Plötz­lich Mama

Plötz­lich Mama

Es sollte ein ganz normaler Kontroll­gang werden. Doch plötz­lich erlebten unsere Mitar­beiter im Schutz­wald von Bukit Batikap ein kleines Wunder. Und der Regen­wald hatte einen Bewohner mehr.

Kontroll­gänge durch die weit­läu­figen Schutz­ge­biete gehören für unsere BOS-Mitar­beiter zum Alltag. Meist verlaufen sie ohne Zwischen­fälle. Manchmal jedoch passiert Groß­ar­tiges, wie vor ein paar Tagen. „Wir waren noch nicht weit in den Schutz­wald hinein­ge­laufen, als wir das Sender­si­gnal unseres Schütz­lings Meklies empfingen“, erzählt BOS-Mitar­bei­terin Andrea. „Nur sechs Tage vorher hatten wir sie hoch­schwanger gesichtet. Ganz klar, dass wir jetzt beson­ders ein Auge auf sie haben wollten.“

Andrea und ihre Team­kol­legen folgten dem Signal. Auf einer Lich­tung mit riesigen Bäumen sahen sie auf einmal hoch über sich ein Orang-Utan-Nest, aus dem neugierig jemand heraus­blickte: Meklies! Norma­ler­weise zeigt die Fünf­zehn­jäh­rige eindeutig, dass sie von mensch­li­cher Gesell­schaft nicht viel hält und versteckt sich.

Diesmal jedoch war irgend­etwas anders. „Sie schien uns zu akzep­tieren“, berichtet Andrea. „Also haben wir uns abseits nieder­ge­lassen und das Nest beob­achtet.“ Nach einer halben Stunde zeigte sich die Orang-Utan-Dame wieder. Doch diesmal war sie nicht allein! An ihrer Seite hing der kleinste Menschen­affe, den unsere Mitar­beiter nach eigener Aussage jemals gesehen hatten!

„Der kleinste Orang-Utan, den wir je gesehen haben“

„Das Fell des Babys leuch­tete hell wie die aufge­hende Sonne“, schwärmt unsere Mitar­bei­terin. „Das Kleine konnte höchs­tens ein oder zwei Tage alt sein. Seine Augen waren noch geschlossen, das Haar fleckig und noch komplett verwuschelt.“

Der Moment, in dem das Baby bestaunt werden konnte, war nur kurz, denn Meklies versteckte es sofort wieder. Gemeinsam mit dem Nach­wuchs klet­terte sie auf einen anderen Ast und legte sich zur Ruhe. Einige stres­sige Geräu­sche später machte sich unser Team wieder auf den Heimweg. „Im Gesicht hatten wir alle ein breites Lächeln“, erin­nert sich Andrea. „Klar, wir hatten ja auch ein kleines Wunder erlebt.“

Auf den zweiten Blick ist das Wunder noch weitaus größer: „Wir haben nicht nur ein neues Menschen­äff­chen auf der Welt begrüßt, sondern auch erlebt, wie toll sich ein reha­bi­li­tierter Orang-Utan entwi­ckelt hat.“ Nur zwölf Jahre zuvor, im Alter von drei Jahren, wurde Meklies aus einer Palmöl-Plan­tage gerettet. Ihr Baby verspricht jetzt Hoff­nung für eine vom Aussterben bedrohte Spezies, deren Anzahl von Tag zu Tag schwindet.

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Land­wirt­schaft und Arten­viel­falt – ein auflös­barer Gegensatz?

Land­wirt­schaft und Arten­viel­falt – ein auflös­barer Gegensatz?

Moderne Land­wirt­schaft und Arten­viel­falt sind meist nicht die besten Freunde. Überall auf der Welt, wo Land­wirt­schaft in großem Stil betrieben wird, beschränken ausge­dehnte, maschi­nen­ge­eig­nete Anbau­flä­chen das Leben auf dem Acker im Wesent­li­chen auf die ange­bauten Nutz­pflanzen. Dazwi­schen: nichts. Keine Hecken oder Gehölze, nicht einmal kleine Feuchtbiotope.

