Was für eine aufre­gende Auswilderung 

Was für eine aufre­gende Auswilderung 

Andri Korne­lius arbeitet für die BOS Foun­da­tion im Kommu­ni­ka­ti­ons­team des Rettungs­zen­trums Nyaru Menteng. Er hat die Auswil­de­rung der vier reha­bi­li­tierten Orang-Utans Dius, Sebangau, Jazzboy und Itang in den Natio­nal­park Bukit Baka Bukit Raya im Mai 2022 begleitet. Eine Reise, die für ihn aus verschie­denen Gründen unver­gess­lich bleiben wird. 

Diese Auswil­de­rung hat mich wirk­lich sehr bewegt, denn ich habe alle vier Orang-Utans seit Jahren auf ihrer Reha­bi­li­ta­tion begleitet und ihre Fort­schritte genau verfolgt. Insbe­son­dere die von Dius, der als gerade mal 18 Monate altes Baby aus ille­galer Haus­tier­hal­tung befreit und als Waisen­kind zu uns ins Nyaru Menteng Reha­bi­li­ta­ti­ons­zen­trum kam. 

Dius kurz nach seiner Rettung 2006.

Seine Geschichte habe ich über die Jahre immer wieder dokumentiert. 

Von der Wald­schule zur Walduni und schließ­lich in die Frei­heit 

Zwischen ihrem Abschluss der Wald­schule und der tatsäch­li­chen Auswil­de­rung lebten die Orang-Utans einige Zeit halb­selb­ständig auf unseren Voraus­wil­de­rungs­in­seln – wir nennen diese Zeit die Walduni. Auf den Inseln müssen die Orang-Utans beweisen, dass sie alle Fertig­keiten erworben haben, die sie für das Leben in freier Wild­bahn brau­chen, während unser Team sie weiterhin genau beob­achtet und regel­mäßig zufüt­tert. Denn die Inseln bieten nicht immer ausrei­chend Nahrung für alle Bewohner. 

Dius von der Voraus­wil­de­rungs­insel abzu­holen, war ein echtes Aben­teuer 

Schon Ende Januar 2022 begann für die vier Orang-Utans der Auswil­de­rungs­pro­zess und wir mussten sie von der Insel Badak Kecil abholen. Das machen wir so viele Wochen vor der eigent­li­chen Auswil­de­rung, weil die Kandi­daten noch einmal genau­es­tens medi­zi­nisch unter­sucht werden, um sicher­zu­stellen, dass sie nicht irgend­welche Krank­heiten oder Infek­tionen in ihr neues Zuhause einschleppen. Auch eine längere Quaran­tä­ne­zeit müssen die Tiere ertragen – aus dem glei­chen Grund. 

Als wir versuchten, uns Dius auf der Insel zu nähern, war er von einem Schwarm Bienen umgeben. Offenbar hatte er gerade Wald­honig genascht und so die Bienen gegen sich aufge­bracht, die nicht nur ihn, sondern auch alles, was sich ihm näherte, angriffen. Es war kein einfa­ches Unter­fangen, Dius zu sedieren und von der Insel zu bringen. Unsere Tier­pfleger und ‑ärzte waren lange unter­wegs, mussten sogar schwimmen, aber schließ­lich gelang es ihnen, Dius zu errei­chen und ins Rettungs­zen­trum Nyaru Menteng zu bringen. 

In der Schub­karre zum letzten Check-Up

Nachdem Dius, Sebangau, Itang und Jazzboy alle Test bestanden und die Quaran­täne hinter sich gebracht haben, war am 18. Mai endlich der Tag der Abreise gekommen. Und auch der des Abschieds. Denn so sehr wir uns darüber freuen, dass unsere Schütz­linge endlich das Leben führen können, für das sie geboren wurden, so sind sie uns in all den Jahren doch ans Herz gewachsen.

