Orang-Utans: Werk­zeug­bauer, Erfinder und plan­volle Denker

Orang-Utans: Werk­zeug­bauer, Erfinder und plan­volle Denker

Wussten Sie, dass auch Orang-Utans Werk­zeuge verwenden? Folgen Sie uns in den Regen­wald und finden Sie heraus, was den Werk­zeug­ge­brauch bei Menschen­affen so beson­ders macht.

Der Gebrauch von Werk­zeugen, und vor allem auch ihre Herstel­lung, ist im Tier­reich extrem selten, und mancher Werk­zeug­ge­brauch wird oft fälsch­li­cher­weise pauschal als intel­li­gent bewertet. Beispiels­weise werfen Amei­sen­löwen – das sind die räube­ri­schen Insek­ten­larven der Amei­sen­jung­fern – kleine Steine auf ihre poten­zi­elle Beute. Oder Schüt­zen­fi­sche, die ihre Beute­tiere außer­halb des Wassers mit einem gezielten Wasser­strahl jagen. Das sind Beispiele für einen ange­bo­renen, sche­ma­ti­schen Gebrauch von Werk­zeugen, die typi­scher­weise immer gleich­blei­bend in nur einer bestimmten Situa­tion einge­setzt werden. Im Gegen­satz dazu erfor­dert intel­li­genter Werk­zeug­ge­brauch die Fähig­keit, mehrere Infor­ma­ti­ons­ebenen zu inte­grieren und das Verhalten schnell und flexibel an wech­selnde Situa­tionen anzupassen.

Dieser Stamm wird bearbeitet wie ein Kunstwerk
Dieser Stamm wird bear­beitet wie ein Kunstwerk

Orang-Utans verwenden in der freien Wild­bahn nicht nur routi­ne­mäßig Werk­zeuge, sie stellen diese sogar selbst her. Wenn sie vor einer neuen Aufgabe stehen, können sie neue Werk­zeuge sogar spontan erfinden (1). Darüber hinaus hat man fest­ge­stellt, dass die Menschen­affen auch ökono­mi­sche, ziel­ori­en­tierte Entschei­dungen über den Gebrauch von Werk­zeugen treffen (2). In der freien Wild­bahn konnte man bisher knapp 40 verschie­dene Arten von Werk­zeug­ge­brauch fest­stellen (3). Ein paar Beispiele gefällig?

Werk­zeug­ein­satz zur effi­zi­enten Nahrungsbeschaffung

Um an nähr­stoff­rei­ches Futter heran­zu­kommen, verwenden Orang-Utans bis zu sieben verschie­dene Vari­anten von Werk­zeugen (3). So entfernen sie zum Beispiel sehr geschickt die äußere unge­nieß­bare Hülle von Früchten mit Hilfe von kurzen Ästen, um an die wohl­schme­ckenden Samen heran­zu­kommen. Andere Früchte, wie etwa die von Neesia-Bäumen, benö­tigen noch mehr Arbeits­ein­satz – und Geduld: Entweder müssen die Menschen­affen warten, bis die hart­scha­lige große Frucht des Neesia-Baums heran­reift und von selbst aufplatzt. Oder, falls das  zu lange dauert, werden die Früchte auch schon mal vorsichtig aufge­bissen. Um an die leckeren Samen zu kommen, brechen die Orang-Utans Stöck­chen vom Baum, entfernen die Seiten­triebe und zum Teil auch die Rinde und kürzen das Stöck­chen auf die gewünschte Länge (4). Anschlie­ßend bear­beiten sie damit das Innere der Frucht, um den Inhalt der Frucht­kapsel heraus­zu­schälen. Hier müssen sie aller­dings sehr vorsichtig agieren, da die nähr­stoff­rei­chen Samen von einer dichten Schicht stache­liger Brenn­haare umgeben sind.

 die Neesia-Frucht - hier mit Werkzeug, um an das Innere zu gelangen
Ein echter Lecker­bissen: die Neesia-Frucht — hier mit Werk­zeug, um an das Innere zu gelangen

Um in Baum­höhlen oder Totholz nach Termiten und anderen Insekten zu angeln, aber auch um an leckeren Honig zu gelangen, nutzen die Orang-Utans speziell ange­fer­tigte Zweige, bei denen sie manchmal die Enden aufbeißen. Das macht das Werk­zeug vermut­lich effi­zi­enter, da es die Wahr­schein­lich­keit erhöht, dass sich Larven darin verbeißen und durch die vergrö­ßerte Ober­fläche mehr Honig aufge­nommen werden kann.