Palmölplantagen auf Sumatra
Palm­öl­plan­tagen auf Sumatra

Die Belas­tung der Böden, des Grund­was­sers und der umlie­genden Gewässer durch Dünge­mittel und Pesti­zide tut ein Übriges zur Verrin­ge­rung der Arten­viel­falt. In tropi­schen Ländern fallen zudem riesige Wald­ge­biete der Anlage von Ölpalmen- und anderen Plan­tagen zum Opfer. Auch das ist Landwirtschaft.

Global gesehen erscheint dies zunächst mehr oder weniger unver­meid­lich. Schließ­lich gilt es welt­weit Milli­arden von Menschen zu ernähren, vom zuneh­menden Durst nach Agro­s­prit ganz abgesehen.

Doch es gibt noch Hoffnung

Wissen­schaftler verschie­dener Forschungs­in­sti­tute aus Göttingen, Leipzig, Jena und Münster haben eine Studie[i] erstellt, die genau diese Frage­stel­lung zum Thema hat.

Die Autoren schätzen, dass der globale Biodi­ver­si­täts­ver­lust auf land­wirt­schaft­li­chen Flächen bis 2040 im Vergleich zum Jahr 2000 welt­weit etwa 11 Prozent betragen wird. Sie zeigen aber auch, dass dieser durch die Inten­si­vie­rung der land­wirt­schaft­li­chen Produk­tion verur­sachte Verlust um 88 Prozent verrin­gert werden könnte. Dazu bedarf es aller­dings inter­na­tional koor­di­nierter Land­nut­zungs­pla­nung. Entspre­chende, konse­quente Konzep­tionen allein auf natio­naler Ebene würden den erwar­teten Rück­gang an Arten­viel­falt immerhin noch um 61 Prozent abmildern.

Der Schlüssel dieser Stra­te­gien wäre, Auswei­tungen land­wirt­schaft­li­cher Akti­vität in Areale mit ohnehin schon geringer Arten­viel­falt zu lenken, so dass Gebiete hoher Biodi­ver­sität eher geschont würden.

Die Gebiete mit hoher Biodi­ver­sität sind in zehn Ländern konzentriert

Zum größten Teil konzen­triert sich dieses Poten­tial auf zehn Länder, darunter Brasi­lien, Indien und Indo­ne­sien. Wenn allein diese Staaten ihre Land­wirt­schaft, einschließ­lich Plan­tagen, so konzep­tio­nieren würden, dass Gebiete mit hoher Biodi­ver­sität weit­ge­hend erhalten blieben, könnten etwa 33 Prozent des global erwar­teten Arten­schwundes vermieden werden. Für Ölpalmen-Länder bedeu­tete dies, „nur“ die bestehenden Plan­ta­gen­flä­chen sowie gege­be­nen­falls stark degra­dierte Flächen nach­haltig und umwelt­ver­träg­lich zu nutzen und von weiteren Wald­zer­stö­rungen strikt abzusehen.

Proble­ma­tisch dabei ist aller­dings, dass die besagten Länder auch zu den insge­samt zwanzig Ländern mit dem welt­weit verhee­rendsten Arten­schwund zählen. Mitautor Carsten Meyer, Univer­sität Leipzig, erklärt: „Leider sind diese Länder zudem auch oft durch heimi­sche Land­nut­zungs­kon­flikte und relativ schwache regelnde Insti­tu­tionen charak­te­ri­siert. Beides behin­dert gegen­wärtig Landnutzungsverbesserungen.“