Noch einmal wiegen, ehe es losgeht

Dius und Jazzboy waren die ersten, die in eine leichte Narkose gelegt wurden, gefolgt von Itang und Sebangau. Dann wurden die vier in ihre Trans­port­boxen gelegt, in denen sie nun für längere Zeit ausharren mussten. 

In dieser Box geht es auf die lange Reise

Die Reise beginnt

Wir brachen am frühen Abend mit den Jeeps auf. Nach etwa acht Stunden Fahrt hatten wir gegen zwei Uhr morgens unser erstes Etap­pen­ziel – das Dorf Tumbang Hiran – erreicht. Am nächsten Morgen setzten wir die Reise in schmalen, langen Motor­booten auf dem Fluss fort. Und dieser Teil der Reise, für den wir einen weiteren Tag brauchten, wurde dann richtig abenteuerlich. 

Über den Fluss in Rich­tung Freiheit

Wir mussten Strom­schnellen meis­tern und immer wieder Felsen auswei­chen, was unseren erfah­renen Boots­füh­rern und unserem gesamten Team einiges abver­langte, um die Boote unbe­schadet ans Ziel zu bringen. Eine Stunde lang regnete es außerdem unun­ter­bro­chen, was zusätz­lich die Sicht einschränkte. Das hat uns ganz schön gefordert. 

Die Orang-Utans verfolgen alles, was um sie herum vor sich geht

Die Trans­port­boxen mit unserer wert­vollen Fracht sichern wir für die Fahrt auf dem Fluss übri­gens mit großen Schwimm­bojen. Denn schwimmen können Orang-Utans nicht. 

Sebangau und Dius kommen sich nach der Frei­las­sung direkt näher 

Endlich, nach mehr als 24 Stunden heraus­for­dernder Reise hatten wir unser Ziel im Bukit Baka Bukit Raya Natio­nal­park erreicht. 

Sebangau durfte als Erste in die Frei­heit stürmen. Und das tat sie auch. Kaum wurde ihre Trans­portbox geöffnet, da klet­terte die Elfjäh­rige schon auf einen hohen Baum, um sich auf dessen Ästen zu entspannen. 

Sebangau erklimmt sofort einen Baum

Der statt­liche Dius war als nächstes dran und folgte Sebangau auf ihren Baum. Wenig später konnte das Team sie in inniger Umar­mung beob­achten. Womög­lich wurde hier das nächste Orang-Utan-Baby gezeugt? 

Dius und Sebangau vereint

Anschlie­ßend erkun­deten die beiden die Umge­bung und futterten gemeinsam ein paar Ratt­an­sprossen. Der 18-jährige Dius baute ein Schlaf­nest in einem Rambu­tan­baum, von dessen Früchten sie sich noch einige gönnten, ehe sie Seite an Seite ihre erste Nacht im Regen­wald verbrachten. 

Itang baut sich ein Nest zum Ausruhen und Jazzboy randa­liert 

Ein Stück entfernt durften auch Itang und Jazzboy endlich ihre Trans­port­kisten verlassen. Itang (12) klet­terte sofort auf einen Baum und baute sich dort oben ein Nest. 

Itangs erster Schritt in Freiheit

Jazzboy hingegen klet­terte nicht sofort auf den nächsten Baum. Er drehte sich – zur Über­ra­schung aller – direkt zur Trans­portbox um, packte sie und warf sie zur Seite. Anschei­nend hatte sich bei dem 17-Jährigen eine Menge Frust über die lange Reise aufge­staut, die erstmal raus musste, ehe er sich seiner neuen Heimat zuwenden wollte. Doch auch er machte sich dann bald auf, den Natio­nal­park zu erobern. 

Jazzboy macht sich auf den Weg

Bei Sonnen­un­ter­gang hatten wir alle vier Orang-Utans frei­ge­lassen und star­teten mit den Booten ins eine Stunde entfernte Camp. Das gestal­tete sich noch schwie­riger als die Anreise, denn es wurde immer dunkler und durch die einge­schränkte Sicht war es noch heikler, die Strom­schnellen und Felsen unbe­schadet zu passieren. 

