Was haben aktuell die Arktis rund um den Polarkreis und Borneo – die drittgrößte Insel der Erde – gemeinsam? An beiden Orten wüten riesige Brände. Und diese Feuer brennen keinen Wald nieder. Was da brennt ist der Boden: Es lodern tausende Quadratkilometer Torfmoore.
Gigantische CO2-Speicher und tickende CO2-Bomben
Torfmoore – bzw. auf Borneo die tropischen Torfmoorwälder – sind gigantische CO2-Speicher. Ein Großteil der Torfmoorwälder befindet sich in Indonesien. Sie bedecken rund zehn Prozent des Landes auf einer Fläche von ca. 22 Millionen Hektar (in etwa die Größe Großbritanniens). Je nach Tiefe speichern Torfmoorwälder zwischen 3.000 und 6.000 Tonnen Kohlenstoff pro Hektar, also fast 50-mal so viel wie ein gleichgroßes Regenwaldgebiet ohne Torfmoorboden (120 bis 400 Tonnen Kohlenstoff pro Hektar).
Bei der Rodung von nur einem Hektar Torfmoorwald wird 1.000-mal so viel CO2 ausgestoßen, wie bei einem Flug von Paris nach New York. Die CO2-Emissionen gerodeter Torfmoorflächen machten im Jahr 2015 die Hälfte aller indonesischen CO2-Emissionen aus.
Sinnlose Gesetzgebung
So wertvoll diese Gebiete für das Weltklima sind, umso beunruhigender sind die politischen Entwicklungen in Indonesien. Nach den katastrophalen Waldbränden 2015 und 2016 hatte die indonesische Regierung beschlossen, dass Regenwälder, die auf mindestens drei Meter tiefen Torfmoorböden liegen, konserviert werden sollen. Ein weiterer Regierungsbeschluss wird von Experten bis heute äußerst kritisch bewertet: Der Schutz von mindestens 30 Prozent aller „Torfmoordome“. Das sind Torfmoorlandschaften, bei denen das Zentrum topographisch höher liegt, als die Gebietsränder – ähnlich einer Kuppel. Gerade Umweltverbände kritisieren diese Verordnung massiv: Sie sei genauso effektiv, wie ein Rauchverbot auf der rechten Seite eines Flugzeugs, während auf der linken Seite weiterhin geraucht werden darf. Denn: Wenn zwar 30 Prozent eines „Torfmoordoms“ unter Schutz stehen, die verbliebenen 70 Prozent aber trockengelegt werden, dann wird im gesamten Gebiet das Wasserniveau sinken. Ein Ausstoß des im durchnässten Moorboden gebundenen CO2 ist langfristig die sichere Folge. Laut der indonesischen Regierung könnte das Wasserniveau künstlich ausgeglichen werden. Experten zweifeln aber, dass dies möglich ist.
Dieses kontroverse Gesetz soll nun durch eine Verordnung des indonesischen Forstministeriums noch weiter gelockert werden. Nach der neuen Regelung dürfen Betreiber von Plantagen und andere Inhaber von Konzessionen auch Torfmoorland erschließen, bei dem die Torfmoorschicht tiefer als drei Meter ist. Unter der Bedingung, dass der „Torfmoordom“ erhalten bleibt.
Der Wahnsinn von Mawas
Wir von BOS Deutschland kennen die Folgen einer Degradierung von Torfmoorregenwäldern leider nur zu gut. Ende der neunziger Jahre träumte der damalige indonesische Präsident Suharto davon, auf Megaplantagen Reis anzubauen. Dafür wurden hunderte Hektar Torfmoorregenwald gerodete, metertiefe Kanäle angelegt, um den Boden trockenzulegen – bis das Projekt scheiterte. Reis wurde dort nie geerntet, aber der Torfmoorregenwald zerstört. Seit knapp 15 Jahren arbeitet BOS in diesem Gebiet und versucht, die Schäden wieder gut zu machen. 70.000 Hektar Torfmoorregenwald sind degradiert. 70.000 Hektar, die täglich mehr CO2 in die Atmosphäre ausstoßen. Diese 70.000 Hektar sind eine tickende Zeitbombe, denn Torf brennt besser als Holz. Jeder Funke kann der Beginn eines Infernos sein.
Aus diesem Grund sind wir über die Lockerung der Gesetzgebung besorgt. Die Torfmoorgebiete in Indonesien müssen streng geschützt und erhalten werden und dürfen nur unter harten Auflagen bewirtschaftet werden. Für unser Weltklima! Für unsere Zukunft.
Werden auch Sie zum Orang-Utan- und Regenwald-Retter. Mit Ihrer Spende helfen Sie den Orang-Utans, dem Regenwald und damit auch unserem Klima. Jeder Beitrag hilft.
