Was wir Menschen von den Orang-Utans lernen können

Was wir Menschen von den Orang-Utans lernen können

Manche Orang-Utans verschwinden nach ihrer Auswil­de­rung so tief im Dickicht des Regen­waldes, dass es selbst unseren erfah­renen Mitar­bei­tern in den Post-Release-Moni­to­ring-Teams schwer­fällt, sie zu entde­cken. Umso größer ist die Freude, wenn es dann doch mal gelingt. So ging es uns auch mit dem Mutter-Sohn-Gespann Signe und Bungaran, die seit Dezember 2016 im Schutz­wald von Kehje Sewen (Ost-Kali­mantan) unter­wegs sind.

Etwa zwei Kilo­meter vom Nles Mamse Camp stieß unser Team auf die elfjäh­rige Signe und ihren inzwi­schen drei Jahre alten Sohn Bungaran. In stiller Eintracht saßen die beiden im Baum, genossen einen Snack aus schmack­hafter Rinde und ließen sich von unserer Gegen­wart kein biss­chen beeindrucken. 

Signe und Bungaran
Signe und Bungaran

Bungaran, der immer mehr an Selb­stän­dig­keit zu gewinnen scheint, bewegte sich immer wieder einige Meter von seiner Mutter weg in den Bäumen. Signe ließ ihn dabei natür­lich keine Sekunde aus den Augen. Er suchte in der Nähe nach neuen Pflanzen und Früchte, kehrte aber immer wieder zu Signe zurück, um kurz zu kuscheln. Dieses Verhalten ist ganz typisch für Orang-Utans in Bungarans Alter – die jungen Menschen­affen trennen sich erst nach sieben oder acht (Lehr-)Jahren von ihrer Mutter.

Was danach geschah, werden unsere Team­mit­glieder so schnell nicht vergessen. Bungaran kam und zupfte an Signes Ohr, die aller­dings gerade die Früchte eines Brot­frucht­baumes naschte. Viel­leicht wollte er, dass sie mit ihm spielt. Doch Signe war nicht danach und das ließ sie ihn in Form eines kleinen aber deut­li­chen Schubsers spüren. Bungaran verstand sofort, wandte sich ab und ging seiner Wege.

Bungaran erkundet den Wald
Bungaran erkundet den Wald

Dann wurden wir Zeugen, wie Diplo­matie bei Orang-Utans funk­tio­niert: Bungaran wusste nämlich, wie er seine Mutter besänf­tigen konnte und kehrte kurze Zeit später mit einer Frucht des Brot­frucht­baumes zurück, die er ihr wie ein Frie­dens­an­gebot über­reichte. Signe nahm das Geschenk gerne an und die beiden umarmten sich innig.

Signe und Bungaran
Signe und Bungaran

Eine kleine, unschein­bare Geste, die uns auf bemer­kens­werte Weise zeigt, wie wilde Orang-Utans im Regen­wald mitein­ander kommu­ni­zieren. Trotz Unstim­mig­keiten scheinen sie zu wissen, dass der Schlüssel zum sicheren Über­leben darin besteht, in Harmonie zusammen zu leben. Viel­leicht sollten wir Menschen doch noch ein oder zwei Dinge von den Orang-Utans lernen.

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EU-Entschei­dung: Palmöl im Biodiesel ist nicht nach­haltig – darf aber weiter genutzt werden

EU-Entschei­dung: Palmöl im Biodiesel ist nicht nach­haltig – darf aber weiter genutzt werden

Es ist kompli­ziert, lang­wierig, verwir­rend und noch immer nicht endgültig entschieden: Die Frage, ob und – falls ja – wie lange noch, Palmöl in euro­päi­schen Biodiesel beigemischt werden darf.

Nun hat die EU-Kommis­sion fest­ge­stellt, dass der Anbau von Ölpalmen eine bedeu­tende Abhol­zung von Regen­wald verur­sacht und damit der aus Palmöl gewon­nene Biodiesel nicht zur Errei­chung der EU-Ziel­vor­gaben für umwelt­freund­liche Brenn­stoffe gezählt werden kann. Unter dem stei­genden Druck der Regie­rungen Malay­sias und Indo­ne­siens (einschließ­lich der Drohung mit einem Handels­krieg) hat die Kommis­sion jedoch mehrere Schlupf­lö­cher einge­baut. So sollen für Palmöl, das von unab­hän­gigen kleinen Plan­tagen (weniger als fünf Hektar) oder auf „unge­nutzten“ Flächen ange­baut wird, Ausnahmen gelten.

