Die Auswir­kungen von Feuer und Fruchtknappheit

Die Auswir­kungen von Feuer und Fruchtknappheit

Vor kurzem hat sich unsere Prima­to­login Dr. Isabelle Laumer mit Prof. Erin Vogel getroffen, um mit ihr über ihre neuesten Frei­land­stu­dien zu spre­chen. Erin arbeitet an der Rutgers Univer­sity in den USA und ist Co-Direk­torin der Forschungs­sta­tion Tuanan in Zentral-Kali­mantan, die 2002 von der BOS Foun­da­tion gegründet wurde. Dort arbeitet sie an einem lang­fris­tigen Forschungs­pro­jekt, das sich auf die Ernäh­rungs­öko­logie, Nahrungs­ver­füg­bar­keit und Nahrungs­wahl von Orang-Utans konzentriert.

 

Liebe Erin, ich freue mich sehr heute mit dir zu spre­chen und mehr über deine span­nenden Forschungs­ar­beiten an wilden Orang-Utans zu erfahren. Aber erst einmal zu dir. Wie lange arbei­test du schon mit Orang-Utans?

Ich erfor­sche bereits seit 2004 Orang-Utans in freier Wild­bahn. Meine ersten Daten habe ich im Forschungs­ge­biet Tuanan auf Borneo aufge­nommen. Die Forschung vor Ort konzen­triert sich auf das Verhalten wild­le­bender Orang-Utans, sowie auf die Auswir­kungen der Habitat-Zerstö­rung und des Biodi­ver­si­täts­ver­lustes. Als eine meiner ersten Studien habe ich mir das Nahrungs­spek­trum zweier benach­barter Orang-Utan-Popu­la­tionen genau ange­schaut. Die Popu­la­tionen leben in unmit­tel­barer Nähe und in ähnli­chen Habi­taten, sind aber durch eine für Orang-Utans unpas­sier­bare Fluss­bar­riere getrennt. Inter­es­san­ter­weise fanden wir einen klaren Unter­schied was die Auswahl der Nahrungs­pflanzen angeht, obwohl in beiden Gebieten die glei­chen Pflan­zen­arten vorkommen [1]. Diese Ergeb­nisse deuten auf das Vorhan­den­sein von einer gewissen Ernäh­rungs­tra­di­tion bei den beiden geogra­fisch getrennten Orang-Utan Gruppen hin, die vermut­lich durch soziales Lernen von Gene­ra­tion an Gene­ra­tion weiter­ge­geben wird.

 

Das ist eine span­nende Entde­ckung. Wie kann man sich deine Arbeit im Regen­wald vorstellen? Und gibt es schon Pläne wann du wieder zurückkehrst?

Im Forschungs­ge­biet Tuanan zu arbeiten ist defi­nitiv eine Heraus­for­de­rung. Man muss sich erst einmal an die Bedin­gungen vor Ort gewöhnen. Orang-Utans in freier Wild­bahn zu beob­achten ist ziem­lich schwierig, denn sie sind die meiste Zeit hoch oben in den Bäumen unter­wegs. Zudem gibt es viele Moskitos im Regen­wald und die Luft­feuch­tig­keit beträgt oft 90%. Ich reise meis­tens zweimal im Jahr nach Borneo. Corona-bedingt konnte ich im letzten Jahr leider nicht reisen, aber ich freue mich schon sehr darauf wieder im Herbst nach Borneo zurück­zu­kehren. Das war eine lange Zeit und ich vermisse mein Forschungs­team, meine Kollegen und natür­lich die Orang-Utans.

 

Vor kurzem hast du zusammen mit Caitlin O´Connell eine bedeut­same Studie in der Fach­zeit­schrift Scien­tific Reports veröf­fent­lich. Durch die Klima­er­wär­mung kommt es ja immer mehr zu Schwan­kungen, was sich nach­teilig auf die Reifung der Frucht­bäume auf Borneo auswirkt. Da Orang-Utans haupt­säch­lich Früchte fressen, hat dies einen starken Einfluss auf sie. Deine Forschungs­ar­beit zeigt, dass Orang-Utans in Zeiten von Frucht­knapp­heit neben Fett­ge­webe sogar Muskeln abbauen [2]. Kannst du uns etwa mehr darüber erzählen?

Wir haben kürz­lich heraus­ge­funden, dass bei Frucht­knapp­heit neben dem Fett­ge­webe sogar die Muskel­masse der Orang-Utans deut­lich abnimmt. Wenn Menschen hungern, werden zunächst die Körper­fett­spei­cher weitest­ge­hend verbraucht und als letzter Schritt das Muskel­ge­webe als Ener­gie­quelle verbrannt. Wir waren über­rascht, dass sowohl Weib­chen und Männ­chen jeden Alters bei nied­riger Frucht­ver­füg­bar­keit Muskel­masse redu­ziert hatten, was bedeutet, dass sie den größten Teil ihrer Fett­re­serven verbrannt hatten und der Körper gezwungen war auf die Verbren­nung von Muskel­masse zurück­zu­greifen. Das ist über­ra­schend, denn Orang-Utans gelten eigent­lich als beson­ders gut darin, Fett zu spei­chern und zur Ener­gie­ge­win­nung zu nutzen [3]. Neben Faul­tier und Großen Pandas, haben Orang-Utans grund­sätz­lich einen extrem nied­rigen Grund­um­satz und verbrau­chen weniger Energie als andere Säuge­tiere mit ähnli­cher Körper­größe. Damit sind sie anschei­nend sehr gut an die natür­li­chen Schwan­kungen, was die Frucht­pe­ri­oden angeht, ange­passt. Aller­dings kommt es durch die Klima­er­wär­mung zu immer stär­keren Schwan­kungen [6], was in Zukunft mögli­cher­weise Folgen für ihren Gesund­heits­zu­stand und damit auch ihr Über­leben haben könnte.

 

Wie verhalten sich die Orang-Utans in Zeiten von Nahrungsknappheit?

In Zeiten, in denen Früchte knapp sind, verbringen Orang-Utans weniger Zeit damit im Regen­wald umher­zu­streifen, haben kürzere aktive Peri­oden und inves­tieren mehr Zeit in die Nahrungs­auf­nahme. Man kann sie dann oft dabei beob­achten, wie sie die Rinde von den Bäumen entfernen um an das Baum­kam­bium, eine nähr­stoff­reiche Schicht direkt unter der Rinde, heran­zu­kommen. In Tuanan hat man noch keinen Orang-Utan dabei beob­achtet dafür Stock­werk­zeuge zu verwenden, wie es in anderen Gebieten manchmal vorkommt, sondern sie schaben die Rinde mit ihren Schnei­de­zähnen vom Baum ab. Dennoch können sie mit dieser Ernäh­rung ihr eigent­lich benö­tigtes Kalo­rien- und Nähr­stoff­pensum nicht ausgleichen.