Die Wirt­schaft dieser Länder hängt meist auch sehr stark von Land­wirt­schafts- und Plan­ta­gen­pro­dukten ab, einschließ­lich Palmöl. Eine unter Arten­schutz­ge­sichts­punkten opti­mierte Land­nut­zungs­ver­tei­lung würde gerade sie ökono­misch zu Verlie­rern machen. „Globale Opti­mie­rung beinhaltet, dass arten­reiche Länder, haupt­säch­lich in den Tropen, stärker in der Verant­wor­tung für den Schutz der natür­li­chen Ressourcen des Planeten sind – und dies auf Kosten ihrer eigenen wirt­schaft­li­chen Entwick­lung. Wenn solche im Wider­spruch stehenden natio­nalen Inter­essen nicht irgendwie in inter­na­tio­nale Nach­hal­tig­keits­po­litik einge­bettet werden, erscheint globale Koope­ra­tion unwahr­schein­lich und dürfte neue sozio­öko­no­mi­sche Abhän­gig­keiten schaffen“, erklärt der Haupt­autor der Studie, Lukas Egli von der Univer­sität Göttingen.

Reflek­tiert man die zusam­men­ge­fassten, zentralen Ergeb­nisse dieser Studie, kann man nur zu dem wenig über­ra­schenden Schluss kommen, dass gerade den tropi­schen Ländern mit ihrer beson­deren biolo­gi­schen Viel­falt auf die eine oder andere Weise Kompen­sa­tion durch die inter­na­tio­nale Gemein­schaft zusteht. Letzt­lich ließen sich eine produk­tive Land­wirt­schaft und der Erhalt der Arten­viel­falt zumin­dest weit­ge­hend mitein­ander versöhnen, wenn nur inter­na­tional der poli­ti­sche Wille dafür vorhanden wäre.

Die inter­na­tio­nale BOS-Gemein­schaft setzt auf ihre Weise und im Rahmen ihrer Arbeit die Empfeh­lungen der Studie seit jeher um: durch Einbe­zie­hung der lokalen Bevöl­ke­rung in alle Schutz­be­mü­hungen und Schaf­fung alter­na­tiver Einkom­mens­quellen — tragende Säulen der BOS-Aktivitäten.

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[i] Egli L, Meyer C, Scherber C, Kreft H, Tscharntke T. Winners and losers of national and global efforts to recon­cile agri­cul­tural inten­si­fi­ca­tion and biodi­ver­sity conser­va­tion. Global Change Biology, Febr. 2018.

 

Will­kommen im Dschungel

Will­kommen im Dschungel

Tari – hat mit ihren fünf Jahren schon sehr viel erlebt. Ende Januar dieses Jahres wurde die Fünf­jäh­rige aus einem Dorf in Zentral-Kali­mantan befreit. Sie zeigte von Beginn an Verhal­tens­weisen, die drauf hinwiesen, dass dieses Orang-Utan-Mädchen in freier Wild­bahn geboren und von einer liebenden Mutter aufge­zogen wurde.

Tari

Es wurde bald klar – Tari ist bereit für eine Blitz­aus­wil­de­rung. Darum wurde sie zusammen mit dem drei­zehn­jäh­rigen Orang-Utan-Männ­chen Meong und den Weib­chen Haley (13) und Nabima (18) in die Frei­heit des BBBR-Natio­nal­parks entlassen.

Die Auswil­de­rungs­kan­di­daten werden vor der Fahrt noch mal gründ­lich untersucht.

Das Quar­tett begab sich in einem zehn­stün­digen Trip mit Autos und Booten vom Schutz­zen­trum Nyaru Menteng zu dem Bukit Baka Bukit Raya-Nationalparks.

Die BOS-Mitar­beiter wählten die  Auswil­de­rungs­punkte extra so, dass sie nah an dem Fluss­ufer  lagen. So eine Entschei­dung hat zwei Vorteile – die schweren Käfige müssen nur ein paar Meter per Hand getragen werden und die Flucht­wege zum Boot befinden sich direkt hinter dem Auswil­de­rungs­team, falls einer der neuen Wilden doch aggres­siver zu dem Team werden sollte. Diesmal lief aber alles ganz harmlos.