Gegen stechende Insekten verwenden sie manchmal Blätter als Schutz­hand­schuh oder ganze Äste als Körper­schutz. Sogar die Nutzung von natür­li­chen Stroh­halmen, um Regen­wasser aus Baum­lö­chern zu trinken, wurde schon beob­achtet (3). Manchmal brechen sie auch längere Äste vom Baum ab, um damit nach schwer erreich­baren Früchten zu angeln oder um die Wasser­tiefe fest­zu­stellen (5).

Während lang­an­hal­tender Dürre­pe­ri­oden, verur­sacht durch das El Niño Klima­phä­nomen, wird oft die Nahrung knapp. Dann kommt es vor, dass Orang-Utans mit größeren Holz­pflö­cken die Rinde von Bäumen entfernen, um an das Baum­kam­brium, die nahr­hafte Wachs­tums­schicht zwischen Rinde und Holz, heran­zu­kommen. Es erfor­dert viel Erfah­rung, die rich­tige Technik und Geschick, um in großen Höhen solche kraft­vollen, ziel­ge­rich­teten Bewe­gungen sicher auszuführen.

Körper­hy­giene und Wohlbefinden

Genau wie wir Menschen, legen Orang-Utans großen Wert auf Körper­pflege. So verwenden sie beispiels­weise kurze Äste als Zahn­sto­cher oder als Nagel­schaber und mit längeren Ästen kratzen sie sich gern den Rücken. Große Blätter nutzen sie als Sonnen­schutz oder Regen­schirm und manchmal auch als Fächer, um sich kühlende Luft zuzu­fä­cheln. Offenbar wissen diese schlauen Tiere auch um die wohl­tu­ende Wirkung mancher Pflanzen: Es ist schon beob­achtet worden, dass sie Heil­pflanzen zerkauen und den entzün­dungs­hem­menden Nahrungs­brei an Armen und Beinen verteilen (6).

Das tut gut - der Ast als Rückenkratzer
Das tut gut — der Ast als Rückenkratzer

Werk­zeuge, um Laute zu erzeugen

Orang-Utans haben ein breit­ge­fä­chertes Laut­re­per­toire. Bei dem soge­nannten ‘kiss-squeak´ wird die Luft durch die vorge­spitzten Lippen scharf einge­sogen, was einen stimm­losen Kuss­laut erzeugt (7). Orang-Utans jeden Geschlechts und Alters verwenden diesen Laut als Alarmruf, wenn sie sich gestört oder bedroht fühlen. Der kiss-squeak kann entweder ohne oder mit Hilfe von Blät­tern, die dabei an die Lippen gehalten werden, erzeugt werden.  Jung­tiere müssen diese Form der Laut­pro­duk­tion üben, bis es endlich klappt.

Orang-Utans bekommen nur alle sechs bis neun Jahre Nach­wuchs und haben so inner­halb der Menschen­affen das mit Abstand längste Gebur­ten­in­ter­vall (8). Diese lange Zeit­spanne wird benö­tigt, damit der junge Orang-Utan all die über­le­bens­wich­tigen Werk­zeug­tech­niken und sozialen Fähig­keiten erlernen kann. Experten vermuten, dass viele Formen des Werk­zeug­ge­brauchs kultu­rell von einer Gene­ra­tion an die Nächste weiter­ge­geben werden, und dass daher soziales Lernen eine große Rolle spielt (3).