 

Ich habe gelesen, dass ihr für die Daten­ana­lyse Urin­proben gesam­melt habt, da der Krea­tinin-Wert im Harn in Bezie­hung mit anderen Werten Aufschluss über die vorhan­dene Muskel­masse gibt. In welchem Zeit­raum habt ihr die Daten erfasst und wie nimmt man eine Urin­probe bei einem wild­le­benden Orang-Utan?

Da Orang-Utans so langes Haar haben, ist es schwierig ihr Körper­ge­wicht und die Muskel­masse rein äußer­lich zu beur­teilen. Wir haben daher eine nicht-inva­sive Methode verwendet, die bisher schon bei Schim­pansen erfolg­reich ange­wendet wurde [4]. Für die Analyse haben wir Morgen­urin gesam­melt. Dazu muss man sehr früh, noch bevor sich der Orang-Utan aus seinem Nest begibt und sein Morgen­ge­schäft in luftiger Höhe verrichtet, vor Ort sein. Wir verwenden eine Art Kescher mit einer Plas­tik­tüte vorne, um ihn aufzu­fangen. Dann wird die Urin­probe sofort einge­froren und an ein Labor zur Analyse geschickt. Die Proben wurden von 2009 bis 2017 in dem ca. 900 Hektar großem Forschungs­ge­biet von Tuanan gesam­melt. Insge­samt wurden 1130 Harn­proben von 70 Orang-Utans analy­siert. Ein großer Vorteil dieser Methode ist auch, dass man sie auch für gene­relle Gesund­heits­checks verwenden kann.

 

In Südost­asien gibt es seit Jahr­tau­senden Wald­brände, die jedoch in letzter Zeit immer häufiger und inten­siver werden [7]. Am heftigsten wüten diese Brände in den Torf­sumpf­wäl­dern Indo­ne­siens. In einer weiteren Studie hast du Orang-Utans ganz genau während eines großen Feuers im Tuanan Forschungs­ge­biet beob­achtet [8]. Was hast du zusammen mit deinen Kollegen herausgefunden?

Durch die dras­ti­sche Umwand­lung von Regen­wald zu land­wirt­schaft­li­chen Flächen und die damit verbun­dene Abhol­zung und Entwäs­se­rung, ist die Land­schaft anfäl­liger für Brände geworden. Die Situa­tion hat sich auch durch die globale Klima­er­wär­mung und die daraus resul­tie­renden längeren Dürre­pe­ri­oden verschärft. Wir haben die Auswir­kungen von Rauch auf die Akti­vität und den Ener­gie­haus­halt mehrerer männ­li­cher Orang-Utans, während und nach einem großen Wald­brand in Tuanan zwischen März 2015 (vor dem Feuer) und Januar 2016 (nach dem Feuer), unter­sucht. Die Konzen­tra­tion der Luft­par­tikel wurde täglich gemessen. Knapp 80% der täglich gemes­senen Werte während des Wald­brandes konnten als gesund­heits­schäd­lich einge­stuft werden. Im Oktober stiegen die Werte sogar um mehr als das Sechs- bzw. Zwölf­fache. Anhand von Verhal­tens­daten konnten wir fest­stellen, dass die Orang-Utans, während und auch nach der Rauch­pe­riode, mehr geruht haben. Sie haben sich weniger fort­be­wegt und wir konnten anhand von den gesam­melten Urin­proben einen erhöhten Abbau von Fett­ge­webe nach der Rauch­phase nach­weisen. Und das lag nicht an der gene­rellen Kalo­rien­zu­fuhr. Wir gehen davon aus, dass der Abbau von Fett­ge­webe, mit der auf Grund des Rauchs gestei­gerten Immun­ant­wort und der Stress­hor­mon­pro­duk­tion zusam­men­hängen könnte.

Feuerherde in Zentralkalimantan
Feuer­herde in Zentral­ka­li­mantan: Schwarze Drei­ecke stellen Feuer im Umkreis von 10 km von Tuanan (TRS) und Palang­ka­raya (PKY) dar. Quelle: Erb et al., 2018.

 

Kannst du uns einen Ausblick darauf geben, wie deine Erkennt­nisse best­mög­lich zur Arterhal­tung genutzt werden können?

Während der Frucht­saison können Orang-Utans die Kalo­rien­ein­nahme mehr als vervier­fa­chen und bauen so norma­ler­weise Körper­fett auf. Das hilft ihnen norma­ler­weise durch die frucht­armen Trocken­pe­ri­oden.  Aber wenn die Brände immer häufiger auftreten, wird die Verfüg­bar­keit von Früchten immer geringer und sie haben mögli­cher­weise nicht die Möglich­keit die nötigen Fett­re­serven anzu­legen. Das kann zu einer gefähr­li­chen Situa­tion werden, in der sie beginnen, neben Fett sogar Muskel­masse abzu­bauen. Erhal­tungs­pläne müssen daher die Verfüg­bar­keit von Früchten in den Wald­ge­bieten und Wald­kor­ri­doren berück­sich­tigen, die Orang-Utans mögli­cher­weise besetzen müssen, wenn die Abhol­zung in ihrem Verbrei­tungs­ge­biet fortschreitet.

 

Vielen herz­li­chen Dank, Erin, für all die wert­vollen Infor­ma­tionen. Ich freue mich darauf, bald wieder mit dir zu sprechen.

Dr. Isabelle Laumer
Inter­view und Über­set­zung aus dem Engli­schen: Dr. Isabelle Laumer

 

Dr. Erin Vogel
Dr. Erin Vogel

Dr. Erin Vogel ist Profes­sorin am Depart­ment für Anthro­po­logy an der Rutgers Univer­sity (New Jersey, USA) und ist Co-Direk­torin der Tuanan Forschungs­sta­tion im Mawas Schutz­ge­biet auf Borneo, in dem schät­zungs­weise 3.500 Orang-Utans leben. Das Tuanan Orang-Utan Forschungs­pro­jekt wird im Rahmen einer Koope­ra­ti­ons­ver­ein­ba­rung zwischen der Univer­sität Zürich, der Univer­sitas Nasional Jakarta (UNAS, Dr. Utami-Atmoko), der Rutgers Univer­sity und der Borneo Orang-Utan Survival Foun­da­tion (BOSF) durchgeführt.
2005 etablierte sie an der Tuanan Rese­arch Station ein lang­fris­tiges Forschungs­pro­jekt, das sich auf die Ernäh­rungs­öko­logie von Orang-Utans konzen­triert. Das Projekt kombi­niert Feld­be­ob­ach­tungen mit Labor­tech­niken, um die Zusam­men­hänge zwischen Ernäh­rung, Darm­phy­sio­logie, Nahrungs­ver­füg­bar­keit und Ernäh­rungs­aus­wahl zu untersuchen.