Die Käfige wurden geöffnet und die neuen Wilden fanden sich schnell in der neuen Umge­bung zurecht.

Ab diesem Moment springt unser Post-Moni­to­ring­team ein. Die neuen Wilden werden  eine Woche lang ganz­tägig beob­achtet. Erfah­rungs­gemäß trauen sich die Orang-Utans schon nach einer Woche ihre erste große Reise im Wald zu unter­nehmen. Ab diesem Moment wird es für die Post-Moni­to­ring­teams zuneh­mend schwie­riger die Orang-Utans von Nahem zu beob­achten. Aber die Daten von der ersten Woche können schon viel über ihre künf­tige Anpas­sung an die neue Umwelt aussagen.

Viel Erfolg im Regen­wald, ihr neuen Wilden!

 

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Neues aus dem Mawas-Gebiet

Neues aus dem Mawas-Gebiet

Baba guckt von seiner kleinen Terrasse in die Weite. Der Senior hat eine ganz beson­dere Aufgabe. Im Auftrag von SOS Borneo bewacht Baba das Torf­moor­ge­biet um sein Haus und achtet drauf, dass keine Brände vor Ort entstehen. Denn Brände sind das Haupt­pro­blem in dem ehema­ligen Mega-Reis-Projekt.

Was wurde schon gemacht?

43.885 Setz­linge haben unsere Teams in Mawas in neun Monaten in den lokalen Baum­schulen gezüchtet. Und das hat fantas­tisch geklappt: 63 Dorf­be­wohner, aufge­teilt in sechs Gruppen, konnten im vierten Quartal 2017 insge­samt 39,5 Hektar Wald pflanzen.

Die jungen Setzlinge
Die jungen Setzlinge

Unter den Bäumen finden sich zehn unter­schied­liche Arten, ein Mix aus Obst- und anderen Nutz­bäumen für die Orang-Utans. Somit sind in Mawas mitt­ler­weile 73,4 Hektar Wald mit 88.362 Bäumen entstanden. Dieser Erfolg muss aber jeden Tag neu vertei­digt werden, denn das größte Risiko für den neuen Wald sind die Brände, die auf dem trockenen Torf­moor­boden beson­ders begüns­tigt werden. Deswegen hat BOS Mawas 92 Patrouillen aus Klein­bauern in dem Auffors­tungs­ge­biet einge­stellt mit der Aufgabe den neuen Wald an so genannten Hotspots, also beson­ders gefähr­deten Punkten, vor Wald­bränden aber auch ille­galer Abhol­zung und Fischerei zu schützen. Baba ist einer davon.

Trockener Torfmoorboden
Trockener Torfmoorboden

Kann man die Brände verhindern?
 

„Bis die Entwäs­se­rungs­ka­näle des ehema­ligen Mega-Reis-Projektes geschlossen werden, wird es immer wieder Brände geben“, so Regalino der Leiter von BOS Mawas.

Verschlos­sene Entwasserungskanäle

Die Auffors­tung des Gebiets ist ein mehr­stu­figer Prozess. Sehr wichtig ist dabei das fach­män­ni­sche Verschließen sämt­li­cher Kanäle des Mega-Reis-Projekts. Sonst kann keine Wieder­vernäs­sung des Bodens statt­finden und das Gebiet wird brand­an­fällig bleiben. Außerdem werden die Kanäle für den Trans­port von illegal geschla­genem Holz verwendet.

Im Jahr 2017 konnten 30 Kanäle mit einer Gesamt­fläche von 60,1 Kilo­meter verschlossen werden. Einer davon ist 300 Meter lang. Der Besitzer des Kanals wird gerade bei der Einrich­tung einer Fisch­farm unter­stützt. So entsteht für ihn eine neue, legale Einkommensquelle.

