by Denitza Toteva | 21 Dez 2015 | Alt, News
„Ein wirksamer Klimaschutz ist ethisch und juristisch eine klare Vorgabe des Menschenrechts auf Leben, Gesundheit und Existenzminimum“ (Felix Ekardt).
Mittlerweile ist die Medienkarawane schon längst wieder weitergezogen, aber immerhin ging es auf der 21. UN-Klimakonferenz in Paris um nichts Geringeres als die Rettung der Welt wie wir sie kennen. Das mühsam erzielte Abkommen gilt als Meilenstein des Kampfes gegen die globale Erwärmung und löst das wenig wirksame Kyoto-Protokoll ab. Allerdings erst ab 2020. Klimaforscher mahnen an, dass das zulange dauern würde und man sofort spürbare Maßnahme ergreifen müsste. Angesichts der Komplexität des Problems und den vielfältigen Interessen-Gemengelagen lesen sich die Ziele von Paris dennoch ambitioniert:
Der Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperatur soll auf klar unter zwei Grad Celsius über dem Niveau vor der Industrialisierung gesenkt werden, womöglich sogar auf 1,5 Grad.
Die Reduzierung von Treibhausgas-Emissionen soll alle fünf Jahre überprüft und nach Möglichkeit verschärft werden.
So schnell wie möglich soll der „Peak“, der Höhepunkt der Treibhausgasemissionen überschritten sein. Spätestens ab Mitte des Jahrhunderts sollen die Emissionen durch Absorption von Treibhausgasen, namentlich CO2, mindestens ausgeglichen werden. Es gäbe dann keine Zunahme von Treibhausgasen mehr. Man denkt hier an Wälder und Ozeane, aber auch an technische Methoden der CO2-Bindung.
Schäden und Schadensrisiken der globalen Erwärmung sollen durch finanzielle Hilfen und andere Maßnahmen wenigstens teilweise abgefedert werden.
Viel ist von „sollen“ die Rede, wenig von „müssen“. Der Spielraum und damit die Versuchung etlicher Staaten, das Abkommen in der Praxis dann doch zu unterlaufen, ist groß. Andererseits war es vermutlich das Beste, was unter den gegebenen Umständen herauszuholen war. Der globale Klimawandel und seine für viele Regionen mittel- bis langfristig katastrophalen Konsequenzen wurde von allen Akteuren endgültig als offenkundige Tatsache akzeptiert ebenso wie der grundsätzlich dringende Handlungsbedarf.
Das gilt mittlerweile sogar für einige Große der Wirtschaft. Energiekonzerne, Lebensmittelriesen, Sportartikelhersteller und andere Firmen fordern noch weitergehende Maßnahmen, insbesondere auch eine deutliche Wirkungssteigerung beim Handel mit CO2-Zertifikaten. Diese „Verschmutzungsrechte“, die den CO2-Ausstoß verteuern und damit marktkonform verringern sollten, haben sich bislang als weitgehend ineffektiv erwiesen. Besagte Wirtschaftsakteure drängen die Politik, dieses Instrument zu schärfen und stellen sich damit geradezu in Opposition zu Wirtschaftsverbänden, die bis auf weiteres eher zu den Bremsern einer wirksamen Klimapolitik gehören. Manche haben eben erkannt, dass ein unkontrollierter Klimawandel ihre Planungs- und Investitionssicherheit zunichte machen kann.
Es scheint sich also einiges zu tun an der Klimafront. Die Zeit drängt ja nun auch wirklich. Wie man die Ergebnisse unterm Strich wertet, ob also das Glas halb voll oder halb leer ist, liegt im Auge des Betrachters. Ob es in Zukunft nicht etwa ganz leer sein wird, liegt aber in der Bereitschaft, jetzt zu handeln.
Dies gilt natürlich auch für die Zukunft der Orang-Utans und ihrer Regenwälder. Dass dem Pariser Klima-Gipfel die gewaltigen, monatelangen Waldbrände auf Borneo und Sumatra fast unmittelbar vorausgegangen sind, mutet wie ein sarkastischer Kommentar zu den Aufgaben an, denen sich gerade (aber beileibe nicht nur) die indonesische Regierung jetzt stellen muss.
Bildquelle: Wikimedia
by Denitza Toteva | 18 Nov 2015 | Alt, Termine
18. November 2015
Was bedeutet es eigentlich, Orang-Utans aus verbranntem Land oder aus Palmölplantagen in sichere Gebiete umzusiedeln? Oder kleine Orang-Utan-Waisen über Jahre aufzuziehen und auf ein Leben in der Wildnis vorzubereiten? Und was passiert bei einer Auswilderung?