Refe­renzen:

1.    Bastian, M.L., Zweifel, N., Vogel, E.R., Wich, S.A. and van Schaik, C.P. Diet tradi­tions in wild oran­gutans. Am. J. Phys. Anthropol., 143: 175–187 (2010).

2.    O’Connell, C.A., DiGi­orgio, A.L., Ugarte, A.D. et al.  Wild Bornean oran­gutans expe­ri­ence muscle cata­bo­lism during episodes of fruit scar­city. Sci Rep 11, 10185 (2021).

3.    Pontzer, H., Raichlen, D. A., Shumaker, R. W., Ocobock, C. & Wich, S. A. Meta­bolic adapt­a­tion for low energy throughput in oran­gutans. Proc. Natl. Acad. Sci. 107, 14048–14052 (2010).

4.    Emery Thompson, M., Muller, M. N. & Wrangham, R. W. Tech­nical note: varia­tion in muscle mass in wild chim­pan­zees: appli­ca­tion of a modi­fied urinary crea­ti­nine method. Am. J. Phys. Anthropol. 149, 622–627 (2012).

5.    Chapman, S. et al. Compoun­ding impact of defo­re­sta­tion on Borneo’s climate during El Niño events. Environ. Res. Lett. 15, 084006 (2020).

6.    Cai, W. et al. Increased varia­bi­lity of eastern Pacific El Niño under green­house warming. Nature 564, 201–206 (2018).

7.    Page, S. et al. Tropical peat­land fires in Southeast Asia in Tropical fire ecology: climate change, land use, and ecosystem dyna­mics (eds Coch­rane, M. A.) 263–287 (Springer, 2009).

8.    WM Erb, EJ Barrow, AN Hofner, SS Utami-Atmoko, ER Vogel. Wild­fire smoke impacts acti­vity and ener­ge­tics of wild Bornean oran­gutans. Scien­tific Reports, 8:7606, (2018).

 

 

Signe ist mit zwei Söhnen im Regen­wald unterwegs

Signe ist mit zwei Söhnen im Regen­wald unterwegs

Gute Neuig­keiten aus dem Kehje Sewen Wald: Unser Post-Release-Moni­to­ring-Team entdeckte vor einiger Zeit – nur drei Gehmi­nuten vom Camp Nles Manse entfernt – gleich drei Orang-Utans, die dabei waren, ihr Schlaf­nest zu bauen. Es war die 14jährige Signe, die 2015 ihren Sohn Bungaran im Samboja Lestari Reha­bi­li­ta­ti­ons­zen­trum zur Welt gebracht hatte. Ein Jahr später, Ende 2016, sind die beiden dann im Regen­wald ausge­wil­dert worden. Sie wurden immer wieder von unseren Teams gesichtet; beiden ging es gut.

Der heran­wach­sende Orang-Utan-Junge war zuneh­mend eigen­ständig, und als das Moni­to­ring-Team Signe vor einem Jahr zuletzt sah, war sie ohne Bungaran unter­wegs. Und jetzt war er wieder da.

Neuer Nach­wuchs noch nicht mal ein Jahr alt

Doch was unser Moni­to­ring-Team tatsäch­lich über­raschte, war das Orang-Utan-Baby, das sie mit sich trug! Das Team schätzte den kleinen Jungen auf weniger als zwölf Monate. Norma­ler­weise werden Orang-Utan-Weib­chen nur alle acht bis neun Jahre schwanger, da es unge­fähr acht Jahre dauert, einen kleinen Orang-Utan für sein eigen­stän­diges Leben vorzu­be­reiten. Doch offenbar war Bungaran so schnell selb­ständig geworden, dass Signe wieder bereit für ein weiteres Kind war.

 Beide Söhne sind bei der Mutter
Ein seltenes Bild: Beide Söhne sind bei der Mutter

Post-Release-Moni­to­ring-Team doku­men­tiert Leben der Orang-Utans

Am nächsten Morgen gingen gleich zwei Teams in den Wald, um sowohl Signe mit ihrem Neuge­bo­renen als auch Bungaran durch ihren Tag zu begleiten. Dabei werden wich­tige Infor­ma­tionen über die Orang-Utans gesam­melt, die dazu dienen, das Leben dieser Menschen­affen besser zu verstehen. Und natür­lich wird auch geguckt, ob es ihnen gut geht. Diese „Nest-zu-Nest-Beob­ach­tungen“ beginnen, sobald die Tiere ihr Schlaf­nest verlassen und sie enden, wenn die Orang-Utans ihr neues Schlaf­nest für die nächste Nacht gebaut haben.

Ein ganz normaler Tag im Regenwald

Es war kurz vor 6 Uhr, als die Teams bei den Nestern von Signe und Bungaran ankamen. Signe und ihr Baby verließen als erste das Nest. Entspannt baumelte sie von Ast zu Ast, fraß Lianen­faser und junge Blätter, Waldo­rangen, junge Feigen­blätter, Wald-Ingwer und Calamus-Knollen. Zwischen­drin gab es Termiten als Protein-Snack. Insge­samt eine sehr gesunde und artge­rechte Mischung. Ab und zu machte Signe auch Ausflüge auf den Boden.
Ihr Baby hing die ganze Zeit an ihrem Fell und war sehr inter­es­siert an den Akti­vi­täten seiner Mutter. Vor allem wenn sie fraß, beob­ach­tete er sie sehr neugierig. Er selbst ist jedoch noch zu klein für Früchte, und so stillte Signe den Kleinen alle halbe Stunde. 
Auch Bungaran verbrachte die meiste Zeit oben in den Bäumen und fraß. Dabei igno­rierte er seine mensch­li­chen Beob­achter völlig.
Kurz vor Sonnen­un­ter­gang begann Signe, ein Nest für sich und ihr Baby in einem Mahang-Baum zu bauen. Bungaran kam dazu und baute nicht weit entfernt sein eigenes Schlafnest.

