Der Klima­gipfel von Paris

„Ein wirk­samer Klima­schutz ist ethisch und juris­tisch eine klare Vorgabe des Menschen­rechts auf Leben, Gesund­heit und Exis­tenz­mi­nimum“ (Felix Ekardt).

Mitt­ler­weile ist die Medi­en­ka­ra­wane schon längst wieder weiter­ge­zogen, aber immerhin ging es auf der 21. UN-Klima­kon­fe­renz in Paris um nichts Gerin­geres als die Rettung der Welt wie wir sie kennen. Das mühsam erzielte Abkommen gilt als Meilen­stein des Kampfes gegen die globale Erwär­mung und löst das wenig wirk­same Kyoto-Proto­koll ab. Aller­dings erst ab 2020. Klima­for­scher mahnen an, dass das zulange dauern würde und man sofort spür­bare Maßnahme ergreifen müsste. Ange­sichts der Komple­xität des Problems und den viel­fäl­tigen Inter­essen-Gemenge­lagen lesen sich die Ziele von Paris dennoch ambitioniert:

Der Anstieg der welt­weiten Durch­schnitts­tem­pe­ratur soll auf klar unter zwei Grad Celsius über dem Niveau vor der Indus­tria­li­sie­rung gesenkt werden, womög­lich sogar auf 1,5 Grad.

Die Redu­zie­rung von Treib­hausgas-Emis­sionen soll alle fünf Jahre über­prüft und nach Möglich­keit verschärft werden.

So schnell wie möglich soll der „Peak“, der Höhe­punkt der Treib­haus­gas­emis­sionen über­schritten sein. Spätes­tens ab Mitte des Jahr­hun­derts sollen die Emis­sionen durch Absorp­tion von Treib­haus­gasen, nament­lich CO2, mindes­tens ausge­gli­chen werden. Es gäbe dann keine Zunahme von Treib­haus­gasen mehr. Man denkt hier an Wälder und Ozeane, aber auch an tech­ni­sche Methoden der CO2-Bindung.

Schäden und Scha­dens­ri­siken der globalen Erwär­mung sollen durch finan­zi­elle Hilfen und andere Maßnahmen wenigs­tens teil­weise abge­fe­dert werden.

Viel ist von „sollen“ die Rede, wenig von „müssen“. Der Spiel­raum und damit die Versu­chung etli­cher Staaten, das Abkommen in der Praxis dann doch zu unter­laufen, ist groß. Ande­rer­seits war es vermut­lich das Beste, was unter den gege­benen Umständen heraus­zu­holen war. Der globale Klima­wandel und seine für viele Regionen mittel- bis lang­fristig kata­stro­phalen Konse­quenzen wurde von allen Akteuren endgültig als offen­kun­dige Tatsache akzep­tiert ebenso wie der grund­sätz­lich drin­gende Handlungsbedarf.

Das gilt mitt­ler­weile sogar für einige Große der Wirt­schaft. Ener­gie­kon­zerne, Lebens­mit­tel­riesen, Sport­ar­ti­kel­her­steller und andere Firmen fordern noch weiter­ge­hende Maßnahmen, insbe­son­dere auch eine deut­liche Wirkungs­stei­ge­rung beim Handel mit CO2-Zerti­fi­katen. Diese „Verschmut­zungs­rechte“, die den CO2-Ausstoß verteuern und damit markt­kon­form verrin­gern sollten, haben sich bislang als weit­ge­hend inef­fektiv erwiesen. Besagte Wirt­schafts­ak­teure drängen die Politik, dieses Instru­ment zu schärfen und stellen sich damit gera­dezu in Oppo­si­tion zu Wirt­schafts­ver­bänden, die bis auf weiteres eher zu den Brem­sern einer wirk­samen Klima­po­litik gehören. Manche haben eben erkannt, dass ein unkon­trol­lierter Klima­wandel ihre Planungs- und Inves­ti­ti­ons­si­cher­heit zunichte machen kann.

