Eckart von Hirsch­hausen: Der Sünde auf der Spur

Über Hunderte von Jahren wurde ein Sünden­ka­talog entwi­ckelt, der unsere Schwä­chen, Laster und Leiden­schaften auf sieben zusam­men­fasst: Hochmut, Habgier, Wollust, Zorn, Völlerei, Neid und Träg­heit. Was sind die alten Todsünden in unserer Zeit? Gelten die bösen Sieben noch als mora­li­scher Wegweiser? Eckart von Hirsch­hausen macht sich auf die Suche nach Antworten.

All dies sind mensch­liche Bedürf­nisse, die uns selbst und der Gemein­schaft schaden. Umso wich­tiger, einmal nach­zu­for­schen, wo sie heut­zu­tage Einfluss haben. Eckart von Hirsch­hausen weiß als Arzt um die körper­li­chen Folgen von Gier, Völlerei und Träg­heit – Blut­hoch­druck, Diabetes und Leber­zir­rhose sind nur einige der Konsequenzen.

Doch unsere Sünden haben noch viel tief­grei­fen­dere Auswir­kungen, und sie scheinen versteckt in neuen Defi­ni­tionen und Marke­ting. “Geiz ist geil”, “Influencer”, “All you can eat”, “Sex sells”, “Wutbürger”, “Couch Potato” – stecken hinter diesen Begriffen und Slogans die Sünden unserer Zeit?

Eckart von Hirsch­hausen beleuchtet die psycho­lo­gi­schen, mora­li­schen und sozialen Kompo­nenten unserer Sünden, aber auch unserer Tugenden. Können wir unsere Gelüste kontrol­lieren und sie sogar umpro­gram­mieren? Eckart von Hirsch­hausen sucht auf der “Fridays for Future”-Demo, in der Fußgän­ger­zone und am Sünden­pfuhl Bahnhof Zoo nach Antworten und findet neben mensch­li­chen Abgründen auch Aspekte, die Hoff­nung geben.

Er spricht mit Psycho­logen, Verhal­tens­for­schern und Theo­logen. Bischöfin Kirsten Fehrs, Astro­phy­siker Harald Lesch und Porno-Mogul Fabian Thyl­mann geben ihre Einschät­zung zu unseren Begierden. Fürchten wir uns noch vor der Hölle oder kreieren wir sie selbst? Welchen Einfluss haben die bösen Sieben noch auf unser Leben, müssen wir sie erwei­tern oder über­holen? Und gibt es Wege aus der Sündenfalle?

Ab 24.5.2021, 8:00 Uhr auch in der ZDF-Media­thek abrufbar.

 

Schluss mit der Folter an unserer Umwelt

Schluss mit der Folter an unserer Umwelt

In den zurück­lie­genden Wochen wurde das Thema Klima­schutz endlich wieder in den öffent­li­chen Fokus genommen. Nachdem – pande­mie­be­dingt (?) – wieder mehr als ein Jahr vertrö­delt wurde. Und wieder waren leider nicht die verant­wort­li­chen, gewählten Parteien Treiber der Diskus­sion, sondern wieder haupt­säch­lich junge Menschen aus der Zivil­ge­sell­schaft, die erfolg­reich beim Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt eine Verfas­sungs­be­schwerde gegen das alte Klima­schutz­ge­setz einge­reicht haben. 

Erstaun­li­cher­weise waren dann die für das Gesetz poli­tisch Verant­wort­li­chen plötz­lich voller Freude ob der – wie ich meine histo­ri­schen – Entschei­dung des höchsten deut­schen Gerichts. Man könnte fast glauben, dass genau diese poli­ti­schen Entschei­dungs­träger es all die Jahre nicht selbst in der Hand gehabt hätten, etwas zu ändern.

