Indonesien ist nicht nur der größte Inselstaat der Welt, der Archipel aus 17.000 Inseln beherbergt auch eine unvergleichliche Artenvielfalt. Zehn Prozent aller Blütenpflanzen, zwölf Prozent aller Säugetier- und 17 Prozent aller Vogelarten der Erde sind hier zu Hause — ein bizarrer Mix aus Flora und Fauna.
Durch die Abtrennung vom asiatischen Festland am Ende der letzten Eiszeit vor 12.000 Jahren wurden auf den indonesischen Inseln Sumatra, Borneo, Java und Bali jedoch eine Vielzahl von Tieren wie Nashörner, Elefanten, Affen oder Tiger von ihren Verwandten separiert und mussten sich an die jeweiligen Bedingungen anpassen: „Wildes Indonesien“ besucht die unterschiedlichen Lebensräume des Inselreiches und taucht ein in dieses Paradies, wo bizarr anmutende Wesen teils außergewöhnliche Charakterzüge entwickelt haben, um ihr Überleben zu sichern. Es ist eine spannende Reise in eine wenig erforschte Welt.
Diese erste Folge „Wildes Indonesien“ erkundet den einzigartigen Lebensraum des Ostens Neuguineas und porträtiert die bizarren Bewohner der vom Feuer der Vulkane geformten unwirtlichen Landschaft.
Weitere Folge: “Wildes Indonesien — Land der Drachen” über die vulkanisch geformte Landschaft Javas
Im Mawas-Gebiet auf Borneo in der Provinz Zentralkalimantan lebt mit ungefähr 3.000 Individuen eine der letzten größeren wilden Orang-Utan-Populationen. Dort unternimmt die indonesische BOS Foundation neben Renaturierungsarbeiten auch Neuansiedlungen von Orang-Utans. Letztere werden im Rahmen des Tuanan-Orangutan-Research-Projektes der Universität Zürich erforscht.
Für diese große Langzeitaufgabe erhebt ein internationales Forscherteam aus verschiedenen Disziplinen seit 16 Jahren möglichst viele Daten über alteingesessene und neu angesiedelte Orang-Utans. Wertvolle Erkenntnisse zum Schutz der bedrohten Menschenaffen sollen so gewonnen werden. Dr. Maria A. van Noordwijk untersucht vor allem die Entwicklung und das Verhalten weiblicher Orang-Utans im Schutzgebiet. Vor Kurzem referierte sie auf einer Veranstaltung über ihre neuesten Forschungsergebnisse.
Weibliche Orang-Utans sind geselliger als Männchen
Gerade in ihrer Forschungsdomäne ist es bemerkenswert, wenn neues Wissen generiert wird. Schließlich ist die möglichst lückenlose Datengewinnung über die Entwicklung von Orang-Utans allgemein eine schwierige Aufgabe, da die Menschenaffen nicht selten mehrere Jahrzehnte leben. Daher sind Langzeitdaten besonders wichtig, jedoch auch knapp. Van Noordwijk berichtet, dass die Orang-Utans in ihren ersten sechs oder sieben Jahren mit der Mutter zusammenleben und in dieser Zeit auch gesäugt werden. Mit 15 Jahren sind weibliche Orang-Utans ausgewachsen. Im Unterschied zu den männlichen Artgenossen, leben weibliche Orang-Utans in den ersten 15 Jahren sehr eng mit der Mutter zusammen. Viele von ihnen werden über 50 Jahre alt. Während ihres kompletten Lebens haben Mütter und Töchter eine Beziehung zueinander und leben in der Nähe zueinander. Auch Schwestern haben weiterhin untereinander Kontakt. Obwohl sie auch viel Zeit jeweils alleine verbringen, halten sie durch regelmäßige soziale Events ein stabiles gemeinschaftliches Netzwerk aufrecht. Diese Gemeinschaft scheint gerade für weibliche Orang-Utans sehr wichtig zu sein.
Im Gegensatz zu Orang-Utan-Weibchen halten sich männliche Vertreter dieser Menschenaffen nur kurze Zeit (ein paar Monate oder wenige Jahre) im Forschungsgebiet auf, kehren jedoch manchmal auch wieder zurück. Einige Orang-Utan-Männchen konnte van Noordwijk nach einigen Jahren Abwesenheit wieder beobachten. Dies spricht dafür, dass männliche Orang-Utans ein größeres Gebiet benötigen, in dem sie sich bewegen. Ein abschließendes Urteil könne sie sich auf dem Stand der heutigen Daten leider noch nicht erlauben. Nach van Noordwijk wäre es aber für den Schutz der Orang-Utans sehr wichtig, gerade auch Fragen des Wander- und Revierverhaltens klären zu können.