Orang-Utan-Kinder bleiben meist acht Jahre bei der Mutter
Orang-Utan-Kinder bleiben meist acht Jahre bei der Mutter

Eine Mutter mit zwei Kindern ist ungewöhnlich

Das PRM-Team beschloss, die Beob­ach­tungen am nächsten Tag fort­zu­setzen. Wieder gegen sechs Uhr begannen die Orang-Utans ihre tägli­chen Akti­vi­täten und hielten sich an eine ähnliche Routine wie schon am Tag zuvor. So weit so gut. Unge­wöhn­lich ist die Tatsache, dass Signe mit zwei Söhnen gleich­zeitig gesehen wurde. Obwohl Bungaran schon sehr selb­ständig ist, sucht er offenbar die Nähe seiner Mutter. Und Signe tole­riert das. Norma­ler­weise verscheu­chen Mütter ihre älteren Kinder, wenn sie wieder Nach­wuchs bekommen. Doch in diesen zwei Tagen, an denen das Trio von unserem Team beob­achtet wurde, hat Signe es immer wieder zuge­lassen, dass Bungaran sich seinem kleinen Bruder näherte.  Es war das erste Mal, dass unser Team eine Inter­ak­tion zwischen den beiden Brüdern beob­achten konnte. Wir hoffen, die beiden noch öfters zu treffen, um noch mehr über ihre Entwick­lung herauszufinden.
Wir wünschen allen dreien ein gesundes und glück­li­ches Leben im Kehje Sewen Wald.

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BOS-Coffee: Den Morgen mit einer Mission starten

BOS-Coffee: Den Morgen mit einer Mission starten

Sich morgens einen frischen Kaffee brühen, und dabei mal eben die Auswil­de­rung von Orang-Utans zurück in den Regen­wald unter­stützen? Was so einla­dend klingt, setzen wir mit unserem neuen BOS Coffee um: Unterstützer:innen bestellen ihre Lieb­lings­sorte online und der Kaffee wird frisch geröstet direkt nach Haus oder ins Büro gelie­fert – der Gewinn fließt komplett in unsere Auswil­de­rungs­pro­jekte: Medi­zi­ni­sche Unter­su­chungen, Trans­porte, Logistik, Peil­sender und alles, was noch dazu gehört. Jede Tasse hilft, unseren Orang-Utans ein Leben in Frei­heit zu finanzieren.

Wie gehen NGO und Busi­ness zusammen?

Mit dem BOS-Coffee gehen wir neue Wege und haben dafür einen profes­sio­nellen Partner an unserer Seite, der uns pro bono unter­stützt: Anthony Barba ist erfolg­rei­cher Unter­nehmer, App-Entwickler, Berater und Gründer verschie­dener StartUps. Ein Mann mit Erfah­rung und Leiden­schaft, wenn es um die Entwick­lung und Umset­zung neuer Ideen geht: „Mich begeis­terte die Frage, wie wir ein Geschäfts­mo­dell entwi­ckeln können, das erfolg­rei­ches Busi­ness Deve­lo­p­ment mit den Rahmen­be­din­gungen einer Non-Profit-Orga­ni­sa­tion verbindet. Ein Produkt, das verläss­lich jeden Monat wieder­keh­rende Einnahmen für die Finan­zie­rung von Orang-Utan-Schutz gene­riert. Last but not least ein Produkt, mit dem Menschen jeden Tag ganz einfach etwas Gutes tun können. Und wir haben es gefunden: Den BOS-Kaffee.“ Der Gewinn geht zu 100% in den Orang-Utan Schutz.

Die Idee nimmt Form an

Anthony Barba
Anthony Barba

„Beim Laun­chen des neuen Ange­bots sind wir Schritt für Schritt vorge­gangen, haben verschie­dene Ideen auspro­biert und uns immer wieder die Frage gestellt, wie wir das Angebot noch verbes­sern können. So war uns zum Beispiel schnell klar, dass wir den Kaffee erst mal nur im digital orga­ni­sierten Direkt­ver­trieb verkaufen, um die Kosten so gering wie möglich zu halten. Heißt: Mehr Gewinn, der von Anfang an in die Orang-Utan-Projekte fließt. Hierbei hat tatsäch­lich die Pandemie geholfen, da in dieser Zeit die Akzep­tanz für digi­tale Prozesse zuge­nommen hat“, erläu­tert Anthony Barba.

Jeder Schluck Kaffee hilft

Der Kaffee ist fair gehan­delt. Die Bauern erhalten einen ange­mes­senen Preis für ihre Kaffee­bohnen, was zur Verbes­se­rung der Lebens- und Arbeits­be­din­gungen ihrer Fami­lien beiträgt. Die Kaffee­sorten kommen aus Brasi­lien, Indien und Honduras und tragen Namen von unseren Orang-Utans: Beni, Alba, Alex­ander und Indie. Die Rösterei steht im Herzen Berlins. Von hier werden die frisch gerös­teten Bohnen in die ganze Repu­blik geliefert.

Jeder kann Orang-Utans retten

Wir freuen uns über alle, die den Genuss von geschmack­vollem Kaffee mit Fair­ness für Mensch und Tier verbinden möchten. Neben Privat­per­sonen sind Unter­nehmen und Büro­ge­mein­schaften eine wich­tige Ziel­gruppe.  Selbst­ver­ständ­lich wären wir begeis­tert, wenn unser neues Angebot im Laufe der Zeit noch mehr Unterstützer:innen findet. „Perspek­ti­visch soll unser Orang-Utan-Kaffee überall dort erhält­lich sein, wo es Kaffee zu kaufen gibt – auch in den Super­markt-Regalen“, so Daniel Merdes, Geschäfts­führer von BOS Deutschland.

Beni im BOS Bananenlager

„Unser Ziel ist, den Namen „Borneo Oran­gutan Survival“ auch dort zu verbreiten, wo man uns bisher noch nicht kennt. Immer verbunden mit der Botschaft: Gemeinsam für den Orang-Utan, gemeinsam für den Arten­schutz – und Du kannst ganz einfach und jeden Tag etwas dazu beitragen.“

Modell kommt gut an

Die Rück­mel­dungen auf unser Angebot sind bisher durchweg positiv. „Alle, die Kaffee schon bestellt haben, sind begeis­tert von der Idee, dass sie mit dem Genuss ihres tägli­chen Kaffees den Orang-Utans ihren Weg zurück in die Frei­heit ermög­li­chen,“ freut sich Anthony Barba. Lust auf BOS Kaffee? Bestellen Sie hier und bekommen Woche für Woche röst­fri­schen Kaffee in Ihr Büro oder direkt nach Hause gelie­fert: https://coffee.orangutan.de Gern können Sie auch vorab den Orang-Utan-Kaffee zum Probieren bei uns bestellen – einfach eine E‑Mail senden an [email protected].  