Ein kleiner Vergleich

Das ist doch in etwa so, als ob die wohl­ha­benden Eltern im Super­markt bei jedem Einkauf von ihrem Klein­kind gewarnt oder besser noch ange­bet­telt werden würden, doch bitte keinen Laden­dieb­stahl zu begehen, weil es falsch ist. (Woher das Kind seinen mora­li­schen Kompass hat, bleibt offen. Vom Eltern­haus zumin­dest nicht.) Dann werden die Eltern aber doch beim Klauen erwischt und verkünden daraufhin laut­stark im Super­markt: „Dieb­stahl ist nicht okay, aber Haupt­sache es gibt hier noch Leute, die aufpassen. Und zukünftig werden wir ganz ehrlich versu­chen weniger zu stehlen. Aber dann müsst ihr alle auch noch besser aufpassen.“ Das Kind ist pein­lich berührt und stellt sich wieder­holt die Frage, ob man sich die eigenen Eltern wirk­lich nicht aussu­chen kann. 

 

Nun hat sich die Bundes­re­gie­rung auf erste Eckpunkte für die Nach­bes­se­rung des Klima­schutz­ge­setzes geei­nigt. So soll der CO2-Ausstoß bis 2030 um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken. Bisher waren nur 55 Prozent vorge­sehen. Zudem soll Deutsch­land die Klima­neu­tra­lität bereits 2045 errei­chen, fünf Jahre früher als ursprüng­lich geplant. Das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt stufte das 2019 beschlos­sene Klima­schutz­ge­setz als teil­weise verfas­sungs­widrig ein, da es zu viele Lasten auf die Zeit nach 2030 verschiebt und damit die Frei­heits­rechte jüngerer Gene­ra­tionen gefährdet.

Noch immer: Ziel verfehlt

So sehr ich mich über funk­tio­nie­rende Gewal­ten­tei­lung und eine enga­gierte Zivil­ge­sell­schaft freue, reicht auch das neu erklärte Klima­ziel für 2030 nicht aus. Sinken die Emis­sionen ledig­lich um 65 Prozent, wird Deutsch­land sein CO2-Rest­budget bis 2030 bereits zu rund 85 Prozent verbraucht haben. Danach wären so dras­ti­sche Maßnahmen notwendig, dass sie die Frei­heits­rechte der jungen Gene­ra­tion erheb­lich verletzten. Im Ergebnis wäre auch das „verschärfte“ Klima­schutz­ge­setz eine Entschei­dung gegen das unter­zeich­nete 1,5‑Grad-Ziel von Paris. 

 

Deutsch­land muss den Ausstoß klima­schäd­li­cher Gase bis 2030 um über 70 Prozent verrin­gern. Nur dann lassen sich die Rechte der jungen Menschen sichern. Und nur dann orien­tiert sich die deut­sche Klima­po­litik endlich am Klima­ab­kommen von Paris. An einem beschleu­nigten Kohle­aus­stieg bis 2030, einem Ende für die Neuzu­las­sung von PKW mit Verbren­nungs­motor bis 2025 und der schnellen Abschaf­fung der Massen­tier­hal­tung führt kein Weg mehr vorbei. 

Ökonomie und Ökologie sind keine Gegensätze

Denn die Klima­ka­ta­strophe kostet. Nicht erst morgen, sondern schon jetzt. Klima­schutz nützt dagegen der Wirt­schaft. Konse­quenter und smarter Klima­schutz schafft Arbeits­plätze, Inno­va­tionen, Wert­schöp­fung für die Wirt­schaft und Wohl­stand für die gesamte Gesell­schaft. Ökonomie und Ökologie sind keine Gegen­sätze, wie uns über Jahr­zehnte von denk­faulen Besitz­stands­wah­rern vorge­logen wurde. Und noch immer wird.

Ich bin mir sicher: Der Umwelt­ge­richtshof wird kommen. Denn es ist unbe­greif­lich, dass wir seit 76 Jahren einen UN-Mensch­rechts­ge­richtshof haben, aber unsere Umwelt noch immer nahezu straflos gefol­tert werden darf.

