Die biolo­gi­sche Viel­falt bis spätes­tens 2030 auf dem Weg der Erho­lung? 15. Arten­schutz­kon­fe­renz in Kunming

Erstaun­li­cher­weise ist die dies­jäh­rige Arten­schutz­kon­fe­renz zumin­dest in den deut­schen Medien unter­gangen. Offen­sicht­lich sind Koali­ti­ons­spe­ku­la­tionen von größerem Inter­esse als die Zukunft der welt­weiten Biodi­ver­sität. Als hätte Covid-19 als Warn­schuss nicht stattgefunden. 

Gleich­zeitig fühlten sich viele Dele­gierte der sog. Entwick­lungs­länder vernach­läs­sigt und konnten während des zwei­tä­gigen hoch­ran­gigen Diskurses nicht recht­zeitig spre­chen, wiederum aufgrund tech­ni­scher Probleme. Dies war eine weitere Erin­ne­rung an die unaus­ge­wo­genen Ergeb­nisse der globalen Entwicklung.

Die Verhand­lungs­führer haben nun nur noch sieben Monate bis zum zweiten und letzten Teil des Tref­fens Zeit, und es mangelt nicht an Meinungs­ver­schie­den­heiten, insbe­son­dere in Bezug auf Finan­zie­rung und Umset­zung. In der in der vergan­genen Woche veröf­fent­lichten Kunming-Erklä­rung fassten die Unter­zeichner ihre Absicht zusammen, “dass die biolo­gi­sche Viel­falt bis spätes­tens 2030 auf den Weg der Erho­lung gebracht wird”. Es bleibt jedoch unklar, ob sie dazu in der Lage sein werden.

 

Schwie­rige Themen

Ziel der ersten Sitzung des Tref­fens war es, neue poli­ti­sche Ambi­tionen zu schaffen, anstatt in echte Verhand­lungen einzu­steigen. Die Dele­gierten bekräf­tigten daher ihre bestehenden Positionen.

Die Idee, bis 2030 30 Prozent des Landes und der Meere der Erde unter Schutz zu stellen – bekannt als das „30×30× Ziel“ wurde während der ersten Sitzung häufig erwähnt: Mehr aber noch nicht.

Eine Bewer­tung von IPBES (Inter­go­vern­mental Science-Policy Plat­form on Biodi­ver­sity and Ecosystem Services) aus dem Jahr 2019 ergab, dass nur 15 Prozent der globalen Land- und Süßwas­ser­flä­chen und 7 Prozent der Meeres­ge­biete geschützt sind. Obwohl einige Parteien das 30-Prozent-Ziel ange­sichts der aktu­ellen Fort­schritte für zu radikal halten, tauchte die auffäl­lige Zahl immer noch im Entwurf der Rahmen­ver­hand­lungen auf — eine seltene Demons­tra­tion von Ehrgeiz. Aller­dings sind sich nicht alle einig, was diese 30 Prozent bedeuten sollen.

  1. 30 Prozent von was genau? Von der gesamten Ober­fläche der Welt? Oder müssen es sowohl 30 Prozent des Landes als auch 30 Prozent des Ozeans sein? Oder würde jedes Land 30 Prozent seines Terri­to­riums schützen? Der Entwurf in seiner jetzigen Form ist schlichtweg unklar. Beson­ders umstritten ist die Idee, 30 Prozent des Ozeans zu schützen, was andere multi­la­te­rale Prozesse in die Länge ziehen würde. Wenn Fragen rund um Schutz­ge­biete auf hoher See nicht im Rahmen des Seerechts­über­ein­kom­mens der Vereinten Nationen (UNCLOS) gelöst werden können, wäre das Ziel nicht möglich.

 

  1. Was für 30 Prozent? Einige Länder befürchten, dass eine Fokus­sie­rung auf Quan­tität über Qualität zum Schutz von Gebieten mit geringem Erhal­tungs­wert führen wird, nur um die Zahlen zu bilden. Doch wie sollten Quali­täts­ziele fest­ge­legt werden? Der Rahmen­ent­wurf sagt das nicht. Ein weiteres Problem ist, dass Reser­vate in der Vergan­gen­heit meist funk­tio­niert haben, indem sie mensch­liche Akti­vi­täten ausge­schlossen haben.

Das 30×30 Ziel würde die Auswei­tung von Schutz­ge­bieten vorsehen, und es gibt Bedenken, dass dies die Rechte indi­gener Völker und lokaler Gemein­schaften, die gerade in Regionen mit beson­derer biolo­gi­scher Viel­falt leben, beein­träch­tigen könnte. Einige NGOs sind daher ambi­va­lent oder sogar gegen das Ziel. 

 

Finan­zie­rung und Umsetzung

Der Rahmen­ent­wurf weist auf eine jähr­liche Finan­zie­rungs­lücke von 700 Milli­arden US-Dollar hin. Woher soll dieses Geld kommen? Alle reden gerne über den Ausbau der Finan­zie­rungs­quellen, die Nutzung nicht­staat­li­cher Akteure und insbe­son­dere des Privat­sek­tors, aber die sog Entwick­lungs­länder sind sich darüber im Klaren, dass sie mehr Geld von den Regie­rungen der Indus­trie­länder sehen wollen — da dies die zuver­läs­sigste Finan­zie­rungs­quelle ist.

Bei der Abschluss­ze­re­monie betonte die Afri­ka­ni­sche Gruppe erneut die Notwen­dig­keit eines spezi­ellen Biodi­ver­si­täts­fonds sowie die Bedeu­tung von Tech­no­lo­gie­transfer und Kapa­zi­täts­aufbau. Die Latein­ame­rika- und Kari­bik­gruppe warnte, dass zwei Jahre der Pandemie zu einem beispiel­losen Mangel an Mitteln geführt hätten, was die Erfül­lung von Verpflich­tungen schwierig mache. “Eine echte Verpflich­tung zur Bereit­stel­lung von Ressourcen ist eine der wich­tigsten Ände­rungen, die vorge­nommen werden müssen, wenn wir die aktu­elle Biodi­ver­si­täts­krise stoppen und umkehren wollen”, sagt die Gruppe.

