Auch der wildeste Orang-Utan braucht mal Hilfe

Auch der wildeste Orang-Utan braucht mal Hilfe

Nobri ist norma­ler­weise ein echter Dschun­gel­profi. Auf der Suche nach Futter navi­giert mit Leich­tig­keit durch den Urwald. Am liebsten ist sie für sich allein, die Gegen­wart anderer Orang-Utans schätzt sie nur selten. Vor allem mag es die Orang-Utan-Dame gar nicht, von Menschen beob­achtet oder gar verfolgt zu werden. Denn Nobri musste noch nie hinter Gittern leben. 

Als sie 2005 geboren wurde, lebte ihre Mutter Shelli auf einer der Voraus­wil­de­rungs­in­seln der BOS-Foun­da­tion in Zentral-Kali­mantan. Im April 2016 wurde sie in die Frei­heit entlassen. Somit ist die 15-jährige Nobri ein tatsäch­lich wilder Orang-Utan. 

An dem Tag, an dem unser Moni­to­ring-Team aus dem Totat Jalu Camp im Bukit Batikap Schutz­wald Nobri beob­ach­tete, lag das Haupt­au­gen­merk darauf, wie es um ihre Gesund­heit stand. Denn unser Beob­ach­tungs­team hatte entdeckt, dass die Drüsen in Nobris Achsel­höhlen und ihr Kehl­sack geschwollen waren.

Der Kehl­sack eines Orang-Utans ist der Beutel, der direkt unter dem Kinn sitzt. Er ist wichtig, um die lauten Töne zu erzeugen, die im Wald zu hören sind. Das Anschwellen des Kehl­sacks ist in der Regel eine Folge von über­mä­ßiger Flüs­sig­keits­an­samm­lung infolge einer Infek­tion. Also defi­nitiv ein Grund zur Besorgnis! Obwohl Nobri nicht den Eindruck machte, unter einer Infek­tion zu leiden, mussten wir sie einer umfas­senden gesund­heit­li­chen Unter­su­chung unter­ziehen, um sicher­zu­stellen, dass sie auch noch die nächsten Jahre durch den Batikap-Wald streifen kann. 

Das Team kontak­tierte schnell per Funk unser Rettungs­zen­trum Nyaru Menteng, um schnell einen Tier­arzt für Nobri anzu­for­dern. Der Tier­arzt Greggy Harry Poetra und einer unserer besten Schützen für Beru­hi­gungs­pfeile, wurden schnell auf den Weg nach Batikap geschickt. Keine Spazier­fahrt, denn Batikap liegt drei bis vier Tages­reisen von Nyaru Menteng entfernt und der Weg führt über gefähr­liche Straßen. 

Als unsere Mitar­beiter endlich vor Ort ankamen, wurde die krän­kelnde Affen­dame schnell sediert und in einem Trans­port­käfig zur weiteren Behand­lung in die Nähe des Totat Jalu Camp gebracht. Alle Symptome deuteten darauf hin, dass Nobri an Luft­sa­ku­litis litt — einer bakte­ri­ellen Infek­tion der oberen und unteren Atem­wege, einschließ­lich des Kehl­sacks. Eine poten­ziell tödliche Krankheit!

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Nobri wurde für die Behand­lung sediert

Am selben Nach­mittag erwachte Nobri in einem Käfig für kranke Orang-Utans. Trotz ihres Zustands machte sie deut­lich, dass sie nicht glück­lich war, dort zu sein. Sie brachte den ganzen Käfig ins Wanken, während sie herum­schwang und machte Kuss­ge­räu­sche, um ihren Unmut zu verkünden. Ihre Wild­heit ist in der Tat stark ausge­prägt und würde nicht einmal durch etwas gebro­chen werden, das so unan­ge­nehm war wie eine tödliche Krankheit. 

Auch am darauf­fol­genden Tag musste Nobri sediert werden. Nur so konnte unser Tier­arzt weitere Behand­lungen und Unter­su­chungen durch­führen. Trotz des Fehlens von High-Tech-Geräten mitten im tiefen Regen­wald war die Erst­be­hand­lung ein Erfolg. Zuerst war Nobri noch etwas benommen, als die Betäu­bung nach­ließ. Aber schon nach etwa einer Stunde klet­terte sie bereits herum und warnte uns immer wieder durch laute Kuss­ge­räu­sche. Sie benahm sich wieder wie der wildeste Orang-Utan, den wir je getroffen hatten!