Orang-Utan-Schutz ist Regen­wald­schutz ist Klima­schutz. Jede Spende hilft!

Planet ohne Affen

Der Mensch macht Jagd auf Affen­babys. Kleine Schim­pansen und Orang-Utans sind beliebt, Promis und Influencer posieren mit ihnen auf Insta­gram. Und auch die Zoos brau­chen immer neuen Nach­schub. Doch woher kommen die Tiere? Reporter Michel Abdol­lahi macht sich auf die Suche nach welt­weiten Netz­werken des krimi­nellen Affenhandels.

Im kongo­le­si­schen Regen­wald sucht er die letzten Bonobos und erhält am Rande eines Marktes ein ille­gales Angebot. Händler wollen ihm ein Jung­tier verkaufen. Auch in Thai­land wird Abdol­lahi Zeuge eines ille­galen Tier­raubs: In einem Zoo entdeckt er einen streng geschützten Bonobo. Es ist eine kleine Sensa­tion. Sogar die berühmte Prima­ten­for­scherin Jane Goodall reist an und zeigt sich erschüt­tert. Bonobos sind vom Aussterben bedroht. Fast überall auf der Welt findet Abdol­lahi Unre­gel­mä­ßig­keiten. In China fahndet er nach vier Gorillas, deren Spur sich verloren hat. Und in den USA trifft er auf den berühmten Tier­guru Doc Antle, der nicht erklären kann, woher er seine Schim­pan­sen­babys hat. Warum ist dies alles möglich? Das inter­na­tio­nale Vertrags­werk CITES soll bedrohte Tier­arten schützen. Doch das Abkommen ist offenbar viel­fach wirkungslos.

Ab 7. Juni 2021 auch in der ARD-Media­thek zu finden.

Unsere enga­gierten „Ersatz­mütter“ in den Rettungsstationen

Unsere enga­gierten „Ersatz­mütter“ in den Rettungsstationen

Muttertag – wir nehmen das als Anlass, einige unserer wunder­baren und enga­gierten Baby­sit­te­rinnen in den Reha­bi­li­ta­ti­ons­zen­tren Samboja Lestari und Nyaru Menteng vorzu­stellen. Als „mensch­liche Ersatz­mütter“ begleiten sie unsere kleinen Orang-Utan-Waisen liebe­voll in deren Entwick­lung: Sie fördern, kuscheln, füttern, klet­tern, werkeln, führen, spielen, inspi­rieren, trösten, raufen, lehren, schlichten und vieles mehr. Und genau wie mensch­liche Mütter müssen sie ihre Schütz­linge eines Tages in die Unab­hän­gig­keit entlassen.

Jeder Orang-Utan ist anders

Kumie arbeitet in der Waldschule in Nyaru Menteng
Kumie arbeitet in der Wald­schule in Nyaru Menteng

Wir haben einige Frauen aus unseren Betreu­ungs­teams gefragt, was sie an ihrer Arbeit ganz beson­ders mögen. In ihren Antworten schwingt immer auch die Freude und Herz­lich­keit mit, mit der sie ihre tägli­chen Aufgaben angehen. Zum Beispiel bei Kumie, die in Nyaru Menteng in der Wald­schule arbeitet: „Was ich an meiner Arbeit beson­ders mag? Die Orang-Utans natür­lich! Ich lerne jeden Tag so viel über diese wunder­baren Tiere. Jeder hat seine eigene Persön­lich­keit und inter­agiert auf eine sehr indi­vi­du­elle Weise. Ich bin in jeden einzelnen Orang-Utan verliebt.“

Isna­wati, Baby­sit­terin in Samboja Lestari, liebt die Arbeit im Wald. „Wir sind den ganzen Tag an der frischen Luft und bringen den Kleinen bei, sich in dieser natür­li­chen Umge­bung zu bewegen. Ich erfahre jeden Tag, dass meine Arbeit nicht nur zum Schutz der Orang-Utans, sondern auch zum Erhalt ihres Lebens­raumes beiträgt.“

