Betreutes Wohnen für unsere Überlebenskünstler

Betreutes Wohnen für unsere Überlebenskünstler

Es gehört zu den schönsten Momenten unserer Arbeit, wenn wir den Orang-Utans nach oft jahre­langer Reha­bi­li­ta­tion die Frei­heit schenken. Doch immer wieder kommen auch Tiere zu uns, denen dieser letzte Schritt in die Unab­hän­gig­keit verwehrt ist. Sie haben zu lange in der Gefan­gen­schaft von Menschen gelebt, oder andere trau­ma­ti­sche Erleb­nisse haben tiefe Wunden hinter­lassen. Das kann dann dazu führen, dass diese Tiere nicht alle Fähig­keiten und Verhal­tens­weisen entwi­ckeln können, die sie für ein eigen­stän­diges Über­leben in der Wildnis brau­chen. Doch auch diese Orang-Utans haben bei uns eine Zukunft.

Mit dem Willen zu überleben

Einige Tiere kommen so schwer verletzt zu uns, dass sie blei­bende Behin­de­rungen davon­tragen. So wie Kopral, der bei seinem Versuch, vor seinen Peini­gern zu fliehen auf einen Strom­mast klet­terte. Dabei bekam er einen Strom­schlag und verbrannte sich beide Arme. Sie mussten ampu­tiert werden. Oder Shelton, in dessen Körper neun Gewehr­ku­geln steckten, als er von seinen Rettern gefunden wurde. Er hat über­lebt, bezahlte aber mit seinem Augenlicht.

Shelton ist blind
Shelton ist blind

Andere Orang-Utans sind körper­lich fit, Aber sie tun sich dennoch schwer, das zu lernen, was sie für ein unab­hän­giges Leben im Regen­wald brau­chen. Anih ist so ein Fall. Sie kam vor fast 30 Jahren – und blieb. Sie wurde eine kleine Berühmt­heit, als ihr Foto um die Welt ging (hier die wahre Geschichte hinter dem Bild).

Das Bild von Anih ging um die Welt
Das Bild von Anih ging um die Welt

Wieder andere Tiere leiden an Infek­ti­ons­krank­heiten wie Tuber­ku­lose und Hepa­titis B oder C –Krank­heiten, die ein hohes Über­tra­gungs­ri­siko für die gesamte Orang-Utan-Popu­la­tion darstellen. Deswegen isolieren wir diese infi­zierten Tiere in einem speziell konzi­pierten Komplex. Auch sie können wir nicht auswildern.

Aktuell sind es 210 Tiere, also rund die Hälfte der 416 Orang-Utans in unseren Schutz­zen­tren, die für immer bei uns bleiben müssen. Und doch haben sie alle eines gemeinsam: den beein­dru­ckenden Willen ihr Leben zu meistern.

Betreutes Wohnen auf Lebenszeit

Wir ermög­li­chen diesen Tieren eine best­mög­liche Zukunft. Für sie haben wir inner­halb unserer Schutz­wälder vom Wasser umge­bene, bewal­deten Inseln erschaffen. Hier erhalten sie jede Unter­stüt­zung, die sie brau­chen. Zweimal täglich werden die Insel­be­wohner mit Futter versorgt – und der „Liefer­ser­vice“ hat sehr genau im Blick, ob es unseren Schütz­lingen gut geht. Da Orang-Utans nicht schwimmen können, ist es ein sicherer Platz, wo sie fernab von Gitter­stäben ihr betreutes Wohnen auf Lebens­zeit genießen können. Anih, Kopral und viele andere haben hier ihr Zuhause gefunden.

Anih lebt ein glückliches Leben auf der Insel
Anih lebt ein glück­li­ches Leben auf der Insel

Manche müssen noch auf ihre Chance warten

Leider ist die Anzahl dieser Inseln begrenzt. Orang-Utans brau­chen viel Frei­raum und der Platz reicht nicht für alle. Deswegen warten derzeit noch viele geeig­nete Kandi­da­tinnen und Kandi­daten in Käfigen. Wir sind konti­nu­ier­lich dabei, neue Inseln in geeig­neter Größe zu finden und vorzu­be­reiten – doch unsere Arbeit braucht Zeit und Geld. Geld für die Gehege, die Inseln und die lebens­lange Versor­gung mit Futter und Medi­ka­menten. Geld für unsere Überlebenskünstler.

Helfen Sie mit, unseren nicht auswil­der­baren Orang-Utans ein würdiges Leben zu ermöglichen. 

 

Sie wollen mehr über die Betreuung von nicht auswil­der­baren Orang-Utans wissen? Vor etwas über einem Jahr haben wir ein Inter­view mit Fran­siska Sulistyo, der Südost­asi­en­be­auf­tragten der Orang-Utan Vete­ri­nary Advi­sory Group und ehema­ligen Mitar­bei­terin der BOS Foun­da­tion geführt. Sie finden das Gespräch (in Englisch) hier.