Unser Danke­schön geht an alle Spender, die die Auffors­tung von Mawas und das syste­ma­ti­sche Verschließen der Kanäle möglich machen.

Helfen Sie uns dabei, einen atmenden Regen­wald zu schaffen – und so den Orang-Utans eine Chance zum Über­leben zu geben! 
 

Erste Hilfe-Drama um Orang-Utan Karen

Erste Hilfe-Drama um Orang-Utan Karen

Sie scheinen groß, stark und unver­wundbar. Doch ihr mäch­tiges Aussehen täuscht. Denn auch Orang-Utans sind manchmal schwach und hilflos. Vor allem, wenn unsere ausge­wil­derten Schütz­linge krank werden, kann sich das zu einer ernst­haften Krise auswachsen. Was dann?

In der Regel sind Menschen­affen von der Natur gut ausge­stattet: mit einem Instinkt, der sie vor allen mögli­chen Gefahren warnt. So meiden sie Tiere, die ihnen gefähr­lich werden können und halten sich von unge­nieß­baren oder giftigen Pflanzen fern. Die großen Roten gehen sogar noch einen Schritt weiter: Fühlen sie sich krank, suchen sie im Wald auto­ma­tisch nach Pflanzen mit Heilkraft.

Sehr selten aller­dings können sich auch unsere Artver­wandten nicht selbst helfen und benö­tigen mensch­liche Unter­stüt­zung, wie beispiels­weise unsere im Dezember 2017 ausge­wil­derte Karen.

 

Affen­dame Karen in Not?

Bei einer Routine-Patrouille fand ein BOS-Team die Orang-Utan-Dame auf dem Boden in einem Nest sitzend. Unge­wöhn­lich! Norma­ler­weise werden Nester hoch oben in Baum­kronen gebaut. Grund genug, um Karen ein wenig zu beob­achten. Es passierte – nichts. Die Lady bewegte sich über längere Zeit keinen Milli­meter. Hier stimmte etwas ganz und gar nicht.

Äußer­lich schien Karen unver­sehrt zu sein. Hatte sich die Menschen­affen-Dame viel­leicht an etwas Giftigem gelabt? Je nach Pflan­zenart und Menge der Mahl­zeit kann das für Tiere lebens­be­droh­lich sein. Ohne mensch­li­ches Eingreifen sind sie dann oft verloren. Ein Grund dafür, warum ausge­wil­derte Menschen­affen durch ihre Sender und deren Signale getrackt und über­wacht werden.

Wie handeln unsere Mitar­beiter aber in solch einem Ernst­fall? Die Rettungs­kette ist klar defi­niert: Wird Hilfe für ein Tier benö­tigt, erhält unser Schutz­zen­trum in Nyaru Menteng einen Funkruf. Daraufhin wird in aller Regel ein Team zusam­men­ge­stellt, das sich gemeinsam mit einem Tier­arzt auf den Weg zum Zielort macht.

 

Der mühse­lige Weg des „Kran­ken­wa­gens“

Im aktu­ellen Fall war schon der Weg eine Heraus­for­de­rung. Vom Schutz­zen­trum Nyaru Menteng zum Batikap-Wald sind es unter guten Bedin­gungen drei bis vier Tage Auto­reise. Pech­vogel Karen musste noch länger warten. Durch die anhal­tenden Regen­massen im März waren manche Wege schlecht bis gar nicht passierbar. Das Team um unseren Tier­arzt Agus Fachroni musste dreimal im Verlauf dieser Reise das Verkehrs­mittel wech­seln, bevor es endlich im Batikap-Wald ankam.

Karen in ihrem geschützten Bodennest

Die Warte­zeit über­brückten unsere Mitar­beiter vom Moni­to­ring-Team vor Ort mit inten­siver medi­zi­ni­scher Betreuung und Hilfe für die Orang-Utan-Dame. Rund um die Uhr wurde sie beob­achtet. Früchte und Blätter hielten die Pati­entin bei Kräften. Um das Boden­nest herum drapierte das Team Blätter und Zweige, um ein wenig Schutz vor Raub­tieren und anderen Orang-Utans zu schaffen.