Isnawati  ist Babysitterin in Samboja Lestari
Isna­wati ist Baby­sit­terin in Samboja Lestari

Ein Lernen auf beiden Seiten

Manchmal müssen sich Tier und Mensch erst anein­ander gewöhnen. Hani Puspita Sari gehört zum Enrich­ment Team in Nyaru Menteng. Mit ihrer Arbeit fördert sie die artge­rechte Entwick­lung der Tiere durch entspre­chende Aufgaben. Als sie ganz neu im Team war, konnte sie die Orang-Utans noch nicht ausein­an­der­halten. Doch mit der Zeit merkte sie sich Namen und Gesichter und baute eine Bezie­hung zu ihnen auf. „Kirun ist so einer – ein domi­nantes und freches Männ­chen, etwa 20 Jahre alt. Im Moment wohnt er in der Quaran­tä­ne­sta­tion. Jedes Mal, wenn ich in der Anlage Futter verteile, bleibe ich kurz vor seinem Käfig stehen. Früher hat er mich öfters mal gebissen, keine Ahnung, ob er sich daran noch erin­nert. Aber er erkennt mich sofort und fängt an, mit mir zu inter­agieren, sobald ich in seine Nähe komme. Dieses „Mitein­ander“ bedeutet mir viel.“

Hani Puspita Sari gehört zum Enrichment Team in Nyaru Menteng
Hani Puspita Sari gehört zum Enrichment

Hari­yanti, die Betreuerin des Enrich­ment-Teams in Samboja Lestari, wurde einmal von Kikan, einem jungen Orang-Utan, ins Gesicht geschlagen, als sie grade die Lebens­mit­tel­vor­räte für die Wald­schule prüfte. „Es war völlig über­ra­schend für mich – uns sehr schmerz­haft! Seither halte ich lieber einen größeren Abstand ein.“ Trotzdem möchte sie ihre Arbeit nicht tauschen. „Ich erzähle meinen beiden Kindern oft von meinem Arbeits­alltag mit den Orang-Utans. Für mich würde ein großer Wunsch in Erfül­lung gehen, wenn die beiden eines Tages dazu beitragen, das Bewusst­sein für Umwelt­fragen und den Schutz der Tiere zu schärfen.“

Hariyanti ist Betreuerin im Enrichment-Team in Samboja Lestari
Hari­yanti ist Betreuerin im Enrichment-Team

Verein­bar­keit von Familie und Beruf auch hier ein Thema

Viele unserer Baby­sit­te­rinnen haben zu Hause eine Familie mit Kindern. Es geht ihnen wie vielen Müttern, die jeden Tag Arbeit und Familie unter einen Hut bringen müssen. Dazu Sri Rama­d­hanti, Baby­sit­terin in Samboja Lestari: „Ich versuche jeden Tag beidem gerecht zu werden: meinem Sohn und den Baby-Orang-Utans. Mir ist es wichtig, sowohl mein Kind als auch die kleinen Menschen­affen best­mög­lich in ihrer Entwick­lung zu fördern. Ich möchte mitzu­be­kommen, wie sie Fort­schritte machen und wachsen. Meine Arbeit macht mich wirk­lich sehr glück­lich – aber manchmal bin ich auch traurig, wenn ich Nacht­schicht im Baby-Haus habe und meinen Sohn zu Hause lassen muss.“

Sri Ramadhanti ist Babysitterin in Samboja Lestari
Sri Rama­d­hanti ist Baby­sit­terin in Samboja Lestari

Wir wissen um das große Enga­ge­ment, dass die mensch­li­chen Ersatz­mütter jeden Tag für die kleinen Orang-Utans bringen – mit ihrer Erfah­rung, ihrer Fürsorge, ihrer Liebe. Ohne sie ginge es nicht. Täglich geben sie ihr bestes, damit eines Tages die reha­bi­li­tierten Orang-Utans die Chance bekommen, in ihre wahre Heimat im Wald zurück­zu­kehren. Wir danken ihnen von Herzen.

