1. August 2024
Orang-Utan Romeo

Eine Seele von Orang-Utan

Wir nehmen Abschied von Romeo

Er war eine Ikone. Als ältester Orang-Utan in unserer Obhut, nahm er einen ganz beson­deren Platz in unseren Herzen ein – und wird diesen auch weiterhin inne­halten. Mit großer Trauer müssen wir dennoch verkünden, dass unser geliebter Romeo, im Alter von 38 Jahre, gestorben ist.


Dabei hatte sein rich­tiges Leben doch gefühlt gerade erst begonnen. 1993 wurde er aus einem taiwa­ne­si­schen Zoo zu uns gebracht. Da war er bereits sechs bis sieben Jahre alt. Sein ganzes junges Leben hatte er nichts anderes gekannt als diesen Zoo. 

Der große Schicksalsschlag

In unserer Rettungs­sta­tion kam dann der nächste große Schick­sals­schlag. Wir diagnos­ti­zierten eine Hepa­titis B‑Infektion: Unheilbar und hoch­gradig anste­ckend.
Nach dama­ligem wissen­schaft­li­chen Erkennt­nis­stand blieb uns nichts anderes übrig, als Romeo in einem Einzel­ge­hege zu isolieren. Wir mussten einfach unsere anderen Schütz­linge vor einer Hepa­titis B‑Infektion beschützen. Und natür­lich taten wir alles dafür, um Romeos Leben so ange­nehm wie möglich zu gestalten. Täglich vertrieben wir ihm die Lange­weile, indem wir ihn mit Enrich­ment Tools (z.B. Eisbälle, in denen Früchte einge­froren wurden, mit Löchern präpa­rierte Holz­schach­teln, in Bana­nen­blätter verschnürte Lecke­reien u.ä.) auf Trab hielten.
Doch es machte unser Herz schwer, Romeo nach seinen Erfah­rungen im Zoo, weiter hinter Gittern sehen zu müssen. Für Daniel Merdes, Geschäfts­führer von BOS Deutsch­land, war die Begeg­nung mit Romeo prägend. 2015 besuchte er erst­malig das Schutz­zen­trum Samboja Lestari. Noch ganz entzückt vom Anblick der quir­ligen Orang-Utan-Schüler in der Wald­schule lernte er im nächsten Schritt Romeo kennen. „Seine Augen waren ohne Glanz und voller Hoff­nungs­lo­sig­keit. Von uns Menschen erwar­tete er außer seiner tägli­chen Nahrung nichts Gutes mehr.“

Orang-Utan Romeo in Quarantäne
Orang-Utan Romeo während seiner Zeit in Quaran­täne im Rettungs­zen­trum Samboja Lestari

Romeo war ein Orang-Utan, der bereits alles erlebt hatte und an nichts mehr glaubte. Ein Schlüs­sel­mo­ment für Daniel Merdes, der ihn über viele Jahre hinweg im Einsatz für die Orang-Utans trug.

Die große Wende

Kurze Zeit später kam dann die große Wende für diesen beson­deren Orang-Utan. Wissen­schaftler hatten heraus­ge­funden, das Hepa­titis B keine Gefahr für die Tiere darstellte, sondern im Gegen­teil in der Natur sogar häufig vorkäme. Sofort setzten wir alles in Bewe­gung. Romeo verdiente nichts mehr, als endlich das Gras unter seinen Füßen und die Sonne auf seinem Fell zu spüren. In einem großen Kraftakt bauten wir eine eigene Insel für Romeo aus. Nach knapp 24 Jahren Gefan­gen­schaft war es für Romeo zu spät, den Reha­bi­li­ta­ti­ons­pro­zess zu starten. Aber es sollte nicht zu spät für ihn sein, unter freiem Himmel aufzu­wa­chen und einzu­schlafen.
2017 schließ­lich zog Romeo in sein neues, extra für ihn geschaf­fenes, Reich auf der Insel Nr. 5 in Samboja Lestari um. Hier gab es Fütte­rungs­platt­formen, Seile, Klet­ter­hilfen und alles, was ihm den Alltag zwar ange­nehm, aber nicht lang­weilig gestal­tete. Und plötz­lich war da Leben in seinen Augen. 

Plötz­lich gab es Hoffnung


Sieben Jahre lang durfte Romeo dieses viel zu späte Glück für sich genießen. Gerade erst im Juni konnten unsere Schutz­pa­trone auf einer Reise zu unseren Orang-Utans sich selbst davon über­zeugen, wie sehr Romeo aufge­blüht war. Majes­tä­tisch und laut­stark schwang sich dieser inzwi­schen 38-jährige Orang-Utan auf seiner Insel am Fluss­ufer von Ast zu Ast. Es war ein ergrei­fendes Spek­takel. Und es zeigte, dass der Orang-Utan, der einige Jahre zuvor noch teil­nahmslos durch die Gitter­stäbe seines Geheges geschaut hatte, nicht mehr da war. Das hier war ein neuer Romeo. Ein Romeo der endlich leben durfte. Viel zu kurz war ihm dieses Leben vergönnt gewesen. Plötz­lich versagte sein Herz. Er war ein Urge­stein unseres Rettungs­zen­trum. Alle haben ihn gekannt und geliebt. Und er wird uns allen so sehr fehlen.

Mach es gut, Romeo. In unseren Herzen und Erin­ne­rungen lebst Du weiter.