Glücks­ge­fühle, Adre­na­lin­schub und Erleich­te­rung: eine emotio­nale Reise 

An einer Stelle blieb das Boot – während wir gerade eine Passage mit gefähr­li­chen Strom­schnellen queren mussten – zwischen zwei großen Felsen stecken. Ich dachte, wir würden jeden Moment kentern. Wir ließen uns ins Wasser gleiten, um das Boot anzu­schieben. Schließ­lich gelang es uns, das Boot zu befreien. 

Das Boot hängt fest

Doch ehe wir endlich mitten in der Nacht das Camp erreichten, musste wir noch so einige weitere Strom­schnellen meis­tern. Die Boots­führer hatten wirk­lich einen harten Job zu erle­digen, um uns sicher ans Ziel zu bringen. Gut, dass sie den Fluss so gut kennen. 

Auf dieser Reise durch­lebte ich eine Achter­bahn der Gefühle. Als wir die vier Orang-Utans frei­ließen, durch­strömten mich über­wäl­ti­gende Glücks­ge­fühle. Kurze Zeit später war es zunächst ein Nerven­kitzel und schließ­lich große Angst, dass das Boot unter­gehen würde. 

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Mehr Infor­ma­tionen

Aber es war jede Heraus­for­de­rung wert, die wir auf uns genommen haben! Ich bin glück­lich, dass wir diesen vier Orang-Utans die Möglich­keit geben konnten, in Frei­heit zu leben, sich hoffent­lich fort­zu­pflanzen und so zum Erhalt der Art beizu­tragen. Ich hoffe sehr, dass mein Bericht noch mehr Menschen inspi­riert, sich für Orang-Utans und die Umwelt zu inter­es­sieren und in ihrem tägli­chen Leben aktiv zu werden. 

Wir alle können unseren Teil dazu beitragen, die Orang-Utans zu retten! 

Autor: Andri Korne­lius, Kommu­ni­ka­ti­ons­team in Nyaru Menteng, Zentral-Kali­mantan 

Auch Sie können ein Orang-Utan-Retter werden! 

Justins erfolg­rei­cher Weg in die Unabhängigkeit 

Justins erfolg­rei­cher Weg in die Unabhängigkeit 

Die Auswil­de­rung von Justin vor fast fünf Jahren war ein großer Erfolg, wie uns ein Zusam­men­treffen mit dem Orang-Utan-Männ­chen im Kehje-Sewen-Wald in Ost-Kali­mantan beweisen konnte. 

Als an einem späten Nach­mittag unser PRM-Team aus dem Camp Nles Mamse von einem regu­lären Rund­gang zurück­kehrte, wurde ganz in der Nähe der 15-jährige Justin gesichtet. Sofort machte sich das Team auf, um zu schauen, wie es Justin inzwi­schen geht. 

An diesem Nach­mittag saß Justin noch lange auf einem Baum und beob­ach­tete seine Umge­bung, bevor unser Team das Knacken von Ästen hörte – das typi­sche Geräusch, wenn ein Orang-Utan sich sein Nacht­lager errichtet. Das Team merkte sich den genauen Standort, um am nächsten Morgen die Beob­ach­tungen fort­setzen zu können. Dies sollte sich jedoch als schwie­riger heraus­stellen, als erwartet! Denn Justin war offen­sicht­lich nicht in der Stim­mung, die Anwe­sen­heit von Menschen in seiner Nähe zu dulden und zeigte dies auch deutlich. 