Sie möchten die Arbeit unserer Teams vor Ort unter­stützen? Machen Sie mit – schenken macht glück­lich. Hier geht es zu unseren Ange­boten zum Muttertag.

 

Ein Abend mit Orang-Utan Mutter Inung und Indie

Ein Abend mit Orang-Utan Mutter Inung und Indie

Gemäch­lich klet­tert Inung, unser Orang-Utan-Weib­chen, das vor acht Jahren im Bukit Batikap Regen­wald ausge­wil­dert wurde, mit ihrem neuge­bo­renen Baby Indie durch das dichte Blät­ter­dach – stets darauf bedacht, stabile Äste beim Klet­tern auszu­wählen. Sie ist auf der Suche nach einem geeig­neten Schaf­platz, denn der Tag neigt sich bald dem Ende zu. Es war ein entspannter Tag, an dem sie mit ihrer Kleinen viele wohl­schme­ckende Früchte gefunden hat. Doch bevor sie und Indie sich zum Schlafen legen können, muss Inung erst ein Nest hoch oben in den Bäumen bauen.

Glück­li­cher­weise wird sie schnell fündig und beginnt mit der kompli­zierten Konstruk­tion. Der Regen­wald ist erfüllt von abend­li­chen Klängen, als aus der Ferne, ein soge­nannter ‘Long Call‘ erklingt. Inung erkennt an der indi­vi­du­ellen Struktur dieses komplexen Rufes, dass dieser von Indies Vater stammt. Entspannt baut sie weiter, um sich dann zusammen mit Indie zum Schlafen hinzu­legen. Was dieser Ruf bedeutet, und welche Infor­ma­tionen Inung dadurch über­mit­telt werden, erläu­tern wir später. Nun widmen wir uns erstmal dem Schlaf von Orang-Utans.

Dr. Isabelle Laumer ist Primatologin und forscht über Orang-Utans
Dr. Isabelle Laumer ist Prima­to­login und forscht über Orang-Utans

Was passiert im Schlaf?

Wenn wir schlafen, sinken Puls, Atem­fre­quenz und Blut­druck ab, die Gehirn­ak­ti­vität verän­dert sich und wir driften in verschie­dene Stadien der NREM Schlaf­phase (non-rapid eye move­ment ‘Schlaf ohne rasche Augen­be­we­gung‘ e.g. 1). Schlaf beim Menschen, Orang-Utans und anderen Säuge­tieren ist durch zykli­sche Phasen von NREM und REM Schlaf (rapid eye move­ment) gekenn­zeichnet. Im REM-Schlaf steigen Gehirn­ak­ti­vität, Puls- und Atem­fre­quenz wieder an, begleitet von einem verrin­gerten Tonus der Skelett­mus­ku­latur. Bewe­gungen, die man im Traum durch­lebt, werden so im Schlaf nicht ausge­führt (was bei Schlaf in einem Baum­nest fatal wäre). Während Menschen im Durch­schnitt sieben bis acht Stunden Schlaf benö­tigen, so ist die Schla­fens­zeit bei Säuge­tieren stark artspe­zi­fisch und reicht von rund zwei Stunden bei Elefanten (2) zu bis zu 20 Stunden bei manchen Fleder­maus­arten (3). Orang-Utans schlafen ähnlich lange wie der Mensch – etwa neun Stunden (4). Die Frage, ob Orang-Utans und andere Tiere träumen und ob sie sich dessen bewusst sind, kann bisher zumin­dest von rein wissen­schaft­li­cher Seite nicht beant­wortet werden. Aller­dings spre­chen die ähnli­chen Schlaf­phasen und andere Indi­zien dafür, dass zumin­dest Säuge­tiere wie Orang-Utans, ähnlich wie wir Menschen, Tages­er­leb­nisse im Traum reka­pi­tu­lieren (e.g. 5, 6).

Schlaf­nester bei Menschenaffen.