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Leider ist der Weg zu Nobris voll­stän­diger Gene­sung lang. Sie benö­tigt immer noch tägliche medi­zi­ni­sche Behand­lungen. Und diese werden auch weiterhin mit lautem Protest begleitet. So kennen wir sie – unsere wilde starke Nobri. 

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Alba und ihr neues Zuhause

Alba und ihr neues Zuhause

Einen Monat ist die Auswil­de­rung Albas nun her. Die welt­weit berühmte Orang-Utan-Dame hat sich im Bukit Baka Bukit Raya Natio­nal­park in Zentral­ka­li­mantan gut eingelebt.

Den Beob­ach­tungen unseres Post-Release-Moni­to­ring-Teams und Tier­arztes zufolge, gewöhnt sich Alba immer mehr an ein unab­hän­giges Leben. Seit ihrer Auswil­de­rung am 19. Dezember 2018 haben wir Alba bei ihrer Futter­suche und dem Nestbau beob­achten können. Die junge Orang-Utan-Dame ist sehr aktiv unter­wegs. Sie klet­tert in den Baum­kronen herum und kommt nur selten für Pflan­zen­triebe auf den Wald­boden. All dies sind wilde Verhal­tens­weisen, welche Alba immer weiter­ent­wi­ckelt. Über diesen Verlauf ihrer ersten Zeit zurück in der Wildnis sind wir sehr erfreut. Auch darüber, dass wir nicht eingreifen oder helfen mussten.

Alba fühlt sich Zuhause im Regenwald

Dr. Jamartin Sihite, CEO der BOS Foun­da­tion, sagte: „Die ersten vier Wochen, in denen wir Alba nun schon seit ihrer Auswil­de­rung beob­achten durften, zeigen,  dass sie gesund ist und sich gut an das Leben in den Wäldern des Bukit Baka Bukit Raya Natio­nal­parks einlebt. Albas Anpas­sungs­fä­hig­keit ist beein­dru­ckend, aber nicht völlig über­ra­schend. Wir gehen davon aus, dass sie bereits vier bis fünf Jahre in freier Wild­bahn verbracht hatte, bevor wir sie gerettet haben, und es scheint, als würde sie sich gut an die Lektionen ihrer Mutter erin­nern. Dennoch werden wir sie weiter genau beob­achten. Sie ist ein Profil bei der Futter­suche, isst gut, baut Nester und versteht sich mit anderen Orang-Utans. In dieser Zeit hat sie eine beein­dru­ckende Entfer­nung von vier Kilo­me­tern von dem Ort ihrer Auswil­de­rung zurückgelegt!

Keine einfache Aufgabe

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Unser tägli­ches Moni­to­ring von Alba findet von Sonnen­auf­gang bis Sonnen­un­ter­gang statt. Das ist ein Prozess, den wir ‚Nest-to-Nest-obser­va­tions‘ nennen. Unser Plan ist es, diesen Prozess für die nächsten fünf Monate fort­zu­setzen. Das bedeutet, dass wir nach diesem Zeit­raum ausführ­liche Daten haben werden und analy­sieren können, wie gut sich Alba den neuen, wilden Umständen anpasst.  Auch danach wird sie in natür­lich weiterhin in größeren Abständen beob­achtet. Alba lebt nun in einem 128.000 Hektar großen Gebiet, so dass unser Moni­to­ring-Team beim Folgen von Alba ganz schön ins Schwitzen gerät. Doch die Kollegen sind zuver­sicht­lich, dass sie Alba auch weiterhin auf Schritt und Tritt folgen können. Natür­lich ist das lang­fris­tige, nach­hal­tige und enga­gierte Manage­ment des Natio­nal­parks der Schlüssel zum Wohl von Alba und den vielen anderen Orang-Utans, die dort frei­ge­lassen wurden.”

Alba und ihre Freunde

In ihrem ersten Monat in Frei­heit verbrachte Alba viel Zeit mit ihrer Freundin Kika. Kika ist eine sechs­jäh­rige Orang-Utan-Dame, die zusammen mit ihr ausge­wil­dert wurde. Auch mit den 2016 ausge­wil­derten Weib­chen Miri und Winda wurde Alba gesehen. Wir hoffen, dass sie von ihnen lernt, was es heißt ein erwach­sener Orang-Utan zu sein.