Er grum­melte laut­stark und machte außerdem die für Orang-Utans typi­schen Kuss­ge­räu­sche. Diese soge­nannten „kiss-squeaks“ sind laute schmat­zende Geräu­sche, die entstehen, wenn die Lippen zusam­men­ge­kniffen werden. Auf diese Weise zeigen Orang-Utans eindeutig ihren Unmut. Zusammen mit dem lauten Grum­meln, zeigte Justin hier gleich zwei Droh­ge­bärden auf einmal. Damit machte er dem PRM-Team eindeutig klar, dass er nicht beob­achtet werden will und sie sich zurück­ziehen sollen. Um seine Aussage noch deut­li­cher zu unter­strei­chen, warf er mit Ästen nach seinen Beob­ach­tern und klet­terte danach auf einen hohen Baum. Daraufhin kam das Team Justins Bitte nach und zog sich zurück. 

Das war eindeutig eine gute Nach­richt gewesen, da diese Signale ein Zeichen für Justins erfolg­rei­chen Weg in die Unab­hän­gig­keit sind und damit ein weiterer Beweis für die geglückte Auswilderung! 

Trotz der kurzen Beob­ach­tungs­zeit kann unser Team Aussagen über sein Essver­halten machen. Justin scheint sehr gerne Lianen­mark zu mögen, da er viel Zeit und Mühe für die Suche aufge­wendet hat. Dazu kamen Kalmus- und wilde Ingwer-Sprossen sowie junge Blätter

Mit Ihrer Unter­stüt­zung tragen Sie zum Erfolg unserer Projekte bei und ermög­li­chen den Orang-Utans wieder ein Leben in Frei­heit. Unter­stützen Sie uns weiter. Jeder Beitrag hilft. 

Essens­kämpfe: Orang-Utan Style!

Essens­kämpfe: Orang-Utan Style!

Bevor unsere Orang-Utans ausge­wil­dert werden, müssen sie viele Fähig­keiten lernen, die ihnen das Über­leben im Regen­wald sichern. Dazu gehört auch die Konkur­renz zu ihren Artge­nossen. Aber auch hier zeigen sich die verschie­denen Persön­lich­keiten der Wald­be­wohner und manche sind wett­be­werbs­fä­higer als andere. 

Die soziale Hier­ar­chie inner­halb der Gruppe und die begrenzte Verfüg­bar­keit von Nahrung führt zum natür­li­chen Wett­be­werb zwischen den Orang-Utans. Auf der Voraus­wil­de­rungs­insel Badak Besar (Zentral-Kali­mantan) trai­nieren daher unsere Schütz­linge diese Fähig­keit z. B. bei der Nahrungs­suche. Erst wenn sie im Wett­be­werb mit den anderen bestehen können, sind sie für ein Leben in Frei­heit gewappnet. 

Unsere Mitar­beiter werden oft Zeuge von Konkur­renz­kämpfen, wenn sie an den Fütte­rungs­platt­formen der Insel zusätz­li­ches Futter bringen. Im Kampf um die besten Obst­stücke können aus befreun­deten Orang-Utans bittere Konkur­renten werden. Der Preis für den Sieger sind die leckersten Frucht­stücke. Meist sind es die größeren Orang-Utans, die die Kämpfe für sich gewinnen. Die Verlierer müssen sich mit den Resten zufrie­den­geben oder selbst auf Nahrungs­suche gehen. 

Cinta und Valen­tino erkunden gerne gemeinsam die Gegend und eines morgens warteten sie zusammen in der Nähe einer Futter­platt­form. Unsere Mitar­beiter kamen mit dem Boot voller leckerer Früchte ange­fahren. Kaum ange­kommen, fischt Valen­tino ein paar Obst­stücke aus dem Boot und versucht damit so schnell wie möglich zu entkommen. Doch die größere Cinta war darauf vorbe­reitet und schnappte ihm das Obst schnell wieder weg. Sie klet­terte auf den nächsten Baum bis hoch in die Baum­krone, um Valen­tinos Wieder­erobe­rungs­ver­su­chen zu entkommen. Trotz allen Enga­ge­ments musste sich Valen­tino doch wieder mit den Resten auf der Futter­platt­form begnügen. 