Abschlie­ßend ist aber auch diese Entschei­dung der EU-Kommis­sion noch nicht. Bisher verlief der Palmöl-Ritt durch die euro­päi­schen Instanzen wie folgt: Im Juni 2018 entschied das EU-Parla­ment, dass Palmöl und Soja ab 2030 nicht mehr in Biosprit einge­setzt werden dürfen. Diese Entschei­dung wurde nicht kritiklos ange­nommen. Denn so gut das ange­strebte Verbot von Palmöl in Biodiesel ist, so lange dauert es noch bis 2030 – denn wenn die Umwand­lung von Regen­wäl­dern in Plan­tagen im bishe­rigen Tempo fort­schreitet, ist es bis 2030 zu spät für die Regen­wälder Indo­ne­siens und Malay­sias und für die Orang-Utans.

Nun sollte also die EU-Kommis­sion defi­nieren, welche Rohstoffe ein hohes Risiko einer soge­nannten indi­rekten Land­nut­zungs­än­de­rung (indi­rect Land Use Change, kurz iLUC) beinhalten und somit nicht mehr in Biodiesel enthalten sein dürfen – oder sehr verkürzt: ob und wie Palmöl und andere Lebens­mittel ab 2023 bis 2030 in Kraft­stoffen verwendet werden dürfen. 

Die Entschei­dung

Am 8. Februar wurde diese lang­erwar­tete Entschei­dung endlich getroffen: Palmöl gehört nun zu den Rohstoffen, die die EU-Kommis­sion als hoche­mit­tie­rend einstuft. D.h. es besteht ein hohes Risiko einer indi­rekten Land­nut­zung. Und außerdem muss Palmöl bis 2030 stufen­weise aus euro­päi­schem Biodiesel verschwinden. Der Haupt­grund für diese Entschei­dung waren wissen­schaft­liche Studien, die nach­weisen, dass 45 Prozent der Palm­öl­plan­tagen von 2008 bis 2015 in Gebieten errichtet wurden, die als große natür­liche CO2 Spei­cher dienten.

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Große Schlupf­lö­cher und Bauernopfer

So gut all das viel­leicht klingen mag, unterm Strich hat der Beschluss riesige Schlupf­lö­cher für die Palm­öl­in­dus­trie geschaffen. Denn Palmöl, das auf Klein­plan­tagen ange­baut oder auf „unge­nutzten“ Flächen produ­ziert wird, darf weiter für die Beimi­schung in euro­päi­schem Kraft­stoff genutzt werden. Leider zeigen aller­dings Beispiele von großen Konzernen, wie dem Palm­öl­riesen FELDA, dass diese oft ihr Palmöl von Klein­bauern beziehen. Dabei spielen Nach­hal­tig­keits­kri­te­rien keine Rolle, der Klein­bauer trägt oft ein noch höheres wirt­schaft­li­ches Risiko, als die Ange­stellten auf einer Plan­tage und außerdem werden Flächen, die sonst für den Anbau von Nahrung genutzt werden würden, in Ölplan­tagen umge­nutzt. Ein echtes Bauern­opfer also. Und Palmöl bleibt so weiterhin Bestand­teil des euro­päi­schen Biosprits. 

Die EU-Kommis­sion hat eine öffent­liche Anhö­rung bis 8.März ange­kün­digt, bevor sie den endgül­tigen Rechtsakt annimmt. Das EU-Parla­ment und die EU-Mitglieds­staaten haben dann zwei Monate Zeit, ihr Veto einzu­rei­chen. Ergän­zungen und Ände­rungen am Rechtsakt können nicht mehr gemacht werden.
 

Quellen:

https://www.transportenvironment.org/press/eu-classifies-palm-oil-diesel-unsustainable-fails-cut-its-subsidised-use-and-associated

https://www.euractiv.com/section/agriculture-food/news/biofuels-commission-blacklists-palm-oil-throws-soybeans-lifeline/

Orang-Utan-Rettung im Alleingang?

Orang-Utan-Rettung im Alleingang?

