Oeco­nomia

Unser Wirt­schafts­system hat sich für die Augen des Normal­bür­gers zuneh­mend unsichtbar gemacht und entzieht sich in großen Teilen dem Verstehen. Erkennbar ist derzeit nurmehr eine Art Null­sum­men­spiel, das uns in die Logik einer sich stets fort­set­zenden Kapi­tal­ver­meh­rung einzu­spannen scheint — ein Spiel, das bis zur totalen Erschöp­fung gespielt wird und viel­leicht kurz vor seinem Ende steht.

Jenseits der distan­zierten Formeln der Finanz­be­richt­erstat­tung, die den Fokus nicht auf ein Verstehen des großen Ganzen setzen, macht sich Doku­men­tar­fil­merin Carmen Losmann mit so viel Scharf- wie Eigen­sinn daran, den Kapi­ta­lismus der Gegen­wart in seiner Struktur zu durchleuchten.

Mit “Oeco­nomia” unter­nimmt Carmen Losmann eine Reise in das stra­te­gi­sche Zentrum neoli­be­raler Politik. Ein ehrgei­ziges und schwie­riges Unter­fangen, denn viele Insider des Banken- und Finanz­sek­tors reden lieber nicht vor einer Kamera — und denen, die sich darauf einlassen, fehlen mehr als einmal die Worte. So trans­pa­rent die Archi­tektur von Banken und Geld­in­sti­tuten sich gibt, so schnell verschließen sich die Türen für die recher­chie­rende Regis­seurin. Sie macht aus der Not eine Tugend, indem sie unter anderem Tele­fon­pro­to­kolle und compu­ter­ge­nerierte Bilder einsetzt, damit das Abstrakte und schwer Verständ­liche anschau­li­cher wird.

“Oeco­nomia” hatte auf der Berli­nale 2020 in der Kate­gorie Forum seine Premiere. In der Media­thek von 3Sat bis zum 7.2.2022.

 

Kielings wilde Welt

Andreas Kieling besucht span­nende Forschungs­pro­jekte in gefähr­deten Wild­nis­ge­bieten und befragt Experten nach ihren Ergeb­nissen: Gelingt die Auswil­de­rung verwaister Orang-Utans und lassen sich die gefähr­deten Tief­land­re­gen­wälder auf Sumatra schützen?

Warum geht es ausge­rechnet dem bestens ange­passten Papa­gei­tau­cher auf Island so schlecht? Warum folgt bei den Mantas auf den Male­diven nach jahre­langem Gebur­ten­stopp ein Baby­boom und umge­kehrt? Wie viel Wildnis wollen und können sich die Deut­schen im Baye­ri­schen Wald leisten? Wieso sind die Lebens­be­din­gungen auf Mada­gaskar insbe­son­dere für ganz große und ganz kleine Arten kritisch? Diesen Fragen geht Andreas Kieling auf den Grund. Dank hoch­wer­tiger High­speed-Aufnahmen und atem­be­rau­bender Zeit­raffer erhält der Zuschauer einen Einblick in die faszi­nie­renden Welten der bedrohten Arten. Visuell unter­stützt werden die verblüf­fenden Forschungs­er­geb­nisse zudem mit Hilfe detail­lierter Computergrafiken.

Seit dem Verschwinden der Dino­sau­rier war das Arten­sterben auf der Erde noch niemals so groß wie heute. Etwa 26.000 von 76.000 bekannten Arten sind akut bedroht. In seiner neuen drei­tei­ligen Expe­di­tion besucht Andreas Kieling „Uralte Para­diese“, „Wildnis in Gefahr“ und „Geschützte Welten“. Überall auf der Welt trifft der Tier­filmer enga­gierte Wissen­schaftler und gewinnt Einblicke in verblüf­fende Natur­phä­no­mene. Nach aktu­ellen Schät­zungen gibt es auf der Erde rund 8,7 Millionen verschie­dene Lebens­formen. Nur 76.000 — ein kleiner Bruch­teil davon — sind bislang wissen­schaft­lich erfasst. Doch die Forschung ist sich einig: Seit dem Verschwinden der Dino­sau­rier war das Arten­sterben niemals so groß wie heute. 26.000 bekannte Arten sind akut bedroht. Evolu­tion findet im Zeit­raffer statt. Denn überall auf der Welt beschneidet der Mensch den Lebens­raum von Insekten, Pflanzen und Tieren. Zusätz­lich erwärmt sich das Klima rasant. Seit Jahren kümmern sich enga­gierte Wissen­schaftler um die gefähr­deten Tiere und unter­nehmen große Anstren­gungen, um ganze Lebens­räume zu schützen.Online verfügbar von 30/11 bis 31/12

Welche Bedeu­tung haben die ‘Long Call’ Rufe der Männchen?

