Tiere aus Kali­mantan: Der Fleckenmusang

Tiere aus Kali­mantan: Der Fleckenmusang

Kali­mantan ist der indo­ne­si­sche Name für die Insel Borneo, der dritt­größten der Welt nach Grön­land und Neuguinea. Kali­mantan ist auch die Heimat der Borneo-Orang-Utans, die sie sich mit unzäh­ligen anderen Tier­arten teilen. Viele von ihnen sind nicht minder bedroht als unsere rothaa­rigen Vettern. Wir stellen hier in loser Reihen­folge immer wieder einige dieser faszi­nie­renden Geschöpfe vor.

Der Flecken­musang (Para­dox­urus hermaphroditus) 

Flecken­musangs gehören zur Raub­tier­fa­milie der Schleich­katzen, die zwar keine eigent­li­chen Katzen darstellen, aber mit diesen sowie unter anderem den Hyänen und Mangusten (z.B. Mungos) zur Über­fa­milie der Katzen­ar­tigen gehören. Die etwa haus­kat­zen­großen Tiere sind über weite Teile Südost­asiens verbreitet und gehören in Borneo seit jeher zur einhei­mi­schen Tier­welt. Die IUCN stuft sie als least concern, nicht gefährdet ein. Aller­dings stammt diese Einschät­zung von 2015. Die Tendenz der Bestands­ent­wick­lung ist durchaus negativ. Bedro­hungs­fak­toren sind, wie so oft, in erster Linie Habi­tats­ver­lust und Wilderei. Seinen Beinahmen herm­aphro­ditus trägt der Flecken­musang übri­gens nicht etwa, weil er tatsäch­lich herm­aphro­di­tisch (zwittrig) wäre, sondern weil seine Duft­se­kret-Drüsen, die beide Geschlechter unter dem Schwanz tragen, an Hoden erinnern. 

Nachtaktiv: der Fleckenmusang (Foto: Commons Wikimedia/ Krishnakumarvairassery )
Nacht­aktiv: der Flecken­musang (Foto: Commons Wikimedia/ Krishnakumarvairassery )

Ein nächt­li­cher Waldbewohner 

Flecken­musangs leben bevor­zugt auf Bäumen, wo sie in der Nacht nach Früchten, Wirbel­losen und kleinen Wirbel­tieren suchen. Sie beziehen aber auch den Wald­boden in ihre Nahrungs­suche mit ein. Ähnlich wie Orang-Utans tragen mögli­cher­weise auch Flecken­musangs zur Samen­ver­brei­tung im Regen­wald bei, sind also sozu­sagen Gärtner des Regen­waldes. Den Tag verschlafen sie gerne in Baum­höhlen oder dicht belaubten Astga­beln. Vergleichbar mit unseren Stein­mar­dern scheuen sie aber auch nicht die Nähe mensch­li­cher Sied­lungen, wo sie als Alles­fresser vom reich­hal­tigen Nahrungs­an­gebot profi­tieren.  Außer während der kurzen Paarungs­zeit leben Flecken­musangs einzel­gän­ge­risch. Trotz ihrer rela­tiven Häufig­keit ist über die Einzel­heiten ihres Verhal­tens aber nur wenig bekannt — als ausge­spro­chen nacht­ak­tive Tiere sind sie nur schwer zu beobachten. 

Die „Kaffee­katze“ 

Flecken­musangs sind vor allem wegen eines Phäno­mens bekannt: Sie sind die Quelle des berühmten Kopi Luwak,fälsch­li­cher­weise auch „Katzen­kaffee“ genannt. Mit der Einfüh­rung des ursprüng­lich afri­ka­ni­schen Kaffee­strauchs nach Borneo erschloss sich mit dessen Früchten für den Flecken­musang eine weitere Nahrungs­quelle. Die rohen Kaffee­bohnen werden dabei fast unver­daut wieder ausge­schieden, haben aber einen Fermen­ta­ti­ons­pro­zess durch­laufen, der den Bohnen, wenn man sie röstet, ein beson­deres Aroma verleiht. Echter Kopi Luwak kostet als Endpro­dukt mehrere hundert Euro oder Dollar pro Kilo. Das war nicht immer so; zu Kolo­ni­al­zeiten wurden die vorver­dauten Bohnen größ­ten­teils von ärmeren Leuten gesam­melt und zu Kaffee verar­beitet. Der normale Bohnen­kaffee hingegen war sehr teuer und ging in den Export oder wurde nur von den euro­päi­schen Kolo­ni­al­herren und anderen Wohl­ha­benden getrunken. 