 

Land unter in unseren Projektgebieten

Land unter in unseren Projektgebieten

Spät­herbst und Winter sind für uns regel­mäßig die Jahres­zeiten, die uns Sorge bereiten. Denn es ist die Zeit der Wald­brände – vor allem in El Niño-Jahren – oder die Zeit heftiger Regen­fälle – falls Borneo eher unter dem Einfluss von La Niña steht. Mit fort­schrei­tendem Klima­wandel treffen uns solche Wetter­phä­no­mene deut­lich heftiger und häufiger. Und die Zerstö­rung der Ökosys­teme, der Regen­wälder, Torf­moore und in deren Folge auftre­tende Boden­ero­sionen tun ihr übriges.

In den zurück­lie­genden Tagen wurden drei von fünf Provinzen in Kali­mantan von schweren Über­schwem­mungen heim­ge­sucht. Allein in Zentral-Kali­mantan sind seit vergan­gener Woche sechs Bezirke – darunter die Provinz­haupt­stadt Palangka Raya – von Hoch­was­sern in Mitlei­den­schaft gezogen worden. Betroffen sind Tausende von Menschen. Und unsere Arbeit für die Orang-Utans.

Tausende von Menschen sind betroffen
Tausende von Menschen sind betroffen

Unsere Insel­gruppe Salat Island – auf der Orang-Utans die Reha­bi­li­ta­ti­ons­phase der Voraus­wil­de­rung durch­laufen und Orang-Utans leben, die nicht mehr ausge­wil­dert werden können – war eben­falls stark von Über­flu­tungen betroffen. An manchen Stellen stand das Wasser rund 1,5 Meter über Normal. Die Inseln im Bezirk Pulang Pisau sind von einem großen Fluss umgeben, der große Teile des 2.089 Hektar großen Insel­ge­biets unter Wasser setzte. 

Salat Island wird intensiv beobachtet
Salat Island wird intensiv beobachtet

Rund um die Uhr sind unsere Mitar­beiter seither im Einsatz, um für die Sicher­heit der Orang-Utans auf den Inseln zu sorgen.
Unser Kollege Herman­syah vom Kommu­ni­ka­ti­ons­team der BOS Foun­da­tion berichtet: „Unsere Mitar­beiter sind seit Beginn der Hoch­was­ser­si­tua­tion vor Ort, um mit den stei­genden Pegeln und ständig sich verän­dernden Umständen fertig zu werden. Wir sind alle im Einsatz.“ Glück­li­cher­weise hat bisher keine der Insel-Anlagen struk­tu­relle Schäden erlitten. Das genaue Ausmaß mögli­cher Schäden können wir aller­dings erst dann über­bli­cken, wenn das Wasser abge­flossen ist. Doch der Wasser­stand beginnt gerade erst zu sinken.

Bisher konnten wir auf den Inseln keine gravierenden Schäden feststellen
Bisher konnten wir auf den Inseln keine gravie­renden Schäden feststellen

Bislang scheinen die Über­schwem­mungen den fell­tra­genden Insel­be­woh­nern keine Probleme zu bereiten, aber unsere Teams behalten die Lage der Orang-Utans perma­nent im Auge. „Wir sind erleich­tert, dass die Versor­gung der Tiere mit Futter weiterhin problemlos möglich ist, da unsere Platt­formen nicht von den Über­flu­tungen betroffen sind”, fügte Herman­syah hinzu.

In unserem Rettungszentrum Nyaru Menteng stehen Unterkünfte von Mitarbeitern teilweise unter Wasser
In unserem Rettungs­zen­trum Nyaru Menteng stehen Unter­künfte von Mitar­bei­tern teil­weise unter Wasser

Auch unser Rettungs­zen­trum Nyaru Menteng, das außer­halb der Haupt­stadt Palangka Raya liegt, ist von leichten Hoch­was­sern betroffen. In mehrere Unter­künfte von Mitarbeiter:innen rund um Nyaru Menteng drang Wasser ein. 

In Mawas sind die Pegelstände sehr unterschiedlich hoch
In Mawas sind die Pegel­stände sehr unter­schied­lich hoch

In unserem Schutz­ge­biet Mawas, in dem wir zahl­reiche Projekte zur Wieder­auf­fors­tung, Gemein­de­ent­wick­lung und zum Schutz der dort wild lebenden Orang-Utans durch­führen, kam es auch zu Hoch­was­sern. Selbst die Fahrt zu unseren Projekt­ge­bieten ist eine Heraus­for­de­rung. Straßen können größ­ten­teils nur noch mit dem Boot befahren werden, da Autos den Wasser­massen oft nicht mehr stand­halten können.