Welche Bedeu­tung haben die ‘Long Call’ Rufe der Männchen?

Der Evolu­ti­ons­bio­loge James Askew verbrachte mehrere Monate im Regen­wald Borneos, um die Rufe erwach­sener Orang-Utan Männ­chen zu erfor­schen. Gemeinsam mit seinem Team hat er neue Erkennt­nisse über die Bedeu­tung der soge­nannten ‘Long Calls’ gewonnen.

Bisher wurden bei Orang-Utans etwa 32 Laut­äu­ße­rungen iden­ti­fi­ziert (1). Doch nicht alle Rufe kommen in allen Popu­la­tionen vor. Bei manchen Laut­äu­ße­rungen wird vermutet, dass sie sozial erlernt werden, und somit eine weitere Kompo­nente der kultu­rellen Varia­tion zwischen Orang-Utan Popu­la­tionen darstellen könnten. Gene­rell lassen sich die Rufe der Orang-Utans in drei Klassen einteilen. Rufe und Laute die über kurze Distanz hörbar sind (unter 25 Meter), mitt­lere Distanz (250 Meter) und Lang­di­stanz (mehr als 250 Meter).

Der soge­nannte ‘Long Call‘ (zu deutsch „langer Ruf“) gehört zu den Lang­di­stanz Rufen und ist einer der häufigsten Laut­äu­ße­rungen ausge­wach­sener Orang-Utan Männ­chen. Dieser Ruf ist — sogar im dichten Regen­wald — bis zu 1500 Meter weit hörbar. Er besteht aus drei Teilen: Einer Einfüh­rung, die sich wie ein nieder­fre­quentes Grum­meln anhört, einem Höhe­punkt mit mehreren starken Impulsen und blub­bernden Lauten im Abklang (2). Am häufigsten hört man den komplexen Ruf von ausge­wach­senen Männ­chen, die sekun­däre Geschlechts­merk­male wie Kehl­sack und ausge­prägte Wangen­wulste besitzen. Männ­chen ohne diese Geschlechts­merk­male rufen deut­lich weniger. Ein typi­scher ‘Long Call‘ dauert oft über eine Minute an und Abfolgen dieses Rufes können sogar mehr als 10 Minuten andauern (3). Hier ist ein ‘Long Call‘ zu hören.

Ist der ‘Long Call‘ eines Männ­chens von einem anderen unterscheidbar?

Um dieser und anderer Fragen nach­zu­gehen, begab sich James mehrere Monate in den Jahren 2007 bis 2010 in die Sumpf­re­gen­wälder von Sabangau auf Borneo. Es ist nicht einfach, Orang-Utan Männ­chen im dichten Regen­wald ausfindig zu machen. Doch sobald James einen Ruf hörte, begaben er sich sofort in diese Rich­tung, egal wie weit er vom Basis­lager entfernt war. Sobald er den Orang-Utan gefunden hatte, wurde dieser mehrere Tage mit groß­zü­gigem Abstand begleitet und jede Laut­äu­ße­rung mit einem spezi­ellen Mikrofon aufge­zeichnet. Dazu wurde auch die Rich­tung, in der der Ruf abge­setzt wurde und der zuge­hö­rige Kontext notiert, sowie die Reise­route via GPS ermit­telt. So gelang es ihm und dem Forschungs­team im Laufe des Beob­ach­tungs­zeit­raums Daten von knapp 80 ‘Long Calls‘ von drei ausge­wach­senen Männ­chen namens Peter Pan, Jupiter und Salvador zu erhalten (4).

Wie bereits aus anderen Studien in anderen Teilen Borneos und Sumatra bekannt war (5–7), so waren auch die ‘Long Calls‘ der Orang-Utans Peter Pan, Jupiter und Salvador indi­vi­duell unter­scheidbar (4).

Frequenzspektrum der Long Calls
Frequenz­spek­trum der Long Calls

Bild­liche Darstel­lung des zeit­li­chen Verlaufs des Frequenz­spek­trums der ‘Long calls’ der Männ­chen Salvador (obere Grafik) und Jupiter (unten). Man kann hier sehr gut die unter­schied­li­chen Puls­arten der Rufe erkennen (Quelle: Askew & Morrogh-Bernard, 2016).

Ob andere Orang-Utans die den ‘Long call’ hören, den Rufenden iden­ti­fi­zieren können, ist bisher noch nicht eindeutig nach­ge­wiesen. Dennoch spre­chen einige Indi­zien dafür, dass Weib­chen sowie andere Männ­chen wissen, wer der Rufende ist. Wenn Männ­chen aufein­an­der­treffen, so kommt es oft zu Aggres­sion. Beob­ach­tungen zeigen, dass nieder­ran­gige Orang-Utan Männ­chen den Rufen von domi­nanten Männ­chen auswei­chen (5, 8) und sexuell aktive Weib­chen sich den Rufen von domi­nanten Männ­chen annä­hern (9). Weib­liche Orang-Utans mit Jung­tieren dagegen scheinen sich von einem rufenden Männ­chen eher wegzu­be­wegen (7).