Die EU und andere Indus­trie­länder hielten an ihrer bestehenden Haltung fest: Es müssen mehr private Mittel mobi­li­siert werden, und Hilfs­gelder dürfen nicht in schäd­liche Subven­tionen fließen. Im vergan­genen Jahr veröf­fent­lichten das Paulson Insti­tute und andere inter­na­tio­nale Orga­ni­sa­tionen einen Bericht über die Finan­zie­rung der biolo­gi­schen Viel­falt und stellten fest, dass die Umlei­tung von Agrar‑, Forst- und Fische­rei­sub­ven­tionen, die der Biodi­ver­sität schaden, fast 300 Milli­arden US-Dollar frei­setzten würden. Wir kennen diese Gegen­rech­nungen bereits von unserer klima­schäd­li­chen Subven­ti­ons­po­litik. Ein Thema, was in der Bundes­tags­wahl leider auch viel zu kurz kam und in den aktu­ellen Koali­ti­ons­ver­hand­lungen nicht statt­findet. Nun auch keine Verspre­chen in Kunming. Die NGOs werden es schon richten? 

Dagegen hat der fran­zö­si­sche Präsi­dent Emanuel Macron wiederum 30 Prozent der Klima­fi­nan­zie­rung des Landes für die biolo­gi­sche Viel­falt zuge­sagt, und Groß­bri­tan­nien versprach, dass ein großer Teil seiner zusätz­li­chen Klima­fi­nan­zie­rung für die biolo­gi­sche Viel­falt ausge­geben würde. Trotzdem bleibt dies eine Umver­tei­lung von Klima­schutz­mit­teln und kein Verspre­chen von neuem Geld.

 

Chinas wich­tige Rolle

Chinas Rolle als Gast­geber ist mit hohen Erwar­tungen verbunden. Auf einer Pres­se­kon­fe­renz zum Ende der ersten Phase der COP15 fragte ein deut­scher Reporter Huang Runqiu, Vorsit­zender der Konfe­renz und Chinas Umwelt­mi­nister, ob sich China zum 30×30 Ziel verpflichten wolle. Huang gab keine endgül­tige Antwort, deutete aber an, dass China als Gast­geber daran arbeiten werde, einen Konsens zu errei­chen und ehrgei­zige Ziele zu erreichen. 

Dies ist das erste Mal, dass einer der führenden Poli­tiker Chinas dies ausdrück­lich betont, und es ist ein äußerst wich­tiger Schritt im Kontext globaler Maßnahmen für die biolo­gi­sche Viel­falt. China hat auch die globale Biodi­ver­si­täts-Gover­nance außer­halb der Konfe­renz geför­dert, zum Beispiel in bila­te­ralen Part­ner­schaften. Während des hoch­ran­gigen Umwelt- und Klima­dia­logs zwischen China und der EU kamen beide Seiten überein, die welt­weite Entwal­dung zu redu­zieren, indem sie die Zusam­men­ar­beit bei der Erhal­tung und nach­hal­tigen Bewirt­schaf­tung von Wäldern, der Nach­hal­tig­keit der Liefer­kette und der Bekämp­fung des ille­galen Holz­ein­schlags und des damit verbun­denen Handels verstärken.

Das heißt analog zur inter­na­tio­nalen Klima­de­batte, wird auch der globale Biodi­ver­si­täts­schutz von China abhängig sein. Die inter­na­tio­nale Staa­ten­ge­mein­schaft ist sich dessen bewusst, während wir noch über mögliche Finanz­mi­nister diskutieren. 

Vogel? Schlange? Nein — ein orien­ta­li­scher Schlangenhalsvogel

In den Regen­wäl­dern dieser Erde leben unend­lich viele Arten. Viele sind noch unent­deckt, andere kennen wir. Sie in freier Wild­bahn beob­achten zu können, ist dennoch oft ein Glücks­fall:  Daten über ihre Ernäh­rung und Nahrungs­be­schaf­fung, Paarungs­ver­halten und Entwick­lung der Popu­la­tion bringen immer wieder neue Erkennt­nisse für die Wissen­schaft. Auch unsere Moni­to­ring-Teams treffen bei ihren Touren durch die Wälder Borneos immer wieder auf viele span­nende Tiere. Heute: der orien­ta­li­sche Schlangenhalsvogel.

Fried­liche Gemein­schaft mit den Orang-Utans

Der orien­ta­li­sche Schlan­gen­hals­vogel (Anhinga mela­no­gaster) kommt in verschie­denen Teilen Asiens vor, so auch auf der Insel Juq Kehje Seven in Ostka­li­mantan. Sie liegt etwa 10 Kilo­meter vom Rand des Kehje Seven Waldes entfernt und ist eine 82,84 Hektar große, von Menschen­hand geschaf­fene bewal­dete Insel. Hier bringen wir unsere Orang-Utans hin, wenn sie kurz vor ihrer Auswil­de­rung sind. Wir nennen die Insel auch „Wald­uni­ver­sität“:  Nach Wald­kin­der­karten und Wald­schule müssen die Tiere hier unter Beweis stellen, dass sie im Regen­wald ohne mensch­liche Unter­stüt­zung über­leben können. Unser Moni­to­ring-Team ist regel­mäßig hier, um sich ein Bild zu machen. Dabei sammeln sie auch Erkennt­nisse über die Tiere in der Nachbarschaft.

Auf den Beute­fang perfektioniert

Der Orien­ta­li­sche Schlan­gen­hals­vogel hat einen langen, schlanken Hals, der über die Wasser­ober­fläche hinaus­ragt. Beim Schwimmen verleiht ihm das ein schlan­gen­ähn­li­ches Aussehen. Der Vogel ernährt sich haupt­säch­lich von Fischen, aber auch von verschie­denen Frosch- und Molch­arten. Davon gibt es in den Gewäs­sern rund um Juq Kehje Seven reich­lich! Das Tier ist perfekt an seine Umge­bung ange­passt. So hat er beispiels­weise Schwimm­füße, die ihn zu einem ausge­zeich­neten Jäger und Taucher machen. Die einzig­ar­tige Krüm­mung seiner Hals­wirbel ermög­licht es ihm, seinen Hals wie in Z zu knicken und ruck­artig zu stre­cken. Das kommt ihm beim Jagen zugute: Sobald er seine Beute erspäht, stößt er mit seinem über acht Zenti­meter 87 mm langen Schnabel zu.

