Hidden Kingdoms — Im Königreich der kleinen Tiere
In der zweiten Folge nimmt das Kamerateam die Zuschauer in den Dschungel Borneos mit. In dem tropischen Regenwald tobt das Leben. Nicht nur auf dem Boden ist viel los, auch in den Baumwipfeln herrscht reges Gewusel.
Hier wohnt das Spitzhörnchen. Das 15 Zentimeter kleine Tier muss nicht viel tun, um den täglichen Bedarf zu decken. Ein Mangostanbaum versorgt das Hörnchen mit allem, was es braucht. Seit zehn Millionen Jahren hüpfen die Spitzhörnchen durch den Dschungel. Das Kletter- und Springtalent bekommen sie in die Wiege gelegt. Doch im Kampf um Nahrung lauern etliche Konkurrenten. 17.000 Kilometer entfernt von Borneos Dschungel liegt Brasilien. Auch dort stoßen die Tierfilmer auf ein außergewöhnliches Tier: das Büscheläffchen. Es ist so klein, dass es sich bequem in einer Menschenhand ausruhen könnte. Früher lebten die Büscheläffchen im Urwald, doch inzwischen haben sie ihren Lebensraum bis an den Rand des Großstadtdschungels von Rio de Janeiro verlagert. Jeden Tag gehen die Affen in der Sechs-Millionen-Metropole auf Futtersuche. Sie holen sich das, was Menschen wegwerfen. Um an ihre Beute heranzukommen, balancieren sie auf den Stromkabeln entlang. Dann ziehen die Kameras weiter in die 8.000 Kilometer entfernten Wälder von Nord-Kanada. Hier herrscht eine völlig andere, geheime Welt. Soeben beginnt die kalte Jahreszeit. Für das sechs Wochen alte Streifenhörnchen eine große Herausforderung.
Äquator — Die Linie des Lebens
Dort, wo der Äquator Land durchquert, zieht er sich noch immer über weite Strecken durch abgelegene Gebiete mit einer reichhaltigen Tierwelt. Doch der Mensch ist auf dem Vormarsch. Meist müssen die Tiere weichen. Viele Arten sterben aus.
Die Menschen verteidigen ihre Ernten. Die Konkurrenz um Platz und Nahrung wächst. Es wird enger, auch im Paradies. Die Galápagosinseln waren einst ein Refugium für Riesenschildkröten. Doch seit der Entdeckung der Inseln droht ihnen Gefahr. In den letzten zwei Jahrhunderten wurden schätzungsweise 200.000 Tiere getötet. Heute leben noch etwa 15.000. Um das Überleben zu sichern, untersucht der Zoologe Dr. Stephen Blake die Gründe für die jährliche Schildkrötenwanderung vom Tiefland in das vulkanische Hochland. In Uganda ignorieren Elefanten die künstlichen Grenzen, die ihnen der Mensch mit den Nationalparks gesteckt hat. Viele Kleinbauern sind verzweifelt, denn nachts fallen Elefanten über ihre Felder her. Die Bauern versuchten erfolglos, sie zu vertreiben. Doch Forscher haben entdeckt, dass die Dickhäuter Angst vor Bienen haben. Jetzt wird das Gemüse mit Bienenzäunen geschützt. Auf Borneo sind Orang-Utans vom Aussterben bedroht. Durch Regenwaldrodungen für Palmöl-Plantagen fehlt ihnen der Lebensraum. Zudem werden die Tiere von Palmöl-Bauern getötet und verletzt. Die Borneo Orangutan Survival Foundation versorgt die verletzten und traumatisierten Tiere. Meist sind es Affenbabys, deren Mütter getötet wurden. Die hilflosen Orang-Utan-Waisen lernen das ABC für das Überleben und werden dann in geschützte Regenwälder ausgewildert.
Tiere aus Kalimantan: Der Fleckenmusang
Kalimantan ist der indonesische Name für die Insel Borneo, der drittgrößten der Welt nach Grönland und Neuguinea. Kalimantan ist auch die Heimat der Borneo-Orang-Utans, die sie sich mit unzähligen anderen Tierarten teilen. Viele von ihnen sind nicht minder bedroht als unsere rothaarigen Vettern. Wir stellen hier in loser Reihenfolge immer wieder einige dieser faszinierenden Geschöpfe vor.