Nach sieben langen Tagen des Aushar­rens und der Inten­siv­pflege trafen unser Vete­rinär und sein Team endlich am Kran­ken­lager ein. Die Diagnose: eine Vergif­tung mit starken Hals­schmerzen und Schluck­be­schwerden. Diese hinderten Karen am eigen­stän­digen, ausrei­chenden Fressen. Für eine ausrei­chende Versor­gung musste unser Schütz­ling jedoch unter Betäu­bung in einem Trans­port­käfig in die Nähe des Camps gebracht werden. Nach drei weiteren Tagen inten­siver Behand­lung und Pflege erholte sie sich glück­li­cher­weise wieder.

Nach ihrer Gene­sung wurde Karen gesichtet, wie sie zu ihrer tägli­chen Routine über­ge­gangen war. Sie schlug sich den Bauch mit Unmengen von Früchten voll und erkun­dete auch wieder den Wald. Vitamin­kuren, die rich­tige Medizin, aber auch der implan­tierte Sender haben der Affen­dame geholfen, diese Krise zu über­stehen. Und Sie als Unter­stützer haben großen Anteil daran. Danke!

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Erkennt die EU den großen Bluff?

Erkennt die EU den großen Bluff?

Anfang des Jahres stimmte das Europa-Parla­ment über die Neuauf­lage der Erneu­er­bare-Ener­gien-Richt­linie (RED) ab. Das Votum des Parla­ments war nicht voll­kommen zufrie­den­stel­lend. Es wird dennoch begrüßt,  denn es deckelt Biokraft­stoffe aus unbe­han­delten und raffi­nierten Pflan­zen­ölen, die man sonst auch für Ernäh­rung nutzen könnte, lenkt Inves­ti­tionen in Rich­tung Kraft­stoffe der Zukunft (Elek­tri­zität, fort­ge­schrit­tene Biokraft­stoffe) und verbietet Palmöl in Biodiesel ab 2021.

Die Palmöl expor­tie­renden Länder reagierten erbost auf das Votum. Ange­führt von Indo­ne­sien und Malaysia, die gemeinsam 85% des welt­weiten Palmöls produ­zieren, haben sie eine gut finan­zierte und aggres­sive Kampagne gestartet, die Europas “Palmöl-Apart­heid“ anpran­gert und drohen mit einem “Rück­schlag“.

Der allmäh­liche Abbau von Palmöl in Biodiesel bis 2021 wird Europas fehl­ge­schla­gene Biokraft­stoff-Stra­tegie nicht gänz­lich richten. Dennoch ist es ein wich­tiger Schritt, der getan werden muss.

Die 2009 verab­schie­dete RED verpflichtet EU-Länder dazu, dass 10% des Kraft­stoffes aus erneu­er­baren Ener­gien bestehen muss, Biokraft­stoff also. Erneu­er­bare Ener­gien sind z.B. Wind­energie, Sonnen­en­ergie, Energie aus Biomasse etc. Für die Beimi­schung in Biokraft­stoffe eignet sich Energie aus Biomasse. Dabei unter­scheidet man Biokraft­stoffe erster, zweiter und dritter Gene­ra­tion. Erstere bestehen aus Raps, Palmöl, Getreide, Mais etc. Diese stehen in Konkur­renz zur Nahrungs­mit­tel­pro­duk­tion für Mensch und Tier. Biokraft­stoffe zweiter Gene­ra­tion sind land­wirt­schaft­liche oder orga­ni­sche Abfälle oder schnell wach­sende Ener­gie­pflanzen, die auf Flächen ange­baut werden können, die nicht für die Land­wirt­schaft geeignet sind. Biokraft­stoffe dritter Gene­ra­tion sind noch in der Entwick­lung und stellen z.B. Algen dar.

