In die Falle getappt

In die Falle getappt

In Zusam­men­ar­beit mit der Univer­sity of British Columbia und der Bogor Agri­cul­tural Univer­sity hat die BOS Foun­da­tion Ende 2019 im Auswil­de­rungs­wald Bukit Batikap mit der ersten Phase zu einer neuen wissen­schaft­li­chen Studie über die Nutzung von Kame­ra­fallen begonnen. Jetzt liegen erste Ergeb­nisse vor.

Seit 2012 haben wir 183 Orang-Utans im Schutz­wald von Batikap ausge­wil­dert. Die neuen Wilden haben wir seither vor allem mithilfe der implan­tierten Funk­sender über­wacht und so eine Menge Daten zu ihren Verhal­tens­mus­tern gesam­melt. So konnten wir einschätzen, wie gut sich die reha­bi­li­tierten Menschen­affen an ihren neuen Lebens­raum ange­passt haben. Das Problem: Die Lebens­dauer der Batte­rien in den Sendern ist begrenzt – und inzwi­schen bei vielen Tieren abge­laufen. Also suchten wir nach anderen, neuen Möglich­keiten, unsere Schütz­linge besser im Auge behalten zu können und so auch lang­fristig mehr über ihr Leben im Regen­wald zu erfahren.

Jacqui und Ginting installieren Kamerafalle BAT020 in Batikap
Jacqui und Ginting instal­lieren Kame­ra­falle BAT020 in Batikap

Also haben wir uns mit der Univer­sity of British Columbia (UBC) in Kanada und der Bogor Agri­cul­tural Univer­sity (Institut Perta­nian Bogor — IPB) in Indo­ne­sien zusam­men­getan. In der gemein­samen Pilot­studie haben wir nun einige Kame­ra­fallen aufge­stellt, um einen ersten Test­lauf zu machen. Damit wollen wir heraus­finden, ob diese sich viel­leicht als kosten­güns­tiges, nicht-inva­sives Forschungs­in­stru­ment zur Unter­stüt­zung unserer Moni­to­ring­ar­beit nach den Auswil­de­rungen eignen.
Es ist das erste Mal, dass wir in unseren Auswil­de­rungs­wäl­dern Kame­ra­fallen instal­lieren. Und noch wissen wir nicht, ob sie wirk­lich für unsere Forschungs­zwecke ausrei­chen. Aber einige Vorteile zeigen sich schon jetzt: Dadurch, dass wir mit ihnen den poten­zi­ellen Kontakt zwischen Orang-Utans und Menschen redu­zieren, mindern wir auch gleich­zeitig das Risiko, Krank­heiten zu über­tragen und in die wilden Popu­la­tionen einzuschleppen. 

Die versteckte Kamera
Die versteckte Kamera

Die ersten Ergeb­nisse der Pilot­studie sehen viel­ver­spre­chend aus. Ende Februar brachte ein gemein­sames Team der BOS Foun­da­tion und der UBC insge­samt 30 Kame­ra­fallen im Wald von Bukit Batikap an. Diese sammeln nun Daten, die uns zeigen sollen, wie sich die Orang-Utans im Wald verteilt haben, wie hoch die aktu­elle Popu­la­ti­ons­dichte ist und wie groß die lang­fris­tige, indi­vi­du­elle Über­le­bens­rate ist. Es hängt viel davon ab, ob die Kameras genü­gend Daten aufzeichnen werden – und wie gut sich die Orang-Utans (und anderen Tiere) benehmen können. Denn insbe­son­dere ausge­wil­derte reha­bi­li­tierte Orang-Utans neigen zu großer Neugier und Erfin­dungs­reichtum, wenn sie etwas Neues entde­cken. Hoffen wir also, die Kameras halten dem Stand. 