Hier können Sie den Orang-Utan-Kaffee direkt bestellen!

 

Der Weg zum Dschun­gel­camp ist voller Tücken

Der Weg zum Dschun­gel­camp ist voller Tücken

Um unsere ausge­wil­derten Orang-Utans im Auge zu behalten, arbeiten unsere Post-Release-Moni­to­ring-Teams tief im Regen­wald, weitab von Zivi­li­sa­tion und Infra­struktur. Die Camps regel­mäßig mit Proviant und Ausrüs­tung zu versorgen, ist logis­tisch sehr aufwändig. Wenn dann das Wetter nicht mitspielt, braucht es vor allem Impro­vi­sa­ti­ons­ta­lent, Erfah­rung – und Geduld.

Die Logistik ist eine Herausforderung

Das Mate­rial für beide Camps im Kehje Sewen Forest kommt aus unserem Standort im Muara Wahau District. Einmal im Monat macht sich das Versor­gungs­team auf den Weg, mit allem im Gepäck, was wichtig ist. Wenn alles glatt läuft, ist es ein rund vier­stün­diger Tripp vom Büro bis ins Nles Mamse Camp: Erst geht es über unbe­fes­tigte Straßen bis zu einem Fluss­ufer in der Nähe des Camps. Dort wartet dann zur verein­barten Zeit das Team aus dem Camp. Weil der Treff­punkt an der 67-Kilo­meter-Marke des Flusses liegt, wird die Anle­ge­stelle der Einfach­heit halber „Dermaga 67“ genannt. Vom Pier sind es mit dem Boot nur rund fünf Minuten bis zum Camp.

Eine Panne wirft den Zeit­plan extrem zurück

Der Wagen steckt im Schlamm fest
Der Wagen steckte im Schlamm fest

Aber nicht immer läuft alles reibungslos. Ende letzten Monats hatte der Last­wagen, mit dem wir die Vorräte aus Muara Wahau trans­por­tieren, eine Panne – es blieb einige hundert Meter vor dem Pier liegen. Die schwere Ladung, das Alter des Fahr­zeugs und die Schot­ter­piste hatten dazu geführt, dass die Radauf­hän­gung schwer beschä­digt war.

Weil es im Regen­wald meis­tens keinen Tele­fon­emp­fang gibt, konnte der Fahrer die Leute im Camp nicht infor­mieren. Als sie zum verein­barten Zeit­punkt am Pier ankamen, war von dem Trans­port­fahr­zeug weit und breit nichts zu sehen. Nach einiger Zeit machten sie sich auf den Weg in die Rich­tung, aus der der Wagen eigent­lich kommen sollte. Dann fanden sie den liegen­ge­blie­benen Last­wagen. Was tun?

Manchmal sind die prag­ma­tischsten Lösungen die besten

Obwohl die Fahrer sehr gute Mecha­niker sind, und oft auch sofort sagen können, was das Problem ist, bleibt es eine heraus­for­dernde Aufgabe, mitten im Regen­wald einen LKW zu repa­rieren. Die erste Inspek­tion ergab, dass es länger dauern würde, den Wagen wieder fahr­be­reit zu machen. Weil es schon später Nach­mittag war, entschied sich das Team für eine prag­ma­ti­sche Lösung: Die leich­teren Vorräte wie Lebens­mittel wurden geschul­tert und zu Fuß ins Camp gebracht. Alles, was zu schwer war, wurde in einer kleinen Hütte unter­ge­bracht, die manchmal als Durch­gangs­sta­tion genutzt werden. Und dann war es auch schon dunkel.

Die Lieferung musste zu Fuß transportiert werden
Die Liefe­rung musste zu Fuß trans­por­tiert werden

Der Last­wagen konnte dann am nächsten Tag mit vereinten Kräften und zusätz­li­chem Werk­zeug aus dem Camp repa­riert und das rest­liche Mate­rial abge­holt werden. Im Regen­wald wird es halt nie langweilig.

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Ausge­wil­derte Orang-Utans beginnen ihr neues Leben im Regenwald

Ausge­wil­derte Orang-Utans beginnen ihr neues Leben im Regenwald

Es ist einer der wich­tigsten Momente unserer Arbeit: Wenn sich die Trans­port­boxen öffnen, und die Orang-Utans ihr neues Leben im Regen­wald beginnen. So erging es auch den sieben Orang-Utans, die wir vor rund zwei Wochen im Bukut Baka Bukit Raya Natio­nal­park ausge­wil­dert haben. Nach einer mehr­tä­gigen Reise, die über unweg­same Stre­cken, kleine Dörfer und für die letzten sieben Stunden über Flüsse führte, wurden die Tiere eines nach dem anderen frei gelassen. Doch wie ging es dann weiter? Finden unsere Schütz­linge ausrei­chend Nahrung? Haben sie einen sicheren Schlaf? Leben sie sich gut ein?

Jeder Schritt wird dokumentiert

Wenn wir die Orang-Utans auswil­dern, bleibt immer ein kleines Post-Release-Moni­to­ring-Team zurück. Sie folgen den Spuren der “Neuen Wilden”, beob­achten sie in ihrem neuen Zuhause und doku­men­tieren jeden Schritt. Zumin­dest, wenn die Teams sie finden. Der kurz vor der Auswil­de­rung implan­tierte Chip hilft, die Tiere aufzu­spüren –  aller­dings ist die Reich­weite begrenzt. Ein wenig Glück gehört also auch dazu. Direkt nach der Auswil­de­rung ist das einfa­cher: Da heften sich die Teams gleich an die Fersen der Tiere und lassen sie möglichst nicht mehr aus den Augen. So auch dieses Mal. Und das Team konnte berichten, dass sich die Tiere gut im Regen­wald einleben. 

Suayap schlug sich erst mal den Bauch voll

Suayap
Suayap

Sobald ihr Käfig geöffnet wurde, klet­terte Suayap flott auf den nächsten Baum. Die Akti­vi­täten um sie herum konnten sie nicht aus der Ruhe bringen. Sie beob­ach­tete von ihrem sicheren Baum­sitz aus, wie das Auswil­de­rungs­team einen weiteren Käfig öffnete. Suayap, die 2006 aus Thai­land gerettet wurde, pflückte sich erst mal genüß­lich Feigen aus den Ästen, kaute auf Mahawai-Blät­tern rum und fing ein paar Termiten. Später näherte sie sich kurz Barlian und einem andere Orang-Utan und zog sich dann zurück. Als es dunkel wurde, baute sie in 25 Metern Höhe ihr Schlaf­nest, nicht weit von der Stelle entfernt, an der sie ausge­setzt wurde.