Flügel trocknen in der Sonne

Im Gegen­satz zu anderen Wasser­vö­geln wie Enten und Gänsen bilden die Federn des Orien­ta­li­schen Schlan­gen­vo­gels keinen wasser­dichten Schutz. Das macht es ihm zwar leichter zu tauchen, bedeutet aber auch, dass er in der Sonne trocknen muss, bevor er wieder fliegen kann. Das ist der Zeit­punkt, an dem unsere Team­mit­glieder den Orien­ta­li­schen Schlan­gen­hals­vogel am häufigsten sehen: Wenn er sich hoch in den Bäumen auf Ästen sitzend sonnt und die Flügel zum Trocknen ausstreckt. Die Flügel­spann­weite eines erwach­senen Vogels kann übri­gens bis zu 128 cm betragen.

Zerstö­rung der Lebens­räume bedroht die Art

Die Inter­na­tional Union for the Conser­va­tion of Nature (IUCN) stuft diesen Feucht­ge­biets­vogel auf ihrer Roten Liste als “nahezu bedrohte” Art ein. Die Haupt­gründe dafür sind die Umwand­lung von Regen­wäl­dern in Nutz­flä­chen, die Zerstö­rung von Wasser­flä­chen, Umwelt­ver­schmut­zung, die Beja­gung von Altvö­geln und der Dieb­stahl von Eiern.

Wir hoffen, dass „unsere“ Schlan­gen­hals­vögel in der Umge­bung von Juq Kehje Swen zum Schutz dieses einzig­ar­tigen Wasser­vo­gels beitragen können. Helfen auch Sie, diesen faszi­nie­renden Lebens­raum und seine gewal­tige Arten­viel­falt zu erhalten und zu schützen. Jeder Beitrag hilft.

 

Wie geht es weiter mit dem Palmöl? — Verlän­ge­rung des Mora­to­riums gefordert

Wie geht es weiter mit dem Palmöl? — Verlän­ge­rung des Mora­to­riums gefordert

Vor rund drei Jahren trat in Indo­ne­sien ein Palmöl-Mora­to­rium in Kraft, das die Vergabe von Lizenzen für Palm­öl­plan­tagen regelt. Die indo­ne­si­sche Regie­rung reagierte damit auf den massiven Verlust von Wäldern und Torf­ge­bieten in den Jahren davor – verur­sacht durch groß­flä­chige Wald­brände und die Rodung und Umwand­lung der Flächen in Palm­öl­plan­tagen. Das Mora­to­rium sollte helfen, die Vergabe von Konzes­sionen neu zu bewerten und zu regeln. 

Am 19. September 2021 lief das Mora­to­rium aus. Umwelt- und Naturschützer:innen und Vertreter:innen der Regie­rung setzen sich nun dafür ein, dass es verlän­gert wird. Noch hält sich die Regie­rung mit einer offi­zi­ellen Entschei­dung zurück – es heißt, es werde noch evalu­iert, ob das Mora­to­rium den gewünschten Effekt hat.

Lang­fris­tige Perspek­tive nötig

Indo­ne­sien ist der größte Produ­zent und Expor­teuer von Palmöl welt­weit. Über die Hälfte des pflanz­li­chen Öls wird expor­tiert und ist damit das zweit­wich­tigste Exportgut für die indo­ne­si­sche Wirt­schaft. Doch die Regu­lie­rung und Kontrolle des Palm­öl­sek­tors war schon immer eine große Heraus­for­de­rung: Die unkon­trol­lierte Zerstö­rung von Regen­wäl­dern und Torf­mooren, eska­lie­rende Konflikte um die Land­ver­tei­lung und Verstöße gegen die Rechte von Arbeiter:innen stehen auf der Tages­ord­nung. Das Mora­to­rium sollte da eine Art Atem­pause verschaffen, den gesamten Markt zu evalu­ieren und neue Bedin­gungen für den Anbau von Palmöl zu defi­nieren. Dabei geht es auch darum, perspek­ti­visch die Produk­ti­vität auf den Plan­tagen zu erhöhen und Klein­bäue­rinnen und Klein­bauern bei ihrer Arbeit zu unter­stützen. Seit seinem Inkraft­treten wurden keine neuen Konzes­sionen zum Anlegen von Palm­öl­plan­tagen mehr vergeben.

Ölpalmenfruchtstände
Ölpalmenfruchtstände

Erste Verbes­se­rungen spürbar

Seit Inkraft­treten des Mora­to­riums hat sich die Situa­tion in den Regen­wäl­dern Indo­ne­siens in einigen Berei­chen verbes­sert. So wurde in den vergan­genen Jahren vergleichs­weise wenig Primär­wald zerstört. Auch die seit Beginn des Mora­to­riums statt­fin­dende syste­ma­ti­sche Erhe­bung von Daten rund um Ölpalm­plan­tagen und Konzes­si­ons­ge­biete zeigt bereits erste Erfolge. Die Daten bieten eine wich­tige Grund­lage, um die Einhal­tung der Vorgaben zu kontrollieren. 

Auch im inter­na­tio­nalen Ansehen hat Indo­ne­sien durch das Mora­to­rium gewonnen. Denn: Die Entwal­dung gilt als Haupt­quelle der Treib­hau­se­mis­sionen. Der offi­ziell verkün­dete Stopp vor drei Jahren hilft dem Land, die ange­strebten Klima­ziele zu errei­chen. Davon profi­tiert auch die Wirt­schaft. Viele inter­na­tio­nale Inves­toren und Unter­nehmen verfolgen inzwi­schen eine „Null-Entwal­dungs­po­litik“ oder inves­tieren nur, wenn gewähr­leistet ist, dass keine Entwal­dung, kein Torf­abbau und keine Ausbeu­tung erfolgt.