In der Wildnis aufzu­wachsen ist nicht immer einfach. Doch zum Glück haben im Regen­wald gebo­rene Orang-Utans liebe­volle Mütter an ihrer Seite, die ihnen zeigen, wie sie im Dschungel zurecht­kommen. Darum haben Orang-Utans die längsten Geburts­in­ter­valle (Abstand zwischen zwei Geburten), länger ist als bei allen anderen Säuge­tieren einschließ­lich dem Menschen.

Die jungen Wald­men­schen bleiben in der Regel als Einzel­kinder bis zu ihrem siebten oder achten Lebens­jahr bei ihren Müttern. In dieser Zeit lernen sie alles, was man als wilder Orang-Utan können muss: Wie man klet­tert, wo man wann welche Nahrung im Regen­wald findet, wie man stabile Nester baut, welche Gefahren lauern, was gegen Krank­heiten helfen kann und wie man mit anderen Orang-Utans umgeht. All das lernen sie von der besten Ausbil­derin, die es dafür geben kann: der eigenen Mutter.

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Cindy & Riwut

Nur Cindy, eine 24-jährige Orang-Utan-Dame hält sich nicht an die Regel, nur alle acht Jahre ein Baby zu bekommen. Am 22. Januar 2007 wurde ihr Sohn Cilik auf der Voraus­wil­de­rungs­insel Kaja Island (Zentral-Kali­mantan) geboren. Nicht einmal sechs Jahre später, am 12. November 2012, brachte Cindy schon Tochter Riwut zur Welt. Im November 2013 wurde die ganze Familie dann im Bukit Batikap Schutz­wald ausge­wil­dert. Riwut wuchs dort weiter in der Obhut ihrer Mutter und Lehr­meis­terin auf, während ihr großer Bruder Cilik schon früh selb­ständig wurde und nur ab und zu vorbeikam, um seine Mutter und seine kleine Schwester zu besuchen. 

Im Juni 2018 traf eines unserer Post-Release-Moni­to­ring-Teams auf Cindy und Riwut, die unter­wegs auf Futter­suche waren. Doch Cindy schien nicht ganz bei der Sache. Sie hatte einen jungen, attrak­tiven Mann entdeckt. Es war Olbert. Der starke und gutaus­se­hende Orang-Utan, der noch immer Narben von seinem Kampf mit einem Nebel­parder von vor einem Jahr trug, hatte Cindys ganze Aufmerk­sam­keit gewonnen. 

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Olbert

Und im September entdeckten wir erste Anzei­chen einer erneuten Schwan­ger­schaft Cindys. Dabei benö­tigt die gerade mal sechs Jahre alte Riwut immer noch viel Fürsorge ihrer Mutter. Ein neues Geschwis­ter­chen würde sie nicht gutheißen.
Denn wenn Orang-Utan-Mütter Nach­wuchs erwarten, verdrängen sie instinktiv das größere Kind. Das konnte unser Post-Moni­to­ring-Team auch bei Cindy und Riwut fest­stellen. Cindy hält inzwi­schen immer mehr Abstand zu ihrer Tochter. Auch wenn die kleine Riwut viel­leicht noch nicht ganz bereit ist, sich von ihrer Mutter zu verab­schieden, hat sie inzwi­schen schon genug Wissen von der erfah­renen Cindy vermit­telt bekommen, um allein im Dschungel zu leben.

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Riwut

Obwohl Riwut noch oft anhäng­lich ist und die Nähe ihrer Mutter sucht, sobald sie sich erschreckt, so weiß sie doch schon, wie man an das leckere Mark bestimmter Bäume kommt, wie sie auch die härtesten Schale mancher Früchte knacken kann und wo sie nahr­hafte Termiten findet. Cindy hat Riwut sehr gut groß­ge­zogen. Das macht Cindy nicht nur zu einer groß­ar­tigen Mutter, sondern auch zu einer hervor­ra­gende Natur­schüt­zerin. Denn während wir nun geduldig auf die Geburt von Cindys drittem Baby warten, können wir nicht anders, als zu denken, dass Cindy es sich wohl zur Aufgabe gemacht hat, im Allein­gang die vom Aussterben bedrohten Borneo-Orang-Utans zu retten!

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Trick­se­reien einer werdenden Mutter

Trick­se­reien einer werdenden Mutter

Von einem außer­ge­wöhn­li­chen, schon einige Wochen zurück­lie­genden Erlebnis mit Compost, die im Dezember ihr Baby zur Welt brachte, berich­teten uns jetzt Post-Moni­to­ring-Mitar­beiter des Totat Jalu Camp.