In dem 309.000 Hektar großen Torf­moor­ge­biet schwanken die Wasser­stände. Aber an mehreren unserer Über­wa­chungs­sta­tionen, von Rantau Upak bis Camp Release, steht das Wasser nur wenige Zenti­meter vor der Über­flu­tung der Böden. In vielen der Dörfer, darunter Tumbang Muroi, Tumbang Mang­kutub, Batam­pang, Batilap, Mang­katip und Sungai Jaya kämpfen die Bewohner, um ihre Häuser vor dem eindrin­genden Wasser zu schützen. Unsere Gemein­de­ent­wick­lungs­teams unter­stützen sie tatkräftig beim Hoch­was­ser­ma­nage­ment – alle geplanten Akti­vi­täten können warten. 

Setzlinge in der Baumschule sind vom Hochwasser betroffen
Setz­linge in der Baum­schule sind vom Hoch­wasser betroffen

Schnelles Handeln war die Rettung unserer Setz­linge in den Baum­schulen, die unsere Mitarbeiter:innen alle in höher gele­gene Gebiete bringen konnten. So ging kein einziger verloren! Bei den Gebieten, die neu mit Setz­lingen bepflanzt worden waren, hatten wir das Glück, dass sie sich alle in höheren Lagen Gebieten befanden und keines davon vom Hoch­wasser betroffen war.

Durch den schnellen Einsatz unserer Mitarbeiter konnten alle Setzlinge gerettet werden
Durch den schnellen Einsatz unserer Mitar­beiter konnten alle Setz­linge gerettet werden

Lang­fristig gehen wir davon aus, solch verhee­renden Über­schwem­mungen in Mawas vorbeugen zu können, indem wir das trocken­ge­legte Torf­moor durch unsere Wieder­vernäs­sungs- und Auffors­tungs­ar­beit wieder in seinen natür­li­chen Zustand zurück­ver­setzen. Dann ist der Torf­boden in der Lage, wie ein Schwamm deut­lich mehr Wasser aufzu­saugen, wobei die Bäume dem Boden weitere Festig­keit verleihen und zusätz­li­ches Wasser aufnehmen können. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Zerstört ist schnell, repa­rieren ist schwieriger.

Aus unseren Projekt­ge­bieten in Ost-Kali­mantan wurden bisher glück­li­cher­weise keine Schäden oder Boden­ero­sionen gemeldet.

Auf der Vorauswilderungsinsel Bangamat sinkt der Pegelstand langsam
Auf der Voraus­wil­de­rungs­insel Bangamat sinkt der Pegel­stand langsam

In Zentral-Kali­mantan haben wir aktuell Grund zur Hoff­nung, denn das Wasser beginnt an vielen Orten zurück­zu­gehen. Doch noch sind unsere Mitar­beiter voll im Einsatz. Und die Wetter­be­din­gungen während der Regen­zeit können unvor­her­sehbar sein.
Wir stellen fest, dass extreme Wetter­ereig­nisse immer häufiger auftreten. Die Auswir­kungen des Klima­wan­dels sind deut­lich zu spüren. 

Wir werden weiterhin wachsam sein, um die Orang-Utans zu schützen und die Menschen in den Gemeinden zu unter­stützen. Denn wir leben alle gemeinsam auf diesem Planeten und es ist unserer gemein­same Zukunft.

 

Auch Sie können unsere Auffors­tungs­ar­beiten in Mawas unter­stützen. Schaffen Sie mit uns neuen Lebenswald.

Indo­ne­sien — ungezähmt

In Indo­ne­sien haben sich einige Tiere aufgrund ihres isolierten Insel­da­seins manchmal kleiner, manchmal auch größer als ihre Artge­nossen auf dem Fest­land entwi­ckelt. Der Drei­horn­käfer etwa ist mit seinen zehn Zenti­me­tern ein wahres Riesen­in­sekt. Und er ist einer der stärksten Krea­turen der Erde — gemessen an seinem Körpergewicht.

Mit ihren beein­dru­ckenden Hörnern fechten die Männ­chen Rang­kämpfe aus, ein Kampf der Giganten. Palmen­diebe sind mit 40 Zenti­me­tern Körper­länge die größten an Land lebenden Krebs­tiere. Für ihre Lieb­lings­nah­rung klet­tern sie geschickt auf Palmen, die „geern­teten“ Kokos­nüsse knacken sie mit ihren starken Scheren. Indo­ne­sien ist der größte Insel­staat der Welt. Die über 17 000 Inseln liegen in einem weiten Bogen zwischen Pazifik und Indi­schem Ozean entlang des Äqua­tors. In seinen tropi­schen Gewäs­sern und unbe­rührten Regen­wäl­dern haben sich faszi­nie­rende Lebens­ge­mein­schaften gebildet. Tiere und Pflanzen sind teils mit asia­ti­schen, teils mit austra­li­schen Arten verwandt, da noch vor 10 000 Jahren aufgrund eines nied­ri­geren Wasser­spie­gels die Inseln zum Fest­land gehörten.