Heraus­for­de­rungen bleiben

Alle Probleme sind damit noch lange nicht gelöst. Von vielen wird das Mora­to­rium als unzu­rei­chend für den Schutz von Wäldern und Torf­ge­bieten bewertet – zu viele Schlupf­lö­cher und fehlende oder wenig wirk­same Sank­tionen, setzen dem nach wie vor statt­fin­denden ille­galen Abholzen zu wenig entgegen. Und die lokalen Regie­rungen auf Provinz- und Distrikt­ebene haben oft wenig Möglich­keiten, Verstöße konse­quent zu verfolgen.

Eine Verlän­ge­rung des Mora­to­riums – im Ideal­fall unbe­fristet – würde der Regie­rung und anderen Akteuren mehr Zeit geben, die notwen­digen Schritte anzu­gehen. Dazu zählt auch der Umgang mit ille­galen Plan­tagen in Wald­ge­bieten – geschätzt um die 3,37 Millionen Hektar.

Palmölfrüchte
Palmölfrüchte

Mora­to­rium verschafft notwen­dige Zeit

Unser Fazit: Die Zeit des Mora­to­riums wurde gut genutzt. Viele klei­nere und größere Erfolge zeigen ihre Wirkung. Doch die ange­sto­ßenen Prozesse sind noch nicht abge­schlossen. Sollte das Mora­to­rium tatsäch­lich nicht verlän­gert werden, könnte dies für mehrere Millionen Hektar Regen­wald und Torf­moore ihr defi­ni­tives Ende bedeuten. Vor allem die Regen­wälder, die schon für indus­tri­elle Zwecke iden­ti­fi­ziert wurden, aber aufgrund des Mora­to­riums seit 2018 nicht gerodet werden durften. Wälder voller Arten­reichtum und Leben.

Schät­zungen zufolge leben etwa 20 Prozent aller Orang-Utans auf Borneo in diesen für den Ölpal­men­anbau vorge­sehen Gebieten. Mit dem Abholzen ihres Lebens­raumes verlieren sie nicht nur ihr Zuhause – in den meisten Fällen bedeutet der Verlust des Regen­waldes ihren sicheren Tod.

Umweltschützer:innen sowie einige indo­ne­si­sche Regierungsmitarbeiter:innen aus dem Umwelt- und Forst­mi­nis­te­rium sowie aus dem Land­wirt­schafts­mi­nis­te­rium fordern die Verlän­ge­rung des Verbots von neuen Palm­öl­kon­zes­sionen. Am besten unbe­fristet. Wir von BOS Deutsch­land schließen uns dieser Forde­rung an. Damit die Orang-Utans über­leben und ihr Lebens­raum bleibt. 

 

Die Beschützer und Gärtner des Regenwaldes

Die Beschützer und Gärtner des Regenwaldes

Orang-Utan-Schutz ist Arten- und Biodi­ver­si­täts­schutz. Doch warum gelten Orang-Utans als die Beschützer und Gärtner des Regen­waldes? Borneo ist ein Hotspot der Biodi­ver­sität. Hoher Arten­reichtum lässt sich beson­ders in der Nähe des Äqua­tors beob­achten. Wenn man die Erde betrachtet, so nimmt die Anzahl der Tier-und Pflan­zen­arten von den beiden Polen zum Äquator hin zu. Doch was macht die Äqua­tor­ge­biete so beson­ders? Im Gegen­satz zu arten­armen, von extremen Wetter­be­din­gungen geprägten Gegenden, wie Wüsten oder vereisten Gebieten, herr­schen in den Tropen­wäl­dern der Äqua­tor­ge­gend ganz­jährig relativ hohe Tempe­ra­turen. Dazu eine hohe Luft­feuchte und starke Nieder­schläge. Diese Bedin­gungen ermög­li­chen die Entste­hung von tropi­schen Regen­wäl­dern – dem soge­nannten Tropen­gürtel. Schät­zungen zufolge kommen in den Tropen­wäl­dern zwei Drittel aller auf der Erde lebenden Tier- und Pflan­zen­arten vor.

Ökosystem Regenwald

Der tropi­sche Regen­wald, die grüne Lunge der Erde, ist eine der letzten Zufluchts­stätten der Arten­viel­falt und spielt eine zentrale Rolle für das Ökosystem und unser Klima. Durch das faszi­nie­rende Zusam­men­spiel jedes einzelnen Teiles — von der kleinsten Mikrobe bis zu den größten Tieren wie Orang-Utan — wird ein empfind­li­ches Gleich­ge­wicht herge­stellt. Jedes Glied im Ökosystem Regen­wald ist wichtig, um die natür­liche Balance zu erhalten.

Orang-Utans sind Baumbewohner
Orang-Utans sind Baumbewohner

Je komplexer ein Lebens­raum struk­tu­riert ist, umso mehr ökolo­gi­sche Nischen für Pflanzen und Tiere sind vorhanden. Ein intakter Regen­wald besteht aus mehreren Schichten. Die oberste Schicht ist das Kronen­dach in rund 15 bis 45 Metern Höhe. Aus ihr ragen soge­nannte „Über­ständer“. Das sind Urwald­riesen, deren Stämme einen Durch­messer von mehreren Metern und eine Höhe von bis zu 60 Metern errei­chen können. Doch es geht noch höher. Im Regen­wald des Danum-Tals auf Borneo gibt es ein Gebiet, in dem einige der höchsten Bäume der Welt stehen – Der neue Welt­re­kord­halter unter den Regen­wald­bäumen (Stand 2019) ist ein Gelber Meran­ti­baum (Shorea fague­tiana) mit 100,8 Meter Höhe (1)!

Das dichte Kronen­dach schließt die Feuch­tig­keit unter sich ein. Die Stämme der Regen­wald­bäume sind daher aufgrund der hohen Luft­feuch­tig­keit von Epiphyten (Aufsit­zer­pflanzen), wie verschie­dene Brome­lien- oder Orchi­deen­arten, Lianen und Moosen bewachsen.
Das Blät­ter­dach ist so dicht, dass es nur relativ wenig Licht durch­lässt. Daher ist es darunter relativ wind­still und dämmrig. Nur ca. 1–2 % des Lichts erreicht den Boden, der mit Farnen, Pilzen und Blüten­pflanzen bewachsen ist. Junge Bäume können erst empor­wachsen, wenn eine Lücke im Blät­ter­dach entsteht und somit genug Licht zum Boden hin strahlt.