Orang-Utan (Zakia)
Orang-Utan (Zakia)

Obwohl wir noch ganz am Anfang unserer Forschungs­ar­beit stehen, können wir doch schon einige Erfolge aufweisen. So konnten wir Aufnahmen von einigen Orang-Utans machen, darunter Mardi­anto (ausge­wil­dert im August 2015) und Zakia (ausge­wil­dert im April 2016). Aber auch eine Viel­zahl weiterer Tier­arten gingen uns in die Kame­ra­falle, darunter Malai­en­bären, Nebel­parder, Leopard­katzen, Marmor­katzen, Makaken, Weiß­stirn­lan­guren, Bart­schweine, Munt­jaks, Pango­line und viele mehr. Es ist für uns etwas ganz Beson­deres, die vielen im Verbor­genen lebenden und extrem scheuen Wild­tier­arten zu sehen, die alle in unserem Orang-Utan-Schutz­wald Bukit Batikap leben. Ein Jahr lang werden wir nun regel­mäßig die Kameras über­prüfen, die Daten abrufen und SD-Karten und Batte­rien wechseln. 

Nebelparder
Nebelparder
Buntmarder
Buntmarder
Malaienbär
Malaienbär
Muntjak
Muntjak
Bartschweine
Bartschweine

Auch im Corona-Lock­down geht die Arbeit unserer Beob­ach­tungs­teams – unter strengen Hygie­ne­maß­nahmen – im Wald von Batikap weiter. Doch jetzt werden sie von den 30 Kame­ra­fallen unter­stützt, die im gesamten Gebiet neue Daten für uns sammeln.
Wir danken Jacqui Sunder­land-Groves (UBC), Melki Deus Purba, Mhd Andri Lesmana Ginting und dem Moni­to­ring­team in Batikap sowie dem Biologen Eko Prasetyo (Tyo) und Gloria Mang­ga­la­gita (BOSF) für ihre Unter­stüt­zung bei der Durch­füh­rung dieser wich­tigen Studie!

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Tiere aus Kali­mantan: Die Borneo-Flussschildkröte

Tiere aus Kali­mantan: Die Borneo-Flussschildkröte

Die Borneo-Fluss­schild­kröte (Orlitia borneensis)

Kali­mantan ist der indo­ne­si­sche Name für die Insel Borneo, der dritt­größten der Welt nach Grön­land und Neuguinea. Kali­mantan ist auch die Heimat der Borneo-Orang-Utans, die sie sich mit unzäh­ligen anderen Tier­arten teilen. Viele von ihnen sind nicht minder bedroht als unsere rothaa­rigen Vettern. Wir stellen hier in loser Reihen­folge immer wieder einige dieser faszi­nie­renden Geschöpfe vor. 

Einzig­ar­tige Schildkröten 

Jeder meint, Schild­kröten zu kennen, aber wohl nur wenige machen sich die Einzig­ar­tig­keit dieser Tiere bewusst. Ihre Geschichte reicht mit etwa 220 Millionen Jahren bis tief in die Sauri­er­zeit. Es gibt sie in über 340 Arten im Meer, an Land und im Süßwasser, und mit über 200 Jahren Lebens­er­war­tung gehören zum Beispiel Gala­pagos-Riesen­schild­kröten zu den Rekord­hal­tern in Sachen Langlebigkeit. 

Mit ihrer Anatomie stellen sie eine Beson­der­heit unter den Wirbel­tieren dar. In Comics und Zeichen­trick­filmen sieht man manchmal Schild­kröten aus ihrem Panzer steigen, aber das ist natür­lich völlig irreal. Ein Schild­krö­ten­panzer ist Teil des Brust­korbs des Tieres und fest mit seinen Rippen verwachsen. Inso­fern besitzt eine Schild­kröte fast eine Art Exoske­lett, also äußeres Skelett, ähnlich wie ein Krebs oder Insekt. Die zum Atmen nötige Flexi­bi­lität ist in den unge­pan­zerten Berei­chen am Vorder- und Hinter­ende gegeben. 