Hier lernt einer vom anderen, wie man mit einem Stöckchen an den Honig in einem Stamm kommt
Hier lernt einer vom anderen, wie man mit einem Stöck­chen an den Honig im Stamm kommt

Wir tun unser Bestes, um unsere Schütz­linge in den Rettungs- und Reha­bi­li­ta­ti­ons­zen­tren best­mög­lich auf ein selbst­stän­diges Leben im Regen­wald vorzu­be­reiten und ihnen alles Wich­tige in der Wald­schule beizubringen.

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Beitrag von Dr. Isabelle Laumer

Refe­renzen:

1. Laumer I.B., Call J., Bugnyar T., Auer­sperg A.M.I. (2018) Spon­ta­neous inno­va­tion of hook-bending and unben­ding in oran­gutans (Pongo abelii). Scien­tific Reports 8:16518

2. Laumer I.B., Auer­sperg A.M.I., Bugnyar T., Call J. (2019) Oran­gutans (Pongo abelii) make flexible decis­ions rela­tive to reward quality and tool func­tion­a­lity in a multi-dimen­sional tool-use task. PLoS One 14(2): e0211031.

3. Meul­mann EJM, van Schaik CP (2013) Oran­gutan tool use and the evolu­tion of tech­no­logy. In: Sanz, C M; Call, J; Boesch, C. Tool Use in Animals. Cogni­tion and Ecology. Cambridge, UK: Cambridge Univer­sity Press, 176–202.

4. Forss S (2009) Social Lear­ning and Inde­pen­dent Explo­ra­tion in imma­ture Suma­tran Oran­gutans, Pongo abelii. Addi­tional compa­ra­tive study between two popu­la­tions; Suaq Balim­bing, Sumatra and Tuanan, Borneo. Master thesis super­vised by van Schaik CP

5. Shumaker R.W., Walkup K.R. & Beck B.B. (2011) Animal tool beha­viour: The use and manu­fac­ture of tools by animals. Balti­more, MD: Johns Hopkins Univer­sity Press.

6. Morrogh-Bernard, H.C., Foitová, I., Yeen, Z. et al. (2017) Self-medi­ca­tion by orang-utans (Pongo pygmaeus) using bioac­tive proper­ties of Dracaena cant­leyi . Sci Rep 7, 16653.

7. Lameira AR, Hardus ME, Nouwen KJJM, Topel­berg E, Delgado RA, et al. (2013) Popu­la­tion-specific use of the same tool-assisted alarm call between two wild oran­gutan popu­la­tions (pongo­pyg­maeus wurmbii) indi­cates func­tional arbi­trar­i­ness. PLoS ONE 8(7): e69749.

8. Wich, S. A., H. de Vries, et al. (2009). Oran­gutan life History varia­tion. Oran­gutans Geogra­phic Varia­tion in Beha­vi­oral Ecology and Conser­va­tion. S. A. Wich, A. S. S. Utami, T. Mitra Setia and C. P. van Schaik, Oxford Univer­sity Press.

Aben­teuer Borneo mit Judi Dench

Aben­teuer Borneo mit Judi Dench

Die briti­sche Schau­spie­lerin Judi Dench reist ins Herz von Borneo, zu den ältesten und arten­reichsten Regen­wäl­dern der Erde. Sie begegnet wilden Orang-Utans und entlässt kleine Malai­en­bären zurück in die Freiheit.

Freunde in der Not

Freunde in der Not

Gute, verläss­liche Freunde zu haben, ist ein Schatz. Vor allem, wenn es einem nicht so gut geht. Das ist nicht nur bei uns Menschen so, sondern auch bei unseren nahen Verwandten, den Orang-Utans. Unser Team im Auswil­de­rungs­wald Kehje Sewen wurde nun Zeuge einer beson­ders innigen Freund­schaft von Wald­mensch zu Waldmensch.