Gärtner des Regenwaldes

Orang-Utan heißt aus dem malai­ischen über­setzt „Mensch des Waldes“ – und diesen Namen haben sie nicht von unge­fähr. Orang-Utans verbringen die meiste Zeit hoch oben in den Bäumen. Wenn sich ein Orang-Utan fort­be­wegt, so bricht er dabei oft nebenbei morsche Äste von den Bäumen. Denn nur stabile Äste können, die bis zu 90kg schweren roten Menschen­affen sicher tragen. Auch der oft tägliche Bau ihrer Schlaf­nester hat einen posi­tiven Neben­ef­fekt. Das Abbre­chen der Äste als Bett­ma­te­rial reißt ein Loch in das Blät­ter­dach und bewirkt, dass auch die Boden­schicht nun mit Licht durch­flutet wird. So können junge Bäume schneller hoch­wachsen und einen Platz an der Sonne erreichen.

Orang-Utans bauen täglich ein neues Schlafnest
Orang-Utans bauen täglich ein neues Schlafnest

Da sich Orang-Utans haupt­säch­lich von Früchten ernähren und relativ große Reviere haben, tragen sie einen maßgeb­li­chen Teil zur Samen­ver­brei­tung bei. Stein­früchte, wie z.B. Mangos, werden oft mitsamt den Kernen verspeist (keine Sorge – die im Wald vorkom­menden Mango Arten sind nicht so groß wie die Kulturm­angos, die es bei uns zu kaufen gibt!). Nach der Darm­pas­sage landen die Kerne dann schließ­lich am Regen­wald­boden und können dort zu keimen beginnen. So tragen Orang-Utans sogar zur Wieder­auf­fors­tung des Regen­waldes bei.

Beschützer des Waldes

Orang-Utans gelten als „Umbrella species“ (Schirmart). Damit ist gemeint, dass durch den Schutz ihres Lebens­raumes auch auto­ma­tisch zahl­reiche andere Tier- und Pflan­zen­arten geschützt werden. Tiere, die in manchen Verbrei­tungs­ge­bieten der Orang-Utans zu finden sind, sind unter anderem:
—    der vom Aussterben bedrohte Nebel­parder (laut IUCN, der Roten Liste der gefähr­deten Tier­arten, ist die Groß­katze als gefährdet einge­stuft (2)),
—    der Borneo Zwerg­ele­fant (in einer Schät­zung von 2010 kam man auf nur noch ca. 2000 Tiere (3)),
—    verschie­dene klei­nere Prima­ten­arten wie der Borneo Gibbon (Status: gefährdet (4)),
—    Nashorn­vögel (Status: gefährdet (5)) und
—    Malai­en­bären (Status: gefährdet (6)).

Das Sumatra Nashorn, das kleinste und haarigste Nashorn der Welt, hat es leider nicht geschafft: Es gilt seit 2019 auf Borneo als ausge­storben. Des Weiteren werden indi­rekt auch eine große Anzahl von bedrohten Repti­li­en­arten, wie verschie­dene Geckos und Frösche, Vögel und andere Tier- und seltene ende­mi­sche Pflan­zen­arten, die nur in den Regen­wäl­dern Borneos vorkommen, geschützt. Das die roten Menschen­affen große Wald­ge­biete zum Über­leben benö­tigen, und es daher nötig ist, große Wald­flä­chen zu Schutz­wald umzu­wan­deln, ist für den Biodi­ver­si­täts­schutz von Vorteil.

Orang-Utan Schutz ist auch Klimaschutz

Beson­ders in den verblei­benden Moor­wälder auf Borneo sind enorme Mengen an Kohlen­stoff­di­oxid gebunden. Die Moor­wälder zu erhalten, ist daher wichtig, um der voran­schrei­tenden Klima­er­wär­mung gegen­zu­steuern und eines der letzten Verbrei­tungs­ge­biete der Orang-Utans zu erhalten.

Zahlen und Fakten

Im Jahr 2016 wurde der Borneo Orang-Utan von der IUCN (Inter­na­tional Union for Conser­va­tion of Nature) als “vom Aussterben bedroht” einge­stuft (zuvor “gefährdet”). Es wird geschätzt, dass die Popu­la­tion über drei Gene­ra­tionen hinweg um mehr als 75 Prozent zurück­ge­gangen ist (7). Haupt­gründe sind der schwin­dende Lebens­raum und die Beja­gung. Fast 90 % der Land­fläche von Indo­ne­sien waren bis vor kurzem noch von tropi­schem Regen­wald bedeckt. Von 1880 bis 1980 verlor Indo­ne­sien bereits 25 % seiner Wald­flä­chen (8). Die Entwal­dung schreitet unglaub­lich schnell voran – mit schlimmen Folgen für die Orang-Utans und die Arten­viel­falt auf Borneo. Hier sind zwei Karten von Borneo aus dem Jahr 2016, die im Wissen­schafts­ma­gazin Scien­tific Reports (9) veröf­fent­licht wurden.

Entwicklung der Entwaldung auf Borneo
Entwick­lung der Entwal­dung auf Borneo

In der linken Grafik sieht man, wie die Entwal­dung auf Borneo im Zeit­raum von 1973 bis Dezember 2015 alar­mie­rend schnell voran­schreitet. Dunkel­grüne Bereiche zeigen die zu diesem Zeit­punkt noch intakten Wälder an. In der rechten Grafik ist die Errich­tung neuer Palm­öl­plan­tagen ab 1970 darge­stellt. Rote und pinke Bereiche sind Plan­tagen, die erst kürz­lich, in den Jahren von 2010 bis 2015, errichtet wurden. Daraus wird deut­lich, wie stark die Palm­öl­in­dus­trie — und damit die Lebens­raum­zer­stö­rung — in den letzten Jahren zuge­nommen hat.