Alle vier Menschen­affen, Orang-Utans, Schim­pansen, Bonobos und Gorillas, schlafen in selbst­ge­bauten Schlaf­nes­tern. Die Nester werden selten wieder­holt genutzt und jeden Tag an einer neuen Stelle neu gebaut. Manchmal wird auch tags­über ein Nest konstru­iert, um etwa nach der Nahrungs­auf­nahme zu ruhen. Gorillas fallen etwas aus der Reihe, da sie ihre Nester, im Gegen­satz zu den anderen Menschen­affen, meist auf dem Boden errichten. Man geht davon aus, dass Menschen­affen Schlaf­nester bereits im Miozän, etwa vor 18–14 Millionen von Jahren (das ist der Zeit­punkt als Menschen­affen entwick­lungs­ge­schicht­lich entstanden sind), gebaut haben, als evolu­tio­näre Anpas­sung an ihre zuneh­mende Körper­größe und Schlaf­be­dürf­nisse. Inter­es­san­ter­weise ist das Nest­bauen nicht ange­boren. Menschen­af­fen­kinder müssen es erlernen (7).

Lernen ein stabiles, mehr­schich­tiges Schlaf­nest zu bauen – ein jahre­langes Unterfangen.

Schlafnester sind in mehreren Schichten aufgebaut
Schlaf­nester sind in mehreren Schichten aufgebaut

Junge Orang-Utans müssen von ihrer Mutter lernen, wie man ein stabiles Schlaf­nest hoch oben in den Baum­wip­feln baut. Diese komplexen, ovalen Gebilde bestehen oft aus bis zu sieben Schichten und können sogar ein 90kg schweres Männ­chen sicher tragen. Zual­ler­erst werden an einer geeig­neten Stelle im Baum – oft dort, wo sich eine Astgabel befindet – mehrere große Äste zur geplanten Mitte des Nestes umge­bogen. Diese bilden die Platt­form, auf der das eigent­liche Schlaf­nest entsteht. Dabei muss vorsichtig gear­beitet werden, damit die Äste beim Biegen nicht ausein­an­der­bre­chen und die Holz­fa­sern immer noch mitein­ander verbunden sind. Nun werden mittel­große und klei­nere Äste zur Mitte hinge­bogen und mit dem Unter­grund verwebt, so dass ein Latten­rost-ähnli­ches Gebilde entsteht. Im Verlauf von etwa einer halben Stunde werden weitere kurze Äste und Blätter von den umlie­genden Ästen gepflückt und geschickt mit dem Unter­grund zu einer Matratze verwebt. Je nach Bedarf, werden sogar Kopf­kissen und Decke aus Pflan­zen­ma­te­rial herge­stellt. Zum Schluss wird manchmal auch noch ein Dach aus großen Blät­tern über dem Nest konstru­iert – wer möchte schon im Schlaf nass geregnet werden?

Welche Höhe und welche Baum­arten werden bevorzugt?

Große erwach­sene Männ­chen bauen ihre Nester meist tiefer auf einer Höhe von etwa fünf bis neun Metern.  Die leichter gewich­tigen Weib­chen und klei­neren Männ­chen ohne sekun­däre Geschlechts­merk­male wie Wangen­wülste und Kehl­säcke (die bilden sich meist erst später aus), schlafen weiter oben im Baum, in einer Höhe von durch­schnitt­lich 10–14 Metern (8). Tag-Nester werden meist in größerer Höhe, zwischen 10 bis 24 Metern, errichtet.
Doch nicht nur eine bestimmte Höhe wird bevor­zugt. Man hat heraus­ge­funden, dass beson­ders Orang-Utan-Mütter Wert auf einen von dichten Blät­tern geschützten Platz im Baum legen (9). Vermut­lich um ihren Nach­wuchs vor poten­ti­ellen Gefahren, wie Wilde­rern oder den selten gewor­denen Sunda-Nebel­par­dern zu schützen. Je nach Gebiet und Beschaf­fen­heit des Regen­waldes, bevor­zugen Orang-Utans bestimmte Bäume als Schlaf­orte. In Zentral­ka­li­mantan nisten Orang-Utans am häufigsten in Bäumen der Fami­lien Elaeo­car­paceae, Euphor­biaceae und Anacar­diaceae (8). Das Holz dieser Bäume ist sehr stabil, und die Zweige weisen eine hohe Flexi­bi­lität auf. Inter­es­san­ter­weise scheinen manche dieser Baum­arten sogar pflanz­liche Inhalt­stoffe aufzu­weisen, die Insekten wie Moskitos abhalten.