Bei ihren Streif­zügen durch den Schutz­wald von Bukit Batikap trafen sie auf die beiden ausge­wil­derten Orang-Utan-Damen Sifa (8) und Compost (17). Compost war zu diesem Zeit­punkt hoch­schwanger und meist langsam aber stetig im Regen­wald unter­wegs auf der Suche nach ihren Lieb­lings­früchten. Sifa folgte ihr in einigem Abstand und schloss immer dann zu Compost auf, wenn die werdende Mutter saftige Wald­früchte oder frische Baum-Triebe gefunden hatte. Am Nach­mittag ruhten sie einträchtig auf einem großen Baum und genossen einen kurzen Moment die stille Zeit zu zweit.

Doch schon nach zehn Minuten reichte es Compost. Auf einem Feigen­baum gönnte sie sich einen letzten Snack und baute sogleich ihr Schlaf­nest für die Nacht. Schon um 16 Uhr – eine sehr unge­wöhn­liche Uhrzeit für Compost. Norma­ler­weise machte sie sich erst zwischen 17 und 18 Uhr an den Nestbau. Unsere Mitar­beiter erklärten sich dieses Verhalten aller­dings mit Composts fort­ge­schrit­tener Schwan­ger­schaft und machten sich keine weiteren Gedanken. Sifa war einige Bäume entfernt am Futtern.

In fünf Minuten hatte Compost ihr Nest voll­endet. Was dann geschah, über­raschte uns alle.
Zunächst stieg Compost in ihr Nest und beob­ach­tete Sifa von dort aus. Dann plötz­lich, wie aus dem Nichts, klet­terte Compost flink den Baum herab und lief davon. Ein Mitglied unseres Beob­ach­tungs­teams machte sich in sicherer Entfer­nung an die Verfol­gung. Doch als Compost ohne auch nur einmal anzu­halten schon gut 150 Meter von Sifa entfernt war, kehrte unser BOS-Team­mit­glied um.

Als Sifa entdeckte, dass Composts Nest leer war, war sie sehr verwirrt. Sie suchte und rief nach Compost und klet­terte die höchsten Bäume hinauf, um sie zu finden. Doch verge­bens. Compost hatte sich aus dem Staub gemacht. Schließ­lich baute Sifa sich ein Nest und legte sich schlafen.

Wir gehen davon aus, dass Compost das Nest baute, um Sifa zu täuschen. Wir waren von diesem raffi­nierten und schlitz­oh­rigen Plan scho­ckiert, denn wir hätten das von der sonst so lieben und fürsorg­li­chen Compost nicht erwartet. Umso faszi­nierter sind wir, wie clever und durch­dacht sie sich einen Plan zurecht­ge­legt und diesen in die Tat umge­setzt hat.
Viel­leicht wollte die werdende Mutter einfach noch etwas Zeit ganz für sich allein, bevor sie ihr erstes Baby zur Welt brachte.

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Auch der wildeste Orang-Utan braucht mal Hilfe

Auch der wildeste Orang-Utan braucht mal Hilfe

Nobri ist norma­ler­weise ein echter Dschun­gel­profi. Auf der Suche nach Futter navi­giert mit Leich­tig­keit durch den Urwald. Am liebsten ist sie für sich allein, die Gegen­wart anderer Orang-Utans schätzt sie nur selten. Vor allem mag es die Orang-Utan-Dame gar nicht, von Menschen beob­achtet oder gar verfolgt zu werden. Denn Nobri musste noch nie hinter Gittern leben. 

Als sie 2005 geboren wurde, lebte ihre Mutter Shelli auf einer der Voraus­wil­de­rungs­in­seln der BOS-Foun­da­tion in Zentral-Kali­mantan. Im April 2016 wurde sie in die Frei­heit entlassen. Somit ist die 15-jährige Nobri ein tatsäch­lich wilder Orang-Utan. 

An dem Tag, an dem unser Moni­to­ring-Team aus dem Totat Jalu Camp im Bukit Batikap Schutz­wald Nobri beob­ach­tete, lag das Haupt­au­gen­merk darauf, wie es um ihre Gesund­heit stand. Denn unser Beob­ach­tungs­team hatte entdeckt, dass die Drüsen in Nobris Achsel­höhlen und ihr Kehl­sack geschwollen waren.