Acht Orang-Utans müssen jetzt zeigen, was in ihnen steckt

Acht Orang-Utans müssen jetzt zeigen, was in ihnen steckt

Jetzt geht es los für Big Boy Beni, Meryl, Sura und fünf weitere Orang-Utans: das Studen­ten­leben auf der Wald­uni­ver­sität. In den kommenden Monaten müssen sie auf der Insel Badak Besar im Salat Island Cluster in Zentral-Kali­mantan beweisen, dass sie bereit sind, für die ganz große Freiheit.

In zwei Reise­gruppen wurden die ehema­ligen Wald­schüler auf ihre Voraus­wil­de­rungs­insel gebracht. Am 10. November zogen Beni (7), Sura (8), Meryl (7) und Winey auf das bewal­dete Eiland, zwei Tage später folgten Obama (9), Kejora (7), Susanne (8) und Liti (9).

Beni blickt der Freiheit ungeduldig entgegen
Beni blickt der Frei­heit unge­duldig entgegen

Im Schnell­boot ging es auf dem Wasserweg in jeweils vier Stunden von unserem Rettungs­zen­trum Nyaru Menteng ans Ziel. Alle Orang-Utans konnten es kaum erwarten, ihr neues Domizil zu erobern. Im Nu kamen sie aus ihren Trans­port­boxen und schnappten sich auf der Futter­platt­form erstmal einen gesunden Snack. Benis Griff zielte – wer hätte es anders erwartet – natür­lich direkt auf ein Bündel Bananen. 

Bananenfreund Beni ist zufrieden
Bana­nen­freund Beni ist zufrieden

Es dauerte nicht lange, da begannen die frischen Wald­stu­denten auch schon damit, mutig ihre neue Umge­bung zu erkunden. Auch vor den höchsten Bäumen zeigten sie keine Hemmungen. 

Meryl (oben) und Sura erkunden ihr neues Zuhause
Meryl (oben) und Sura erkunden ihr neues Zuhause

Jetzt können sie sich langsam an ihre neue Frei­heit – aber auch an ihre neuen Pflichten – gewöhnen. Denn auf der Insel müssen sie ihr eigenes Futter suchen. Auch wenn es tägli­ches Zusatz­futter auf den Platt­formen gibt (die Inseln würden nicht immer genü­gend Nahrung für alle Bewohner bieten), haben unsere Mitarbeiter:innen einen sehr genauen Blick darauf, wer sich ausschließ­lich auf den Liefer­ser­vice verlässt.

Auf der Futterplattform gibt es zusätzliche Leckereien
Auf der Futter­platt­form gibt es zusätz­liche Leckereien

Neben der Nahrungs­suche und dem neugie­rigen Erkunden ihres Lebens­raumes, gehört auch das Bauen des tägli­chen Schlaf­nestes und der soziale Umgang zu den „Fächern“, in denen sie gute Leis­tungen zeigen müssen. Denn erst dann sind sie bereit, selbst­ständig im Regen­wald zu leben.

Entschlossen macht sich Beni an die Eroberung der Insel
Entschlossen macht sich Beni an die Erobe­rung der Insel

Wir wünschen den neuen Studenten viel Spaß und Erfolg an der Walduni und freuen uns schon auf die Geschichten, die wir von dort über Beni, Meryl und die anderen berichten können.

 

Möchten Sie einen Orang-Utan auf dem Weg in die Frei­heit unter­stützen und begleiten? Dann über­nehmen Sie doch eine Patenschaft.

„Natur­ba­sierte Lösungen” als Green­wa­shing 2.0

„Natur­ba­sierte Lösungen” als Green­wa­shing 2.0

Unab­hängig der pein­li­chen Verhand­lungs­er­geb­nissen der „Staa­ten­ge­mein­schaft“ in Glasgow, findet in deren Schatten ein weiterer Skandal statt. In diesem Falle im grünen Mantel. 