Begehrte Kaffeebohnen (Foto: Commons Wikimedia/ Wibowo Djatmiko)
Begehrte Kaffee­bohnen (Foto: Commons Wikimedia/ Wibowo Djatmiko)

Kopi Luwak — verhäng­nis­voll für den Fleckenmusang

Seit der vorma­lige Arme-Leute-Kaffee aber seiner­seits zum exqui­siten Luxus­pro­dukt avan­cierte, reichte das bloße Sammeln der zufällig ausge­schie­denen Bohnen natür­lich nicht mehr aus, um den Bedarf zu decken. Neben diversen Fälschungen kam farm­mäßig produ­zierter Kopi Luwak auf den Markt. Gefan­gene Flecken­musangs werden dafür in extrem engen Käfigen gehalten und fast ausschließ­lich mit Kaffee­früchten gefüt­tert, um möglichst viel der fermen­tierten Bohnen zu erhalten. Durch diese tier­quä­le­ri­sche Art der Produk­tion ist Kopi Luwak sehr zu Recht in Verruf geraten. Mitt­ler­weile soll es Farmen geben, auf denen die Tiere mehr Auslauf haben und abwechs­lungs­rei­cher gefüt­tert werden. Viel­leicht aber kann man auch weiterhin mit normalem Kaffee glück­lich werden (bei dem man übri­gens auch auf Fair Trade und ökolo­gi­sche Krite­rien achten sollte). Auf jeden Fall sollte man den Flecken­musang auch ohne seinen spezi­ellen Nutzen als Teil der Fauna von Borneo wertschätzen. 

Die Orang-Utans und der Regen­wald brau­chen uns. Gerade jetzt. Vielen Dank für Ihre Unterstützung.

Kisar im Paradies

Kisar im Paradies

Es war 4 Uhr morgens, als wir das Lager verließen. Die Dunkel­heit ließ den Urwald immer noch als nur schwache Silhou­ette alter, mäch­tiger Bäume und ihrer Viel­zahl von Epiphyten und Lianen erscheinen. Der Fluss war in frühen Morgen­nebel gehüllt, und alles, was man hören konnte, waren die eindring­li­chen Laute von Gibbons, die in der Ferne hallten.

Die Tech­niker der BOS Foun­da­tion, Otong und Tukijo, star­teten das Boot. Wir rasten durch die Dunkel­heit das gewun­dene Fluss­netz hinunter, während das schnelle Tuckern des Motors uns vibrieren ließ. Beide Tech­niker waren in lokalen Dayak-Dörfern aufge­wachsen, und es war offen­sicht­lich, dass sie ein umfas­sendes Wissen über die Gegend besaßen, als sie sich leicht durch den Friedhof umge­stürzter Bäume navi­gierten, die halb im Fluss versunken waren. Während wir uns unserem Ziel näherten, brach die Morgen­däm­me­rung an und beleuch­tete einen purpur­roten Himmel. Der Motor tuckerte noch in seinen letzten Zügen, und wir ließen uns auf das Fluss­ufer zutreiben, das von Schlamm und Abfall gepols­tert war. Es war Zeit auszusteigen.

Als Tukijo und ich in das dichte Unter­holz eindrangen, begann ein Orchester aus Vögeln, Insekten und Primaten im ganzen Wald ein wahres Crescendo. Der Dschungel erwachte. Von unserem vertrau­ens­wür­digen GPS geleitet, näherten wir uns Kisars Schlaf­nest. In dem Augen­blick begannen die Bäume begonnen zu schwanken und sich unter einem enormen Gewicht zu wiegen. Eine riesige Gestalt in langen roten Haaren schwang sich durch den Balda­chin. Es war Früh­stücks­zeit für den gutaus­se­henden Mann mit Bart, und eine Frucht, bekannt als Tapang, stand auf der Spei­se­karte. Der sanfte Riese saß in den Bäumen und schluckte an den reifen, saftigen Früchten. Ich saß auf einem Holz­stamm, während ich Daten sammelte und den Kauge­räu­schen dieses zufrie­denen Wesens lauschte.

Einige Zeit war vergangen, und Kisars neugie­rige Natur schien jetzt zu siegen. Er inter­es­sierte sich nicht mehr für sein Früh­stück, sondern beschäf­tigte sich zuneh­mend mit unserer Anwe­sen­heit. Er umschlang einen Baum, seine Arme und Beine fest darum gewi­ckelt. In einer schnellen Bewe­gung rutschte er den Stamm hinab, und mit einem leisen Knall schlug sein Hintern auf den Boden. Ich muss zugeben, dass er ziem­lich komisch dabei aussah. Trotzdem entfernten wir uns, um bald zu entde­cken, dass Kisar uns wie zufällig folgte. Nach ein paar Metern hielt er an und rollte sich auf den Rücken, die Arme hinter den Kopf gestützt. Er lag da wie ein sonnen­ba­dender Wookiee mit glasigen Hündchenaugen.