Der Fleckenmusang (Paradoxurus hermaphroditus)
Fleckenmusangs gehören zur Raubtierfamilie der Schleichkatzen, die zwar keine eigentlichen Katzen darstellen, aber mit diesen sowie unter anderem den Hyänen und Mangusten (z.B. Mungos) zur Überfamilie der Katzenartigen gehören. Die etwa hauskatzengroßen Tiere sind über weite Teile Südostasiens verbreitet und gehören in Borneo seit jeher zur einheimischen Tierwelt. Die IUCN stuft sie als least concern, nicht gefährdet ein. Allerdings stammt diese Einschätzung von 2015. Die Tendenz der Bestandsentwicklung ist durchaus negativ. Bedrohungsfaktoren sind, wie so oft, in erster Linie Habitatsverlust und Wilderei. Seinen Beinahmen hermaphroditus trägt der Fleckenmusang übrigens nicht etwa, weil er tatsächlich hermaphroditisch (zwittrig) wäre, sondern weil seine Duftsekret-Drüsen, die beide Geschlechter unter dem Schwanz tragen, an Hoden erinnern.
Ein nächtlicher Waldbewohner
Fleckenmusangs leben bevorzugt auf Bäumen, wo sie in der Nacht nach Früchten, Wirbellosen und kleinen Wirbeltieren suchen. Sie beziehen aber auch den Waldboden in ihre Nahrungssuche mit ein. Ähnlich wie Orang-Utans tragen möglicherweise auch Fleckenmusangs zur Samenverbreitung im Regenwald bei, sind also sozusagen Gärtner des Regenwaldes. Den Tag verschlafen sie gerne in Baumhöhlen oder dicht belaubten Astgabeln. Vergleichbar mit unseren Steinmardern scheuen sie aber auch nicht die Nähe menschlicher Siedlungen, wo sie als Allesfresser vom reichhaltigen Nahrungsangebot profitieren. Außer während der kurzen Paarungszeit leben Fleckenmusangs einzelgängerisch. Trotz ihrer relativen Häufigkeit ist über die Einzelheiten ihres Verhaltens aber nur wenig bekannt — als ausgesprochen nachtaktive Tiere sind sie nur schwer zu beobachten.
Die „Kaffeekatze“
Fleckenmusangs sind vor allem wegen eines Phänomens bekannt: Sie sind die Quelle des berühmten Kopi Luwak,fälschlicherweise auch „Katzenkaffee“ genannt. Mit der Einführung des ursprünglich afrikanischen Kaffeestrauchs nach Borneo erschloss sich mit dessen Früchten für den Fleckenmusang eine weitere Nahrungsquelle. Die rohen Kaffeebohnen werden dabei fast unverdaut wieder ausgeschieden, haben aber einen Fermentationsprozess durchlaufen, der den Bohnen, wenn man sie röstet, ein besonderes Aroma verleiht. Echter Kopi Luwak kostet als Endprodukt mehrere hundert Euro oder Dollar pro Kilo. Das war nicht immer so; zu Kolonialzeiten wurden die vorverdauten Bohnen größtenteils von ärmeren Leuten gesammelt und zu Kaffee verarbeitet. Der normale Bohnenkaffee hingegen war sehr teuer und ging in den Export oder wurde nur von den europäischen Kolonialherren und anderen Wohlhabenden getrunken.
Kopi Luwak — verhängnisvoll für den Fleckenmusang
Seit der vormalige Arme-Leute-Kaffee aber seinerseits zum exquisiten Luxusprodukt avancierte, reichte das bloße Sammeln der zufällig ausgeschiedenen Bohnen natürlich nicht mehr aus, um den Bedarf zu decken. Neben diversen Fälschungen kam farmmäßig produzierter Kopi Luwak auf den Markt. Gefangene Fleckenmusangs werden dafür in extrem engen Käfigen gehalten und fast ausschließlich mit Kaffeefrüchten gefüttert, um möglichst viel der fermentierten Bohnen zu erhalten. Durch diese tierquälerische Art der Produktion ist Kopi Luwak sehr zu Recht in Verruf geraten. Mittlerweile soll es Farmen geben, auf denen die Tiere mehr Auslauf haben und abwechslungsreicher gefüttert werden. Vielleicht aber kann man auch weiterhin mit normalem Kaffee glücklich werden (bei dem man übrigens auch auf Fair Trade und ökologische Kriterien achten sollte). Auf jeden Fall sollte man den Fleckenmusang auch ohne seinen speziellen Nutzen als Teil der Fauna von Borneo wertschätzen.
Die Orang-Utans und der Regenwald brauchen uns. Gerade jetzt. Vielen Dank für Ihre Unterstützung.
Kisar im Paradies
Es war 4 Uhr morgens, als wir das Lager verließen. Die Dunkelheit ließ den Urwald immer noch als nur schwache Silhouette alter, mächtiger Bäume und ihrer Vielzahl von Epiphyten und Lianen erscheinen. Der Fluss war in frühen Morgennebel gehüllt, und alles, was man hören konnte, waren die eindringlichen Laute von Gibbons, die in der Ferne hallten.