Orang-Utan-Mütter scheinen sich von den "Long Calls" der Männchen wegzubewegen
Orang-Utan-Mütter scheinen sich von den ‘Long Calls’ der Männ­chen wegzubewegen

Ändern sich die ‘Long calls’ je nach Kontext, in dem sie getä­tigt werden?

‘Long Calls‘ werden in mehreren Situa­tionen abge­geben. Sie können spontan erfolgen, als Reak­tion auf ‘Long Calls‘ anderer Männ­chen, als Reak­tion auf das Fallen eines Baumes oder andere Störungen und gegen­über Menschen, die ihnen zu nahe­kommen. ‘Long Calls‘, die im aufge­regten Zustand abge­geben werden, sind etwas schneller, haben Pulse von kürzerer Dauer und enthalten mehr Pulse und blub­bernde Laute als spontan abge­ge­bene Rufe (7). Es gibt Hinweise, dass weib­liche Orang-Utans den Unter­schied zwischen einem aufge­regtem ‘Long Call‘, der durch eine Störung hervor­ge­rufen wurde und einem spontan ausge­sto­ßenen ‘Long Call‘ erkennen können: Denn sie scheinen den Ruf zu igno­rieren, der durch eine Störung hervor­ge­rufen wurde (7). Forscher vermuten, dass ‘Long Call‘ Rufe die das Orang-Utan Männ­chen spontan äußert, dazu dienen Weib­chen anzu­lo­cken und andere Männ­chen davon abzu­halten, in die Gegend zu kommen.

Welche Botschaft steckt in der Rufrich­tung der ‘Long calls’?

Aus den Analysen geht hervor, dass Orang-Utan Männ­chen im Sumpf­re­gen­wald von Sabangau ihre ‘Long Calls‘ unter anderem dazu verwenden, um ihre zukünf­tige Reise­rich­tung „anzu­kün­digen“ (4). Dies wurde bereits schon für Sumatra-Orang-Utans gezeigt (10). Dabei wenden sich Orang-Utans der geplanten Reise­rich­tung zu, während sie die Laut­äu­ße­rung von sich geben. In der Studie wurde gezeigt, dass der letzte ‘Long Call‘, der kurz vor dem schlafen abge­geben wurde, eine bessere als zufäl­lige Vorher­sage der Reise­rich­tung bis 16:00 Uhr am nächsten Tag lieferte — also ca. 22 Stunden nach dem abend­li­chen Ruf! ‘Long Calls‘ die unter Tags abge­geben werden, sagen die weitere Reise­rich­tung für viele Stunden voraus, wohin­gegen ein neuer Ruf eine Ände­rung der Haupt­rei­se­rich­tung anzeigen kann (10). Diese Ergeb­nisse deuten darauf hin, dass männ­liche Orang-Utans ihre Reise­pläne lange im Voraus schmieden und sie ihren Artge­nossen ankündigen.

James Askew absol­vierte seinen PhD in Evolu­ti­ons­bio­logie an der Univer­sity of Southern Cali­fornia. Er studiert Verhal­tens­öko­logie und Repro­duk­ti­ons­phy­sio­logie in drei Orang-Utan-Popu­la­tionen auf Borneo und Sumatra.

Eines unserer wich­tigsten Ziele ist es, mehr Regen­wald­flä­chen zu erwerben und zu Schutz­wald für unsere Orang-Utans umzu­wan­deln. Helfen auch Sie, diesen faszi­nie­renden Lebens­raum und seine gewal­tige Arten­viel­falt zu erhalten und zu schützen. Jeder Beitrag hilft.

Text: Dr. Isabelle Laumer

Refe­renzen:

1.    Hardus, M. E., Lameira, A. R., Singleton, I., Morrogh- Bernard, H. C., Knott, C. D., Ancrenaz, M., Utami Atmoko, S. S. & Wich, S. A. 2009: A descrip­tion of the orangutan’s vocal and sound reper­toire, with a focus on geogra­phic varia­tion. In: Oran­gutans: Geogra­phic Varia­tion in Beha­vi­oral Ecology and Conser­va­tion (Wich, S. A., Mitra Setia, T. & van Schaik, C. P., eds). Oxford Univer­sity Press, Oxford, pp. 49—60.