Nicht alle Orang-Utans konkur­rieren gerne und heftig um das Futter. Die Orang-Utan-Dame Dilla über­lässt die Strei­te­reien lieber den anderen und kommt erst an die Futter­stelle, wenn sich alle anderen ihren Anteil geholt haben. Doch auch für Dilla wird irgend­wann einmal der Moment kommen, an dem sie in die Konfron­ta­tion gehen und ihre Stärke zeigen muss. 

Es gibt also viel zu lernen für unsere Wald­schüler. Unter­stützen Sie uns dabei und geben Sie diesen Orang-Utans die Chance auf ein Leben in Freiheit. 

Dillas Leben auf der Insel

Dillas Leben auf der Insel

Dilla ist eine unserer Orang-Utan-Frauen, die einen beson­ders schweren Start ins Leben hatten. Von ihren ersten fünf Lebens­jahren verbrachte sie vier in der Gefan­gen­schaft von Menschen. Zu lange ohne artge­rechte Haltung, um natür­liche Verhal­tens­weisen zu erlernen. Diese Kind­heit hat Spuren bei Dilla hinter­lassen; innere und äußere. Dilla wird wohl für immer bei uns bleiben. Um ihr Leben so artge­recht und ange­nehm wie möglich zu gestalten, lebt die 16jährige Orang-Utan-Frau jetzt auf der Schutz­insel Badak Kecil.

BETREUTES WOHNEN AUF DER SCHUTZINSEL

Dilla kam vor gut einem Jahr gemeinsam mit den Orang-Utan-Frauen Mawas und Jeliva auf die Schutz­insel Badak Kecil, die zum Salat Island Cluster gehört. Die Insel ist so etwas wie ein Pfle­ge­heim für aktuell zehn nicht auswil­der­bare Orang-Utans. Hier bekommen die Tiere extra große Futter­por­tionen, und unsere Teams haben sie immer im Blick. Sie alle haben heraus­for­dernde oder trau­ma­ti­sche Erfah­rungen gemacht, die eine voll­stän­dige Reha­bi­li­ta­tion unmög­lich machen. Manche dieser Erleb­nisse wirken ein Leben lang nach.

DILLA NAHM IHR BABY NICHT AN

Wir erin­nern uns: Im Jahr 2018 brachte Dilla ein kleines Orang-Utan-Mädchen auf die Welt — Delilah. Dilla selbst hatte nie die Erfah­rung einer liebenden Mutter gemacht — würde sie ihre Tochter akzep­tieren und ihr alles beibringen, was sie braucht, um eigen­ständig zu leben? Wenn ein Orang-Utan mit einem so schweren Trauma wie Dilla in unsere Obhut kommt, ist es immer eine Heraus­for­de­rung, sie zu reha­bi­li­tieren. Nach mehreren miss­glückten Begeg­nungen war klar, dass Dilla keine Bezie­hung zu ihrem Kind aufbauen konnte. Die kleine Delilah kam daher in die liebe­volle Obhut der Baby­sit­te­rinnen und Dilla ging ihren eigenen Weg.

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Mehr Infor­ma­tionen

IM TEAM GEHT ES LEICHTER

Auch im Umgang mit anderen Orang-Utans tut sich Dilla oft sehr schwer. Sie ist eine Einzel­gän­gerin und scheut die Begeg­nung mit den anderen. Bis Dius kam. Der Orang-Utan-Mann war vorüber­ge­hend auf die Schutz­insel Badak Kecil gezogen. Immer wieder suchte er die Nähe zu Dilla, und die beiden streunten durch den Wald. Oft kamen sie gemeinsam zu den Futter­plätzen, und dort zeigte Dius Beschüt­zer­instinkt: Dilla ist die kleinste und schwächste Orang-Utan-Frau auf Badak Kecil und zieht oft den Kürzeren, wenn es um die Vertei­lung von Futter geht. Dann kommt sie erst zur Platt­form, wenn alle anderen schon gegessen haben, und begnügt sich mit dem Rest. Doch mit Dius an ihrer Seite, änderte sich das. Er stellte sich beschüt­zend vor sie, damit sie in Ruhe fressen konnte und die anderen Weib­chen sie nicht störten.
An den Nach­mit­tagen sah unser Beob­ach­tungs­team die beiden häufig am Fluss, wo sie ihr Nach­lager herrich­teten. Dilla hat sich darauf spezia­li­siert, alte Nester anderer Orang-Utans zu repa­rieren und darin zu schlafen, während Dius neue Nester in der Nähe baute. Jeder nach seinen Fähigkeiten. 