Es scheint sich also einiges zu tun an der Klima­front. Die Zeit drängt ja nun auch wirk­lich. Wie man die Ergeb­nisse unterm Strich wertet, ob also das Glas halb voll oder halb leer ist, liegt im Auge des Betrach­ters. Ob es in Zukunft nicht etwa ganz leer sein wird, liegt aber in der Bereit­schaft, jetzt zu handeln.

Dies gilt natür­lich auch für die Zukunft der Orang-Utans und ihrer Regen­wälder. Dass dem Pariser Klima-Gipfel die gewal­tigen, mona­te­langen Wald­brände auf Borneo und Sumatra fast unmit­telbar voraus­ge­gangen sind, mutet wie ein sarkas­ti­scher Kommentar zu den Aufgaben an, denen sich gerade (aber beileibe nicht nur) die indo­ne­si­sche Regie­rung jetzt stellen muss.

Bild­quelle: Wikimedia

BOS Deutsch­land hat zum Vortrag über Orang-Utans eingeladen

BOS Deutsch­land hat zum Vortrag über Orang-Utans eingeladen

18. November 2015

Was bedeutet es eigent­lich, Orang-Utans aus verbranntem Land oder aus Palm­öl­plan­tagen in sichere Gebiete umzu­sie­deln? Oder kleine Orang-Utan-Waisen über Jahre aufzu­ziehen und auf ein Leben in der Wildnis vorzu­be­reiten? Und was passiert bei einer Auswilderung?

Darüber erzählte sehr lebendig Dr. Jamartin Sihite, Leiter der indo­ne­si­schen BOS Foun­da­tion, am 16. November im tradi­ti­ons­rei­chen Haus für Demo­kratie und Mensch­rechte in Berlin-Prenz­lau­er­berg. Pak Jamartin machte wieder einmal deut­lich, wieviel Liebe und Geduld notwendig – im wahren Wort­sinn Not-wendig – ist, um kranken, trau­ma­ti­sierten jungen Menschen­affen zu ermög­li­chen, wieder zu gesunden, lebens­fä­higen Orang-Utans zu werden.

Jamartin zeigte uns auch, welche gera­dezu film­reifen Aben­teuer oft hinter den Auswil­de­rungen stecken. Für die Fahrt in die entle­genen Auswil­de­rungs­ge­biete benö­tigt ein Team durchaus schon mal mehrere Tage, auch wenn die Entfer­nungen in Luft­linie gemessen gar nicht mal so groß sind. Brücken über die zahl­rei­chen Gewässer gibt es kaum, die Fahr­zeuge müssen gelände- und wasser­gängig sein. Hang-Abrut­schungen auf den wenigen Wald­wegen werden durch Behelfs­brü­cken aus Baum­stämmen über­brückt – den Fahrern verlangt das höchste Konzen­tra­tion ab.  Kleine Flüsse können in der Regen­zeit binnen kürzester Zeit zu reißenden Strömen anschwellen und die Über­que­rung – dann erstmal ohne Auto — ganz buch­stäb­lich zu Draht­seil­akten machen. Und um die Reise in die Frei­heit für die Orang-Utans nicht unnötig zu verlän­gern, wird nach Möglich­keit auch nachts gefahren.

Unglücke hat es bisher noch keine gegeben – Pak Jamartin meinte, das läge an den Gebeten der Orang-Utans von BOS, so schnell wie möglich in den Dschungel zu kommen… Kaum weniger stra­pa­ziös gestalten sich die Nach­be­ob­ach­tungen. Bis zu zwei Jahre lang werden ausge­wil­derte Orang-Utans in ihrer neuen Heimat unter anderem mittels implan­tierter Sender beob­achtet, um den Erfolg des Auswil­de­rungs­pro­zesses zu doku­men­tieren. Auch hier leben die Moni­to­ring­teams unter echten Dschun­gel­camp-Bedin­gungen. Nur ohne TV-Publikum und Star­al­lüren. Die Leute der Auswil­de­rungs- und Moni­to­ring­teams seien die wahren Orang-Utan-Helden, so Pak Jamartin.