Mehr als 100.000 Borneo Orang-Utans sind zwischen 1999 und 2015 verschwunden (Voigt et al., 2018, Fach­zeit­schrift Current Biology 10). Leider sind nur ca. 20% des Regen­waldes in Sabah, im Norden Borneos, und ca. 80% des Regen­waldes in Kali­mantan, Zentral­borneo, geschützt (11). Aber es ist noch nicht zu spät, diese beson­deren und einzig­ar­tigen Tiere zu retten und vor dem Aussterben zu bewahren.

Eines unserer wich­tigsten Ziele ist es, mehr Regen­wald­flä­chen zu erwerben, und zu Schutz­wald für unsere Orang-Utans und andere seltene Tiere umzu­wan­deln. Helfen auch Sie, diesen faszi­nie­renden Lebens­raum und seine gewal­tige Arten­viel­falt zu erhalten und zu schützen. Jeder Beitrag hilft.

Refe­renzen:

1.    Shenkin A, Chandler CJ, Boyd DS, Jackson T, Disney M, Majalap N, Nilus R, Foody G, bin Jami J, Reynolds G, Wilkes P, Cutler MEJ, van der Heijden GMF, Burslem DFRP, Coomes DA, Bentley LP and Malhi Y (2019) The World’s Tallest Tropical Tree in Three Dimen­sions. Front. For. Glob. Change 2:32.

2.    Hearn, A., Ross, J., Brodie, J., Cheyne, S., Haidir, I.A., Loken, B., Mathai, J., Wilting, A. & McCarthy, J. (2015). Sunda clouded leopard, Neofelis diardi (errata version published in 2016). The IUCN Red List of Threa­tened Species 2015: e.T136603A97212874.

3.    Alfred R, Ahmad AH, Payne J, Williams C & Ambu L (2010) Density and popu­la­tion esti­ma­tion of the Bornean elephants (Elephas maximus borneensis) in Sabah. OnLine Journal of Biolo­gical Sciences 10: 92–102.

4.    Marshall, A.J., Nijman, V. & Cheyne, S.M. 2020. Bornean Gibbon, Hylo­bates muel­leri. The IUCN Red List of Threa­tened Species 2020: e.T39888A17990934.

5.    Bird­Life Inter­na­tional. (2020). Rhino­ceros horn­bill, Buceros rhino­ceros. The IUCN Red List of Threa­tened Species 2020: e.T22682450A184960407.

6.    Scotson, L., Fred­riksson, G., Augeri, D., Cheah, C., Ngopra­sert, D. & Wai-Ming, W. (2017). Sun bear, Helarctos mala­yanus (errata version published in 2018). The IUCN Red List of Threa­tened Species 2017: e.T9760A123798233.

7.    Ancrenaz, M., Gumal, M., Marshall, A.J., Meijaard, E., Wich , S.A. & Husson, S. (2016). Pongo pygmaeus. The IUCN Red List of Threa­tened Species 2016: e.T17975A17966347.

8.    Richards J.F., Flint E.P. (1994) A Century of Land-Use Change in South and Southeast Asia. In: Dale V.H. (eds) Effects of Land-Use Change on Atmo­spheric CO2 Concen­tra­tions. Ecolo­gical Studies (Analysis and Synthesis), vol. 101. Springer, New York, NY.

9.    David L. A. Gaveau, Douglas Sheil, Husna­yaen, Mohammad A. Salim, Sanji­wana Arja­s­akusuma, Marc Ancrenaz, Pablo Pacheco & Erik Meijaard (2016) Rapid conver­sions and avoided defo­re­sta­tion: exami­ning four decades of indus­trial plan­ta­tion expan­sion in Borneo. Scien­tific Reports, 6:32017.

10.    Maria Voigt, Serge A. Wich, Marc Ancrenaz, …, Jessie Wells, Kerrie A. Wilson, Hjalmar S. Kühl (2018) Global Demand for Natural Resources Elimi­nated More Than 100,000 Bornean Oran­gutans. Current Biology 28, 761–769.

11.    Wich, S.A., Gaveau, D., Abram, N., Ancrenaz, M., Baccini, A. et al.. (2012) Under­stan­ding the impacts of land-use poli­cies on a threa­tened species: is there a future for the Bornean oran­gutan? PLoS One 7(11): e49142.

 

Orang-Utans sind eine außer­ge­wöhn­liche Spezies

Orang-Utans sind eine außer­ge­wöhn­liche Spezies

Man muss kein Lego-Fan sein, um sich von den lebens­nahen Modellen des Künst­lers Felix Jaensch faszi­nieren zu lassen. Uns haben natür­lich vor allem seine realis­ti­schen Orang-Utan-Skulp­turen begeis­tert – zumal wir wissen, wie schwierig es sich gestaltet, die ausdrucks­starken Gesichter natür­lich abzu­bilden. So haben wir beim Künstler nach­ge­fragt, wie er eigent­lich auf den Orang-Utan kam und was ihn an den Tieren so inspiriert.

Herr Jaensch, Sie haben (fast) lebens­große, sehr beein­dru­ckende Modelle von Orang-Utans aus Lego gebaut. Wieso ausge­rechnet von diesen Tieren?
Ich habe zwar schon viele verschie­dene Tiere gebaut, aber ich finde Orang-Utans beson­ders inter­es­sant und sympa­thisch. Daher wollte ich unbe­dingt ein großes Modell von diesen Tieren bauen.

Und wieso nutzen sie ausge­rechnet eckige Plas­tik­steine, um Ihre Skulp­turen zu erstellen?
Die meisten kennen Lego vor allem aus ihrer Kind­heit. Aller­dings ist Lego auch ein sehr gutes (und benut­zer­freund­li­ches) Medium, um Plas­tiken zu erstellen. Es ist jedoch sehr heraus­for­dernd, orga­ni­sche Formen mit eckigen Steinen zu schaffen. Mich reizt diese Heraus­for­de­rung. Und mich faszi­niert das ganz­heits­psy­cho­lo­gi­sche Phänomen, das unser Gehirn, unge­achtet aller Ecken und Kanten, das Ergebnis zu einem sinn­vollen orga­ni­schen Bild zusammenfügt.