Die Zeit der Ausreden und des Aussitzens muss endlich vorbei sein, denn um die Zukunft unseres Planeten sieht es so dramatisch aus, wie noch nie: Etwa eine Million Tier- und Pflanzenarten könnten in den kommenden Jahrzehnten für immer verschwunden sein – wenn wir nicht schnell und konsequent handeln.
Diese Zahl des Grauens veröffentlichten nun Wissenschaftler des Weltbiodiversitätsrat IPBES (Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services) in ihrem ersten globalen Bericht zum Zustand der Artenvielfalt. Danach sind von den geschätzt acht Millionen Tier- und Pflanzenarten die es auf der Welt gibt, rund eine Million vom Aussterben bedroht – der Orang-Utan ist eine davon. Und langfristig kann auch der Mensch nicht überleben.
Noch nie zuvor sei das Ausmaß des Artensterbens so groß gewesen wie heute. Und Schuld hat der Mensch, der gerade in den vergangenen 50 Jahren immer mehr Flächen für sich beansprucht, die anderen Lebewesen fehlen. So sind inzwischen 75 Prozent der Landflächen stark verändert, 66 Prozent der Meere belastet, über 85 Prozent der Feuchtgebiete zerstört.
Der Weltbiodiversitätsrat hat ermittelt, dass 100 Millionen Hektar intakter Regenwald in den Jahren von 1980 bis 2000 gerodet wurde – unter anderem um Ölpalmplantagen in Südostasien (7,5 Millionen Hektar) oder Viehweiden in Lateinamerika (rund 42 Millionen Hektar) anzulegen.
Zwischen 2010 und 2015 wurden in den Tropen mit ihrem hohen Artenreichtum 32 Millionen Hektar Primärwald zerstört. Mit der Zerstörung der Lebensräume sank die Zahl natürlich vorkommender Arten um mindestens 20 Prozent, so die Wissenschaftler in ihrem Bericht. Den größten Einfluss auf das Sterben der Arten haben neben der veränderten Nutzung von Land und Meer die direkte Ausbeutung von Lebewesen, der Klimawandel und die Umweltverschmutzung. Dabei wird die Rolle des Klimawandels in den kommenden Jahrzehnten immer größer werden.
Auch unser Überleben ist gefährdet
Der Weltbiodiversitätsrat IPBES ist eine UN-Organisation mit aktuell 132 Mitgliedsstaaten. Seine Aufgabe ist es, im Bereich biologischer Vielfalt und Ökosystemleistungen (Vorteile, die Menschen von Ökosystemen beziehen) wissenschaftlich zu beraten. Für den Bericht haben mehr als 150 Wissenschaftler und Experten drei Jahre lang 15.000 Quellen ausgewertet. Die Forscher und der Weltbiodiversitätsrat hoffen, dass aus diesem Bericht bis 2020 ein gemeinsames, politisch bindendes Abkommen zum Schutz der Artenvielfalt entsteht. Denn 2020 findet die 15. Weltnaturschutzkonferenz in China statt.
Die Wissenschaftler des IPBES haben nicht nur Daten ausgewertet, sondern auch sechs mögliche Handlungsszenarien von „Weiter wie bisher“ bis zu „lokaler Nachhaltigkeit“ entwickelt und vorgestellt. Ein Überleben der Menschheit über die nächsten 100 Jahre hinaus sehen die Wissenschaftler nur in den drei nachhaltigen Szenarien – und die bedürfen eines tiefgreifenden Systemwechsels. „Wir zerstören die Basis unserer Wirtschaft, Lebensgrundlage, Nahrungssicherheit, Gesundheit und Lebensqualität weltweit“, sagt Robert Watson, Vorsitzender des Weltbiodiversitätsrates. „Nur mit einem tiefgreifenden Wandel können wir die Natur noch erhalten, wiederherstellen und nachhaltig nutzen. Es ist noch nicht zu spät, um einen Unterschied zu machen – aber nur wenn wir jetzt anfangen, jeden Bereich lokal und global zu verändern.“
Die Aufgabe ist klar: Alle Bereiche in Politik und Wirtschaft müssen zusammenarbeiten. Und der Erhalt der biologischen Vielfalt muss als Überschrift über allen Beschlüssen, Abkommen, Gesetzen, Absprachen stehen. Es fängt beim Konsum jedes einzelnen an und hört bei einem gerechten und nachhaltigen Welthandel nicht auf. Denn wenn auf Borneo die Regenwälder brennen, damit auf noch mehr Flächen Palmöl für Biosprit in Europa angebaut werden kann, dann wird auf kurze oder lange Sicht nicht nur die Zukunft des Orang-Utans zerstört. Sondern auch unsere. Und zwar weltweit.
