17. Juni 2024
Männlicher Orang-Utan im Regenwald

Männ­liche Orang-Utans wie Touris unterwegs

Man stelle sich vor, man ist ohne jegliche Sprach­kennt­nisse in einem fremden Land. Wie können wir uns vor Ort orien­tieren? Natür­lich nur mittels Beob­ach­tung und Nach­ah­mung der „Einhei­mi­schen“. Nicht viel anders machen es männ­liche Orang-Utans in ihnen fremden Gebieten.

Dank einer Lang­zeit­studie des Max-Planck-Insti­tuts für evolu­tio­näre Anthro­po­logie (MPI-EVA) und Verhal­tens­bio­logie (MPI-AB) und der Univer­sität Leipzig (UL) wissen wir jetzt, warum selbst der größte Orang-Utan-Einzel­gänger auf soziale Mindest­kon­takte ange­wiesen ist. Wie Touristen auf fremdem Boden müssen sie genau beob­achten, wie es vor Ort abläuft.

Es liegt an der Nahrung

Dabei stellten die Forsche­rinnen und Forscher in der 18 Jahre dauernden Studie an wilden Orang-Utans fest, dass die Antwort auf die Frage, welche Kräfte die soziale Über­tra­gung voran­treiben, in dem ökolo­gi­schen Habitat und der entspre­chenden Nahrungs­ver­füg­bar­keit eines Tieres zu finden ist. Sie unter­suchten, wie männ­liche Orang-Utans von anderen lernen und fanden heraus, dass Indi­vi­duen, die in Lebens­räumen mit reich­lich Nahrung aufwuchsen, eine höhere Neigung zum sozialen Lernen hatten.

Männlicher Orang-Utan im Regenwald
Männ­liche Orang-Utans durch­streifen große Areale

Männ­liche Orang-Utans, die in Habi­taten mit reich­lich Nahrung aufwuchsen, neigten dazu, mehr Zeit im engen Kontakt mit anderen zu verbringen und häufiger soziales Lernen zu prak­ti­zieren. Dies deutet darauf hin, dass die ökolo­gi­sche Ressour­cen­ver­füg­bar­keit eines Habi­tats das soziale Lernen eines Tieres modu­lieren kann.

Unter­schiede zwischen Sumatra- und Borneo-Orang-Utans

Die Studie verglich männ­liche Migranten aus Sumatra und Borneo und stellte fest, dass Sumatra-Orang-Utans, die in Habi­taten mit hohem Nahrungs­an­gebot leben, eine höhere Neigung zum sozialen Lernen hatten als ihre Artge­nossen aus Borneo. Dieser Unter­schied blieb bestehen, auch nachdem die Auswir­kungen der unter­schied­li­chen Nahrungs­ver­füg­bar­keiten berück­sich­tigt wurden.

Die Studie zeigt, dass die ökolo­gi­sche Nahrungs­ver­füg­bar­keit die Möglich­keiten des sozialen Lernens beein­flusst und damit die Wahr­schein­lich­keit, dass neue Verhal­tens­weisen kultu­rell werden. Die Ergeb­nisse weisen darauf hin, dass die ökolo­gi­sche Ressour­cen­ver­füg­bar­keit einen tiefen evolu­tio­nären Ursprung hat und sich auf die Neigung zum sozialen Lernen inner­halb der Abstam­mungs­linie der Homi­niden auswirken kann.

Quelle:
Oran­gutan males make increased use of social lear­ning oppor­tu­ni­ties, when resource avai­la­bi­lity is high | Julia Mörchen et al. | iScience