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Die BOS Foun­da­tion wird weiterhin mit allen rele­vanten Inter­es­sen­gruppen zusam­men­ar­beiten, dem Minis­te­rium für Umwelt und Forst­wirt­schaft (KLHK), der Central Kali­mantan BKSDA, der TNBBBR-Behörde, der Zentral­re­gie­rung von Kali­mantan, der Regie­rung des Distrikts Katingan und den lokalen Gemein­schaften — um Alba zu beob­achten, zu schützen und zu unter­stützen, so oft sie es braucht.

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Zum Jahres­wechsel: Ein weiteres Baby im Regenwald

Zum Jahres­wechsel: Ein weiteres Baby im Regenwald

Jede Geburt im Bukit-Batikap-Schutz­wald ist für uns mit unbän­diger Freude verbunden. So auch bei dem jüngsten Wald­be­wohner, dessen Start ins Leben ein wenig holprig verlief.

Bereits im Juni war die Freude groß, als unser Post-Release-Moni­to­ring-Team die schwan­gere Compost entdeckte. Seit 2015 lebt sie in Frei­heit und hatte in dieser Zeit einige gesund­heit­liche Probleme. Viele aus unserem Team glaubten, dass sie für eine Schwan­ger­schaft zu schwach sei. Doch Compost hat uns eines Besseren belehrt.

Unser Post-Release-Moni­to­ring-Team (PRM) aus dem Camp Totat Jalu beob­ach­tete sie regel­mäßig und wurde unruhig, als der errech­nete Zeit­punkt für die Geburt näher rückte. Denn Compost wirkte sehr lethar­gisch und ihr Bauch wurde kleiner. Wir befürch­teten schon, dass sie ihr Baby verloren hätte.

Wir behielten Compost genau­es­tens im Auge. Am dritten Dezember fanden wir sie — wie meist — in einem Nest ruhend vor. Als sie hinaus­klet­terte, erwar­tete das Team schon das Schlimmste. Doch an ihrer Brust hing ein kleines Fell­knäuel! Ein leben­diges Orang-Utan-Baby, noch an der Nabel­schnur! Compost war Mutter geworden — wie es scheint von einem kleinen Mädchen. Unserem Team kamen Tränen der Freude.

Als Compost zu Boden stieg, bemerkten unsere Tier­ärzte die Nach­ge­burt. Ein Zeichen dafür, dass die Geburt nur wenige Stunden her war. Die junge Mutter schützte ihr Baby vor neugie­rigen Blicken und zeigte uns somit, wie sehr sie um ihre Tochter besorgt ist.

 

 

Als das Neuge­bo­rene anfing zu weinen, verschlech­terte sich die Lage, denn Compost wusste nicht, was sie tun sollte. Sie nahm sie auf ihre Schulter, anstatt sie zu stillen. Schnell wurde uns klar, dass Compost keine Ahnung hatte, was eine Mutter machen muss. Sie selbst war ohne Mutter aufge­wachsen. Man fand sie als Baby in einer Palm­öl­plan­tage und sie wurde bis zu ihrer Rettung illegal von Menschen gehalten. Wir ließen die beiden für den Abend erstmal allein, in der Hoff­nung, dass Compost schon heraus­finden würde, wie sie ihr Baby versorgen muss.

Heftige Regen­fälle hinderten unser Team einige Tage daran, die Beob­ach­tung fort­zu­setzen — der Fluss war über die Ufer getreten und schnitt uns den Weg ab. Wir hofften, dass Mutter und Tochter auch ohne uns zurecht­kommen würden.

 

 

Sobald wir konnten, machten wir uns wieder auf den Weg zu Compost und ihrer Tochter. Sie hatte ihr Baby endlich an ihre Brust genommen. Das Team freute sich, dass Mutter und Kind alle Widrig­keiten über­standen hatten. Compost hatte ihre Mutter verloren, musste in Gefan­gen­schaft leben und lernte dann bei BOS, was es heißt, ein rich­tiger Orang-Utan zu sein. Nun, zurück im Dschungel, kann sie als Orang-Utan-Mutter ihrem Kind ein leich­teres Leben ermög­li­chen, als sie selbst es hatte.

Glück­wunsch Compost, das hast du gut gemacht! 