Orang-Utan-Weib­chen Lesan lebt seit ihrer Auswil­de­rung 2012 im Wald von Kehje Sewen und wird – wie alle anderen von uns ausge­wil­derten Tiere – regel­mäßig von unseren Beob­ach­tungs­teams aus Camp Lesik aufge­spürt. Die Fach­leute streifen routi­ne­mäßig durch das Gebiet, um unsere „Neuen Wilden“ in ihrem freien Leben zu beob­achten, alles zu doku­men­tieren und natür­lich auch, um im Fall der Fälle zu helfen. 

Lesan brauchte drin­gend medi­zi­ni­sche Hilfe

Vor einigen Monaten machte das Team dann eine besorg­nis­er­re­gende Entde­ckung: Lesan – sie hat vor rund vier Jahren das Orang-Utan-Mädchen Ayu zur Welt gebracht  – schien sehr geschwächt zu sein. Sie hatte eine laufende Nase, hustete und wirkte sehr gebrech­lich. Unsere Tier­ärztin vermu­tete, dass sie an ORDS (Orang-Utan Respi­ra­tory Distress Syndrome) leidet, eine Krank­heit, die unsere Vete­ri­näre leider nur allzu gut kennen. ORDS kann für einen Orang-Utan sehr schnell lebens­be­droh­lich werden! Daher beschloss das Team schweren Herzens, Lesan und ihre Tochter mit ins Camp zu nehmen, um Lesan dort zu behan­deln, bis sie wieder voll­ständig gesund ist. 

Lesan mit Töchterchen Ayu
Lesan mit Töch­ter­chen Ayu

Im Camp Lesik ange­kommen, wurde die 17 Jahre alte Lesan erst mal operiert: Die Flüs­sig­keit, die ihre Atem­wege blockierte, musste redu­ziert werden. Dem Weib­chen wurde eine große Menge Schleim entfernt, der ihren geschwächten Zustand und ihren Husten erklärte. Arme Lesan! Nach der Opera­tion wurde sie eine lange Zeit rund um die Uhr versorgt und erhielt Medi­ka­mente, die unter ihre Mahl­zeiten aus Wald­früchten und Blät­tern gemischt werden. Dank der Behand­lung wurde ihr Zustand mit jedem Tag deut­lich besser. Solange musste sie mit ihrer Tochter in einem Gehege im Camp verweilen. Sicher­lich eine harte Gedulds­probe für Lesan. Immerhin gehörte sie seit ihrer Auswil­de­rung im April 2012 mit zu den ersten Bewoh­nern von Kehje Sewen. Doch glück­li­cher­weise besserte sich ihr Gesund­heits­zu­stand nach einigen Wochen.

Hamzah besucht sie regel­mäßig am Krankenlager

Ob es die „Kran­ken­be­suche“ waren, die ihre Gene­sung beför­derten? Seit ihrer Ankunft im Camp hatte Lesan nämlich einen regel­mä­ßigen Besu­cher: Hamzah, ein 17 Jahre alter Orang-Utan-Mann. Lesan und Hamzah kennen sich schon lange – seit ihrer Auswil­de­rung in den Wald von Kehje Sewen vor rund acht Jahren. Offenbar verbindet die beiden Tiere so etwas wie Freund­schaft, denn Hamzah kam mehrere Tage hinter­ein­ander ins Lager und verbrachte Zeit in der Nähe von Lesans Gehege. Tatsäch­lich hat das Männ­chen sogar seine Nacht­nester in der Nähe des Lagers gebaut, um dann am nächsten Morgen wieder im Camp aufzutauchen.

Lesan und Hamzah
Lesan und Hamzah

Anfangs haben unsere Mitar­beiter diese Besuche sehr genau beob­achtet, falls sie hätten eingreifen müssen. Doch sehr schnell waren sie beru­higt: Hamzahs Anwe­sen­heit schien Lesan zu trösten. Die beiden inter­agierten und berührten sich, obwohl sie durch die Gitter des Geheges getrennt waren. Eine sehr vertraute Begeg­nung unter alten Freunden…

Gute Freunde kann nichts trennen

Bis zu Lesans Gene­sung nutze das Team die Gele­gen­heit, auch Hamzahs Gesund­heit zu über­wa­chen. Und sich daran zu erfreuen, wie fürsorg­lich Hamzah seine alte Freundin unter­stützt. Danke Hamzah!
Auch dank dir können Lesan und Ayu inzwi­schen wieder gemeinsam mit dir durch die Baum­kronen schwingen.