 

 

Borneo-Fluss­schild­kröte 

In Borneo sind 25 Schild­krö­ten­arten bekannt – Land- und Süßwas­ser­schild­kröten sowie Meeres­schild­kröten an den Küsten. Genannt sei hier die Borneo-Fluss­schild­kröte Orlitia borneensis.  Mit bis zu 80 cm Panzer­länge und 20 kg Gewicht ist sie eine der größten Süßwas­ser­schild­kröten. Wie der Name sagt, bewohnt sie Flüsse und Seen, wo Fische und Wirbel­lose, aber auch Pflanzen auf ihrem Spei­se­zettel stehen. Sie lebt fast nur im Wasser, ledig­lich zur Eiab­lage kommen die Weib­chen regel­mäßig an Land. Ihr Verbrei­tungs­ge­biet ist Borneo und die malai­ische Halb­insel – so wird sie auf Englisch auch Malay­sian giant turtle genannt. Wie bei so vielen Tieren aus den Tiefen des Regen­waldes ist wenig über die Details ihres Verhal­tens und ihrer Lebens­weise bekannt. Bekannt ist aller­dings, dass die Art hoch­gradig gefährdet ist, wobei die Ursa­chen wieder einmal wenig über­ra­schen: Lebens­raum­ver­lust und Wilderei. Obwohl der Handel mit Borneo-Fluss­schild­kröten welt­weit verboten ist, gelangen immer noch allzu viele dieser Tiere auf diverse Tier­märkte zum Verzehr. 

Die Orang-Utans und der Regen­wald brau­chen uns. Gerade jetzt. Vielen Dank für Ihre Unterstützung.

Versteck­spiel mit Super­mutter Vista

Versteck­spiel mit Super­mutter Vista

Seit Sommer 2018 lebt die 15-jährige Vista gemeinsam mit ihrem inzwi­schen drei Jahre alten Sohn Vee im dichten Regen­wald des Natio­nal­parks Bukit Baka Bukit Raya. Vor kurzem gab es ein Wieder­sehen mit den beiden – unter erschwerten Bedingungen.

Bevor die Corona-Pandemie unsere Mitar­beiter zwang, den Kontakt zu unseren Orang-Utans auf ein notwen­diges Minimum zu beschränken, hatte Vivi Dwi Santi, eine unserer Tier­ärz­tinnen im Rettungs­zen­trum Nyaru Menteng, die Gele­gen­heit, gemeinsam mit dem Beob­ach­tungs­team aus dem Camp Lewun Kahiyo auf der Suche nach ausge­wil­derten Orang-Utans den Natio­nal­park zu durchstreifen.
Konkret waren sie auf der Suche nach Vista, die im Juli 2018 mit ihrem Sohn Vee ausge­wil­dert wurde. Gerade reha­bi­li­tierte Orang-Utan-Mütter haben wir beim Moni­to­ring beson­ders im Fokus: Wie kommen sie mit der Situa­tion zurecht, die sie selbst nie am eigenen Leib erleben durften? Bringen sie ihrem Nach­wuchs alles bei, was auch eine „wilde“ Mutter lehren würde? Sind sie umsichtig, verant­wor­tungs­voll, fürsorg­lich und liebe­voll im Umgang mit ihrem Kind? All dies ist bei Orang-Utans essen­ziell, denn das Kind bleibt bis zu acht Jahre nur mit seiner Mutter zusammen. Und ohne ihre Fürsorge und Unter­wei­sung kann es nicht überleben.
Regel­mäßig begleiten auch Tier­ärzte die Moni­to­ring­teams in unseren Auswil­de­rungs­wäl­dern, um sicher­zu­stellen, dass die neuen Wilden gesund­heit­lich wohlauf sind.

Die Wälder von Bemban im Natio­nal­park, in denen Vista und Vee zuletzt gesehen wurden, sind extrem hügelig und erstre­cken sich über unzäh­lige steile Hänge. Die Pfade der Moni­to­ring­teams waren an diesen Tagen nutzlos, da aufgrund der frucht­baren Regen­zeit das Unter­holz dicht zuge­wu­chert war. Jeder Schritt war mühselig, ständig ging es bergauf und bergab – und die Orang-Utans waren unauffindbar.