Dius ist jetzt bereit für die Auswilderung

EIN ABSCHIED FÜR IMMER?

Vor ein paar Wochen trennten sich dann die Wege der beiden wieder. Dius hatte erkennbar alle Fähig­keiten, die ein Orang-Utan für ein eigen­stän­diges Leben in Frei­heit braucht. Bis er ausge­wil­dert wird, ist er jetzt wieder im Reha­bi­li­ta­ti­ons­zen­trum Nyaru Menteng unter­ge­bracht, wo er die letzten medi­zi­ni­schen Tests schon durch­laufen hat.
Vermut­lich werden sich die beiden nicht mehr wieder­sehen, da Dilla als „nicht auswil­derbar“ gilt. Aber natür­lich ist nichts unmög­lich: Wenn sie in der Lage ist, einige gute Über­le­bens­fä­hig­keiten zu entwi­ckeln, während sie auf der Schutz­insel lebt, wird sie viel­leicht eines Tages doch noch ausge­wil­dert. Und wer weiß, viel­leicht trifft sie dann auch Dius wieder. 

DILLA, DIE KLUGE

Seit Dius weg ist, hält sich Dilla nur noch selten lange an der Futter­stelle auf. Sie sucht sich lieber sichere Plätze in der Nähe und sitzt in den Bäumen, die ein wenig über den Fluss hinaus­ragen. Von dort hat sie einen guten Über­blick. Immer, wenn kein anderer Orang-Utan an der Futter­stelle ist, greift sie zu. Unsere Versor­gungs­teams werfen ihr immer wieder Früchte, Knollen und Gemüse direkt zu, damit Dilla auf jeden Fall genug bekommt.
Mutig genug zu sein, um mit anderen Orang-Utans um Nahrung zu streiten, ist eine gute Über­le­bens­fä­hig­keit auf der Insel — aber es ist auch ein sehr kluger Schachzug, Stra­te­gien zu entwi­ckeln, um Konfron­ta­tionen zu vermeiden. Sie ist sehr klug, unsere Dilla.

Dilla ist auf einem Auge blind

Kämpfen Sie mit uns für Dilla und all die anderen Schütz­linge in unserer Obhut, die zu trau­ma­ti­siert sind, um noch selbst­ständig leben zu können? Ihre Unter­stüt­zung bewirkt einen Unter­schied. Schenken Sie den Hoff­nungs­losen Hoff­nung. Vielen Dank.

Unsere Tier­ärzte im Einsatz

Unsere Tier­ärzte im Einsatz

Beson­dere Zeiten erfor­dern beson­dere Maßnahmen. Die noch immer wütende welt­weite Pandemie macht auch vor dem Regen­wald auf Borneo nicht Halt und sorgt für große Heraus­for­de­rungen und den uner­müd­li­chen Einsatz aller Team­mit­glieder vor Ort. Doch auch ohne Pandemie haben unsere Vete­ri­näre immer viel zu tun.