 

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Bang Uji – Ein Orang-Utan-Warrior

Bang Uji – Ein Orang-Utan-Warrior

Eine Orga­ni­sa­tion ist immer nur so stark wie ihre Mitar­beiter. Bei BOS enga­gieren sich täglich viele Menschen leiden­schaft­lich für Orang-Utans und den Regen­wald. Heute stellen wir einen Orang-Utan-Warrior vor, der sein Leben unserem Mawas-Projekt gewidmet hat. 

Jhanson Regalino, der von seinen Freunden und Kollegen nur Bang Uji genannt wird, arbeitet schon seit 2002 für das BOS Mawas-Projekt. Er ist somit von Anfang an dabei gewesen und kennt unser Enga­ge­ment für einen der letzten Torf­moor­re­gen­wälder Borneos wie kein anderer. Nicht verwun­der­lich also, dass er inzwi­schen der Leiter des Projekts ist. 

Unsere Arbeit in Mawas unter­scheidet sich in großem Maße von unseren anderen Projekten. Schließ­lich geht es hier nicht um die Pflege und Reha­bi­li­ta­tion verwaister Orang-Utans. Ziel des Mawas-Projekts ist es, ein 309.000 Hektar großes Torf­moor­ge­biet zu rena­tu­rieren und wild­le­benden Orang-Utans dort ihr ursprüng­li­ches Zuhause zurück­zu­geben. Große Teile dieses einzig­ar­tigen Regen­waldes wurden in den neun­ziger Jahren durch die Regie­rung zerstört, um auf der Fläche Reis anzu­bauen. Doch in einem Teil­be­reich, in dem der Regen­wald noch vorhanden ist, leben in Mawas noch immer tausende wilder Orang-Utans – eine der größten Popu­la­tionen Borneos. 

Sich in dieses neue und bahn­bre­chende Projekt einzu­ar­beiten, hieß für Bang Uji und sein Team von Anfang an, sich immer wieder auf neue Gege­ben­heiten einzu­stellen und vor allem immer wieder vieles dazu­zu­lernen. Sie waren die ersten bei BOS, die sich gleich­zeitig um eine zerstörte Umwelt, eine wilde Orang-Utan-Popu­la­tion und sozial und wirt­schaft­lich geschwächte Gemeinden kümmerten. „Unsere Akti­vi­täten erfor­dern schnelles Handeln und haben nicht nur direkten Einfluss auf unsere Umwelt, sondern auch auf die Wild­tiere und die ansäs­sigen Gemeinden“, bestä­tigt Bang Uji.

Bang Uji im Einsatz
Bang Uji im Einsatz

Die Arbeit in Mawas ist so heraus­for­dernd, wie viel­seitig: Wir rena­tu­rieren das Torf­moor, indem wir Wasser­ka­näle blockieren, um so das Moor wieder zu vernässen. Wir betreiben Baum­schulen, ziehen Setz­linge, forsten auf und hegen die neu gepflanzten Bäume über viele Jahre. Feuer­schutz­maß­nahmen sind vor allem auf den noch trockenen Torf­moor­böden, aber auch in den Auffors­tungs­flä­chen und im Regen­wald essen­ziell. Mit Tuanan haben wir in Mawas auch ein eigenes wissen­schaft­li­ches Forschungs­zen­trum. Und schließ­lich stärken wir mit unserem Projekt insge­samt 13 Dörfer wirt­schaft­lich, schaffen Arbeits­plätze und ein zukunfts­si­cheres Einkommen. 