Versteckspiel mit Vista und Vee im Regenwald
Versteck­spiel mit Vista und Vee im Regenwald

Erst kurz vor Mittag wurde all die Plackerei belohnt: Vista und Vee waren aufge­spürt worden. Schnell wurde die Beob­ach­tungs­aus­rüs­tung einge­richtet und das Daten­sam­meln konnte beginnen. Die beiden saßen gut versteckt auf einem hohen Matoa-Baum (Pometia pinnata). So gut versteckt, dass wir sie kaum richtig foto­gra­fieren konnten. Die beiden genossen die Früchte des Baumes, die lokal als Rosciu bekannt sind. Im Verlauf unserer Beob­ach­tungen entfernte sich der drei­jäh­rige Vee ein wenig von seiner Mutter, blieb aber in sicherer Entfer­nung. Er sah uns gele­gent­lich an, während er mit jungen Blät­tern spielte und daran knabberte.

Einige der Rosciu-Früchte plumsten Vista und Vee während der Mahl­zeit auf den Boden. Aus Neugier entschieden sich unsere Tier­ärztin und ihre Kollegen dazu, auch mal zu kosten. Und sie stellten fest, dass die Frucht einmalig süß war! Vielen Dank, Vista und Vee, dass ihr dieses Wissen mit uns geteilt habt!

Die einmalig süßen Rosciu-Früchte
Die einmalig süßen Rosciu-Früchte

Nachdem Vista ihren ersten Hunger mit den Früchten gestillt hatte, klet­terte sie auf der Suche nach Termiten auf den Boden. Vee klam­merte sich fest an ihren Bauch. In einem faulen Baum­stamm fand Vista ein Termi­ten­nest und machte sich sofort darüber her. Vee schien nicht daran inter­es­siert zu sein, auch von den prote­in­rei­chen Termiten zu kosten. Aber er hat noch viel Zeit, um sich auch diese Nahrungs­quelle von seiner Mutter schmack­haft machen zu lassen.

Am nächsten Tag setzte das Team seine Beob­ach­tungen von Vista und Vee fort. Das Wetter war jedoch nicht so schön wie am Vortag und bald verdun­kelte sich der Himmel. Während wir Mutter und Sohn beob­ach­teten, kam es plötz­lich zu einem heftigen Regen­guss. Vista griff schnell nach dem Blatt einer großen Palmy­ra­palme (Borassus flabel­lifer), die vor Ort als Silar bekannt ist, um es schüt­zend über sich und ihr Kind zu halten. Das Paar suchte schnell Zuflucht unter dich­terem Blät­ter­dach und verschwand bald außer Sichtweite.

Auch wenn Vista und Vee es unseren Mitar­bei­tern nicht leicht gemacht haben, sie aufzu­spüren und mit der Kamera fest­zu­halten, sind wir doch sehr glück­lich mit dem Ergebnis. Vista beweist großes Wissen über ein gutes Leben im Regen­wald, findet abwechs­lungs­reiche Nahrungs­quellen und nutzt Werk­zeuge – und Pflanzen als Regen­schirm. Vee hat großes Glück, eine so kluge Mutter zu haben, die ihm alles über das Leben im Wald beibringen kann!

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Tiere aus Kali­mantan: Der Fleckenmusang

Tiere aus Kali­mantan: Der Fleckenmusang

Kali­mantan ist der indo­ne­si­sche Name für die Insel Borneo, der dritt­größten der Welt nach Grön­land und Neuguinea. Kali­mantan ist auch die Heimat der Borneo-Orang-Utans, die sie sich mit unzäh­ligen anderen Tier­arten teilen. Viele von ihnen sind nicht minder bedroht als unsere rothaa­rigen Vettern. Wir stellen hier in loser Reihen­folge immer wieder einige dieser faszi­nie­renden Geschöpfe vor.