Der Kehl­sack eines Orang-Utans ist der Beutel, der direkt unter dem Kinn sitzt. Er ist wichtig, um die lauten Töne zu erzeugen, die im Wald zu hören sind. Das Anschwellen des Kehl­sacks ist in der Regel eine Folge von über­mä­ßiger Flüs­sig­keits­an­samm­lung infolge einer Infek­tion. Also defi­nitiv ein Grund zur Besorgnis! Obwohl Nobri nicht den Eindruck machte, unter einer Infek­tion zu leiden, mussten wir sie einer umfas­senden gesund­heit­li­chen Unter­su­chung unter­ziehen, um sicher­zu­stellen, dass sie auch noch die nächsten Jahre durch den Batikap-Wald streifen kann. 

Das Team kontak­tierte schnell per Funk unser Rettungs­zen­trum Nyaru Menteng, um schnell einen Tier­arzt für Nobri anzu­for­dern. Der Tier­arzt Greggy Harry Poetra und einer unserer besten Schützen für Beru­hi­gungs­pfeile, wurden schnell auf den Weg nach Batikap geschickt. Keine Spazier­fahrt, denn Batikap liegt drei bis vier Tages­reisen von Nyaru Menteng entfernt und der Weg führt über gefähr­liche Straßen. 

Als unsere Mitar­beiter endlich vor Ort ankamen, wurde die krän­kelnde Affen­dame schnell sediert und in einem Trans­port­käfig zur weiteren Behand­lung in die Nähe des Totat Jalu Camp gebracht. Alle Symptome deuteten darauf hin, dass Nobri an Luft­sa­ku­litis litt — einer bakte­ri­ellen Infek­tion der oberen und unteren Atem­wege, einschließ­lich des Kehl­sacks. Eine poten­ziell tödliche Krankheit!

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Nobri wurde für die Behand­lung sediert

Am selben Nach­mittag erwachte Nobri in einem Käfig für kranke Orang-Utans. Trotz ihres Zustands machte sie deut­lich, dass sie nicht glück­lich war, dort zu sein. Sie brachte den ganzen Käfig ins Wanken, während sie herum­schwang und machte Kuss­ge­räu­sche, um ihren Unmut zu verkünden. Ihre Wild­heit ist in der Tat stark ausge­prägt und würde nicht einmal durch etwas gebro­chen werden, das so unan­ge­nehm war wie eine tödliche Krankheit. 

Auch am darauf­fol­genden Tag musste Nobri sediert werden. Nur so konnte unser Tier­arzt weitere Behand­lungen und Unter­su­chungen durch­führen. Trotz des Fehlens von High-Tech-Geräten mitten im tiefen Regen­wald war die Erst­be­hand­lung ein Erfolg. Zuerst war Nobri noch etwas benommen, als die Betäu­bung nach­ließ. Aber schon nach etwa einer Stunde klet­terte sie bereits herum und warnte uns immer wieder durch laute Kuss­ge­räu­sche. Sie benahm sich wieder wie der wildeste Orang-Utan, den wir je getroffen hatten!

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Leider ist der Weg zu Nobris voll­stän­diger Gene­sung lang. Sie benö­tigt immer noch tägliche medi­zi­ni­sche Behand­lungen. Und diese werden auch weiterhin mit lautem Protest begleitet. So kennen wir sie – unsere wilde starke Nobri. 

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Wie verhalten sich neuan­ge­sie­delte Orang-Utans in freier Wildbahn?

Wie verhalten sich neuan­ge­sie­delte Orang-Utans in freier Wildbahn?

Der span­nenden Frage, wie sich Orang-Utans nach ihrer Auswil­de­rung in den Regen­wald verhalten, geht die Anthro­po­login Anna Marzec in ihrer Forschungs­ar­beit nach. Wie auch Dr. Maria A. von Noor­dwijk  ist Anna Marzec Teil des inter­dis­zi­pli­nären Tuanan Oran­gutan Rese­arch Projects der Univer­sität Zürich und arbeitet auch mit der BOS Foun­da­tion eng zusammen. 