Darüber erzählte sehr lebendig Dr. Jamartin Sihite, Leiter der indonesischen BOS Foundation, am 16. November im traditionsreichen Haus für Demokratie und Menschrechte in Berlin-Prenzlauerberg. Pak Jamartin machte wieder einmal deutlich, wieviel Liebe und Geduld notwendig – im wahren Wortsinn Not-wendig – ist, um kranken, traumatisierten jungen Menschenaffen zu ermöglichen, wieder zu gesunden, lebensfähigen Orang-Utans zu werden.
Jamartin zeigte uns auch, welche geradezu filmreifen Abenteuer oft hinter den Auswilderungen stecken. Für die Fahrt in die entlegenen Auswilderungsgebiete benötigt ein Team durchaus schon mal mehrere Tage, auch wenn die Entfernungen in Luftlinie gemessen gar nicht mal so groß sind. Brücken über die zahlreichen Gewässer gibt es kaum, die Fahrzeuge müssen gelände- und wassergängig sein. Hang-Abrutschungen auf den wenigen Waldwegen werden durch Behelfsbrücken aus Baumstämmen überbrückt – den Fahrern verlangt das höchste Konzentration ab. Kleine Flüsse können in der Regenzeit binnen kürzester Zeit zu reißenden Strömen anschwellen und die Überquerung – dann erstmal ohne Auto — ganz buchstäblich zu Drahtseilakten machen. Und um die Reise in die Freiheit für die Orang-Utans nicht unnötig zu verlängern, wird nach Möglichkeit auch nachts gefahren.
Unglücke hat es bisher noch keine gegeben – Pak Jamartin meinte, das läge an den Gebeten der Orang-Utans von BOS, so schnell wie möglich in den Dschungel zu kommen… Kaum weniger strapaziös gestalten sich die Nachbeobachtungen. Bis zu zwei Jahre lang werden ausgewilderte Orang-Utans in ihrer neuen Heimat unter anderem mittels implantierter Sender beobachtet, um den Erfolg des Auswilderungsprozesses zu dokumentieren. Auch hier leben die Monitoringteams unter echten Dschungelcamp-Bedingungen. Nur ohne TV-Publikum und Starallüren. Die Leute der Auswilderungs- und Monitoringteams seien die wahren Orang-Utan-Helden, so Pak Jamartin.
Dr. Jamartins Vortrag stand natürlich auch ganz unter dem Zeichen der Waldbrände mit ihren verheerenden Auswirkungen. Durch großes Glück sind die Auswilderungsgebiete der BOS Foundation bisher von den Feuern weitgehend verschont geblieben. Allerdings gab es größere Brände in den Gebieten der BOS-Stationen Samboja Lestari und Nyaru Menteng. Menschen oder Orang-Utans kamen nicht dauerhaft zu Schaden, aber der beißende Smog war eine enorme Belastung für Mensch und Tier.
An diesem Abend konnte BOS Deutschland dem Vertreter unserer indonesischen Partner einen Scheck über 30.000 Euro überreichen. Mitglieder und andere Unterstützer*innen von BOS Deutschland haben diese Sonderhilfe für die Brandbekämpfung möglich gemacht. Ihnen sei im Namen der Orang-Utans noch einmal ganz herzlich gedankt!
by Denitza Toteva | 8 Okt 2015 | Alt, News
08. Oktober 2015
Am ersten Samstag im Oktober – diesmal der 3. – zelebrierten wir wieder unsere Jahresmitgliederversammlung, diesmal in einem repräsentativen alten Festsaal über der Stadtbibliothek Berlin-Wedding, den wir sogar fast umsonst bekamen.
Der Vorstand wurde entlastet und der Jahresbericht vorgestellt und diskutiert. Im Vergleich zum Vorjahr waren die Einnahmen immerhin um neun Prozent gestiegen. Dennoch wurde der nach wie vor bestehende Geldmangel konstatiert und erhöhte Mitteleinwerbung als unumgänglich erkannt. Ein weiterer wichtiger Tagesordnungspunkt war die Straffung und Präzisierung der Satzung in einigen Punkten, die die Versammlung einstimmig beschloss.
Same procedure as every year? Nicht ganz. Nicht nur, dass es am nächsten Tag weiter ging, Samstagnachmittag wurde die interne Premiere des Trickfilms „Henry rettet die Orang-Utans“ (wir berichteten) gegeben. Benni Over, der Initiator des Films, war mit seinen Eltern anwesend und Vater Klaus Over erzählte die spannende Geschichte der Entstehung des Streifens. Der hat es aber auch in sich: Henry, der sprechende Orang-Utan, beschließt, der Vernichtung seines Regenwaldes etwas entgegen zu setzen und zwar nach dem Motto „lokal denken, global handeln“. Er besucht niemand Geringere als Kanzlerin Merkel, den Papst und US-Präsident Obama. Bei allen stößt er auf offene Ohren, aber handeln will niemand so recht.