Der Flecken­musang (Para­dox­urus hermaphroditus) 

Flecken­musangs gehören zur Raub­tier­fa­milie der Schleich­katzen, die zwar keine eigent­li­chen Katzen darstellen, aber mit diesen sowie unter anderem den Hyänen und Mangusten (z.B. Mungos) zur Über­fa­milie der Katzen­ar­tigen gehören. Die etwa haus­kat­zen­großen Tiere sind über weite Teile Südost­asiens verbreitet und gehören in Borneo seit jeher zur einhei­mi­schen Tier­welt. Die IUCN stuft sie als least concern, nicht gefährdet ein. Aller­dings stammt diese Einschät­zung von 2015. Die Tendenz der Bestands­ent­wick­lung ist durchaus negativ. Bedro­hungs­fak­toren sind, wie so oft, in erster Linie Habi­tats­ver­lust und Wilderei. Seinen Beinahmen herm­aphro­ditus trägt der Flecken­musang übri­gens nicht etwa, weil er tatsäch­lich herm­aphro­di­tisch (zwittrig) wäre, sondern weil seine Duft­se­kret-Drüsen, die beide Geschlechter unter dem Schwanz tragen, an Hoden erinnern. 

Nachtaktiv: der Fleckenmusang (Foto: Commons Wikimedia/ Krishnakumarvairassery )
Nacht­aktiv: der Flecken­musang (Foto: Commons Wikimedia/ Krishnakumarvairassery )

Ein nächt­li­cher Waldbewohner 

Flecken­musangs leben bevor­zugt auf Bäumen, wo sie in der Nacht nach Früchten, Wirbel­losen und kleinen Wirbel­tieren suchen. Sie beziehen aber auch den Wald­boden in ihre Nahrungs­suche mit ein. Ähnlich wie Orang-Utans tragen mögli­cher­weise auch Flecken­musangs zur Samen­ver­brei­tung im Regen­wald bei, sind also sozu­sagen Gärtner des Regen­waldes. Den Tag verschlafen sie gerne in Baum­höhlen oder dicht belaubten Astga­beln. Vergleichbar mit unseren Stein­mar­dern scheuen sie aber auch nicht die Nähe mensch­li­cher Sied­lungen, wo sie als Alles­fresser vom reich­hal­tigen Nahrungs­an­gebot profi­tieren.  Außer während der kurzen Paarungs­zeit leben Flecken­musangs einzel­gän­ge­risch. Trotz ihrer rela­tiven Häufig­keit ist über die Einzel­heiten ihres Verhal­tens aber nur wenig bekannt — als ausge­spro­chen nacht­ak­tive Tiere sind sie nur schwer zu beobachten. 

Die „Kaffee­katze“ 

Flecken­musangs sind vor allem wegen eines Phäno­mens bekannt: Sie sind die Quelle des berühmten Kopi Luwak,fälsch­li­cher­weise auch „Katzen­kaffee“ genannt. Mit der Einfüh­rung des ursprüng­lich afri­ka­ni­schen Kaffee­strauchs nach Borneo erschloss sich mit dessen Früchten für den Flecken­musang eine weitere Nahrungs­quelle. Die rohen Kaffee­bohnen werden dabei fast unver­daut wieder ausge­schieden, haben aber einen Fermen­ta­ti­ons­pro­zess durch­laufen, der den Bohnen, wenn man sie röstet, ein beson­deres Aroma verleiht. Echter Kopi Luwak kostet als Endpro­dukt mehrere hundert Euro oder Dollar pro Kilo. Das war nicht immer so; zu Kolo­ni­al­zeiten wurden die vorver­dauten Bohnen größ­ten­teils von ärmeren Leuten gesam­melt und zu Kaffee verar­beitet. Der normale Bohnen­kaffee hingegen war sehr teuer und ging in den Export oder wurde nur von den euro­päi­schen Kolo­ni­al­herren und anderen Wohl­ha­benden getrunken. 