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Soziale Gemein­schaften und Frem­den­feind­lich­keit unter weib­li­chen Orang-Utans

Soziale Gemein­schaften und Frem­den­feind­lich­keit unter weib­li­chen Orang-Utans

Im Mawas-Gebiet auf Borneo in der Provinz Zentral­ka­li­mantan lebt mit unge­fähr 3.000 Indi­vi­duen eine der letzten größeren wilden Orang-Utan-Popu­la­tionen. Dort unter­nimmt die indo­ne­si­sche BOS Foun­da­tion neben Rena­tu­rie­rungs­ar­beiten auch Neuan­sied­lungen von Orang-Utans. Letz­tere werden im Rahmen des Tuanan-Oran­gutan-Rese­arch-Projektes der Univer­sität Zürich erforscht.

Für diese große Lang­zeit­auf­gabe erhebt ein inter­na­tio­nales Forscher­team aus verschie­denen Diszi­plinen seit 16 Jahren möglichst viele Daten über altein­ge­ses­sene und neu ange­sie­delte Orang-Utans. Wert­volle Erkennt­nisse zum Schutz der bedrohten Menschen­affen sollen so gewonnen werden. Dr. Maria A. van Noor­dwijk unter­sucht vor allem die Entwick­lung und das Verhalten weib­li­cher Orang-Utans im Schutz­ge­biet. Vor Kurzem refe­rierte sie auf einer Veran­stal­tung über ihre neuesten Forschungsergebnisse.

Weib­liche Orang-Utans sind gesel­liger als Männchen

Gerade in ihrer Forschungs­do­mäne ist es bemer­kens­wert, wenn neues Wissen gene­riert wird. Schließ­lich ist die möglichst lücken­lose Daten­ge­win­nung über die Entwick­lung von Orang-Utans allge­mein eine schwie­rige Aufgabe, da die Menschen­affen nicht selten mehrere Jahr­zehnte leben. Daher sind Lang­zeit­daten beson­ders wichtig, jedoch auch knapp. Van Noor­dwijk berichtet, dass die Orang-Utans in ihren ersten sechs oder sieben Jahren mit der Mutter zusam­men­leben und in dieser Zeit auch gesäugt werden. Mit 15 Jahren sind weib­liche Orang-Utans ausge­wachsen. Im Unter­schied zu den männ­li­chen Artge­nossen, leben weib­liche Orang-Utans in den ersten 15 Jahren sehr eng mit der Mutter zusammen. Viele von ihnen werden über 50 Jahre alt. Während ihres kompletten Lebens haben Mütter und Töchter eine Bezie­hung zuein­ander und leben in der Nähe zuein­ander. Auch Schwes­tern haben weiterhin unter­ein­ander Kontakt. Obwohl sie auch viel Zeit jeweils alleine verbringen, halten sie durch regel­mä­ßige soziale Events ein stabiles gemein­schaft­li­ches Netz­werk aufrecht. Diese Gemein­schaft scheint gerade für weib­liche Orang-Utans sehr wichtig zu sein.

Im Gegen­satz zu Orang-Utan-Weib­chen halten sich männ­liche Vertreter dieser Menschen­affen nur kurze Zeit (ein paar Monate oder wenige Jahre) im Forschungs­ge­biet auf, kehren jedoch manchmal auch wieder zurück. Einige Orang-Utan-Männ­chen konnte van Noor­dwijk nach einigen Jahren Abwe­sen­heit wieder beob­achten. Dies spricht dafür, dass männ­liche Orang-Utans ein größeres Gebiet benö­tigen, in dem sie sich bewegen. Ein abschlie­ßendes Urteil könne sie sich auf dem Stand der heutigen Daten leider noch nicht erlauben. Nach van Noor­dwijk wäre es aber für den Schutz der Orang-Utans sehr wichtig, gerade auch Fragen des Wander- und Revier­ver­hal­tens klären zu können.
 

Frem­den­feind­lich­keit unter Orang-Utans?