Große Klima- und Land­ver­schmutzer wie Shell und Nestlé hausieren aktuell mit einer relativ neuen Betrugs­ma­sche – den soge­nannten „Nature-based Solu­tions“ (NbS): Sie kommu­ni­zieren öffent­lich­keits­wirksam, dass sie ihre Treib­haus­gas­emis­sionen auf null senken und gleich­zeitig weiterhin fossile Brenn­stoffe verbrennen, mehr vom Planeten abbauen und die indus­tri­elle Fleisch- und Milch­pro­duk­tion stei­gern. Sie nennen dies die Redu­zie­rung der Emis­sionen auf „Netto-Null“. Das Pflanzen von Bäumen, der Schutz von Wäldern und die Opti­mie­rung der indus­tri­ellen Anbau­me­thoden, so behaupten sie, wird genug zusätz­li­chen Kohlen­stoff in Pflanzen und im Boden spei­chern, um die Treib­haus­gas­emis­sionen auszu­glei­chen, die sie in die Atmo­sphäre pumpen.

Klima­schutz als bein­hartes Geschäftsmodell

Was Konzerne und große Natur­schutz­un­ter­nehmen „natur­ba­sierte Lösungen“ nennen, ist eine gefähr­liche Ablen­kung. Ihre Marke­ting­kon­zepte sind geschmückt mit unbe­wie­senen Daten und der steilen Behaup­tung, dass bis 2030 37 Prozent der CO2-Einspa­rungen realis­tisch seien. Immer mehr Unter­nehmen, von Total über Micro­soft bis Unilever, machen „natur­ba­sierte Lösungen“ zum Kern ihrer Klima­ak­ti­ons­pläne, während die Natur­schutz­in­dus­trie auf die Finan­zie­rung von „natur­ba­sierten Lösungen“ von Unter­nehmen zurück­greift, um im grünen Markt zu domi­nieren. Denn auch dieser ist ein bein­hartes Geschäft voller Partei- bzw. Industrielobbyinteressen. 

Degradierter Torfmoorregenwald in Mawas
Zerstörter Torf­moor­re­gen­wald in Mawas

Aus Sicht der Natur­schutz­in­dus­trie ist die Idee einfach: Unter­nehmen bezahlen sie dafür, Wälder zu umschließen oder Bäume auf Land zu pflanzen, von dem sie behaupten, dass es „degra­diert“ sei und dass bei einer Wieder­her­stel­lung mehr Kohlen­stoff absor­biert werden könnte.
Im Gegenzug behaupten die Konzerne, dass die Klima­schäden durch ihre anhal­tenden Treib­haus­gas­emis­sionen ausge­gli­chen werden. Oft wird ein Doku­ment, das als Carbon Credit (CO2-Zerti­fikat) bezeichnet wird, verwendet, um diese Aufrech­nungs­for­de­rung zu vermarkten.

Natur­ba­sierte Lösungen oder natur­ba­sierte Enteignungen

Wenn Konzerne und große Natur­schutz­or­ga­ni­sa­tionen von „Natur“ spre­chen, meinen sie meist geschlos­sene Räume ohne Menschen. Gemeint sind Schutz­ge­biete, Baum­plan­tagen und große Mono­kul­tur­be­triebe. Ihre „Natur“ ist unver­einbar mit der Natur, die als Terri­to­rium verstanden wird, als Lebens­raum, der untrennbar mit den Kulturen, Ernäh­rungs­sys­temen und Lebens­grund­lagen der Gemein­schaften verbunden ist, die sich um sie kümmern und sich als intrin­si­sche Teile davon verstehen. 

Ölpalmplantagen wo einst Regenwald stand
Mono­kultur Ölpalmplantage

„Natur­ba­sierte Lösungen“ sind also keine Lösung, sondern ein Betrug. Die vermeint­li­chen Lösungen werden zu „natur­ba­sierten Enteig­nungen“ führen, weil sie die verblei­benden Lebens­räume von indi­genen Völkern, Bauern und anderen wald­ab­hän­gigen Gemein­schaften einschließen und „die Natur“ zu einem Dienst­leister zwecks Ausglei­ches der Umwelt­ver­schmut­zungen durch Konzerne und zum Schutz von Gewinnen redu­zieren werden. Der Unter­nehmen, die am meisten für das Klima­chaos verant­wort­lich sind. Indi­gene Völker, Bauern und andere wald­ab­hän­gige Gemein­schaften, deren Terri­to­rien einge­schlossen werden, werden mit mehr Gewalt, mehr Einschrän­kungen bei der Nutzung ihres Landes und mehr Kontrolle über ihr Terri­to­rium konfron­tiert sein.