Dr. Jamar­tins Vortrag stand natür­lich auch ganz unter dem Zeichen der Wald­brände mit ihren verhee­renden Auswir­kungen. Durch großes Glück sind die Auswil­de­rungs­ge­biete der BOS Foun­da­tion bisher von den Feuern weit­ge­hend verschont geblieben. Aller­dings gab es größere Brände in den Gebieten der BOS-Stationen Samboja Lestari und Nyaru Menteng. Menschen oder Orang-Utans kamen nicht dauer­haft zu Schaden, aber der beißende Smog war eine enorme Belas­tung für Mensch und Tier.

An diesem Abend konnte BOS Deutsch­land dem Vertreter unserer indo­ne­si­schen Partner einen Scheck über 30.000 Euro über­rei­chen. Mitglieder und andere Unterstützer*innen von BOS Deutsch­land haben diese Sonder­hilfe für die Brand­be­kämp­fung möglich gemacht. Ihnen sei im Namen der Orang-Utans noch einmal ganz herz­lich gedankt! 

Mitglie­der­ver­samm­lung und Fachtagung

Mitglie­der­ver­samm­lung und Fachtagung

 08. Oktober 2015

Am ersten Samstag im Oktober – diesmal der 3. – zele­brierten wir wieder unsere Jahres­mit­glie­der­ver­samm­lung, diesmal in einem reprä­sen­ta­tiven alten Fest­saal über der Stadt­bi­blio­thek Berlin-Wedding, den wir sogar fast umsonst bekamen.

Der Vorstand wurde entlastet und der Jahres­be­richt vorge­stellt und disku­tiert. Im Vergleich zum Vorjahr waren die Einnahmen immerhin um neun Prozent gestiegen. Dennoch wurde der nach wie vor bestehende Geld­mangel konsta­tiert und erhöhte Mitte­lein­wer­bung als unum­gäng­lich erkannt. Ein weiterer wich­tiger Tages­ord­nungs­punkt war die Straf­fung und Präzi­sie­rung der Satzung in einigen Punkten, die die Versamm­lung einstimmig beschloss.

Same proce­dure as every year? Nicht ganz. Nicht nur, dass es am nächsten Tag weiter ging, Sams­tag­nach­mittag wurde die interne Premiere des Trick­films „Henry rettet die Orang-Utans“ (wir berich­teten) gegeben. Benni Over, der Initiator des Films, war mit seinen Eltern anwe­send und Vater Klaus Over erzählte die span­nende Geschichte der Entste­hung des Strei­fens. Der hat es aber auch in sich: Henry, der spre­chende Orang-Utan, beschließt, der Vernich­tung seines Regen­waldes etwas entgegen zu setzen und zwar nach dem Motto „lokal denken, global handeln“. Er besucht niemand Gerin­gere als Kanz­lerin Merkel, den Papst und US-Präsi­dent Obama. Bei allen stößt er auf offene Ohren, aber handeln will niemand so recht.

Orang-Utan Henry merkt schnell, dass die Menschen selbst aktiv werden müssen, worin ihn beson­ders auch noch der Dalai Lama unter­stützt. Schließ­lich trifft Henry nach aben­teu­er­li­cher Reise als blinder Schiffs­pas­sa­gier in Hamburg ein und besucht seinen Paten­onkel Benni. Zusammen „machen sie was klar“… Niemanden ließ dieser kurze, aber eindrucks­volle Film unbe­rührt. Seine offi­zi­elle Premiere findet voraus­sicht­lich im Januar 2016 statt. Man wird noch von ihm noch hören.

Aus der Beob­ach­tung, dass auf Kongressen oft die besten Gespräche in den Kaffee­pausen statt­finden, hat jemand mal die Idee entwi­ckelt, doch den ganzen Kongress in die Kaffee­pause zu legen. Ganz so konse­quent waren wir noch nicht, ließen uns aber am Sonn­tag­nach­mittag erfolg­reich auf die Methode des World-Cafés ein. Themen wie die Palm­öl­pro­ble­matik, mögliche Zusam­men­ar­beit mit Zoos, Arbeit der Regio­nal­gruppen, Volon­ta­ri­ats­för­de­rung, Erfah­rungen aus den BOS-Stationen und Erfolgs­kon­trolle der Auswil­de­rungen wurden an verschie­denen Tischen intensiv disku­tiert. Wie üblich taten sich am Schluss mehr Fragen als Antworten auf, aber ein Schluss ist ja auch nicht das Ende. Fort­set­zung folgt.