Barlian vertei­digte sein Revier

Barlian
Barlian

Barlian brauchte etwas mehr Zeit, um seine neue Umge­bung zu erkunden. Nachdem er einen Baum erklommen hatte, näherte er sich Suayap. Später kam noch ein weiterer, nicht ideti­fi­zier­barer Orang-Utan dazu, mit dem Barlian einen Kampf anfing. Doch er war noch sicht­lich von seiner Reise erschöpft. Barlian konnte die Rangelei nicht für sich entscheiden und ließ dann von dem Wider­sa­cher ab. Später stritt er sich noch mit Unggang. Doch kurz danach naschten die beiden in trauter Einig­keit von dem reichen Angebot an Wald­früchten. Für seine erste Nacht rich­tete sich Barilan ein altes Nest her, das nur etwa 100 Meter vom Punkt seiner Frei­las­sung entfernt lag. 

Reren suchte Kontakt zu den anderen

Reren
Reren

Reren wurde zusammen mit Darryl, Amber und Randy frei­ge­lassen. Die Gruppe blieb erst einmal zusammen und suchte gemeinsam Futter. Alle waren sehr hungrig, obwohl sie auch auf dem Trans­port vom Reha­bi­li­ta­ti­ons­zen­trum bis zum Auswil­de­rungsort immer wieder ausrei­chend zu trinken und zu essen bekommen hatten. Aber offenbar macht das Erleben von Frei­heit hungrig. Uns so ließ sich Reren leckeren Kondang, Feigen, wilde Ingwer­kerne und Farne schme­cken. Sie baute ihr Nest gleich neben Ambers Nest, etwa 250 Meter entfernt von der Stelle, an der die beiden Käfige geöffnet wurden.

Amber hat keine Lust mehr auf Menschen

Amber
Amber

Vom ersten Moment an, als ihr Käfig geöffnet wurde, verhielt sich Amber dem  Auswil­de­rungs­team gegen­über leicht aggressiv. Im Grunde ein gesundes Verhalten, denn die Tiere sollen ja ohne Menschen zurecht kommen. Einige Male wirkte es so, als würde sie dem Team richtig drohen. Doch dann entschied sie sich doch dazu, Reren zu folgen und erst einmal etwas zu essen. Auch sie ließ sich Kondang- und Sang­kuang-Früchte sowie Capilak-Blätter schme­cken. Am ersten Abend blieb sie mit Reren zusammen und baute ihr Nest in direkter Nach­bar­schaft zu ihr.

Unggang musste sich erst mal zurecht finden

Unggang
Unggang

Unggang klet­terte auf einen Kape­ning-Baum, nachdem er frei­ge­lassen wurde. Er brauchte eine ganze Weile, um sich zu orien­tieren und die Lage zu über­bli­cken. Dann fing er langsam an, Früchte vom Baum zu pflü­cken und nach Termiten zu angeln. Als es dunkel wurde, baute er sein Nest in 30 Meter Höhe, nur etwa 100 Meter von seinem Frei­las­sungsort entfernt.

Darryl rangelte spie­le­risch mit Randy

Darryl
Darryl

Nachdem sein Käfig geöffnet wurde, prüfte Darryl kurz seine Umge­bung, bevor er auf einen nahe gele­genen Baum klet­terte. In der Baum­krone ange­kommen begann er sofort damit, sich den Magen zu füllen. Auch er war nach der langen Reise offen­sicht­lich hungrig. Dann erspähte er Randy und die beiden star­teten eine freund­schaft­liche Verfol­gungs­jagd. Wenn sie sich erwischten, rangelten sie spie­le­risch mitein­ander, nur um dann wieder eine Verfol­gung durch die Bäume zu starten. Schließ­lich beschloss Darryl, sein Nacht­nest in der Nähe seines Frei­las­sungs­ortes zu bauen.

Randy zeigt artge­rechtes Verhalten

Randy
Randy

Randy zeigte deut­lich seinen Unmut über die Anwe­sen­heit des Teams, als sein Käfig geöffnet wurde. Mit aufge­stellten Haaren rannte er fix auf einen Baum und konnte sich erst nach einiger Zeit wieder beru­higen. Später erkun­dete er die Gegend, fraß Früchte und Blätter, spielte mit Darryl und baute schließ­lich sein Nacht­nest etwa 200 Meter von seinem Auswil­de­rungsort entfernt.

Wir sind zuver­sicht­lich, dass alle sieben Orang-Utans ein glück­li­ches und erfolg­rei­ches Leben in ihrer neuen Heimat, dem Bukit Baka Bukit Raya National Park, führen werden. Wir behalten sie im Auge…

Sie können etwas verän­dern und helfen, Orang-Utans zu retten: JETZT SPENDEN

 

Smarte Denker – ein Einblick in das intel­li­gente Verhalten von Orang-Utans

Smarte Denker – ein Einblick in das intel­li­gente Verhalten von Orang-Utans

Dass Orang-Utans sehr intel­li­gent, einfalls­reich und kreativ sind, kann jeder bestä­tigen, der ein biss­chen Zeit mit den rothaa­rigen Wald­men­schen verbracht hat. Doch wie klug sind Orang-Utans? Und wie kann man ihre Intel­li­genz erforschen?

Was ist eigent­lich Intelligenz?

Intel­li­genz ist ein viel­schich­tiger Begriff, der viele Fähig­keiten zusam­men­fasst. Eine schnelle Auffas­sungs­gabe und Infor­ma­ti­ons­ver­ar­bei­tung, die Fähig­keit schnell zu lernen, sich flexibel an neue Umwelt­be­din­gungen anzu­passen und logisch und effi­zient Probleme zu lösen sind nur einige davon. Doch wie erforscht man Intel­li­genz bei Tieren, die uns ja nicht durch verbale Sprache mitteilen können, was sie wahr­nehmen und denken? Hier sind Prima­to­logen und Kogni­ti­ons­bio­logen gefragt.

Von allen vier Menschen­affen, ist das Verhalten von Orang-Utans – neben dem von Gorillas, Bonobos und Schim­pansen – am schwie­rigsten in freier Wild­bahn zu erfor­schen. Das liegt vor allem daran, dass Orang-Utans im Gegen­satz zu den anderen Menschen­affen die meiste Zeit hoch oben im dichten Blät­ter­dach des Regen­waldes verbringen. Um mehr über ihre beson­deren Fähig­keiten zu erfahren, ist es daher neben der Frei­land­be­ob­ach­tung wichtig, ihr Verhalten auch unter kontrol­lierten Bedin­gungen zu beob­achten. Zum Beispiel, indem man sie mit einem neuen Problem konfron­tiert. Das ist für die Orang-Utans, die in Auffang­sta­tionen oder Zoos leben, eine will­kom­mene Abwechs­lung: So kommen Sie an beson­dere Lecke­reien, werden geistig geför­dert, und ihr Alltag wird berei­chert. Wir erhalten dadurch wich­tige Erkennt­nisse, um unsere nächsten Verwandten noch besser zu verstehen.