Neues Gewand für alte Taktik

„Natur­ba­sierte Lösungen“ sind eine Wieder­ho­lung der geschei­terten REDD+-Baumpflanzungs- und Wald­schutz­pro­gramme, die dieselben Natur­schutz­gruppen seit 15 Jahren fördern. REDD+ hat nichts getan, um die globalen Treib­haus­gas­emis­sionen zu redu­zieren oder die großen Lebens­mittel- und Agrar­un­ter­nehmen zu beherr­schen, die die Entwal­dung voran­treiben. Sein blei­bendes Vermächtnis ist jedoch der Verlust von Land und Wäldern für bäuer­liche und wald­ba­sierte Gemein­schaften und starke Einschrän­kungen bei der Nutzung ihres Landes. REDD+ hat auch eine Branche von „Nach­hal­tig­keits- und Sicher­heits­be­ra­tern“ und Projekt­be­für­wor­tern hervor­ge­bracht, die davon profi­tieren, REDD+-Projekte als „nach­haltig“ zu dekla­rieren, trotz der Verlet­zungen von Rechten, die solche Projekte verur­sa­chen. Die Befür­worter „natur­ba­sierter Lösungen“ wenden nun die gleiche Taktik von Zerti­fi­zie­rungs­sys­temen und Schutz­maß­nahmen an, um Kritik abzu­wehren und die Über­nahme von Gemein­schafts­land und ‑wäldern durch die Unter­nehmen zu verschleiern.

Woher soll all das Land kommen?

Die Unter­nehmen mit „natur­ba­sierten Lösungen“ in ihren Klima­schutz­plänen wollen ihre Produk­tion stark umwelt­be­las­tender Produkte stei­gern. In der fehler­haften Logik der „natur­ba­sierten Lösungen“ von Unter­nehmen bedeutet mehr Umwelt­ver­schmut­zung, dass Unter­nehmen mehr Land als ihre Kohlen­stoff­spei­cher bean­spru­chen müssen; es wird mehr Enteig­nungen und weitere Beschrän­kungen der bäuer­li­chen Land­wirt­schaft und der gemein­schaft­li­chen Nutzung ihrer Terri­to­rien bedeuten. Es wird auch eine noch stär­kere Kontrolle der Unter­nehmen über Land und Wälder bedeuten.

Die Opfer der Zerstörung: Orang-Utans, die ihre Heimat verloren haben
Die Opfer der Zerstö­rung: Orang-Utans, die ihre Heimat verloren haben

Der italie­ni­sche Ener­gie­kon­zern Eni zum Beispiel will bis 2050 noch 90 Prozent seiner Energie aus fossilen Brenn­stoffen gewinnen. Um diese Emis­sionen auszu­glei­chen, muss er das gesamte Poten­zial aller Wälder in Italien bean­spru­chen, um Kohlen­stoff zu absor­bieren – acht Millionen Hektar für Enis „Netto-Null“-Anspruch!

Laut Oxfam könnten allein die Netto-Null-Ziele von nur vier der großen Öl- und Gaskon­zerne (Shell, BP, Total und Eni) eine Land­fläche benö­tigen, die doppelt so groß ist wie die Groß­bri­tan­niens. Das sind nur einige der großen Ener­gie­kon­zerne. Der „Netto-Null“-Plan des welt­größten Lebens­mit­tel­kon­zerns Nestlé könnte 4,4 Millionen Hektar Land pro Jahr für den Ausgleich benö­tigen. Und auch die Pläne von Big-Tech-Firmen wie Micro­soft und Amazon basieren auf der Anrech­nung ähnlich großer Flächen.

Mehr Klima­chaos und Biodiversitätsverlust

Konzerne und die großen Natur­schutz-NGOs bieten diese „grünen“ Unter­neh­mens­lö­sungen nicht nur in den Klima­ge­sprä­chen an; sie drängen die Idee auch in Regie­rungs­sit­zungen der UN-Konven­tion über die biolo­gi­sche Viel­falt (Conven­tion on Biolo­gical Diver­sity). Im Zusam­men­hang mit dem UN-Food Systems Summit im September 2021 wird „nature-posi­tive produc­tion“ als ähnli­ches Konzept wie NbS genutzt – um die Land­wirt­schaft weiter zu indus­tria­li­sieren und die Kontrolle der Unter­nehmen auszu­bauen. Wenn diese Versuche erfolg­reich sind, kommt es zu mehr Klima­chaos und einem noch schnel­leren Verlust an Biodi­ver­sität, während Konzerne weiterhin von der Zerstö­rung und Verbren­nung fossilen Kohlen­stoffs profitieren.

Regie­rungen müssen wissen, dass es eine wach­sende Bewe­gung von Gemein­schaften, Orga­ni­sa­tionen und Akti­visten an vorderster Front für Klima­ge­rech­tig­keit gibt.

Ich plädiere dafür, „natur­ba­sierte Lösungen“ und alle Ausgleichs­pro­gramme neu zu über­denken. In ihrer jetzigen Form sind sie nicht darauf ausge­legt, der Klima­krise zu begegnen. Ihre Haupt­funk­tion besteht darin, ein oder zwei Jahr­zehnte unge­zü­gelter Unter­neh­mens­ge­winne aus der Ausbeu­tung von fossilem Kohlen­stoff und der indus­tri­ellen Land­wirt­schaft zu erkaufen und gleich­zeitig die Kontrolle über die Gebiete der Gemein­schaft von außen zu erhöhen. 