Und nun enträt­seln wir die Botschaft des ‘Long Calls‘, die Inung von dem Männ­chen vernommen hat. Neueste Studien haben ergeben, dass dieser komplexe mehr­tei­lige Ruf, der bis zu 1500 Meter weit hörbar ist und in eine bestimmte Rich­tung geäu­ßert wird, den Weib­chen in der Umge­bung mitteilt, wohin es am nächsten Morgen geht. Das Revier eines Männ­chens über­schneidet sich oft mit dem von mehreren Weib­chen. Wenn das Männ­chen weiter­zieht, folgen ihm die Weib­chen. Somit planen männ­liche Orang-Utans schon einen Tag im Voraus, in welche Rich­tung es am nächsten Tag gehen soll (10, 11).

Eines unserer wich­tigsten Ziele ist es, mehr Regen­wald­flä­chen zu erwerben und zu Schutz­wald für unsere Orang-Utans umzu­wan­deln. Helfen auch Sie diesen faszi­nie­renden Lebens­raum und seine gewal­tige Arten­viel­falt zu erhalten und zu schützen. Werden auch Sie zum BOS-Unter­stützer. Mit ihrer Spende helfen sie den Orang-Utans und dem Regen­wald! Jeder Beitrag hilft.

Text:
Dr. Isabelle Laumer

Refe­renzen:

1.    Rasch B, and Born J. (2013) About sleep’s role in memory. Physio­lo­gical Reviews 93(2):681–766.

2.    Gravett N, Bhag­wandin A, Sutcliffe R, Landen K, Chase MJ, Lyamin OI, Siegel JM, and Manger PR (2017). Inactivity/sleep in two wild free-roaming African elephant matri­archs — Does large body size make elephants the shor­test mamma­lian slee­pers? PLOS ONE 12:e0171903.

3.    Zepelin H, Rcht­schaffen A (1974). Mamma­lian Sleep, Longe­vity, and Energy Meta­bo­lism. Brain Beha­vior and Evolu­tion 10:425–470.

4.    Samson DR, Shumaker RW (2013). Docu­men­ting oran­gutan sleep archi­tec­ture: slee­ping plat­form comple­xity increases sleep quality in captive Pongo. BEHAVIOUR 150:845–861.

5.    PR Manager, JM Siegel (2020) Do all mammals dream? The Journal of Compa­ra­tive Neuro­logy Rese­arch in Systems Neuro­sci­ence. DOI 10.1002/cne.24860.

6.    HF Olaf­s­dottir, C Barry , AB Saleem, D Hass­a­bism, H J Spiers (2015) Hippo­campal place cells cons­truct reward related sequences through unex­plored space. eLife; 4:e06063.

7.    Videan EN. 2006. Bed-buil­ding in captive chim­pan­zees (Pan troglo­dytes): the importance of early rearing. American Journal of Prima­to­logy 68(7):745–751.

8.    Didik Prasetyo, Sri Suci Utami, Jatna Supri­jatna (2012) Nest struc­tures in Bornean oran­gutans. Journal Biologi Indo­nesia 8 (2): 217–227.