2.    Galdikas BFM (1983). The orang-utan long call and snag crash at Tanjung Puting Reserve. Primates 24: 371–384.

3.    J. Askew, 2016, Infor­ma­tion stammt aus noch nicht veröf­fent­lichten Daten.

4.    Askew J.A., Morrogh-Bernard H.C. (2016) Acou­stic Charac­te­ristics of Long Calls Produced by Male Orang-Utans (Pongo pygmaeus wurmbii): Adver­ti­sing Indi­vi­dual Iden­tity, Context, and Travel Direc­tion, Folia Primatol 2016;87:305–319.

5.    Delgado RA (2003). The Func­tion of Adult Male Long Calls in Wild Orang-Utans (Pongo pygmaeus). PhD disser­ta­tion, Duke Univer­sity, Durham.

6.    Delgado RA, Lameira A, Davila Ross M, Husson SJ, Morrogh-Bernard HC, Wich SA (2009). Geogra­phical varia­tion in oran­gutan long calls. In Oran­gutans: Geogra­phic Varia­tion in Beha­vi­oral Ecology and Conser­va­tion (Wich SA, Utami Atmoko SS, Mitra Setia T, van Schaik CP, eds.), pp 215–224. New York, Oxford Univer­sity Press.

7.    Spill­mann B, Dunkel LP, van Noor­dwijk MA, Amda RNA, Lameira AR, Wich SA, van Schaik CP (2010). Acou­stic proper­ties of long calls given by flanged male orang-utans (Pongo pygmaeus wurmbii) reflect both indi­vi­dual iden­tity and context. Etho­logy 116: 385–395.

8.    Mitani J (1985). Sexual selec­tion and adult male orang-utan long calls. Animal Beha­viour 33: 272–283.

9.    Mitra Setia T, van Schaik CP (2007). The response of adult orang-utans to flanged male long calls: infe­rences about their func­tion. Folia Prima­to­lo­gica 78: 215–226.

10.    van Schaik CP, Dame­rius L, Isler K (2013). Wild oran­gutan males plan and commu­ni­cate their travel direc­tion one day in advance. PLoS One 8: e74896.

Daten, die das Klima retten? — Unter­wegs im Dienst der Wissenschaft

Sie arbeiten unter Extrem­be­din­gungen, auf den Alpen­glet­schern, im kargen Norden der Arktis oder in den feucht­heißen Tropen. Drei Forsche­rinnen und Forscher geben Einblick, wie und wo Klima­daten gesam­melt werden. Glet­schereis, Perma­f­rost­böden und tropi­sche Regen­wälder zählen zu den Zeugen der Erdge­schichte, die uns die Schön­heit und Viel­falt unseres Planeten vor Augen führen.

Sie sind aber auch unver­zicht­bare Bestand­teile, wenn es um das Gleich­ge­wicht des Klima­sys­tems unseres Planeten geht.

Wo das Klima auf der Kippe steht — Eine Reise zu den Wendepunkten

Im Meer sind Koral­len­riffe, ähnlich wie an Land die Regen­wälder, die „Labore des Lebens“ und sorgen für die Viel­falt der Arten. In Austra­lien taucht Bernice zu den größten Koral­len­riffen der Erde und erlebt, wie empfind­lich sie auf feinste Tempe­ratur- und CO2-Verän­de­rungen reagieren. In großen Tanks über­prüfen Wissen­schaftler in einer Art Zeit­ma­schine, wann sich diese Verän­de­rungen wie auswirken.

Ähnlich wie im Regen­wald droht ein Absterben der Korallen, eine Art Step­pen­bil­dung im Meer. In Tuvalu, tausende von Kilo­me­tern entfernt sorgt ein Anstieg des Meeres­spie­gels für regel­mä­ßige Über­flu­tungen, so dass Land­wirt­schaft prak­tisch nicht mehr möglich ist und die Inseln per Schiff mit Lebens­mit­teln versorgt werden müssen.

Klima­wandel — gibt es den wirk­lich? Und was passiert vor Ort, wenn ein natür­li­ches System plötz­lich aus der Balance kippt? Diese und noch viel mehr Fragen nahm die hollän­di­sche Aben­teu­rerin und Wissen­schafts­jour­na­listin Bernice Noten­boom mit auf ihre Forschungs­reise rund um den Globus. Sie traf besorgte Wissen­schaftler, viele verun­si­cherte Menschen, aber auch solche, die entste­hende Probleme kompe­tent und beherzt anpa­cken. In sechs aufre­genden Folgen erleben wir eine Welt in Schön­heit und Wandel, Wissen­schaftler bei ihrer Feld­for­schung und Betrof­fene, die ihr Leben zwangs­läufig an neue Gege­ben­heiten anpassen. Und wir folgen den Spuren einer enga­gierten Aben­teu­rerin, die Nord- und Südpol schon genauso uner­schro­cken erwan­dert hat wie trockene Wüsten oder den Mount Everest.