Legosteine zum Leben erweckt
Lego­steine zum Leben erweckt

Was faszi­niert Sie an Orang-Utans?
Mich faszi­nieren gene­rell intel­li­gente Tiere. Vom Kopf­füßer bis zum Raben­vogel. Aller­dings sind Orang-Utans eine außer­ge­wöhn­liche Spezies. Selbst unter den Primaten. Insbe­son­dere die tech­ni­sche Intel­li­genz ist ganz beson­ders ausge­prägt. Ihre Neugier und die Fähig­keit zur Anti­zi­pa­tion sowie zur Problem­lö­sung sind bemer­kens­wert. Aller­dings mag ich Orang-Utans auch wegen ihres Sozi­al­ver­hal­tens. Natür­lich ist das aggres­sive Poten­tial bei Menschen und anderen Primaten manchmal ein evolu­tio­närer Vorteil. Aller­dings finde ich das Wesen des Orang-Utans sehr viel sympathischer.

Wie lange arbeiten Sie an einem so großen Modell? Und was sind die größten Herausforderungen?
Ich brauche Monate für ein großes Projekt. Die effek­tive Zeit kann ich nicht benennen.
Da ich kein Digi­tal­pro­gramm benutze, ist die Form zunächst gene­rell ein Problem. Man kann sagen, dass ich jedes Körper­teil mindes­tens zweimal gebaut habe, bis ich zufrieden bin. Aller­dings machen mir die Maße beson­ders zu schaffen. Ich versuche mitt­ler­weile immer in Origi­nal­größe zu bauen. Dafür braucht man relativ eindeu­tige Maßan­gaben. Diese sind jedoch schwer zu recher­chieren und auch schwer umzu­setzen. Meis­tens gibt es nur Angaben zur Kopf-Rumpf­länge. Häufig nicht einmal das! Ich muss sehr viel abschätzen. Außerdem bin ich auf die Form und Größe der Steine zurück­ge­worfen. Da muss ich manchmal Kompro­misse machen. Am Ende zählt der Gesamteindruck.

Die Natur zum Vorbild
Die Natur zum Vorbild

Was sind Ihre Vorlagen? Wie gehen Sie so ein Projekt an?
Wenn ich eine Idee für ein Modell habe, sammle ich Fotos aus Büchern und dem Internet. Ich suche verschie­dene Quellen mit Größen­an­gaben. Aber die sind, wie bereits gesagt, meis­tens unbe­frie­di­gend. Manchmal fertige ich auch einfache, lebens­große Skizzen an, um die Propor­tionen einzu­schätzen. Die endgül­tige Haltung und die Größe können aber während des Entste­hungs­pro­zesses leicht abweichen.

Wir haben gelesen, dass Sie Ihre Tier- und Mensch­mo­delle mit dem Gesicht starten. Warum bauen Sie nicht von unten nach oben?
Von unten nach oben zu bauen macht natür­lich Sinn, wenn man eine Anlei­tung hat. Aber ich stehe erst einmal vor dem „Nichts“ und muss einen Anfang finden. Also fange ich mit dem Wich­tigsten an. Wenn das dann nicht funk­tio­niert, brauche ich gar nicht erst weiter­zu­ma­chen. Und das Gesicht, insbe­son­dere die Augen, sind für uns Menschen nun mal am wich­tigsten, um das Gegen­über als Lebe­wesen wahrzunehmen.
Der Rest wächst dann meis­tens von oben nach unten. Ich schätze dabei die Größe und die Propor­tion anhand der bereits gebauten Partien ab. 

Das Modell ist fast lebensgroß
Das Modell ist fast lebensgroß

Von anderen Künst­lern hören wir immer wieder, wie schwierig es ist, gerade einen Orang-Utan ausdrucks­stark abzu­bilden. Können Sie davon auch ein Lied­chen singen?
Ehrlich gesagt nicht. Wenn man sich mit der Spezies beschäf­tigt und genau hinsieht, gibt es eigent­lich keinen Unter­schied zu der Darstel­lung von anderer Primaten. Alle haben eine spezi­fi­sche Physio­gnomie und eine typi­sche Mimik. Aller­dings sehe ich mir fast jeden Tag Bilder von Primaten und insbe­son­dere Orang-Utans an. Viel­leicht habe ich daher mehr Erfahrung. 

Bauen Sie nur zum Spaß und Zeit­ver­treib oder haben Sie eine Intention? 
Ich bin Künstler, daher ist das Bauen mit Lego­steinen mitt­ler­weile sehr viel mehr als ein Zeit­ver­treib. Meine Inten­tion ist es haupt­säch­lich Werke zu schaffen, die die Menschen faszi­nieren und unter­halten. Wenn ich dabei das Inter­esse für Zoologie wecke oder stärke, finde ich das sehr gut. Wenn ich sie auf die Bedro­hung von Orang-Utans aufmerksam machen sollte, umso besser! Aber ich möchte mit meiner Kunst nicht aufdring­lich sein. Ich habe eine Abnei­gung gegen Kunst, die dem Publikum eine Aussage aufdrängt. Das finde ich mehr als anma­ßend. Sogar respektlos, wenn sich der Künstler dabei für die hand­werk­li­chen Ausfüh­rung noch nicht einmal Mühe gibt und die Schöp­fungs­höhe allein in der Meta­ebene sieht.

Stellen Sie Ihre Modelle auch aus? Kann man sie irgendwo in natura bewundern?
Zurzeit nicht. Mal sehen, ob es viel­leicht nächstes Jahr die Möglich­keit gibt.

Stehen Sie in Kontakt zum Lego-Konzern? Haben die Inter­esse, Ihre Modelle in Parks, Läden o. ä. auszustellen?
Ich bin freier Künstler und habe bisher keinen Kontakt zum Legokonzern. 

Was sind Ihre nächsten Baupläne?
Ich habe noch einige unvoll­endete Projekte. Zum Beispiel einen Marabu, einen Kolk­raben und mehrere Personen. 