Helfen Sie uns, den Lebensraum und die Artenvielfalt der Regenwälder zu schützen. Ihre Spende hilft!
Die Torfmoorwälder von Mawas sind noch immer bedroht – insbesondere in den Bereichen, in denen BOS tätig ist. Erst im August 2018 beschlagnahmte die örtliche Polizei knapp 800 illegal gefällte Baumstämme. Nun hat ein Team des BOS-Aufforstungsprogramms in Mawas Hunderte weitere illegal gefällter Baumstämme entdeckt.
Erst letzte Woche hatte das Patrouillenteam, das mit der Überwachung der 309.000 Hektar großen Fläche noch bestehenden und in den neunziger Jahren gerodeten Torfmoorwaldes betraut ist, erneut Hunderte gefällter Baumstämme mit einem geschätzten Volumen von rund 200 Kubikmetern im Mantangai River entdeckt. Als das Team weiter in die Gegend von Rantau Upak in Mangkatip und den Telu-See fuhr, entdeckten sie noch weitere Baumstämme, die zum Weitertransport bereit im Fluss schwammen.
Da unser Team nicht über die rechtlichen Befugnisse verfügt, gegen solche Verstöße vorzugehen, wurden die Funde unverzüglich der regionalen Naturschutzbehörde BKSDA und der örtlichen Polizei gemeldet.
Mawas-Programm-Manager Jhanson Regalino äußerte sich enttäuscht und verärgert zu diesen Neuigkeiten und ist extrem besorgt über die drohenden negativen Auswirkungen des weiterhin grassierenden illegalen Holzeinschlags in dieser Region. „Schätzungen gehen davon aus, dass 2019 ein sehr heißes Jahr werden wird. Durch die fortgesetzten illegalen Rodungen wird sich die Situation sicherlich verschlimmern. Je mehr Waldflächen gerodet werden, desto größer ist die Gefahr, dass Brände entstehen. Daher müssen wir die Patrouillen und unsere Bemühungen im Brandschutz in dieser Region verstärken. Durch die Zusammenarbeit von Interessengruppen wie der Forest Protection Unit (KPHL), der BKSDA, der Polizei und den ansässigen Gemeinden vor Ort können wir alle diese Region schützen“, betont Jhanson Regalino.
Um illegale Holzeinschläge in der Mawas-Region zu verhindern, ist es eine wichtige Aufgabe von BOS, vor Ort für alternative Einkommensquellen zu sorgen. Denn mit hungrigen Menschen über Wald- und Orang-Utan-Schutz zu sprechen, ist ein sinnloses Unterfangen. Wir möchten, dass die Menschen nicht gegen bestehende Gesetze und gegen die Natur arbeiten müssen, um ihren Lebensunterhalt verdienen zu können. Darum schaffen wir Einkommensmöglichkeiten, unter anderem in den Waldschulen, beim Aufforsten, beim Verschließen der Kanäle, im Brandschutz und natürlich in den Patrouillenteams. Denn gäbe es keine von BOS ausgebildeten und finanzierten Patrouillen, dann wäre auch dieser Fall von illegalem Holzeinschlag unentdeckt geblieben.
Helfen Sie uns, Mawas aufzuforsten und den Menschen vor Ort wirtschaftliche Sicherheit zu schenken. Spenden Sie einen Baum für Mawas.
Die Bedrohung durch Brände gehört zu den größten Feinden des Orang-Utan-Schutzes. So war unser BOS-Rettungszentrum Samboja Lestari (Ost-Kalimantan) bei den verheerenden Bränden 2015 über mehrere Tage von Feuern eingekesselt. Rund 200 Hektar aufgeforstetes Land und einige Orang-Utan-Gehege waren damals in ernsthafter Gefahr.
Es ist durchaus möglich, dass Samboja Lestari erneut so etwas widerfahren könnte. Die Kombination aus hohem Kohle- und Tongehalt im Boden, trockener Luft, großer Hitze und jeder Menge Farn ist besonders gefährlich. Entstanden ist unser Rettungszentrum Samboja Lestari auf degradierten landwirtschaftlichen Flächen, die wir seit 2001 sorgfältig sanieren, restaurieren und aufforsten. Undenkbar, wenn das Ergebnis dieser harten Arbeit durch ein Feuer zerstört würde!
Darum ist es so wichtig, dass unsere Mitarbeiter regelmäßig in der Feuerbekämpfung geschult werden und an praktischen Feuerwehrtrainings teilnehmen. Zuletzt stand der richtige Umgang mit Feuerlöschern auf dem Lehrplan. Experten demonstrierten das korrekte Verhalten und wichtige Abläufe im Falle eines Feuerausbruchs.