Orang-Utan Henry merkt schnell, dass die Menschen selbst aktiv werden müssen, worin ihn besonders auch noch der Dalai Lama unterstützt. Schließlich trifft Henry nach abenteuerlicher Reise als blinder Schiffspassagier in Hamburg ein und besucht seinen Patenonkel Benni. Zusammen „machen sie was klar“… Niemanden ließ dieser kurze, aber eindrucksvolle Film unberührt. Seine offizielle Premiere findet voraussichtlich im Januar 2016 statt. Man wird noch von ihm noch hören.
Aus der Beobachtung, dass auf Kongressen oft die besten Gespräche in den Kaffeepausen stattfinden, hat jemand mal die Idee entwickelt, doch den ganzen Kongress in die Kaffeepause zu legen. Ganz so konsequent waren wir noch nicht, ließen uns aber am Sonntagnachmittag erfolgreich auf die Methode des World-Cafés ein. Themen wie die Palmölproblematik, mögliche Zusammenarbeit mit Zoos, Arbeit der Regionalgruppen, Volontariatsförderung, Erfahrungen aus den BOS-Stationen und Erfolgskontrolle der Auswilderungen wurden an verschiedenen Tischen intensiv diskutiert. Wie üblich taten sich am Schluss mehr Fragen als Antworten auf, aber ein Schluss ist ja auch nicht das Ende. Fortsetzung folgt.
Zunächst aber begann der zweite Tag am Sonntagvormittag mit einem spannenden Vortrag des Wildtierforschers Dr. Andreas Wilting. Der Feldforscher und Experte insbesondere für die Säugerfauna Südostasiens erläuterte den erschreckenden weltweiten Artenrückgang, der gerade für Südostasien zu verzeichnen ist. Gründe dafür sind neben Habitatsverlust in vielen Ländern auch exzessive Wilderei. Für die Orang-Utans bleibt die Zerstörung des Regenwaldes allerdings Existenzgefährdung Nr. 1! In einer Modellrechnung für Borneo bis 2080 sind die ursprünglichen Tieflandregenwälder weitestgehend verschwunden. Lediglich das gebirgige „Rückgrat“ der Insel wird weiterhin großflächig bewaldet sein, da sich die steilen Hänge für Plantagen kaum eignen. Die meisten Nahrungspflanzen der Orang-Utans gedeihen jedoch in tiefer gelegenen Regionen; die rothaarigen Menschenaffen können nur in tieferen Lagen überleben.
So tödlich ernst die Situation ist, sie scheint nicht gänzlich hoffnungslos zu sein. Wälder können sich regenerieren, mitunter sogar mit mehr Fruchtbäumen als sie ein Primärwald aufweist. Zudem haben die Beobachtungen Wiltings und seiner Kollegen bestätigt, dass Orang-Utans durchaus anpassungsfähiger sind als manche gedacht haben und bis zu einem gewissen Grad flexibel auf veränderte Umweltbedingungen reagieren können.
In hervorragender Ergänzung zum großen Bild der Lage in Südostasien und Borneo berichtete anschließend die Verhaltensforscherin und Primatologin Dr. Signe Preuschoft über ihre langjährigen Erfahrungen mit der Psychologie der Orang-Utans. Kaum überraschend: Gerade junge Orang-Utans ähneln ihren menschlichen Altersgenossen sehr. Dr. Preuschoft erläuterte eindrücklich und detailliert, wie sehr Orang-Utan-Babys durch den gewaltsamen Tod ihrer Mutter traumatisiert werden und wie viel Sorge und Fingerspitzengefühl es bedarf, um die Kleinen auf ein normales Orang-Utan-Leben vorzubereiten. Wie sehr sie ihr Trauma überwinden können, hat ganz entscheidenden Einfluss auf ihre späteren Überlebenschancen in der Wildnis.
Auch die Auswilderungen sind bekanntlich alles andere als ein triviales Käfig-auf-Affe-raus. Nicht nur die umfangreichen und hochkomplexen Vorbereitungen, sondern auch genaue Nachbeobachtungen sind wesentlich für den Erfolg jeder Auswilderung und für die ständige Verbesserung der Vorgehensweisen. „Auswilderung ist kein Event, sondern ein Prozess“, wie Signe Preuschoft immer wieder betonte.
Mit dem Gesamtpaket von Mitgliederversammlung und Fachtagung betraten wir erfolgreich Neuland. In der Atmosphäre dieser beiden Tage wehte der Geist von Aufbruch und Zukunft. „Wir alle zusammen machen den Unterschied, und für diesen Unterschied brauchen wir jeden Einzelnen!“, brachte Löwe Rothkirch die Stimmung auf den Punkt.