9.    Arora, N., Van Noor­dwijk, M.A., Acker­mann, C., Willems, E.P., Nater, A., Greminger, M., Niet­lis­bach, P., Dunkel, L.P., Atmoko, S.U., Pamungkas, J., Perwi­ta­sari-Fara­jallah, D., (2012) Paren­tage-based pedi­gree recon­s­truc­tion reveals female matri­li­neal clus­ters and male-biased dispersal in nongre­ga­rious Asian great apes, the Bornean oran­gutans (Pongo pygmaeus). Mol. Ecol. 21 (13), 3352–3362.

10.    van Schaik CP, Dame­rius L, Isler K (2013) Wild Oran­gutan Males Plan and Commu­ni­cate Their Travel Direc­tion One Day in Advance. PLoS ONE 8(9): e74896.

11.    Askew J, A, Morrogh-Bernard H, C (2016) Acou­stic Charac­te­ristics of Long Calls Produced by Male Orang-Utans (Pongo pygmaeus wurmbii): Adver­ti­sing Indi­vi­dual Iden­tity, Context, and Travel Direc­tion. Folia Primatol; 87:305–319.

12.    F Fauzi, Suemarno, A Afandhi, AS Leksono (2020) Nesting beha­vior of Bornean imma­ture oran­gutan (Pongo pygmaeus wurmbii) in Nyaru Menteng Arbo­retum School, Palangka Raya, Central Kali­mantan, Indo­nesia; Biodi­ver­sitas: Volume 21, 5, 2172–2179.

 

Die ORANGUTAN JUNGLE SCHOOL hat ihre Pforten geöffnet

Die ORANGUTAN JUNGLE SCHOOL hat ihre Pforten geöffnet

Herein­spa­ziert in die „Oran­gutan Jungle School“ heißt es ab Donnerstag, 6. Mai um 20:15 Uhr auf SAT.1 GOLD. Die Erfolgs­serie wurde seit 2018 in unserem Rettungs­zen­trum Nyaru Menteng gedreht, begeis­terte welt­weit schon Millionen von Menschen und bietet einen so zuvor noch nie gese­henen Blick auf unsere Wald­schüler. Endlich sind sechs Folgen der Doku-Reihe auch im deut­schen Fern­sehen zu sehen.

Tieri­sche Stars wurden durch die „Oran­gutan Jungle School“ geboren, die sicher­lich auch in Deutsch­land bald eine große Fange­meinde entzü­cken werden: So zum Beispiel „Big Boy“ Beni, der durch seinen über­mä­ßigen Appetit mit Gewichts­pro­blemen zu kämpfen hat. Oder Herzens­bre­cherin Monita, die nach ihrer Rettung die ersten Tage in der „Jungle School“ meis­tern muss. Natür­lich Alba, der welt­weit einzige Albino-Orang-Utan. Und viele weitere unserer Waldschüler.

Ab 6. Mai zeigt SAT.1 GOLD immer donners­tags um 20:15 Uhr neue Folgen aus der BOS-Wald­schule. Wie der kosten­freie Sender SAT.1 GOLD empfangen werden kann, ist hier nach­zu­lesen. Online ist der Live­stream der „OJS“ auch nur eine Regis­trie­rung entfernt.
Und nach der Ausstrah­lung im TV sind die Folgen jeweils vier Wochen lang in der SAT.1 GOLD-Media­thek abrufbar. 

Hier zusam­men­ge­fasst alle Sendetermine:

6. Mai 2021, 20:15 Uhr — Folge 1: Will­kommen in der Rettungsstation

13. Mai 2021, 20:15 Uhr — Folge 2: Albino Alba setzt sich durch

 20. Mai 2021, 20:15 Uhr — Folge 3: Die Wildnis ruft!

 27. Mai 2021, 20:15 Uhr — Folge 4: Kein Glück für Beni

3. Juni 2021, 20:15 Uhr — Folge 5: Erik in Lebensgefahr

10. Juni 2021, 20:15 Uhr — Folge 6: Ein Abschied für immer

 

Als Orang-Utan-Retter können Sie die Wald­schüler und unsere Arbeit in den Rettungs­zen­tren unterstützen.