Gerade die Einbe­zie­hung der umlie­genden Gemeinden ist in einem Projekt wie Mawas beson­ders wichtig. Denn der Erhalt und die Wieder­be­le­bung von Mawas sind nur möglich, wenn alle mit an Bord sind, vor allem die ansäs­sigen Kommunen. 

Diese Arbeit in und mit den Gemeinden ist eine große und wich­tige Heraus­for­de­rung. Bang Uji braucht viel Geduld und gute Kommu­ni­ka­ti­ons­fä­hig­keiten, um den Kommunen auf Augen­höhe begegnen zu können und sie für den Schutz der Orang-Utans und ihres Lebens­raums mit ins Boot zu holen.
Einmal musste er ein kleines Orang-Utan-Baby konfis­zieren, das von einem Dorf­be­wohner als Haus­tier gehalten worden war. Zu dem Zeit­punkt war den Anwoh­nern gar nicht bewusst, dass sie etwas Falsches getan hatten, dass es tatsäch­lich sogar illegal ist und Orang-Utans gesetz­lich geschützt sind. Nun war es also Bang Ujis verzwickte Aufgabe, dem Halter fein­fühlig und diplo­ma­tisch zu erklären, wie wichtig es ist, die Orang-Utans in ihrem natür­li­chen Lebens­raum zu lassen. „Das schwie­rigste ist wirk­lich, die Menschen dazu zu bringen, unsere Meinung zu akzep­tieren und ihnen gleich­zeitig nicht das Gefühl zu geben, dass Umwelt- und Tier­schutz ihrem Lebens­stil und ihren Über­zeu­gungen wider­spre­chen“, erläu­tert Bang Uji.

Immer wieder Überzeugnungsarbeit leisten
Immer wieder Über­zeug­nungs­ar­beit leisten

Das Torf­moor von Mawas war von der Regie­rung für ein geplantes Mega-Reis-Projekt trocken­ge­legt worden. Das Projekt schei­terte, doch was blieb, war die zerstörte Natur. Die unzäh­ligen, kilo­me­ter­langen Kanäle, die gelegt worden waren, um das Wasser aus dem Moor abzu­leiten, wurden als Trans­port­wege genutzt. Von den ansäs­sigen Gemeinden, aber auch von neuzu­ge­zo­genen Arbei­tern, die das Regie­rungs­pro­jekt in die Region gelockt hatte. Trans­por­tiert wurden auf den kaum zu kontrol­lie­renden Wasser­wegen zunächst die vielen „legal“ gefällten Stämme, später auch frisch gero­dete Bäume. 

Bang Uji und sein Team sind entschlossen, Mawas wieder aufleben zu lassen. Um den Torf­moor­re­gen­wald wieder in einen stabilen, klima­schüt­zenden Kohlen­stoff­spei­cher und eine Heimat für Orang-Utans und viele andere Tiere zurück zu verwan­deln. Hierzu müssen zunächst die Kanäle mit Stau­dämmen blockiert werden, so dass das Wasser nicht mehr aus dem Boden abfließen kann. Eine große Heraus­for­de­rung, denn einige Kanäle gehören Anwoh­nern und dienen ihnen als Einkom­mens­quelle. „Die Dorf­be­wohner zu über­zeugen, uns ihre Kanäle blockieren zu lassen, ist nicht die einfachste Aufgabe“, gesteht Bang Uji.

Der Mawas-Projektleider forstet auf
Der Mawas-Projekt­leider forstet auf

Um die Gemeinden zu unter­stützen und Einnah­me­aus­fälle auszu­glei­chen, arbeitet das Mawas-Team daran, die Einkom­mens­si­tua­tion auf nach­hal­tige Weise zu verbes­sern – ohne auf die Kanäle oder andere Formen der Ausbeu­tung des Ökosys­tems ange­wiesen zu sein. Wir ermög­li­chen den Anwoh­nern Busi­ness-Schu­lungen, wir helfen bei der insti­tu­tio­nellen Zusam­men­ar­beit, verteilen Saatgut und Vieh an land­wirt­schaft­liche Betriebe, unter­stützen bei Anträgen für poli­ti­sche Förder­pro­gramme und entwi­ckeln gemeinsam mit den Gemeinden Zukunfts­stra­te­gien für die Zusam­men­ar­beit mit der Regio­nal­re­gie­rung. „Wir kennen alle Dorf­vor­steher und Beamte in unseren Projekt­dör­fern. Schließ­lich arbeiten wir seit Jahren erfolg­reich mit ihnen zusammen“, erklärt Bang Uji stolz.