Fremdenfeindlichkeit unter Orang-Utans?
Da die Anzahl der Orang-Utans im Forschungsgebiet während der letzten Jahre stark zugenommen hat, stellte sich für die Forscherin eine neue interessante Frage: Was passiert mit Orang-Utans, die neu in das Gebiet kommen? Werden sie freudig aufgenommen oder stoßen sie auf Ablehnung? Die Ergebnisse sind eindeutig. Wenn neue weibliche Orang-Utans in das Forschungsgebiet kommen, beobachtet Dr. Maria A. van Noordwijk, dass die alteingesessenen Weibchen die Neuankömmlinge regelrecht jagen und attackieren. Aber auch Individuen innerhalb der alteingesessenen Population zeigen sich dann untereinander vermehrt aggressiv. Die Neuansiedlung weiblicher Orang-Utans ist also mit enormen Problemen verbunden. Beide Seiten, die Neuankömmlinge wie die Alteingesessenen, stehen offenbar unter besonderem Stress. Die Neuen erleiden Attacken durch Individuen der bestehenden Population, bei letzteren wird das soziale Netzwerk durcheinander gebracht.
Interessant wäre es, für die Zukunft Parallelen zum Menschen zu ziehen. Schließlich ist eine Ablehnung oder Angst vor fremden Vertretern der eigenen Art, die neu in das eigene Gebiet kommen, nichts Unbekanntes beim Menschen. Im Fachjargon wird so ein Phänomen „Xenophobie“, also Fremdenfeindlichkeit, genannt. Vielleicht gewähren uns Dr. Maria van Noordwijks Ergebnisse einen evolutionär-psychologischen Einblick in die Ursachen von Xenophobie. Bei unseren Verwandten scheint Stress durch die Belastung bestehender sozialer Strukturen, Aggressionen gegen Fremde enorm zu fördern. Weitere Langzeitdaten könnten auch Informationen darüber liefern, wie einige der alteingesessenen Orang-Utan-Populationen diese Herausforderung durchaus meistern und es schaffen, neuangesiedelte Artgenossen zu integrieren. Auch aus diesem Wissen könnten wir als Menschen vielleicht wertvolle Tipps für unsere sozialen Gruppen und Gemeinschaften ableiten. Allerdings sind Schlüsse aus tierischem Verhalten, selbst wenn es um die uns so nah verwandten Primaten geht, immer mit großer Vorsicht zu ziehen. Menschliche Gesellschaften sind dann doch deutlich komplexer als Menschenaffenpopulationen.
Schlüsselproblem: Der Verlust an Lebensraum
Neben diesen Aspekten drängt sich noch eine weitere Frage auf: Warum gab es ausgerechnet in den vergangenen Jahren einen rasanten Anstieg der Zahl weiblicher Orang-Utans im Tuanan-Areal? Dies hängt, so die Wissenschaftlerin, mit den starken Waldbränden von 2015 zusammen, wodurch es zu einem großen Verlust an Lebensraum für die Menschenaffen auf Borneo gekommen ist. Weniger Habitate und mehr Aggressionen und Stress scheinen so einen fatalen Teufelskreis zu bilden.
Aus den Forschungsergebnissen könne man folgendes ableiten: Der Lebensraum der Orang-Utans müsse verstärkt geschützt werden. Der Habitatsverlust ist die Wurzel des Problems. Ohne ihn würde keine Unruhe in die bestehenden Populationen kommen. Männchen scheinen deutlich größere Habitate zu benötigen. Dies und auch die bestehenden sozialen Strukturen sollten in der Zukunft bei der Neuansiedlung verstärkt berücksichtigt werden. Gleichzeitig wären weitere Langzeitdaten über das Sozialleben gerade weiblicher Orang-Utans sehr bedeutend, um ein größeres Verständnis von Aggressionen, Stress und „Fremdenfeindlichkeit“ unserer genetischen Verwandten und damit möglicherweise auch bei uns zu bekommen. Die nächsten Jahre werden also wahrscheinlich weitere interessante und vor allem wissenschaftlich fundierte Neuigkeiten aus dem Tuanan-Orangutan-Forschungs-Projekt hervorbringen.
Gastbeitrag: Jan Mücher
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Das 3sat Wissenschaftsmagazin “nano” berichtet in ihrer heutigen Sendung unter anderem über die Auswilderung unseres Albino-Orang-Utans Alba. Für alle, die es nicht schauen können: Der Beitrag ist danach in der Mediathek abrufbar.