Begehrte Kaffeebohnen (Foto: Commons Wikimedia/ Wibowo Djatmiko)
Begehrte Kaffee­bohnen (Foto: Commons Wikimedia/ Wibowo Djatmiko)

Kopi Luwak — verhäng­nis­voll für den Fleckenmusang

Seit der vorma­lige Arme-Leute-Kaffee aber seiner­seits zum exqui­siten Luxus­pro­dukt avan­cierte, reichte das bloße Sammeln der zufällig ausge­schie­denen Bohnen natür­lich nicht mehr aus, um den Bedarf zu decken. Neben diversen Fälschungen kam farm­mäßig produ­zierter Kopi Luwak auf den Markt. Gefan­gene Flecken­musangs werden dafür in extrem engen Käfigen gehalten und fast ausschließ­lich mit Kaffee­früchten gefüt­tert, um möglichst viel der fermen­tierten Bohnen zu erhalten. Durch diese tier­quä­le­ri­sche Art der Produk­tion ist Kopi Luwak sehr zu Recht in Verruf geraten. Mitt­ler­weile soll es Farmen geben, auf denen die Tiere mehr Auslauf haben und abwechs­lungs­rei­cher gefüt­tert werden. Viel­leicht aber kann man auch weiterhin mit normalem Kaffee glück­lich werden (bei dem man übri­gens auch auf Fair Trade und ökolo­gi­sche Krite­rien achten sollte). Auf jeden Fall sollte man den Flecken­musang auch ohne seinen spezi­ellen Nutzen als Teil der Fauna von Borneo wertschätzen. 

Die Orang-Utans und der Regen­wald brau­chen uns. Gerade jetzt. Vielen Dank für Ihre Unterstützung.

Kisar im Paradies

Kisar im Paradies

Es war 4 Uhr morgens, als wir das Lager verließen. Die Dunkel­heit ließ den Urwald immer noch als nur schwache Silhou­ette alter, mäch­tiger Bäume und ihrer Viel­zahl von Epiphyten und Lianen erscheinen. Der Fluss war in frühen Morgen­nebel gehüllt, und alles, was man hören konnte, waren die eindring­li­chen Laute von Gibbons, die in der Ferne hallten.

Die Tech­niker der BOS Foun­da­tion, Otong und Tukijo, star­teten das Boot. Wir rasten durch die Dunkel­heit das gewun­dene Fluss­netz hinunter, während das schnelle Tuckern des Motors uns vibrieren ließ. Beide Tech­niker waren in lokalen Dayak-Dörfern aufge­wachsen, und es war offen­sicht­lich, dass sie ein umfas­sendes Wissen über die Gegend besaßen, als sie sich leicht durch den Friedhof umge­stürzter Bäume navi­gierten, die halb im Fluss versunken waren. Während wir uns unserem Ziel näherten, brach die Morgen­däm­me­rung an und beleuch­tete einen purpur­roten Himmel. Der Motor tuckerte noch in seinen letzten Zügen, und wir ließen uns auf das Fluss­ufer zutreiben, das von Schlamm und Abfall gepols­tert war. Es war Zeit auszusteigen.

Als Tukijo und ich in das dichte Unter­holz eindrangen, begann ein Orchester aus Vögeln, Insekten und Primaten im ganzen Wald ein wahres Crescendo. Der Dschungel erwachte. Von unserem vertrau­ens­wür­digen GPS geleitet, näherten wir uns Kisars Schlaf­nest. In dem Augen­blick begannen die Bäume begonnen zu schwanken und sich unter einem enormen Gewicht zu wiegen. Eine riesige Gestalt in langen roten Haaren schwang sich durch den Balda­chin. Es war Früh­stücks­zeit für den gutaus­se­henden Mann mit Bart, und eine Frucht, bekannt als Tapang, stand auf der Spei­se­karte. Der sanfte Riese saß in den Bäumen und schluckte an den reifen, saftigen Früchten. Ich saß auf einem Holz­stamm, während ich Daten sammelte und den Kauge­räu­schen dieses zufrie­denen Wesens lauschte.