Da die Anzahl der Orang-Utans im Forschungs­ge­biet während der letzten Jahre stark zuge­nommen hat, stellte sich für die Forscherin eine neue inter­es­sante Frage: Was passiert mit Orang-Utans, die neu in das Gebiet kommen? Werden sie freudig aufge­nommen oder stoßen sie auf Ableh­nung? Die Ergeb­nisse sind eindeutig. Wenn neue weib­liche Orang-Utans in das Forschungs­ge­biet kommen, beob­achtet Dr. Maria A. van Noor­dwijk, dass die altein­ge­ses­senen Weib­chen die Neuan­kömm­linge regel­recht jagen und atta­ckieren. Aber auch Indi­vi­duen inner­halb der altein­ge­ses­senen Popu­la­tion zeigen sich dann unter­ein­ander vermehrt aggressiv. Die Neuan­sied­lung weib­li­cher Orang-Utans ist also mit enormen Problemen verbunden. Beide Seiten, die Neuan­kömm­linge wie die Altein­ge­ses­senen, stehen offenbar unter beson­derem Stress. Die Neuen erleiden Atta­cken durch Indi­vi­duen der bestehenden Popu­la­tion, bei letz­teren wird das soziale Netz­werk durch­ein­ander gebracht.

Inter­es­sant wäre es, für die Zukunft Paral­lelen zum Menschen zu ziehen. Schließ­lich ist eine Ableh­nung oder Angst vor fremden Vertre­tern der eigenen Art, die neu in das eigene Gebiet kommen, nichts Unbe­kanntes beim Menschen. Im Fach­jargon wird so ein Phänomen „Xeno­phobie“, also Frem­den­feind­lich­keit, genannt. Viel­leicht gewähren uns Dr. Maria van Noor­dwijks Ergeb­nisse einen evolu­tionär-psycho­lo­gi­schen Einblick in die Ursa­chen von Xeno­phobie. Bei unseren Verwandten scheint Stress durch die Belas­tung bestehender sozialer Struk­turen, Aggres­sionen gegen Fremde enorm zu fördern. Weitere Lang­zeit­daten könnten auch Infor­ma­tionen darüber liefern, wie einige der altein­ge­ses­senen Orang-Utan-Popu­la­tionen diese Heraus­for­de­rung durchaus meis­tern und es schaffen, neuan­ge­sie­delte Artge­nossen zu inte­grieren. Auch aus diesem Wissen könnten wir als Menschen viel­leicht wert­volle Tipps für unsere sozialen Gruppen und Gemein­schaften ableiten. Aller­dings sind Schlüsse aus tieri­schem Verhalten, selbst wenn es um die uns so nah verwandten Primaten geht, immer mit großer Vorsicht zu ziehen. Mensch­liche Gesell­schaften sind dann doch deut­lich komplexer als Menschenaffenpopulationen.

Schlüs­sel­pro­blem: Der Verlust an Lebensraum

Neben diesen Aspekten drängt sich noch eine weitere Frage auf: Warum gab es ausge­rechnet in den vergan­genen Jahren einen rasanten Anstieg der Zahl weib­li­cher Orang-Utans im Tuanan-Areal? Dies hängt, so die Wissen­schaft­lerin, mit den starken Wald­bränden von 2015 zusammen, wodurch es zu einem großen Verlust an Lebens­raum für die Menschen­affen auf Borneo gekommen ist. Weniger Habi­tate und mehr Aggres­sionen und Stress scheinen so einen fatalen Teufels­kreis zu bilden.

 

Aus den Forschungs­er­geb­nissen könne man folgendes ableiten: Der Lebens­raum der Orang-Utans müsse verstärkt geschützt werden. Der Habi­tats­ver­lust ist die Wurzel des Problems. Ohne ihn würde keine Unruhe in die bestehenden Popu­la­tionen kommen. Männ­chen scheinen deut­lich größere Habi­tate zu benö­tigen. Dies und auch die bestehenden sozialen Struk­turen sollten in der Zukunft bei der Neuan­sied­lung verstärkt berück­sich­tigt werden. Gleich­zeitig wären weitere Lang­zeit­daten über das Sozi­al­leben gerade weib­li­cher Orang-Utans sehr bedeu­tend, um ein größeres Verständnis von Aggres­sionen, Stress und „Frem­den­feind­lich­keit“ unserer gene­ti­schen Verwandten und damit mögli­cher­weise auch bei uns zu bekommen. Die nächsten Jahre werden also wahr­schein­lich weitere inter­es­sante und vor allem wissen­schaft­lich fundierte Neuig­keiten aus dem Tuanan-Oran­gutan-Forschungs-Projekt hervorbringen.

Gast­bei­trag: Jan Mücher

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Albino-Orang-Utan Alba ist Zuhause

Albino-Orang-Utan Alba ist Zuhause

Albino-Orang-Utan Alba ist ausge­wil­dert worden. Am Vormittag des 19. Dezember ging ihre Trans­portbox tief im Regen­wald des Bukit Baka Bukit Raja (BBBR) Natio­nal­parks auf. Die rund 20-stün­dige Anreise im Jeep auf schlam­migen Urwald­straßen und auf Motor­booten über den Fluss, hat das sechs­jäh­rige Weib­chen gut überstanden. 