Albino-Orang-Utan Alba ist ausgewildert worden. Am Vormittag des 19. Dezember ging ihre Transportbox tief im Regenwald des Bukit Baka Bukit Raja (BBBR) Nationalparks auf. Die rund 20-stündige Anreise im Jeep auf schlammigen Urwaldstraßen und auf Motorbooten über den Fluss, hat das sechsjährige Weibchen gut überstanden.
Der lange Weg in die Freiheit
Vom Boot aus wurden Albas und Kikas (das siebenjährige Orang-Utan-Weibchen, mit dem Alba ausgewildert wurde) Transportboxen wie Sänften in den Regenwald getragen. Kaum an der Auswilderungsstelle angekommen durften die Tiere endlich in die Freiheit.
Die Ehre Albas Transportbox zu öffnen, wurde dem CEO der BOS Foundation, Dr. Jamartin Sihite, zuteil. Es ist jedes Mal spannend zu sehen, wie die Orang-Utans ihre ersten Schritte im Regenwald unternehmen. Manche kommen nicht schnell genug auf den nächsten Baum, andere verweilen noch ein paar Momente in der Box, ehe sie ihr Leben in Freiheit angehen. Alba war sehr ruhig und bedächtig, ging aber zielstrebig tiefer in den Wald, hinauf auf einen Hügel. Als sie den für sie passenden Baum gefunden hatte, kletterte sie sicher nach oben. Das Beobachtungsteam, das ihr auch die kommenden Wochen von früh bis spät folgen wird, konnte berichten, dass sie Nahrung gefunden und ihre erste Nacht weit oben in einem Baum verbracht hat. Am nächsten Morgen hat sie ihren Streifzug fortgesetzt.
Dr. Jamartin Sihite ist sehr zufrieden mit dem Verlauf der Auswilderung: „Alles verlief nach Plan“, berichtet er. „Vor allem möchte ich mich bei allen Unterstützern von BOS bedanken. Ohne deren Hilfe könnten wir weder Alba noch all die anderen Orang-Utans retten und in sichere Regenwaldgebiete auswildern.“
Am 29. April 2017 hatte die BOS Foundation Alba aus der Gefangenschaft in einem Dorf in Zentral-Kalimantan befreit. Seither lebt sie im BOS-Schutzzentrum Nyaru Menteng, wo sich Experten um das außergewöhnliche Tier gekümmert haben. Lange war nicht klar, ob Albas körperliche Verfassung eine Rückkehr in die Freiheit des Regenwaldes zulassen würde.
Das Beobachtungsteam hat sich sofort auf die Arbeit gemacht
Das Beobachtungsteam wird Alba mit der sogenannten Nest-zu-Nest-Methode intensiv im Auge behalten. Das heißt, man folgt ihr, bis sie sich in ihrem Schlafnest zur Ruhe begibt und startet am nächsten Morgen mit ihr, wenn sie sich im Regenwald auf Futtersuche begibt. Die Kunst für die erfahrenen Beobachter besteht darin, Alba im unwegsamen Gelände auf der Spur zu bleiben, ohne sie durch die menschliche Präsenz aufzuregen oder – schlimmer noch – sie daran zu gewöhnen. Denn nur, wenn sie sich von Menschen fernhält, hat sie eine sichere Zukunft im Regenwald.
Albas erste Momente in der Freiheit / Bildrechte BOSF
Daniel Merdes, Geschäftsführer von BOS Deutschland e.V.: „Wir von BOS Deutschland freuen uns für Alba, die nun die Chance erhält, ihr weiteres Leben in ihrem natürlichen Habitat zu verbringen. Sie ist somit nicht nur ein Symbol für die Überlebensfähigkeit ihrer Art geworden, sondern auch das schönste Weihnachtsgeschenk für alle, denen das Schicksal der Waldmenschen am Herzen liegt.“
Vielen Dank an alle Partner und Unterstützer, die das möglich gemacht haben.
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Inmitten des Indopazifik liegt Borneo, die drittgrößte Insel der Welt. Fast zu gleichen Teilen gehört Borneo zu Indonesien und Malaysia. Der nördliche, malaysische Teil Borneos ist Sabah.
Sabah ist mit tiefen Regenwald überzogen, nur große Flüsse wie der Kinabatangan ermöglichen einen Zugang in das grüne Herz. Einzigartige Tiere und Pflanzen blieben lange unentdeckt, wie zum Beispiel die skurrilen Nasenaffen oder wunderschöne Orchideen. Der Orang Utan, der „Mensch des Waldes“, kommt nur hier und auf Sumatra vor, genau wie das massiv vom Aussterben bedrohte Sumatra Nashorn. Sie alle teilen sich den Urwald mit den Eingeborenen, wie denen aus dem Stamm der Murut.
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