Doch Bang Uji weiß auch, dass es noch viel Raum für Verbes­se­rungen gibt und es noch sehr viel zu tun gibt. Er hofft, dass die Stär­kung der Gemeinden und die Ange­bote zur wirt­schaft­li­chen Verbes­se­rung für ein stabiles Einkommen Stück für Stück ans Ziel führen: Einem blühenden Mawas, in dem die Natur wieder heilt und die Menschen gut leben können. „Wir können dieses wert­volle Habitat nur beschützen und stärken, wenn wir alle betrof­fenen Gruppen mit einbe­ziehen. Wenn es den Anwoh­nern gut geht, werden wir auch die nötige Unter­stüt­zung von ihnen erhalten. Nur so werden wir in unserem Kampf für ein starkes Mawas nach­haltig erfolg­reich sein“, resü­miert Bang Uji. 

Lernen Sie auch unsere Orang-Utan-Warrior Hanni, Imam Ghozali und Mang Usup kennen.

 

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Orang-Utan-Rettung in Zeiten von Corona

Orang-Utan-Rettung in Zeiten von Corona

Orang-Utans und deren Lebens­raum zu schützen ist in den Zeiten einer welt­weiten Pandemie beson­ders heraus­for­dernd. Für die Rettung von in Not gera­tenen Tieren gibt es keinen Lock­down. Ihnen muss – unter Berück­sich­ti­gung aller notwen­digen Hygie­ne­maß­nahmen – sofort geholfen werden. So waren auch unsere Teams in den vergan­genen Monaten mehr­fach auf Rettungs­mis­sion unterwegs.

Seit März war BOS an der Seite der indo­ne­si­schen Natur­schutz­be­hörde BKSDA an der Rettung von sieben Orang-Utans betei­ligt. Darunter waren zwei Babys, die wir zunächst in die neu ange­legten COVID-19-Quaran­täne-Stationen unserer Schutz­zen­tren aufge­nommen haben. Fünf erwach­sene Orang-Utans wurden in sichere, entle­gene Wald­ge­biete umgesiedelt.

Erst­kon­takt nur in voller Schutzausrüstung

Cova vor der Umsiedlung nach Sebangau
Cova vor der Umsied­lung nach Sebangau

Einer dieser umge­sie­delten Orang-Utans ist Cova. Das erwach­sene Männ­chen war einem Dorf zu nahe gekommen. Die Dorf­be­wohner hatten die BKSDA infor­miert, die den Orang-Utan gemeinsam mit uns in ein sicheres Regen­wald­ge­biet umsie­deln sollte. Cova saß ganz oben in einem Baum, als das Rettungs­team ihn aufspürte. Die Männer näherten sich ihm in voller Schutz­aus­rüs­tung – seit COVID müssen alle Teams zusätz­lich zu Maske und Hand­schuhen während der gesamten Rettungs­ak­tion undurch­läs­sige Ganz­körper-Anzüge tragen. Das gesamte Equip­ment wird häufiger als sonst komplett desin­fi­ziert, und die Teams werden so klein wie möglich gehalten.

Cova bei der Untersuchung

Diese Vorsichts­maß­nahme bringt für jeden einzelnen mehr Aufgaben mit sich, so auch bei der Rettung von Cova. Nach einem einge­henden Check des sedierten Männ­chens, durch­ge­führt von unserem Tier­arzt Dr. Agus Fachroni und seinem Mitar­beiter Dedi Badas, war klar: Cova war gesund und konnte von der BKSDA in den Natio­nal­park Sebangau umge­sie­delt werden.