Die Techniker der BOS Foundation, Otong und Tukijo, starteten das Boot. Wir rasten durch die Dunkelheit das gewundene Flussnetz hinunter, während das schnelle Tuckern des Motors uns vibrieren ließ. Beide Techniker waren in lokalen Dayak-Dörfern aufgewachsen, und es war offensichtlich, dass sie ein umfassendes Wissen über die Gegend besaßen, als sie sich leicht durch den Friedhof umgestürzter Bäume navigierten, die halb im Fluss versunken waren. Während wir uns unserem Ziel näherten, brach die Morgendämmerung an und beleuchtete einen purpurroten Himmel. Der Motor tuckerte noch in seinen letzten Zügen, und wir ließen uns auf das Flussufer zutreiben, das von Schlamm und Abfall gepolstert war. Es war Zeit auszusteigen.
Als Tukijo und ich in das dichte Unterholz eindrangen, begann ein Orchester aus Vögeln, Insekten und Primaten im ganzen Wald ein wahres Crescendo. Der Dschungel erwachte. Von unserem vertrauenswürdigen GPS geleitet, näherten wir uns Kisars Schlafnest. In dem Augenblick begannen die Bäume begonnen zu schwanken und sich unter einem enormen Gewicht zu wiegen. Eine riesige Gestalt in langen roten Haaren schwang sich durch den Baldachin. Es war Frühstückszeit für den gutaussehenden Mann mit Bart, und eine Frucht, bekannt als Tapang, stand auf der Speisekarte. Der sanfte Riese saß in den Bäumen und schluckte an den reifen, saftigen Früchten. Ich saß auf einem Holzstamm, während ich Daten sammelte und den Kaugeräuschen dieses zufriedenen Wesens lauschte.
Einige Zeit war vergangen, und Kisars neugierige Natur schien jetzt zu siegen. Er interessierte sich nicht mehr für sein Frühstück, sondern beschäftigte sich zunehmend mit unserer Anwesenheit. Er umschlang einen Baum, seine Arme und Beine fest darum gewickelt. In einer schnellen Bewegung rutschte er den Stamm hinab, und mit einem leisen Knall schlug sein Hintern auf den Boden. Ich muss zugeben, dass er ziemlich komisch dabei aussah. Trotzdem entfernten wir uns, um bald zu entdecken, dass Kisar uns wie zufällig folgte. Nach ein paar Metern hielt er an und rollte sich auf den Rücken, die Arme hinter den Kopf gestützt. Er lag da wie ein sonnenbadender Wookiee mit glasigen Hündchenaugen.
Zum Glück war Kisar nach einer ersten Inspektion schnell von den haarlosen Wesen mit Klemmbrettern unter den Armen gelangweilt. Das Essen kam ihm wieder in den Sinn, und er kletterte wieder hoch in den Baldachin aus Blättern. Kisar war praktisch nicht mehr zu sehen, aber wir wussten, dass er dort war, weil wir die bekannten Geräusche eines fressenden Orang-Utans wahrnahmen. Die Mittagszeit rückte näher, und der Wald lag still und friedlich da. Es fühlte sich an, als würde alles Leben nach Erleichterung von der saunaähnlichen Hitze der Tropen suchen. Alles war still, bis auf den kleinen Meranti-Zweig, der blütenlos zu Boden schwebte.
Schließlich wurde die Ruhe aber durch ein plötzliches Krachen unterbrochen, als Kisar hektisch vom Baldachin herabstieg. Er hatte die summenden Bewohner eines Bienenstocks verärgert. Indem er seine großen, fleischigen Finger in den klebrigen Honig steckte, hatte er die harte Arbeit der beschäftigten Bienen zerstört. Sie waren, gelinde gesagt, nicht erfreut und hatten Kisar als Vergeltung umschwärmt und ihm ins Gesicht und in die Hände gestochen. Eine Wolke wütender Bienen folgte Kisar, als er wie ein Elefant in einem Porzellanladen durch den Wald sprang. Er fand schließlich Erleichterung am Fluss, wo er Wasser über sein Gesicht spritzte. Nachdem die Bienen die Jagd aufgegeben hatten, ruhte er sich eine Zeit lang mit einem mürrischen Ausdruck auf seinem wunden, zerstochenen Gesicht aus.
Wir folgten Kisar in den folgenden Tagen weiter, um ausreichende Daten über sein Verhalten nach seiner Freilassung im Jahr 2019 zu sammeln. Es war eine unglaubliche Erfahrung, ihn so komfortabel an sein neues Zuhause angepasst zu erleben. Er futterte den ganzen Tag über große Mengen und verbrachte viel Zeit hoch oben im Baldachin. Einmal zeigte er sogar dominante Verhaltensweisen, die die Aufmerksamkeit einer jungen Frau namens Garu auf sich zogen. Während wir seinen Alltag weiterhin überwachen, freuen wir uns, dass alles auf eine erfolgreiche Wiedereingliederung in die Natur hindeutet. Genieße Dein neues Waldheim, Kisar!
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