Orang-Utans benutzen Werk­zeuge, denken ökono­misch und treffen Entschei­dungen je nach Marktsituation.

In der Waldschule lernen die Tiere, Werkzeuge einzusetzen
In der Wald­schule lernen die Tiere, Werk­zeuge einzusetzen

Weniger als ein Prozent aller Tier­arten auf der Welt verwenden Werk­zeuge [1]. Da Werk­zeug­ge­brauch so extrem selten ist, wird er oft fälsch­li­cher­weise pauschal als intel­li­gent gewertet. Es gibt beispiels­weise Insekten, wie etwa Amei­sen­löwen, die Werk­zeuge nutzen. Jedoch ist ihr Verhalten ange­boren und stereotyp, wird also typi­scher­weise immer gleich­blei­bend in nur einer bestimmten Situa­tion eingesetzt.

Intel­li­genter Werk­zeug­ge­brauch erfor­dert die Fähig­keit, mehrere Infor­ma­ti­ons­ebenen zu inte­grieren, und das Verhalten schnell und flexibel an wech­selnde Situa­tionen anzu­passen. Und genau das können Orang-Utans. In meinen Studien haben wir heraus­ge­funden, dass Orang-Utans sorg­fältig zwischen sofort verfüg­barer Nahrung und Werk­zeug­ein­satz abwägen [2]. Wenn etwa das Futter in der Appa­ratur besser war als das sofort verfüg­bare Futter, wählten sie lieber das Werk­zeug und den damit verbun­denen Arbeits­ein­satz, um an den Lecker­bissen in der Appa­ratur zu gelangen. Dabei hinter­fragten die Tiere auch Details wie Quali­täts­un­ter­schiede beim Futter und ob ein bestimmtes Werk­zeug in der jewei­ligen Situa­tion über­haupt funk­tio­nieren könnte.

Padana nutzt einen Haken als Werkzeug
Versuch: Padana nutzt einen Haken als Werkzeug

Und das sogar wenn die Aufgabe immer komplexer und mehr­di­men­sio­naler wurde. In der freien Wild­bahn muss ein Orang-Utan auch ökono­mi­sche Entschei­dungen treffen. Beob­ach­tungen zeigen, dass Orang-Utans einen sehr guten Orien­tie­rungs­sinn haben und sich scheinbar merken können wann, wo, welche Früchte reif werden. Das ist beacht­lich, da Orang-Utans je nach Gebiet zwischen 100 bis zu über 300 verschie­dene Pflan­zen­arten und davon mehr als 150 verschie­dene Frucht­sorten fressen, von denen viele zu unter­schied­li­chen Zeiten reif werden [3, 4].

Was die Erfin­dung eines Haken­werk­zeuges betrifft, sind Orang-Utans auf dem Level von acht­jäh­rigen Kindern.

Orang-Utans können nicht nur Werk­zeuge gebrau­chen, sie stellen diese sogar selbst her. Doch sind sie auch in der Lage, ein neues Werk­zeug aus einem unbe­kannten Mate­rial und für ein noch nie zuvor ange­trof­fenes Problem erfinden? An dem soge­nannten ‘Haken­test‘ schei­tern sogar Kinder bis zu einem Alter von circa acht Jahren [5, 6]. Der  Test geht so: Ein mit einer Beloh­nung befülltes Körb­chen mit Henkel befindet sich  am Boden eines durch­sich­tigen Röhr­chens. Als einziges Hilfs­mittel gibt es eine Schnur und ein gerades Stück Draht. Um an die Beloh­nung zu gelangen, muss der Draht an einem Ende –  und zwar in einem bestimmten Winkel – zu einem Haken gebogen werden, während das rest­liche Stück gerade bleibt. Nun muss der Draht richtig herum einge­führt, der Haken in den Henkel einge­hängt und das Körb­chen vorsichtig nach oben gezogen werden. Oben ange­kommen wird es dann mit der anderen Hand entgegengenommen.

Padana zieht mit dem selbst gebogenen Haken ein Körbchen hoch
Padana zieht mit dem selbst gebo­genen Haken ein Körb­chen hoch

Da so viele unbe­lohnte Teil­schritte nötig sind, gilt der Versuch in der Verglei­chenden Psycho­logie als sehr schwierig. Da nicht bekannt war, ob Primaten in der Lage sind, dieses komplexe Problem zu lösen, entschied ich mich, diese Studie mit Orang-Utans durch­zu­führen. Mit Verblüf­fung und Freude wurde ich Zeuge, wie zwei der fünf Orang-Utans, Padana und Pini, inner­halb der ersten Minuten auf die Lösung kamen [7]. Die genaue Analyse ergab, dass sie dabei ziel­ori­en­tiert vorgingen. Sie bogen den Haken meis­tens direkt mit ihren Zähnen und dem Mund, während sie den Rest des Werk­zeugs gerade hielten. Danach führten sie es sofort richtig herum ein, hakten es in den Henkel ein und zogen das Körb­chen hoch. Inter­es­san­ter­weise verbes­serten sie das Werk­zeug­de­sign sogar in den folgenden Durch­gängen, da die Haken gegen Ende in einem stei­leren Winkel gebogen wurden als noch zu Beginn.
Diese Fähig­keit bei einem unserer nächsten Verwandten zu finden, ist erstaun­lich. In der mensch­li­chen Evolu­tion erscheinen Haken­werk­zeuge erst relativ spät. Erste archäo­lo­gi­sche Funde von Angel­haken und harpu­nen­ar­tigen, gekrümmten Objekten sind etwa 16.000 — 60.000 Jahre alt [8].

Verschiedene Haken als Werkzeug
Verschie­dene Haken als Werkzeug

Flexibel und schnell.

Wie flexibel und schnell die Orang-Utans aus dem Draht ein weiteres Werk­zeug herstellen können, zeigte sich in einer zweiten Aufgabe. Hier befand sich die Beloh­nung in der Mitte eines hori­zon­talen Röhr­chens. Um zu dem Futter zu gelangen, mussten die Tiere auf die Idee kommen ein um 90 Grad gebo­genes Draht­stück gerade zu biegen, um es als Stoß­werk­zeug zu benutzen. Auf diese Lösung kamen alle teil­neh­menden Orang-Utans [7].