Der lange Weg in die Freiheit

Vom Boot aus wurden Albas und Kikas (das sieben­jäh­rige Orang-Utan-Weib­chen, mit dem Alba ausge­wil­dert wurde) Trans­port­boxen wie Sänften in den Regen­wald getragen. Kaum an der Auswil­de­rungs­stelle ange­kommen durften die Tiere endlich in die Freiheit.

Alba in ihrem Transportbox / Bildrechte BOSF
Alba in ihrer Trans­portbox / Bild­rechte BOSF

Die Ehre Albas Trans­portbox zu öffnen, wurde dem CEO der BOS Foun­da­tion, Dr. Jamartin Sihite, zuteil. Es ist jedes Mal span­nend zu sehen, wie die Orang-Utans ihre ersten Schritte im Regen­wald unter­nehmen. Manche kommen nicht schnell genug auf den nächsten Baum, andere verweilen noch ein paar Momente in der Box, ehe sie ihr Leben in Frei­heit angehen. Alba war sehr ruhig und bedächtig, ging aber ziel­strebig tiefer in den Wald, hinauf auf einen Hügel. Als sie den für sie passenden Baum gefunden hatte, klet­terte sie sicher nach oben. Das Beob­ach­tungs­team, das ihr auch die kommenden Wochen von früh bis spät folgen wird, konnte berichten, dass sie Nahrung gefunden und ihre erste Nacht weit oben in einem Baum verbracht hat. Am nächsten Morgen hat sie ihren Streifzug fortgesetzt.

Albas erste Momente in der Freiheit / Bildrechte BOSF
Albas erste Momente in der Frei­heit / Bild­rechte BOSF

 

Dr. Jamartin Sihite ist sehr zufrieden mit dem Verlauf der Auswil­de­rung: „Alles verlief nach Plan“, berichtet er. „Vor allem möchte ich mich bei allen Unter­stüt­zern von BOS bedanken. Ohne deren Hilfe könnten wir weder Alba noch all die anderen Orang-Utans retten und in sichere Regen­wald­ge­biete auswildern.“ 

Am 29. April 2017 hatte die BOS Foun­da­tion Alba aus der Gefan­gen­schaft in einem Dorf in Zentral-Kali­mantan befreit. Seither lebt sie im BOS-Schutz­zen­trum Nyaru Menteng, wo sich Experten um das außer­ge­wöhn­liche Tier geküm­mert haben. Lange war nicht klar, ob Albas körper­liche Verfas­sung eine Rück­kehr in die Frei­heit des Regen­waldes zulassen würde. 
 

Das Beob­ach­tungs­team hat sich sofort auf die Arbeit gemacht

 

Das Beob­ach­tungs­team wird Alba mit der soge­nannten Nest-zu-Nest-Methode intensiv im Auge behalten. Das heißt, man folgt ihr, bis sie sich in ihrem Schlaf­nest zur Ruhe begibt und startet am nächsten Morgen mit ihr, wenn sie sich im Regen­wald auf Futter­suche begibt. Die Kunst für die erfah­renen Beob­achter besteht darin, Alba im unweg­samen Gelände auf der Spur zu bleiben, ohne sie durch die mensch­liche Präsenz aufzu­regen oder – schlimmer noch – sie daran zu gewöhnen. Denn nur, wenn sie sich von Menschen fern­hält, hat sie eine sichere Zukunft im Regenwald.

Albas erste Momente in der Freiheit / Bildrechte BOSF
Albas erste Momente in der Frei­heit / Bild­rechte BOSF

Daniel Merdes, Geschäfts­führer von BOS Deutsch­land e.V.: „Wir von BOS Deutsch­land freuen uns für Alba, die nun die Chance erhält, ihr weiteres Leben in ihrem natür­li­chen Habitat zu verbringen. Sie ist somit nicht nur ein Symbol für die Über­le­bens­fä­hig­keit ihrer Art geworden, sondern auch das schönste Weih­nachts­ge­schenk für alle, denen das Schicksal der Wald­men­schen am Herzen liegt.“ 

Vielen Dank an alle Partner und Unter­stützer, die das möglich gemacht haben. 

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