Klima­neu­tra­lität bedeutet kaum mehr als Papier­ein­spa­rungen, erreicht durch krea­tive Buch­füh­rung und nicht über­prüf­bare Behaup­tungen, hypo­the­ti­sche Emis­sionen verhin­dert zu haben. Die Zeit für solche Ablen­kungen ist abge­laufen. Nur ein rascher und termi­nierter Plan, die verblei­benden Kohle‑, Öl- und Gasre­serven im Boden zu belassen und die indus­tri­elle Land­wirt­schaft ökolo­gisch zu refor­mieren, wird ein kata­stro­phales Klima­chaos verhindern.

Nachhaltige Lösungen gehen nur mit den lokalen Gemeinden
Nach­hal­tige Lösungen gehen nur mit den lokalen Gemeinden

Grass­roots-Gemein­schaften an vorderster Front, die gegen die Förde­rung fossiler Brenn­stoffe, Pipe­lines, Minen, Plan­tagen und andere Projekte der Rohstoff­in­dus­trie sind, weisen den Weg. Der Wider­stand gegen „natur­ba­sierte Lösungen“ und der gemein­schaft­liche Wider­stand gegen die Zerstö­rung unter­ir­di­scher Kohlen­stoff­vor­kommen, den Bergbau und die Agrar­in­dus­trie durch Konzerne müssen als Teil desselben Kampfes verstanden werden.

Grass­roots-Gemein­schaften stehen auch an vorderster Front bei den Kämpfen um Ernäh­rungs­sou­ve­rä­nität und Agrar­öko­logie, die notwendig sind, um die viel­fäl­tige Krise des Planeten zu lösen.  Wir erkennen und unter­stützen die Kämpfe, die von Basis­ge­mein­schaften um die Kontrolle über die Gebiete geführt werden, von denen sie heute und in Zukunft abhängen.

 

In Mawas repa­rieren wir zerstörte Torf­moore, forsten auf und unter­stützen die lokalen Gemeinden durch neue, sichere und nach­hal­tige Einnah­me­mög­lich­keiten. Sie können helfen!

Zerstö­rung der Wälder verhin­dern: Feigen­bäume als Schlüssel zur Wiederaufforstung

Zerstö­rung der Wälder verhin­dern: Feigen­bäume als Schlüssel zur Wiederaufforstung

Auf dem Welt­kli­ma­gipfel in Glasgow haben sich mehr als 100 Staaten dazu verpflichtet, die welt­weite Zerstö­rung der Wälder zu stoppen. Ihr Bestand schrumpft drama­tisch: Jede Minute geht eine Fläche von rund 27 Fußball­fel­dern verloren. Was können wir der Entwal­dung entge­gen­setzen? Dafür brau­chen wir gute Ideen. Gemeinsam mit unserem Partner, dem Rhino and Forest Fund und in Zusam­men­ar­beit mit dem „Forest Rese­arch Centre Sepilok“ haben wir ein viel­ver­spre­chendes Projekt in Sabah, im malai­si­schen Teil von Borneo ins Leben gerufen.

Entwal­dete Flächen zum Leben erwecken

Inwie­weit die Ergeb­nisse des Klima­gip­fels tatsäch­lich dazu beitragen können, die globale Entwick­lung zu stoppen, wird sehr unter­schied­lich bewertet. Doch eines ist klar: Wir müssen jetzt handeln. Neben dem Schutz der vorhan­denen Wälder geht es dabei um die Wieder­auf­fors­tung von bereits entwal­deten Gebieten. Auf Borneo ist der Regen­wald in den letzten Jahr­zehnten um mehr als die Hälfte   geschrumpft.  Gerade die beson­ders arten­rei­chen Tief­land­re­gen­wälder Borneos sind dabei weit­ge­hend zerstört worden, da sie für die Holz­in­dus­trie beson­ders inter­es­sant sind und sich im Gegen­satz zu Gebirgs­re­gen­wäl­dern gut für Palm­öl­plan­tagen eignen.

Eine drama­ti­sche Entwicklung.

Aber noch ist es nicht zu spät. Um die einzig­ar­tige Arten­viel­falt Borneos doch noch zu bewahren, reali­sieren wir gemeinsam mit dem „Rhino and Forest Fund“ in Zusam­men­ar­beit mit den lokalen Forst­be­hörden ein umfang­rei­ches Auffors­tungs­pro­jekt in Sabah, im Nord­osten Borneos.