Zunächst aber begann der zweite Tag am Sonn­tag­vor­mittag mit einem span­nenden Vortrag des Wild­tier­for­schers Dr. Andreas Wilting. Der Feld­for­scher und Experte insbe­son­dere für die Säuger­fauna Südost­asiens erläu­terte den erschre­ckenden welt­weiten Arten­rück­gang, der gerade für Südost­asien zu verzeichnen ist. Gründe dafür sind neben Habi­tats­ver­lust in vielen Ländern auch exzes­sive Wilderei. Für die Orang-Utans bleibt die Zerstö­rung des Regen­waldes aller­dings Exis­tenz­ge­fähr­dung Nr. 1! In einer Modell­rech­nung für Borneo bis 2080 sind die ursprüng­li­chen Tief­land­re­gen­wälder weitest­ge­hend verschwunden. Ledig­lich das gebir­gige „Rück­grat“ der Insel wird weiterhin groß­flä­chig bewaldet sein, da sich die steilen Hänge für Plan­tagen kaum eignen. Die meisten Nahrungs­pflanzen der Orang-Utans gedeihen jedoch in tiefer gele­genen Regionen; die rothaa­rigen Menschen­affen können nur in tieferen Lagen überleben.

So tödlich ernst die Situa­tion ist, sie scheint nicht gänz­lich hoff­nungslos zu sein. Wälder können sich rege­ne­rieren, mitunter sogar mit mehr Frucht­bäumen als sie ein Primär­wald aufweist. Zudem haben die Beob­ach­tungen Wiltings und seiner Kollegen bestä­tigt, dass Orang-Utans durchaus anpas­sungs­fä­higer sind als manche gedacht haben und bis zu einem gewissen Grad flexibel auf verän­derte Umwelt­be­din­gungen reagieren können.

In hervor­ra­gender Ergän­zung zum großen Bild der Lage in Südost­asien und Borneo berich­tete anschlie­ßend die Verhal­tens­for­scherin und Prima­to­login Dr. Signe Preuschoft über ihre lang­jäh­rigen Erfah­rungen mit der Psycho­logie der Orang-Utans. Kaum über­ra­schend: Gerade junge Orang-Utans ähneln ihren mensch­li­chen Alters­ge­nossen sehr. Dr. Preuschoft erläu­terte eindrück­lich und detail­liert, wie sehr Orang-Utan-Babys durch den gewalt­samen Tod ihrer Mutter trau­ma­ti­siert werden und wie viel Sorge und Finger­spit­zen­ge­fühl es bedarf, um die Kleinen auf ein normales Orang-Utan-Leben vorzu­be­reiten. Wie sehr sie ihr Trauma über­winden können, hat ganz entschei­denden Einfluss auf ihre späteren Über­le­bens­chancen in der Wildnis.

Auch die Auswil­de­rungen sind bekannt­lich alles andere als ein triviales Käfig-auf-Affe-raus. Nicht nur die umfang­rei­chen und hoch­kom­plexen Vorbe­rei­tungen, sondern auch genaue Nach­be­ob­ach­tungen sind wesent­lich für den Erfolg jeder Auswil­de­rung und für die stän­dige Verbes­se­rung der Vorge­hens­weisen. „Auswil­de­rung ist kein Event, sondern ein Prozess“, wie Signe Preuschoft immer wieder betonte.

Mit dem Gesamt­paket von Mitglie­der­ver­samm­lung und Fach­ta­gung betraten wir erfolg­reich Neuland. In der Atmo­sphäre dieser beiden Tage wehte der Geist von Aufbruch und Zukunft. „Wir alle zusammen machen den Unter­schied, und für diesen Unter­schied brau­chen wir jeden Einzelnen!“, brachte Löwe Roth­kirch die Stim­mung auf den Punkt.