Es mussten weniger Tiere gerettet werden

Insge­samt haben in diesem Jahr bis jetzt deut­lich weniger Rettungen statt­ge­funden als in den vergan­genen Jahren. Das liegt unter anderem daran, dass es 2020 in Indo­ne­sien seltener gebrannt hat als in manch anderen Jahren. Bisher musste von uns kein Orang-Utan gerettet werden, der wegen eines Feuers in Not geraten war. Die meisten Tiere wurden von Plan­tagen oder aus der Nähe von Dörfern geholt, wo die Orang-Utans auf ihrer Suche nach Nahrung zu dicht an den Lebens­raum der Menschen gekommen waren.

Bisher kein Fall von COVID-19 bei Menschen­affen bekannt

Die gute Nach­richt: Bis heute gibt es keinen einzigen Fall von COVID-19 in unseren Schutz­zen­tren – weder bei den Orang-Utans noch bei den Menschen (ACHTUNG, neuer Stand Januar 2021) Trotzdem sind wir gut vorbe­reitet: Seit Beginn des Lock­downs haben wir eine zusätz­liche Quaran­täne-Abtei­lung für mögliche Corona-Fälle einge­richtet. Die Vorbe­rei­tungen haben einige Zeit gedauert, weil die Auflagen noch strikter sind als sowieso schon, und wir jede Infek­ti­ons­ge­fahr für unsere über 400 Tiere ausschließen wollen. Bis alles soweit einsatz­be­reit war, konnten wir keine neuen Orang-Utans aufnehmen. Statt­dessen wurden sie in anderen Einrich­tungen, die schon über ausrei­chend Quaran­täne-Areale verfügten, unter­ge­bracht. Seit gut drei Monaten haben wir ausrei­chend Platz, sowohl für Neuan­kömm­linge als auch für mögliche Infek­ti­ons­fälle. Und so haben bereits zwei während des Lock­downs geret­tete Babys das gesamte Quaran­täne-Proze­dere erfolg­reich durch­laufen und sind jetzt im Wald­kin­der­garten aufge­nommen worden.

Strikte Hygie­ne­auf­lagen halten Tier und Mensch gesund

Strikte Hygieneauflagen

Auch in den anderen Berei­chen der Rettungs­zen­tren geht der Betrieb unter Berück­sich­ti­gung hoher Hygie­ne­stan­dards weiter. Der Alltag hat sich seit Ausbruch der Pandemie jedoch sehr verän­dert: Seit März finden keine Auswil­de­rungen mehr statt, um ganz sicher auszu­schließen, dass das womög­lich Virus zu den bereits ausge­wil­derten und wilden Tieren im Regen­wald getragen wird. Auch sind in den Schutz­zen­tren keine Besu­cher oder Forschungs­gruppen mehr zuge­lassen, und es wird komplett auf die Hilfe der zahl­rei­chen Frei­wil­ligen verzichtet, die sonst die Arbeit unserer Teams in den Zentren und außer­halb tatkräftig unter­stützen. Alle Beschäf­tigten arbeiten in vonein­ander getrennten Arbeits­be­rei­chen und in festen Teams. Regel­mä­ßige Check-Ups und von der Regie­rung bereit gestellte Covid19-Schnell­tests runden die Routinen ab. Sicher ist sicher.

Regel­mä­ßige Check-Ups

Wer davon kaum etwas mitbe­kommt, sind unsere Orang-Utans. Alle Tiere in den Rettungs­zen­tren sind gesund und tun das, was sie immer tun: Sie tollen herum, spielen und lernen jeden Tag etwas Neues in der Wald­schule. Andere warten geduldig auf den Tag ihrer Auswil­de­rung. Bis es soweit ist, halten wir zusammen und tun alles, was notwendig ist, um den Orang-Utans eine sichere Zukunft zu ermöglichen.

Unter­stützen Sie die Arbeit in unseren Rettungs­zen­tren in Corona-Zeiten.