Zum Glück war Kisar nach einer ersten Inspek­tion schnell von den haar­losen Wesen mit Klemm­bret­tern unter den Armen gelang­weilt. Das Essen kam ihm wieder in den Sinn, und er klet­terte wieder hoch in den Balda­chin aus Blät­tern. Kisar war prak­tisch nicht mehr zu sehen, aber wir wussten, dass er dort war, weil wir die bekannten Geräu­sche eines fres­senden Orang-Utans wahr­nahmen. Die Mittags­zeit rückte näher, und der Wald lag still und fried­lich da. Es fühlte sich an, als würde alles Leben nach Erleich­te­rung von der sauna­ähn­li­chen Hitze der Tropen suchen. Alles war still, bis auf den kleinen Meranti-Zweig, der blütenlos zu Boden schwebte.

Kisar
Kisar im Regenwald

Schließ­lich wurde die Ruhe aber durch ein plötz­li­ches Krachen unter­bro­chen, als Kisar hektisch vom Balda­chin herab­stieg. Er hatte die summenden Bewohner eines Bienen­stocks verär­gert. Indem er seine großen, flei­schigen Finger in den kleb­rigen Honig steckte, hatte er die harte Arbeit der beschäf­tigten Bienen zerstört. Sie waren, gelinde gesagt, nicht erfreut und hatten Kisar als Vergel­tung umschwärmt und ihm ins Gesicht und in die Hände gesto­chen. Eine Wolke wütender Bienen folgte Kisar, als er wie ein Elefant in einem Porzel­lan­laden durch den Wald sprang. Er fand schließ­lich Erleich­te­rung am Fluss, wo er Wasser über sein Gesicht spritzte. Nachdem die Bienen die Jagd aufge­geben hatten, ruhte er sich eine Zeit lang mit einem mürri­schen Ausdruck auf seinem wunden, zersto­chenen Gesicht aus.

Wir folgten Kisar in den folgenden Tagen weiter, um ausrei­chende Daten über sein Verhalten nach seiner Frei­las­sung im Jahr 2019 zu sammeln. Es war eine unglaub­liche Erfah­rung, ihn so komfor­tabel an sein neues Zuhause ange­passt zu erleben. Er futterte den ganzen Tag über große Mengen und verbrachte viel Zeit hoch oben im Balda­chin. Einmal zeigte er sogar domi­nante Verhal­tens­weisen, die die Aufmerk­sam­keit einer jungen Frau namens Garu auf sich zogen. Während wir seinen Alltag weiterhin über­wa­chen, freuen wir uns, dass alles auf eine erfolg­reiche Wieder­ein­glie­de­rung in die Natur hindeutet. Genieße Dein neues Wald­heim, Kisar!

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Terra X: Faszi­na­tion Erde — mit Dirk Steffens

Terra X: Faszi­na­tion Erde — mit Dirk Steffens

Dirk Stef­fens folgt den Spuren von Alfred Russel Wallace durch die sagen­hafte Insel­welt Indo­ne­siens und Malay­sias. Er begegnet „Wald­men­schen“, erklimmt Urwald­riesen und harrt für seine Beob­ach­tungen aus auf einer wack­ligen Platt­form inmitten einer riesigen Höhle.

Er erkundet Orte, die wirken, als seien sie Spiel­plätze der Evolu­tion: mit flie­genden Fröschen, riesigen Echsen und Kängurus in Bäumen. Noch heute ein Aben­teuer, waren die Reisen zu Zeiten von Wallace lebens­ge­fähr­lich. Das Studium unge­wöhn­li­cher Insekten, die sich zum Teil sehr ähnlich sind, ließ in ihm die Über­zeu­gung reifen: Da muss es Über­gänge geben, irgend­etwas, das eine Entwick­lung von einer zur anderen Insek­tenart trig­gert. Und der Blick in die Gesichter der „Wald­men­schen“, der Orang-Utans, ließ ihn womög­lich ahnen: Auch der Mensch gehört in eine solche Entwicklungsreihe.