Unsere Mitarbeiter waren bei der Schulung konzentriert bei der Sache. Zu frisch waren bei vielen die Erinnerungen an die Brandkatastrophe von 2015, den tagelangen, scheinbar nicht enden wollenden Kampf gegen Feuer und Rauch. Das möchte niemand noch einmal erleben.
Die regelmäßigen Schulungen für alle Mitarbeiter sensibilisieren das Team, jederzeit auf mögliche Brände vorbereitet zu sein und unsere Orang-Utans zu beschützen. Und da vermutet wird, dass 2019 womöglich ein El Niño-Jahr wird, ist es umso wichtiger.
Wir hatten darüber berichtet: Vor drei Jahren wüteten die seit langem schlimmsten Waldbrände in Kalimantan. Sie flammen fast jedes Jahr auf. 2015 aber legte sich eine derart dichte und weite Glocke aus Rauch und Asche, die sogenannte Haze, über ganz Südostasien, dass Indonesien bei seinen Nachbarländern in ernsthafte diplomatische Schwierigkeiten geriet. Woher kam dieser giftige Smog, der die Luft gelb färbte, genau und wie kam es dazu? Das haben Wissenschaftler aus Singapur und den USA herausgefunden bzw. bestätigt.
Auf dem Campus der Singapurer Universität wurden Proben der Ascheteile gesammelt und in den USA auf Alter, Herkunft und Zusammensetzung untersucht sowie mit den seinerzeit aufgezeichneten atmosphärischen Strömungen kombiniert. Die Ergebnisse sind hochinteressant: Die Haze hatte ihren Ursprung eindeutig in Indonesien und bestand zu ca. 85% nicht einfach nur aus verbrannter Biomasse, sondern aus Torf, das heißt aus den Böden der riesigen Tieflandwälder Borneos und Sumatras. Die Isotopen der Kohlenstoffatome zeigen, dass das Material im Durchschnitt 800 Jahre alt ist. Tatsächlich aber reicht das Alter dieser Torfschichten Jahrtausende zurück.
Warum ist die Torfbodenverbrennung so bedrohlich für das Weltklima?
Torf entsteht, wenn sich abgestorbenes Pflanzenmaterial aufgrund von ständiger Vernässung und Sauerstoffmangel nur unvollständig zersetzt. In der nördlichen Hemisphäre haben sich nach dem Ende der letzten Eiszeit vor knapp 12.000 Jahren in regenreichen Zeiten und Regionen ausgedehnte Torfmoore entwickelt. Die Torfböden Indonesiens sind ebenfalls in dieser Zeit entstanden und wachsen im niederschlagsreichen tropischen Klima bis heute weiter an. Auf ihnen stehen Wälder, die in vielfältiger Weise an die besonderen Bedingungen der Torflandschaft angepasst sind. Auch Orang-Utans finden dort eine Heimat. Das Besondere an diesen Torfböden ist, dass sie speichern ungeheure Mengen an Kohlenstoff: Laut Randerson, einer der Wissenschaftler hinter der neuen Studie, ist in den Torfböden von Indonesien genauso viel Kohlenstoff gespeichert wie in der ganzen lebenden Biomasse des Amazonas.
Die Ko-Autorin der Untersuchung über die Brände von 2015, Elizabeth Wiggins: „Obwohl dieser Torf seit mehreren tausend Jahren als terrestrisches Kohlenstoffspeicherreservoir fungiert, ist er heute zu einer der wichtiges Kohlenstoffquellen für die Atmosphäre geworden“. Damit befeuern gerade auch die Torfbrände in Indonesien buchstäblich den globalen Klimawandel.
„Das war alles menschengemacht“
Ursächlich dafür sind zum einen natürliche Vorgänge im globalen Wettergeschehen wie das El-Nino-Phänomen, aber eben auch menschliche Eingriffe. Seit Jahrzehnten werden die Torfwälder – mittlerweile größtenteils illegal — abgeholzt, dräniert und niedergebrannt, um Platz für landwirtschaftliche Flächen und Ölpalmplantagen zu schaffen. Oft breiten sich die Feuer nicht nur unkontrolliert aus, sondern fressen sich als Schwelbrände tief in die trockengelegten Torfböden hinein. „Das war alles menschengemacht. Die Brände helfen einem kleinen Teil der Bevölkerung, aber die Kosten für Menschen in entlegenen Städten wie Singapur und Kuala Lumpur sind enorm“, sagte James Randerson, bezogen auf 2015.
Die Kosten der immer wieder neu entfachten Brände sind allerdings für den ganzen Planeten enorm. Für sein Klima, seine Artenvielfalt und nicht zuletzt für alle Menschen.
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