams – können solche Nester in den Bäumen entde­cken. Sie erkennen auch, ob es sich um ein neues oder älteres Nest handelt: In älteren Nestern sind die Blätter braun und verwelkt, hat sich die Zweig­kon­struk­tion teil­weise gelockert.

In der BOS-Wald­schule lernen Orang-Utan-Waisen­kinder den Nestbau

Die Kunst des Nest­baus wird von Gene­ra­tion zu Gene­ra­tion weiter­ge­geben. Norma­ler­weise bleiben Orang-Utan-Mütter sechs bis acht Jahre lang unzer­trenn­lich mit ihrem Nach­wuchs zusammen und bringen ihm in dieser Zeit alles bei, was er für das Leben im Regen­wald benötigt.

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Mehr Infor­ma­tionen
Um unseren Wald­schü­lern zu zeigen, wie sie oben in den Bäumen ein Nest bauen können, klet­tern auch unsere Mitar­beiter hoch hinauf

Die Waisen­kinder jedoch, die wir in unseren Rettungs­zen­tren aufnehmen, sind in den meisten Fällen noch zu jung, um bereits den Nestbau von ihren Müttern gelernt zu haben. Diese Aufgabe über­nehmen daher unsere Baby­sit­te­rinnen. Dazu klet­tern sie sogar mit den kleinen Wald­men­schen hinauf in die Bäume. Denn ein Hand­werk erlernt man schließ­lich nur, wenn man es gezeigt bekommt.

Sie können unsere Arbeit in der BOS-Wald­schule unter­stützen, indem Sie eine Woche Baby­sit­ting spenden. Aber auch klei­nere Beiträge helfen, den geret­teten Orang-Utan-Waisen­kin­dern einen best­mög­li­chen zweiten Start ins Leben zu schenken. Denn bei BOS kommt Ihr Geld genau dort an, wo es benö­tigt wird.