 

Die RED — Start­si­gnal für den EU Palmöl-Importboost

Die RED von 2009 war das Start­si­gnal für den Palmöl-Import­boost in die EU, da es extrem preis­günstig ist und die EU bis dato noch keine ange­mes­senen Nach­hal­tig­keits­stan­dards adap­tiert hatte. Seit 2009 fußt nahezu das gesamte Biokraft­stoff­wachstum auf Palmöl, was zurzeit grob für ein Drittel des Biodie­sels in der EU steht. Dies macht Auto­fahrer zu den Haupt­kon­su­menten von Palmöl in Europa.

Die Umwelt­aus­wir­kungen dieser Entwick­lung sind verhee­rend. Enorme Flächen tropi­schen Regen­waldes in Malaysia und Indo­ne­sien werden gerodet, um Platz für Ölpalm­plan­tagen zu machen. Uralte Wälder und Feucht­ge­biete sind verschwunden und damit auch Habi­tate von Pflanzen- und Tier­arten, die auf der Schwelle zum Aussterben stehen. Auch die Land­nut­zungs­kon­flikte mit den Einhei­mi­schen und der indi­genen Bevöl­ke­rung sind verhee­rend. Menschen, die von und im Wald leben, werden umge­sie­delt und vertrieben, manchmal sogar getötet. Während­dessen fällt die, ursprüng­lich als nach­haltig erach­tete, Rege­lung in sich zusammen. Biokraft­stoffe erster Gene­ra­tion sind 80% und Palmöl-Biodiesel im spezi­ellen sogar dreimal schäd­li­cher als fossile Öle wie z.B. Erdöl.

Das EU-Parla­ment versäumte Nutz­pflanzen-Biodiesel komplett auslaufen zu lassen, oder alter­nativ wenigs­tens indi­rekte Land­nut­zungs­än­de­rungen (ILUC) auch in die Treib­haus­gas­bi­lan­zie­rung von Biokraft­stoffen einzu­be­rechnen. Ledig­lich dem übelsten aller Biodiesel schenkten sie, dafür aber in hohem Maße, Aufmerk­sam­keit: Palmöl-Biodiesel. Dieses soll bis 2021 nicht mehr als Biokraft­stoff verwendet werden. Doch auch diese Empfeh­lung des Parla­ments kommt nicht von unge­fähr. Schon 2012 machte die US EPA als Vorreiter die Ankün­di­gung, dass Palmöl sich nicht für die ameri­ka­ni­sche RED (RFS) eigne, beru­hend auf den hohen Treib­hausgas-Emis­sionen. Norwegen ist dem gleichgezogen.

Die Entschei­dung des EU-Parla­ments hat die Palmöl-Nationen auf die Barri­kaden getrieben. Sie werfen dem Parla­ment vor, Palmöl gänz­lich zu verbieten. Dies stimmt jedoch so nicht. Palmöl kann immer noch in die EU verkauft werden. Alleine der, auf Palmöl basie­rende, Biodiesel soll nicht länger zu dem 10%-Ziel bis 2021 ange­rechnet werden. RED ist ein Grund­pfeiler der Klima­po­litik der EU, deswegen ist das Disqua­li­fi­zieren von Brenn­stoffen, die schlimmer als Erdöl sind, essen­tiell für die Glaub­wür­dig­keit dieser Richt­linie. Eine objek­tive Methode Biodiesel zu disqua­li­fi­zieren, bei dessen Gewin­nung breite Flächen Regen­wald für den Anbau von Ölpalmen und Soja­bohnen abge­holzt werden, ist eine berech­tigte Rege­lung und würde eine Ober­grenze für Nutz­pflanzen-Biodiesel einläuten.