Aus der Reihe „Terra X: Faszi­na­tion Erde — mit Dirk Stef­fens“ (Deutsch­land, 2018)

BOS-Geschäfts­führer Daniel Merdes: “Orang-Utan-Schutz im Ausnahmezustand”

BOS-Geschäfts­führer Daniel Merdes: “Orang-Utan-Schutz im Ausnahmezustand”

BOS-Geschäfts­führer Daniel Merdes: “Orang-Utan-Schutz im Ausnahmezustand”

Unsere Orang-Utan-Schutz­zen­tren befinden sich aktuell im abso­luten Lock­down. Denn unser vorran­giges Ziel in der aktu­ellen Situa­tion ist es, unsere Schutz­be­foh­lenen mit allen Mitteln vor einer Über­tra­gung des COVID-19-Virus zu schützen.

Dies gilt nicht nur für die Rettungs­zen­tren, sondern auch für unsere Auswil­de­rungs­ge­biete. Alle Volon­tär­pro­gramme wurden daher bis auf weiteres einge­stellt, die Samboja Lodge geschlossen. Aber auch Mitar­beiter, die für den laufenden Betrieb der Schutz­zen­tren nicht rele­vant sind, haben jetzt keinen Zutritt mehr. Tier­pfleger, Baby­sitter, Tier­ärzte, Liefe­ranten und Sicher­heits­per­sonal müssen strengste Hygie­ne­re­geln einhalten – noch stren­gere als sonst.

Orang-Utans mit Vorer­kran­kungen jetzt beson­ders schützen

Durch diese Maßnahmen wollen wir nicht nur uns, sondern vor allem unsere Orang-Utans schützen. Denn aufgrund der nahen Verwandt­schaft zu uns Menschen könnten auch sie beson­ders gefährdet sein, sich mit Corona zu infi­zieren. Zwar wurde bis jetzt noch keine Über­tra­gung des Virus auf einen Menschen­affen doku­men­tiert, aber die Forschung ist noch lange nicht abge­schlossen und wir können keine Even­tua­li­täten ausschließen. Immerhin können sich Orang-Utans bei uns Menschen u.a. mit Hepa­titis, Tuber­ku­lose und anderen Infek­ti­ons­krank­heiten anste­cken. Vor allem weil sich viele unserer Tiere gerade erst von Atem­wegs­in­fek­tionen infolge der Brände von 2019 erholt haben, manche aber immer noch geschwächt sind, sind wir sehr besorgt.

Die Situa­tion vor Ort

Aktuell sind wir mehr denn je auf unver­zicht­bare Arbeits­mittel wie Masken, Hand­schuhe oder Desin­fek­ti­ons­mittel ange­wiesen. In einem durch­schnitt­li­chen Jahr liegt unser Verbrauch bereits bei etwa 75.000 Atem­schutz­masken. Panik­käufe haben nun aber auch in Indo­ne­sien zu gestie­genen Preisen für medi­zi­ni­sche Ausrüs­tung geführt. Gleich­zeitig treffen uns fehlende Einnahmen z.B. durch die geschlos­sene Samboja Lodge empfind­lich. Wir wollen aber auch weiterhin soziale Verant­wor­tung über­nehmen und unser Mitar­beiter auf Borneo unter­stützen. Sie sind unsere Helden vor Ort und benö­tigen gerade jetzt unsere Soli­da­rität. Die Orang-Utans wiederum sind das letzte Glied in der Kette einer inter­na­tio­nalen Krise, verur­sacht vermut­lich durch unver­ant­wort­li­ches Handeln wie Wild­tier­handel, Verzehr von soge­nanntem Bush­meat und unge­bremste Eingriffe in die Natur.

Die Orang-Utans und der Regen­wald brau­chen uns aktuell mehr denn je. Gemeinsam müssen wir verhin­dern, dass diese menschen­ge­mache Krise auf unsere nächsten Artver­wandten über­tragen wird.

Vielen Dank für Ihre Hilfe in dieser Ausnahmesituation.

Daniel Merdes, Geschäfts­führer von BOS Deutsch­land e.V.

Eine Botschaft aus Borneo

Eine Botschaft aus Borneo

Von der aktu­ellen Lage in Indo­ne­sien berichtet Dr. Jamartin Sihite in der ersten Ausgabe des Podcasts #OUCast. Hören Sie, wie es den Orang-Utans und unseren Mitar­bei­tern in den BOS-Schutz­zen­tren jetzt geht, mit welchen beson­deren Heraus­for­de­rungen BOS nun umgehen muss und was er sich für die Zeit nach der COVID-Pandemie vor allem wünscht. 

Hier geht es zum #OUCast