Einige Zeit war vergangen, und Kisars neugie­rige Natur schien jetzt zu siegen. Er inter­es­sierte sich nicht mehr für sein Früh­stück, sondern beschäf­tigte sich zuneh­mend mit unserer Anwe­sen­heit. Er umschlang einen Baum, seine Arme und Beine fest darum gewi­ckelt. In einer schnellen Bewe­gung rutschte er den Stamm hinab, und mit einem leisen Knall schlug sein Hintern auf den Boden. Ich muss zugeben, dass er ziem­lich komisch dabei aussah. Trotzdem entfernten wir uns, um bald zu entde­cken, dass Kisar uns wie zufällig folgte. Nach ein paar Metern hielt er an und rollte sich auf den Rücken, die Arme hinter den Kopf gestützt. Er lag da wie ein sonnen­ba­dender Wookiee mit glasigen Hündchenaugen.

Zum Glück war Kisar nach einer ersten Inspek­tion schnell von den haar­losen Wesen mit Klemm­bret­tern unter den Armen gelang­weilt. Das Essen kam ihm wieder in den Sinn, und er klet­terte wieder hoch in den Balda­chin aus Blät­tern. Kisar war prak­tisch nicht mehr zu sehen, aber wir wussten, dass er dort war, weil wir die bekannten Geräu­sche eines fres­senden Orang-Utans wahr­nahmen. Die Mittags­zeit rückte näher, und der Wald lag still und fried­lich da. Es fühlte sich an, als würde alles Leben nach Erleich­te­rung von der sauna­ähn­li­chen Hitze der Tropen suchen. Alles war still, bis auf den kleinen Meranti-Zweig, der blütenlos zu Boden schwebte.

Kisar
Kisar im Regenwald

Schließ­lich wurde die Ruhe aber durch ein plötz­li­ches Krachen unter­bro­chen, als Kisar hektisch vom Balda­chin herab­stieg. Er hatte die summenden Bewohner eines Bienen­stocks verär­gert. Indem er seine großen, flei­schigen Finger in den kleb­rigen Honig steckte, hatte er die harte Arbeit der beschäf­tigten Bienen zerstört. Sie waren, gelinde gesagt, nicht erfreut und hatten Kisar als Vergel­tung umschwärmt und ihm ins Gesicht und in die Hände gesto­chen. Eine Wolke wütender Bienen folgte Kisar, als er wie ein Elefant in einem Porzel­lan­laden durch den Wald sprang. Er fand schließ­lich Erleich­te­rung am Fluss, wo er Wasser über sein Gesicht spritzte. Nachdem die Bienen die Jagd aufge­geben hatten, ruhte er sich eine Zeit lang mit einem mürri­schen Ausdruck auf seinem wunden, zersto­chenen Gesicht aus.

Wir folgten Kisar in den folgenden Tagen weiter, um ausrei­chende Daten über sein Verhalten nach seiner Frei­las­sung im Jahr 2019 zu sammeln. Es war eine unglaub­liche Erfah­rung, ihn so komfor­tabel an sein neues Zuhause ange­passt zu erleben. Er futterte den ganzen Tag über große Mengen und verbrachte viel Zeit hoch oben im Balda­chin. Einmal zeigte er sogar domi­nante Verhal­tens­weisen, die die Aufmerk­sam­keit einer jungen Frau namens Garu auf sich zogen. Während wir seinen Alltag weiterhin über­wa­chen, freuen wir uns, dass alles auf eine erfolg­reiche Wieder­ein­glie­de­rung in die Natur hindeutet. Genieße Dein neues Wald­heim, Kisar!

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