 

Zerti­fi­zie­rung von Palmöl für Biodiesel — eine Fehlkonstruktion

Palmöl-Produ­zenten betonen immer, dass ihre Produkte nach den inter­na­tio­nalen Stan­dards als nach­haltig zerti­fi­ziert sind. Aller­dings konnte ein kürz­lich veröf­fent­lichter Report zeigen, dass die Haupt­zer­ti­fi­zie­rungs­sys­teme (RSPO/ ISPO) unzu­rei­chend sind. Eine Verbes­se­rung kann und muss hinsicht­lich des nach­hal­tigen Anbaus von Ölpalmen ange­steuert werden. Der Palmöl-Biodiesel muss aus diesen Systemen ausge­nommen werden, da Zerti­fi­zie­rung für Biodiesel aus Palmöl schlicht und einfach nicht funk­tio­nieren kann. Der Biodiesel-Markt ist künst­lich von den Gesetz­ge­bern  kreiert worden. Dieses Konstrukt befeuert die Nach­frage nach Biomasse, übt somit Druck auf land­wirt­schaft­liche Nutz­fläche aus und gefährdet die Ernäh­rungs­si­cher­heit. Das zwingt Land­wirte dazu, sich nach neuem bebau­barem Land umzu­schauen, was wiederum Entwal­dung und die Entwäs­se­rung von Torf­moor­böden bedeutet. Diese indi­rekte Land­nut­zungs­än­de­rung (ILUC) wird nicht von den bestehenden Zerti­fi­zie­rungs­sys­temen erfasst.

Ein weiteres Argu­ment der Palmöl-Produ­zenten ist, dass ein Verbot von Palmöl den Klein­bauern schaden würde und die “nach­hal­tige Entwick­lung“ unter­grabe. Die Realität jedoch ist viel komplexer. Es gibt etliche Berichte von Klein­bauern, die von ihrem Land vertrieben wurden, um den Platz für große Plan­tagen zu schaffen. Dieje­nigen, die Wider­stand leisten, leiden unter Unter­drü­ckung und riskieren sogar ihr Leben. Viel funda­men­taler ist aber, dass die Produk­tion von Palmöl, um es dann in den Motoren von Autos, LKWs oder Flug­zeugen zu verbrennen, niemals ein nach­hal­tiges Busi­ness­mo­dell sein kann. Je schneller Indo­ne­sien und Malaysia das einsehen, desto besser.

 

Steigt der diplo­ma­ti­sche Druck auf die Kommission

All die aufge­führten Argu­mente der Produ­zen­ten­länder, sind nicht wirk­lich über­zeu­gend. Aus diesem Grund wird nun ein hoher diplo­ma­ti­scher Druck auf die Kommis­sion, das Europa-Parla­ment und die natio­nalen Regie­rungen ausgeübt. Sie drohen damit, die WTO zu verklagen, die laufenden Verhand­lungen über das Frei­han­dels­ab­kommen zwischen der EU und Indo­ne­sien zu beenden, und auch Auswir­kungen auf mili­tä­ri­sche Kooperationen.

Europa sollte all dies für das nehmen, was es ist: nicht mehr als ein gut insze­nierter und geschickt ausge­führter großer Bluff. Die EU ist welt­weit der größte Binnen­markt, die dritt­größte Wirt­schafts­macht und sollte deshalb ein wenig diplo­ma­ti­schem Druck stand­halten können. Europas Bürger werden genau hinsehen, ob die EU den Bluff der Palmöl-Nationen als solchen aufdeckt.

Anmer­kung: Die in Brüssel ansäs­sige Orga­ni­sa­tion Trans­port und Envi­ron­ment veröf­fent­lichte diesen Text im März anläss­lich der neusten Entschei­dung des Europa-Parla­ments über den allmäh­li­chen Abbau von Palmöl in Biodiesel bis 2021. (https://www.transportenvironment.org/newsroom/blog/will-eu-call-palm-oil-nations%E2%80%99-bluff)