Einfalls­reich und kreativ.

In anderen Studien wurden Orang-Utans mit einer Erdnuss konfron­tiert, die sich uner­reichbar tief in einer Röhre befand. Die Tiere spuckten spontan mehr­mals Wasser in das Gefäß. Dadurch hob sich der Wasser­spiegel, wobei die an der Ober­fläche schwim­mende Erdnuss immer höher beför­dert wurde, bis die Tiere sie schließ­lich greifen konnten. Dabei gingen sie immer ziel­stre­biger vor. Während sie beim ersten Mal noch knapp zehn Minuten benö­tigten, um auf die Idee zu kommen, brauchten sie beim letzten von zehn Durch­gängen nur noch wenige Sekunden [10, 11].

Gene­rell scheinen tech­ni­sche Intel­li­genz und die Fähig­keit neuar­tige Probleme zu lösen bei Orang-Utans stark ausge­prägt zu sein. In freier Wild­bahn lässt sich das zum Beispiel anhand der komplexen Nest­kon­struk­tionen beob­achten. Eine kürz­lich veröf­fent­lichte Studie hat die Schlaf­nester genauer unter­sucht. Dabei wurde fest­ge­stellt, dass Orang-Utans manchmal Äste von zwei oder sogar mehreren neben­ein­an­der­lie­genden Bäumen  zu einem Nest verknüpfen — ganz flexibel an die jewei­ligen Bedin­gungen ange­passt [9].

Planen Orang-Utans zukünf­tige Handlungsschritte?

Ob Menschen­affen für die Zukunft planen, wird immer noch disku­tiert [z.B. 12]. Dennoch gibt es mehrere Studien, die darauf hinweisen, dass Orang-Utans sowie andere Menschen­affen das passende Werk­zeug für eine zukünf­tige Anwen­dung auswählen, mit sich trans­por­tieren, um das Werk­zeug dann eine Stunde später oder sogar erst am nächsten Tag verwenden zu können [13, 14]. Inter­es­san­ter­weise entscheiden Orang-Utans, wenn sie die Wahl zwischen einer sofor­tigen Beloh­nung (einer wohl­schme­ckenden Traube) und mehreren unter­schied­li­chen Werk­zeugen haben, für das Werk­zeug, mit dem sie mehr als eine Stunde später an noch besser schme­ckenden Frucht­saft gelangen. Und dass, obwohl der Apparat während der Auswahl nicht sichtbar ist, das Werk­zeug in der Warte­zeit komplett funk­ti­onslos ist, und diese Wahl erst ganz am Ende zu Erfolg führt [14].

Ich bin davon über­zeugt, dass wir weiter darüber staunen werden, welche beson­deren Fähig­keiten diese außer­ge­wöhn­li­chen, so selten gewor­denen Tiere besitzen. Es gibt noch viel zu entdecken.

Eines unserer wich­tigsten Ziele ist es, mehr Regen­wald­flä­chen zu erwerben und zu Schutz­wald für unsere Orang-Utans umzu­wan­deln. Helfen auch Sie diesen faszi­nie­renden Lebens­raum und seine gewal­tige Arten­viel­falt zu erhalten und zu schützen. Werden auch Sie zum BOS-Unter­stützer. Mit ihrer Spende helfen sie den Orang-Utans und dem Regen­wald! Jeder Beitrag hilft.

Beitrag von Dr. Isabelle Laumer

Dr. Isabelle Laumer ist Primatologin und forscht über Orang-Utans
Dr. Isabelle Laumer ist Prima­to­login und forscht über Orang-Utans

Refe­renzen

1.    Biro D, Haslam M, Rutz C. (2013) Tool use as adapt­a­tion. Phil Trans R Soc B 368: 20120408.

2.    Laumer I.B., Auer­sperg A.M.I., Bugnyar T., Call J. (2019) Oran­gutans (Pongo abelii) make flexible decis­ions rela­tive to reward quality and tool func­tion­a­lity in a multi-dimen­sional tool-use task. PLoS One 14(2): e0211031.

3.    Galdikas, B. M. F. (1988). Oran­gutan diet, range and acti­vity at Tanjung Putting, Central Borneo. Inter­na­tional Journal of Prima­to­logy 9:1–35.

4.    Rijksen, H.D. (1978). A field Study of Suma­tran Oran­gutan (Pongo pygmaeus abelii Lesson 1827): Ecology, Beha­vior, and Conser­va­tion. Nether­lands: Veenan and Zonen.

5.    Cutting N, Apperly IA, Beck SR. (2011) Why do children lack the flexi­bi­lity to inno­vate tools? Journal of Expe­ri­mental Child Psycho­logy 109, 497–511.

6.    Cutting N., Apperly I.A., Chap­pell J., Beck, S.R. (2014) The puzzling diffi­culty of tool inno­va­tion: Why can´t children piece their know­ledge toge­ther? Journal of Expe­ri­mental Child Psycho­logy 125, 110–117.

7.    Laumer I.B., Call J., Bugnyar T., Auer­sperg A.M.I. (2018) Spon­ta­neous inno­va­tion of hook-bending and unben­ding in oran­gutans (Pongo abelii). Scien­tific Reports 8:16518

8.    Brad­field J., Choyke A.M. (2016) Bone tech­no­logy in Africa. Ency­clo­paedia of the History of Science, Tech­no­logy, and Medi­cine in Non-Western Cultures. 10.1007/978–94-007‑3934-5_8476‑2

9.    Didik Prasetyo, Sri Suci Utami, Jatna Supri­jatna (2012) Nest struc­tures in Bornean oran­gutans. Journal Biologi Indo­nesia 8 (2): 217–227.

10.    Mendes N., Hanus D., Call J. (2007) Raising the level: oran­gutans use water as a tool. Biology Letters 3, 453–455.

11.    DeLong C.M., Burnett C. (2020) Bornean Oran­gutans (Pongo pygmaeus pygmaeus) use water as a tool in the floa­ting object task. Animal Beha­vior and Cogni­tion, 7(3):327–342.

12.    Sudden­dorf T, Corballis MC, Collier-Baker E. (2009) How great is great ape fore­sight? Anim. Cogn. 12, 751–754.

13.    Mulcahy N., Call J. (2006) Apes Save Tools for Future Use. Science: 1038–1040.

14.    Osvath M., Osvath H. (2008) Chim­panzee (Pan troglo­dytes) and oran­gutan (Pongo abelii) forethought: self-control and pre-expe­ri­ence in the face of future tool use Animal Cogni­tion 11:661–674.