Bei so großen Modellen braucht man ja tausende von Steinen. Und sind sie fertig, nehmen sie viel Raum in der Wohnung ein. Wie muss man sich das bei Ihnen vorstellen? Begegnet man in Ihrer Wohnung überall Affen, Vögeln, Hunden und anderen Lego-Objekten? Oder nehmen Sie die Modelle nach einiger Zeit wieder auseinander?
Ich habe tatsäch­lich viele meiner Modelle hier in der Wohnung stehen. Teil­weise erin­nert es an Taxi­dermie. Wenn ich ein Modell voll­endet habe, nehme ich es in der Regel nicht mehr auseinander.
Ich bin jedoch selten endgültig mit einem Modell zufrieden. Daher kann es sein, dass ich später noch kleine Verän­de­rungen vornehme.

Noch mehr Modelle von Felix Jaensch können auf seiner Website und auf seinem Insta­gram-Profil bewun­dert werden.

 

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Orang-Utan reicht Mann die Hand – die Geschichte hinter dem Foto

Orang-Utan reicht Mann die Hand – die Geschichte hinter dem Foto

Ein Foto geht um die Welt. Darauf zu sehen: ein Orang-Utan, der einem bis zur Brust im Wasser stehenden Mann die Hand reicht. Es scheint, als ob der Menschen­affe dem Mann seine Hilfe anbieten würde. Hobby-Foto­graf Anil Prab­hakar hielt die Szene bei einem Besuch der Projekte der BOS Foun­da­tion fest und teilte das Bild auf seinem Insta­gram-Account. Seither geht es immer wieder viral und berührt Menschen auf der ganzen Welt.

Prab­hakar wurde während eines Besuchs des Rettungs­zen­trums Samboja Lestari in Ost-Kali­mantan Zeuge dieses auf den ersten Blick außer­ge­wöhn­li­chen Moments. Doch was hat er wirk­lich gesehen?

Das steckt wirk­lich dahinter

Bei dem Orang-Utan handelt es sich um das Weib­chen Anih, das im Juli 1992 von Bambi-Preis­träger Willie Smits, einem der Gründer der BOS Foun­da­tion, gerettet wurde. Anih war damals noch kein Jahr alt, doch hatte sie bereits Trau­ma­ti­sches erlebt: den Verlust ihrer Mutter, die vermut­lich von Wilde­rern getötet worden war. „Leider war Anih nicht in der Lage, in der lang­jäh­rigen Reha­bi­li­ta­tion die Fähig­keiten zu erlernen, die Orang-Utans beherr­schen müssen, um ausge­wil­dert zu werden“, erklärt Daniel Merdes, Geschäfts­führer von BOS Deutsch­land. „So wird sie ihr Leben lang auf mensch­liche Unter­stüt­zung ange­wiesen sein.“

In unseren Rettungs­zen­tren gibt es einige dieser Tiere, die aufgrund von körper­li­chen oder seeli­schen Verlet­zungen nie in der Lage sein werden, selb­ständig in Frei­heit zu über­leben. „Um diesen Orang-Utans ein Leben hinter Gittern zu ersparen, hat BOS Schutz­in­seln einge­richtet, auf denen die Menschen­affen in größt­mög­li­cher Frei­heit leben dürfen“, ergänzt Merdes.

Was die Orang-Utan-Dame will, können wir nur mutmaßen
Was die Orang-Utan-Dame will, können wir nur mutmaßen

Orang-Utan und BOS-Mitar­beiter kennen sich seit fast drei Jahrzehnten

Auf so einer, von circa fünf Metern breiten und bis zu zwei Metern tiefen Flüssen umge­benen, Schutz­insel lebt auch Anih. Um die Flüsse von Gras und Schlamm frei zu halten (damit sie für die Orang-Utans unpas­sierbar bleiben), steigen BOS-Mitar­beiter regel­mäßig ins Wasser. So auch Syahrul, der Mann auf dem Foto. „Syahrul und Anih kennen sich schon seit 1992“, weiß Dr. Jamartin Sihite, der CEO der BOS Foundation. 

Diese lange Zeit der Bekannt­schaft ist wahr­schein­lich auch die Ursache für die freund­schaft­lich anmu­tende Begeg­nung. Syahrul war der Menschen­affen-Dame einfach vertraut. Und sie hatte über die Zeit auch gelernt, dass von ihm keine Gefahr ausging, sondern eher Hilfe – und Nahrung. Denn die Orang-Utans auf den Schutz­in­seln müssen mit Früchten zuge­füt­tert werden. „Was in der Situa­tion auf dem Foto genau passiert ist, werden wir wohl nie wissen. Anih hat mögli­cher­weise einfach nach Essen gefragt“, sagt Dr. Jamartin Sihite.

Anih wurde 1992 gerettet
Anih wurde 1992 gerettet

„Obwohl 97 % unserer mensch­li­chen mit der DNA der Orang-Utans über­ein­stimmen, sind unsere frei­le­benden Artver­wandten immer noch Wild­tiere. In vielem sind wir uns ähnlich. Als Menschen inter­pre­tieren wir jedoch vieles in sie herein, also auch Emotionen wie auf dem Foto“, ergänzt Merdes.

Mit ihrer auf dem Foto fest­ge­hal­tenen Geste berührt die Orang-Utan-Dame welt­weit die Herzen der Menschen. Und wurde so zu einer Botschaf­terin für Hilfs­be­reit­schaft und Mensch­lich­keit. So hilft sie ihren Artge­nossen, regt sie doch zum Nach­denken an und lenkt Aufmerk­sam­keit auf die prekäre Situa­tion der Orang-Utans und ihres Lebens­raums. Jede Veröf­fent­li­chung hilft — und wenn dort auch noch die wahre Geschichte berichtet wird, umso mehr.

Hilfe durch Orang-Utans 

Auch wenn die darge­bo­tene Hilfe des Orang-Utan-Weib­chens nicht ganz so empa­thisch ist, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag, so helfen Anih und ihre Artge­nossen dennoch uns allen! Denn Orang-Utan-Schutz ist Regen­wald­schutz. Und ohne Regen­wälder geht uns allen irgend­wann die Luft aus.

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Anmer­kung: Origi­nal­bei­trag vom 10. Februar 2020, aktua­li­siert im September 2021