In unserem Reha­bi­li­ta­ti­ons­zen­trum Samboja Lestari (Ost-Kali­mantan) arbeitet ein Team aus vier Vete­ri­nä­rinnen und Vete­ri­nären und drei weiteren Fach­kräften im tägli­chen Einsatz für Orang-Utans und Malai­en­bären. Und sie haben alle Hände voll zu tun! Schließ­lich befinden sich ca. 120 Orang-Utans und 70 Bären unter ihrem Schutz. Und die Versor­gung der Tiere muss auch unter Pande­mie­be­din­gungen gewähr­leistet sein. Die Schutz­maß­nahmen machten ein Schicht­system erfor­der­lich, das den Alltag der Teams gehörig auf den Kopf stellte. Der Zeit­plan wurde so ange­passt, dass die Team­mit­glieder im Zwei­tages-Rhythmus arbeiten und frei haben. So kann der tier­ärzt­liche Betrieb des Reha­bi­li­ta­ti­ons­zen­trums auch unter diesen beson­deren Bedin­gungen sicher aufrecht­erhalten werden.

Auch Schreib­tisch­ar­beit gehört zur Routine der Tierärzte

Bevor unsere Vete­ri­näre zu den Tieren gehen, ziehen sie sich ihre persön­liche Schutz­aus­rüs­tung (PSA) an. Ein Tier­arzt ist zuständig für die Wald­schüler, die Malai­en­bären und die Behand­lungs­be­reiche, der bzw. die andere kümmert sich um die Gehege und Sozialisierungsanlagen.

Dabei werden verschie­dene Unter­su­chungen gemacht, um Krank­heiten, Verlet­zungen oder andere Beschwerden bei den Tieren früh zu erkennen. Außerdem werden regel­mä­ßige Behand­lungen durch­ge­führt, wie z. B. Inha­la­tionen bei Orang-Utans, die unter dem Orang-Utan-Respi­ra­tory-Desease-Syndrome (ORDS) leiden. Diese schwere Erkran­kung der Atem­wege, unter der Orang-Utans leiden können, kann unbe­han­delt tödlich ausgehen.

Inha­la­tionen müssen bei einigen Tieren regel­mäßig durch­ge­führt werden

Auch die Unter­su­chung von Kotproben gehört zur tägli­chen Arbeit des Vete­ri­när­teams. Der Kot der Tiere ist sehr aufschluss­reich und gibt einen Einblick in den aktu­ellen Gesund­heits­zu­stand der Orang-Utans und der Malai­en­bären. So können eine Reihe von Krank­heiten erkannt werden, wie z. B. Wurm­in­fek­tionen oder der Befall durch Haken­würmer oder Spul­würmer (Stron­gy­lo­ides), die verschie­denen Infek­tionen bei Orang-Utans auslösen können.

Viele Unter­su­chungen im Labor führen die Vete­ri­näre direkt selbst durch

Neben der tägli­chen Routine müssen manchmal auch chir­ur­gi­sche Eingriffe an unseren Schütz­lingen vorge­nommen werden. Zum Beispiel, wenn geret­tete Tiere schwere Verlet­zungen haben. Oder auch, um körper­liche Leiden zu lindern, die auf andere Weise nicht behan­delt werden können. So bekam z. B. Jeffrey eine erfolg­reiche Hüft­dys­plasie – eine wirk­liche außer­ge­wöhn­liche OP an Orang-Utans.

Im Einsatz am OP-Tisch

Groß­ein­satz für das Vete­ri­när­team heißt es immer, wenn eine Auswil­de­rung ansteht. Denn bevor wir die Orang-Utans in die Frei­heit entlassen, müssen wir sicher­stellen, dass die Tiere voll­kommen gesund und fit sind. Die abschlie­ßenden Gesund­heits­kon­trollen und Krank­heits­test sind sozu­sagen das Ticket in den Regenwald.

Es gibt also immer viel zu tun! Das Vete­ri­när­team von Samboja Lestari arbeitet uner­müd­lich. Für eine bessere Zukunft der Wild­tiere und Menschen auf Borneo.

Unter­stützen auch Sie unsere Arbeit mit einer Spende.