Feigen­bäume als Schlüssel zur Wiederaufforstung

Eine entschei­dende Rolle spielen dabei Feigen­bäume: Sie gelten als „keystone species“ (Schlüs­sel­arten) für die Wieder­auf­fors­tung. Die Pflanzen sind relativ anspruchslos, wachsen schnell und tragen je nach Art bis zu fünf Mal Früchte im Jahr – und es gibt kaum ein Tier im Regen­wald, das diese Feigen­früchte oder ‑blätter nicht frisst. Auch Orang-Utans lieben sie. Feigen­früchte zählen somit zu den Haupt­nah­rungs­quellen im Regen­wald. Und sie verbreitet sich auf ganz natür­liche Weise: Die Tiere verdauen die Früchte und scheiden die Samen an anderer Stelle (zusammen mit ganz „natür­li­chem Dünger“) wieder aus. Bei manchen Feigen­arten muss der Samen durch den Verdau­ungsakt einer ganz bestimmten Schleich­katze oder eines Vogels, um keimen zu können. Insbe­son­dere die Würge­feigen setzen dabei auf die Verbrei­tung durch Vögel: Diese fressen die Früchte und hinter­lassen die Samen hoch oben auf den Ästen der Bäume, wenn sie dort koten. Das Sonnen­licht begüns­tigt das Austreiben der Wurzeln in luftiger Höhe. Nach und nach umschließt die Würge­feige den Baum, bis dieser irgend­wann Jahr­zehnte später abstirbt. Die Würge­feige ist dann stabil genug, um auf “eigenen Füßen” zu stehen.

Die Würgefeige erkennt man an ihrem auffälligen Wurzelwerk
Die Würge­feige erkennt man an ihrem auffäl­ligen Wurzelwerk

Die Nach­kommen werden direkt am Baum „gezüchtet“

Um nicht auf Schleich­katzen oder Vögel ange­wiesen zu sein, betreiben wir gemeinsam mit dem „Rhino and Forest Fund“ sei 2020 mehrere Baum­schulen in Sabah. Hier werden unter­stützt vom „Forest Rese­arch Centre“ Spezia­lis­tinnen und Spezia­listen für die Feigen­zucht ausge­bildet. Um möglichst schnell möglichst viele neue Setz­linge diverser Arten zu züchten, prak­ti­zieren wir hier sehr erfolg­reich das „Marcot­ting“:  Bei dieser Zucht­me­thode werden Zweige direkt am Baum ange­ritzt und eine Hand­voll Erde mithilfe einer Plas­tik­folie um den ange­ritzten Zweig gebunden (siehe Bild). Nach rund 3–4 Wochen hat die Pflanze im Ballen Wurzeln ausge­bildet. Der Zweig wird samt Wurzeln abge­trennt und kann in die Erde gesetzt werden. Auf diese Weise haben wir in unserer Baum­schule schon hunderte Setz­linge gewonnen. Hinzu kommen tausende weiterer Setz­linge von bereits über 40 einhei­mi­schen Baumarten.

Die angeritzten Zweige werden mit Erde und Folie umschlossen
Die ange­ritzten Zweige werden mit Erde und Folie umschlossen
Nach 3-4 Wochen kann der neue Trieb eingepflanzt werden
Nach 3–4 Wochen kann der neue Trieb einge­pflanzt werden
Die Setzlinge sind bereit für ihren Einsatz
Die Setz­linge warten auf ihren Einsatz

Ein natür­li­cher Lebens­raum entsteht

Die Setz­linge pflanzen wir unter anderem in unserem Wild­tier­kor­ridor in Sabah. Seit zwei Jahren wandelt BOS gemeinsam mit dem Rhino and Forest Fund (RFF) alte Ölpal­men­plan­tagen in Regen­wald um. Der Korridor verbindet die beiden Schutz­ge­biete Tabin und Kulamba mitein­ander. Ein neuer, arten­rei­cher Lebens­raum entsteht. Dabei bieten die ausge­dienten Ölpalmen den jungen Setz­lingen in der ersten Wachs­tums­phase Schutz vor Erosion und zu starker Sonnen­ein­strah­lung. Sobald die neuen Pflanzen stark genug sind, werden die Ölpalmen per Hand gefällt oder bleiben als Gerüst für Würge­feigen stehen. Das ist sehr aufwändig. Geplant ist, dies in Zukunft mithilfe von Würge­feigen ganz natür­lich zu unter­stützten: Wir setzen die Setz­linge oben auf die Ölpalmen, wo die Feige die Palme nach und nach umschließt und lang­fristig zum Absterben bringt. So nutzen wir die Ölpalmen, um einen arten­rei­chen natur­nahen Regen­wald wieder aufer­stehen zu lassen.

Wir haben noch viel vor.
 
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