Marzec inter­es­sierten vor allem Unter­schiede und Gemein­sam­keiten im Verhalten von Orang-Utans, die vor ihrer Auswil­de­rung bereits Erfah­rungen in der freien Wild­bahn sammeln konnten und Tieren, die bereits als Babys ihre Reha­bi­li­ta­tion im Rettungs­zen­trum star­teten. Und wo liegen die Unter­schiede zu wilden Orang-Utans?

Durch die direkte Beob­ach­tung von Lern­ver­halten und Fress­ver­halten versucht Marzec Antworten zu finden. Lern­ver­halten wird z. B. durch Objekt­ma­ni­pu­la­tion, Explo­ra­tion (Erkun­dung, Erfor­schung der Umge­bung) oder soziales Lernen in Form von Peering gemessen. Peering ist das Erlernen von Fähig­keiten durch die Beob­ach­tung und den Austausch mit anderen Individuen.
Die Ergeb­nisse sind sehr eindeutig. Ausge­wil­derte Orang-Utans verbringen mehr Zeit mit Fressen von Früchten als wilde Orang-Utans, jedoch fressen sie in der Summe weitaus weniger als diese (Früchte sind die quali­tativ hoch­wer­tigste Nahrung für Orang-Utans). Auch verbringen ausge­wil­derte Orang-Utans mehr Zeit mit Explo­ra­tion und Peering.

 

Lernen nach der Auswilderung

Daraus schließt Anna Marzec, dass Orang-Utans nach der Auswil­de­rung erst einmal weiter lernen müssen. Ihr Entwick­lungs­stand reicht zwar zum Über­leben in der freien Wild­bahn aus, ist aber noch nicht mit dem Niveau von Orang-Utans vergleichbar, die in ihrem natür­li­chen Lebens­raum und unter Anlei­tung ihrer Mutter aufwachsen konnten.

 

Um die lang­fris­tige Entwick­lung dieser Verhal­tens­weisen unter neuan­ge­sie­delten Orang-Utans zu unter­su­chen, hat sie zwei Beob­ach­tungs­gruppen (zehn Kandi­daten insge­samt) bestimmt. Eine Gruppe besteht aus Orang-Utans, die im vergan­genen Jahr ausge­wil­dert wurden. Die andere Gruppe setzt sich aus eben­falls neuan­ge­sie­delte Orang-Utans zusammen, die jedoch bereits mindes­tens zwei­ein­halb Jahre im neuen Habitat über­lebt haben. Dabei konnten folgende Phäno­mene beob­achtet werden: Die neuen Orang-Utans fressen weniger Früchte, verbringen aber mehr Zeit damit. Die Unter­schiede im Peering und in der Explo­ra­tion sind nicht signi­fi­kant, jedoch zeichnet sich ein ähnli­cher Unter­schied, wie zwischen neuan­ge­sie­delten und natür­lich aufge­wach­senen Orang-Utans ab.

Abschauen bei den Wilden

Je länger Orang-Utans also in ihrem neuen Habitat leben, desto mehr ähnelt ihr Verhalten dem der wilden Orang-Utans. Peering scheint für frisch ausge­wil­derte Orang-Utans von zentraler Bedeu­tung zu sein. Sie zeigen dieses Verhalten weitaus häufiger als wilde Orang-Utans. Sie suchen vermehrt bei den wilden Artge­nossen nach Vorbil­dern, um von ihnen zu lernen. Daher scheint es von Vorteil zu sein, Orang-Utans in Habi­taten anzu­sie­deln, in denen solche „Peers“ zu finden sind. Dadurch können dann die neuen wilden Orang-Utans Stück für Stück ihren Entwick­lungs­stand anpassen.

 

Anna Marzecs Erkennt­nisse sind enorm wichtig, um den komplexen Prozess der Auswil­de­rung bzw. Neuan­sied­lung von Orang-Utans in Zukunft effek­tiver gestalten zu können. Ihr Fazit: Neuan­sied­lung ist möglich. Leider muss jedoch berück­sich­tigt werden, dass hierbei auch eine höhere Sterb­lich­keit, als bei wild­le­benden Orang-Utans zu verzeichnen ist. Der Königsweg ist also weiterhin ein besserer Schutz des ursprüng­li­chen Lebens­raumes der Menschen­affen. Dann wären Auswil­de­rungen und Neuan­sied­lungen gar nicht erst nötig.

 

Gast­autor: Jan Mücher

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